Nach dem BFH ist ein Bezug von Kindergeld lediglich bei einer vorübergehenden Erkrankung sowie dem Nachweis der Ausbildungswilligkeit möglich. Eine solche vorübergehende Erkrankung liegt vor, soweit diese regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate dauert.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner Entscheidung vom 07.10.2021 (Az: III R 48/19) seine Grundsätze zur Gewährung von Kindergeld bei einem krankheitsbedingten Abbruch einer Ausbildung weiter konkretisiert.
Der Kindergeld Sachverhalt im Besprechungsfall
Die Mutter einer volljährigen Tochter, die noch die Schule besuchte, hat Kindergeld bezogen. Die Familienkasse hob die bestehende Kindergeldfestsetzung auf, da die Schulausbildung des Kindes beendet worden sei. Die Mutter teilte mit, dass das Kind die Schule nach der zwölften Klasse aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen habe und voraussichtlich frühestens Mitte des folgenden Jahres ihre Ausbildung fortsetzen könne. Aus einem beigefügten ärztlichen Attest ergab sich, dass die Tochter sich in stationärer Behandlung befand und nach der Entlassung weiterhin nicht arbeitsfähig war. Es lägen psychische Erkrankungen vor. Zudem übersandte die Mutter eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einer Fachärztin für Allgemeinmedizin, wonach die Arbeitsunfähigkeit ihrer Tochter noch andauere, jedoch die Erkrankung voraussichtlich rechtzeitig zum beabsichtigten Ausbildungsbeginn im kommenden Jahr enden würde.
Die Familienkasse lehnte den Antrag ab. Der Einspruch blieb erfolglos, jedoch war die Klage zum Finanzgericht (FG) erfolgreich. Der BFH war allerdings anderer Auffassung.
Der Anspruch auf Kindergeld
Ausbildungsmaßnahmen werden zwar einerseits durch eine Einschreibung an einer Schule oder Hochschule oder einen Ausbildungsvertrag mit einem Ausbildungsbetrieb indiziert.
Andererseits genügt das rein formale Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses nicht, sofern es an ernsthaften und nachhaltigen Ausbildungsmaßnahmen fehlt. Soweit Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht, liegt keine Ausbildung vor.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird u.a. für den Fall zugelassen, dass die Ausbildung infolge einer Erkrankung unterbrochen wird. Vorausgesetzt wurde insoweit jedoch, dass das Kind einen Ausbildungsplatz hat und ausbildungswillig ist.
Wurde das Ausbildungsverhältnis beendet, fehlt es schon am formalen Fortbestehen eines Ausbildungsverhältnisses. Die tatsächliche Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen ist nicht mehr wegen der Erkrankung, sondern wegen des Wegfalls des Ausbildungsverhältnisses ausgeschlossen.
Dementsprechend kommt eine Berücksichtigung nicht mehr in Betracht, soweit eine Ausbildung infolge einer Erkrankung nicht nur unterbrochen, sondern abgebrochen wurde.
Entscheidung im Besprechungsfall
Für den BFH scheidet eine Berücksichtigung der Tochter als Kind in Ausbildung aus, da sie die Schule nach der zwölften Klasse aus gesundheitlichen Gründen verlassen, die Schulausbildung somit vorzeitig abgebrochen und deshalb auch keine weiteren Ausbildungsmaßnahmen mehr durchgeführt hat.
Zudem fehle es hier an einer vorübergehenden Krankheit und somit an einem Nachweis der Ausbildungswilligkeit, da die Tochter mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate an ihrer Krankheit leide.
Da das FG keine weiteren Feststellungen getroffen hat, ob Kindergeld aus anderen Gründen als wegen der bestehenden Ausbildung gewährt werden könnte, hob der BFH die Entscheidung auf und verwies die Sache zur Klärung der weiteren Voraussetzungen zurück an das FG.
Kindergeld Praxishinweis
Der BFH hat seine Grundsätze für die Gewährung von Kindergeld für Kinder in Ausbildung weiter konkretisiert: Ist ein Kind krankheitsbedingt nicht in der Lage, sich ernsthaft um eine Ausbildung zu bemühen oder sie zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kann es nur dann berücksichtigt werden, wenn es sich um eine vorübergehende Erkrankung handelt und die im Anspruchszeitraum bestehende Ausbildungswilligkeit nachgewiesen wird. Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate anhält.
Quellen:
BFH, Urt. v. 07.10.2021 – III R 48/19
Erstellt von Axel Scholz, RA und StB, FA für Steuerrecht
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