5/5 - (1 vote)

Jahressteuergesetz 2022 Entlastungen und Änderungen.

Wahlrecht Gewinnbesteuerung Betriebsaufgabe

Wann besteht ein Wahlrecht bei der Besteuerung betrieblicher Veräußerungsgewinne? Die ASK Steuerberater Hannover informieren ihre Mandanten.

Bei einer Betriebsveräußerung im Ganzen nach § 16 EStG kann im Fall der Zahlung wiederkehrender Bezüge (z.B. Leibrenten) zwischen Sofort- und Zuflussbesteuerung gewählt werden. Der BFH hat nun klargestellt, dass das Wahlrecht auch dann gilt, wenn bei einer Betriebsaufgabe einzelne Wirtschaftsgüter übertragen werden.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 29.06.2022 (X R 6/20) entschieden, dass ein Steuerpflichtiger, der aufgrund einer Betriebsaufgabe die im Betriebsvermögen enthaltenen Wirtschaftsgüter gegen die Gewährung von wiederkehrenden Bezügen veräußert, wie bei einer Betriebsveräußerung zwischen der Sofortbesteuerung und der Besteuerung im Zeitpunkt des jeweiligen Zuflusses des Gewinns wählen kann.

Die Sachlage im Streitfall der Gewinnbesteuerung auch bei Betriebsaufgabe:

Die Klägerin führte einen Handwerksbetrieb, den sie krankheitsbedingt einstellen musste. Anschließend bezog sie eine Berufsunfähigkeitsrente. 

Im Rahmen der Betriebsaufgabe wurden die einzelnen Wirtschaftsgüter an eine GmbH verkauft gegen die Zahlung einer monatlichen Rente i.H.v. 3.000 €, die ab dem auf das der Übertragung folgenden Kalenderjahr ausgezahlt wurde. Die restlichen Wirtschaftsgüter wurden in das Privatvermögen überführt.

In ihrer Einkommensteuererklärung setzte die Klägerin lediglich die stillen Reserven aus den in das Privatvermögen übertragenen Wirtschaftsgütern als sofort zu besteuernden Betrag an. 

Das Finanzamt (FA) war dagegen der Auffassung, dass auch die stillen Reserven aus der Veräußerung der weiteren Wirtschaftsgüter anzusetzen seien. Daher ermittelte es einen Aufgabegewinn, in welchem auch der Barwert der wiederkehrenden Bezüge i.H.v. monatlich 3.000 € entsprechend berücksichtigt wurde. 

Für den Aufgabegewinn wurde die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG gewährt. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren beim FA wies auch das Finanzgericht die Klage als unbegründet zurück. Der BFH sah die Revision der Klägerin jedoch als begründet an.
Wahlrecht zwischen Sofort- und Zuflussbesteuerung

Wird ein Betrieb gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG mit allen wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert, so kann im Fall der Gewährung von wiederkehrenden Bezügen zwischen einer Sofort- und einer Zuflussbesteuerung gewählt werden. 

Bei der Zuflussbesteuerung erfolgt die Besteuerung der wiederkehrenden Bezüge erst, sobald diese das Kapitalkonto zzgl. der Veräußerungskosten des jeweiligen Betriebs übersteigen. 

Dieses Privileg wurde seitens der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung gewährt, da die Veräußerung gegen wiederkehrende Bezüge für den Veräußerer ein gewisses Risiko aufgrund der Ungewissheit der Rentenlaufzeit beinhaltet. Durch die Versteuerung lediglich der zugeflossenen Bezüge kann dieses Risiko vermieden werden. 

Dagegen wird jedoch in Fällen der Zuflussbesteuerung kein Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG gewährt. Zudem ist auch eine ermäßigte Besteuerung gem. § 34 EStG nicht mit der Zuflussbesteuerung vereinbar.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall

Nach Auffassung des BFH ist das Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung nicht nur bei der Betriebsveräußerung, sondern auch bei einer Betriebsaufgabe zu gewähren. Aufgrund der vergleichbaren Interessenlagen in beiden Fällen ist die ausschließliche Gewährung des Privilegs der Zuflussbesteuerung bei der Betriebsveräußerung nicht zu rechtfertigen. 

Etwas anderes gilt jedoch bei der Veräußerung von einzelnen Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen. Hier vertritt der BFH weiterhin die Ansicht, dass die Zuflussbesteuerung nicht zu gewähren ist.
Praxishinweis

Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen, da sie Steuerpflichtigen wie im Streitfall die nötige Flexibilität einräumt, auch bei einer Betriebsaufgabe über den Zeitpunkt der Besteuerung zu bestimmen. Die Kapitalisierung der wiederkehrenden Bezüge stellt in Fällen eines frühen Todes des Veräußerers einen Härtefall dar, da der Tod kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist. 

Daher ist es erfreulich, dass der Veräußerer aufgrund des Wahlrechts zur Zuflussbesteuerung bei einer Betriebsaufgabe nun zumindest selbst darüber entscheiden kann, ob er ein derartiges Risiko eingehen möchte.

BFH, Urt. v. 29.06.2022 – X R 6/20
Erstellt von Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)

Related posts