Abgeltungsteuer

Auf Zinsen, Dividenden oder Gewinne aus Kapitalerträgen wird pauschal 25 Prozent Abgeltungssteuer erhoben.

  • Neben der Abgeltungssteuer werden in der Regel noch ein Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer direkt von Ihrem Kreditinstitut an das Finanzamt abgeführt.

1. Allgemeiner Überblick

Die Änderung der Besteuerung der Kapitaleinkünfte wurde durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) zum 1.1.2009 umgesetzt (§ 52a Abs. 15 EStG). Zu Einzelfragen hinsichtlich der Abgeltungsteuer siehe BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85. Das BMF-Schreiben vom 18.1.2016 wurde zuletzt mit BMF-Schreiben vom 16.9.2019, BStBl I 2019, 889 (LEXinform 5236939) geändert bzw. ergänzt. So wurde in Rz. 8a, in der es um Vollrisikozertifikat geht, klargestellt, dass eine Einlösung ein Veräußerungstatbestand i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG darstellt und die Anschaffungskosten des Zertifikates als Verlust zu berücksichtigen sind (s.a. BFH Urteil vom 20.11.2018, VIII 37/15, BStBl II 2019, 507).

Die konkrete Regelung zur Anwendung der jeweiligen Änderung findet sich in Rz. 324 des überarbeiteten Schreibens.

1.1. Überblick über die Besteuerung im Rahmen des Veranlagungsverfahrens:

Grundsätzlich ist die ESt für Kapitalerträge mit dem Einbehalt der KapESt und des SolZ abgegolten (§ 43 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 SolzG). § 32d EStG enthält Regelungen für eine besondere Besteuerung der Kapitalerträge im Rahmen des Veranlagungsverfahrens:

  • Pflichtveranlagung zum pauschalen Abgeltungsteuersatz nach § 32d Abs. 3 EStG, wenn kein KapESt-Einbehalt vorgenommen wurde, z.B. bei ausländischen Depots (ABC der Kapitalanlagen – Ausländische Kapitalerträge) oder privaten Darlehen (Zeilen 14 bis 19 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 144),
  • Wahlveranlagung zum pauschalen Abgeltungsteuersatz (Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge), zur Berücksichtigung besonderer Umstände (§ 32d Abs. 4 EStG; Zeile 5 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 145 bis 147),
  • Wahlveranlagung zum individuellen Steuersatz (Günstigerprüfung), sofern dieser niedriger als der Abgeltungsteuersatz von 25 % ist (§ 32d Abs. 6 EStG; Zeile 4 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 149 bis 151),
  • Ausnahmen vom Abgeltungsteuersatz zu erfassende Kapitalerträge gem. § 32d Abs. 2 EStG (zwingende Gründe z.B. bei Kapitalüberlassung an nahestehende Personen oder von Anteilseignern nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG aber auch auf Antrag in den Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG, Zeilen 20 bis 24 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 134 bis 143).

Die Abgeltungsteuerregelung gilt ausschließlich für den Bereich der privaten Kapitaleinkünfte. Gehören Kapitaleinkünfte zu anderen Einkunftsarten (§ 20 Abs. 8 EStG), sind sie dort zu erfassen. Der einheitliche Steuersatz ist dann nicht anwendbar, angefallene Werbungskosten sind berücksichtigungsfähig; es gilt das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 EStG: 40 % steuerfrei). Die anzurechnende KapESt, der SolZ und die KiSt sind in den Zeilen 47 bis 56 der Anlage KAP 2016 zu erfassen.

Die KiSt wird bei der Abgeltungsteuer als Zuschlagsteuer erhoben und der Abzug als Sonderausgabe direkt im modifizierten Abgeltungsteuersatz berücksichtigt (§ 32d Abs. 1 EStG; § 43a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG i.V.m. § 51a Abs. 2b bis 2e EStG). Wahlweise kann die Veranlagung der KiSt erfolgen (Zeile 6 der Anlage KAP 2016).

Durch eine Nichtveranlagungsbescheinigung oder einen Freistellungsauftrag kann der Abzug der Abgeltungsteuer vermieden werden (→ Kapitalertragsteuer).

Ab dem VZ 2009 sind die Kapitaleinkünfte zu unterteilen in

  1. Kapitalerträge, für die der Abgeltungsteuersatz des § 32d Abs. 1 EStG gilt und
    1. die dem Steuerabzug unterlegen haben,
    2. die nicht dem Steuerabzug unterlegen haben, sowie
  2. Kapitalerträge, die der tariflichen ESt unterliegen,
  3. Kapitalerträge, für die zur Progressionsbesteuerung optiert werden kann.

Das FG Köln hat mit Urteil vom 17.4.2013 (7 K 244/12, EFG 2013, 1328, LEXinform 5015015,) entschieden, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit Kapitalerträgen, die dem Stpfl. vor dem 1.1.2009 zugeflossen sind, weiterhin unbeschränkt als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden können. Das in einem Revisionsverfahren beim BFH überprüfte Urteil des FG Köln wurde durch denselben aufgehoben (BFH Urteil vom 2.12.2014, VIII R 34/13, BStBl II 2015, 387).

Entscheidungsgründe:

Der BFH führt in seiner Urteilsbegründung aus, dass mit der Einführung der Abgeltungssteuer für private Kapitalerträge ein Abzugsverbot für Werbungskosten angeordnet worden sei (vgl. auch BFH Urteil vom 1.7.2014, VIII R 53/12). Das Abzugsverbot für Werbungskosten solle auch dann gelten, wenn durch die Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG festgestellt werde, dass die Anwendung des individuellen Steuersatzes günstiger als die Abgeltungssteuer sei.

Eine Ungleichbehandlung zwischen Einkünften aus Kapitalvermögen zu Einkünften aus den übrigen Einkunftsarten sei durch den Vereinfachungs- und Pauschalierungszweck des § 20 Abs. 9 EStG gerechtfertigt. Der Abzug tatsächlicher Werbungskosten sei bereits durch § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen. Ziel des Gesetzgebers sei es mit der Einführung der Abgeltungsteuer gewesen, die Einkünfte aus Kapitalvermögen mit einem linearen Steuertarif i.H.v. 25 % und nicht mit einem progressiven Steuertarif von bis zu 45 % zu besteuern. Des Weiteren sei zu beachten, dass sich § 20 Abs. 9 EStG nicht auf zufließende Kapitalerträge, sondern auf abfließende Werbungskosten beziehe und durch das Urteil des FG Köln Ungleichbehandlungen und Systembrüche entstehen würden. Aus den genannten Gründen entsteht somit ein definitives Abzugsverbot für nachträglich entstandene Schuldzinsen bei Kapitaleinkünften im Rahmen der Abgeltungsteuer.

Gegensätzlich vertritt der BFH in seinem Urteil vom 27.8.2014 (VIII R 60/13, BStBl II 2015, 255) die Auffassung, dass in 2008 abgeflossene Darlehenszinsen als Werbungskosten berücksichtigt werden können, wenn die Einkünfte aus Kapitalvermögen ein Jahr später (in diesem Fall Zinsen aus einer Festgeldanlage) zufließen. § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG sei erstmalig ab dem VZ 2009 anzuwenden. Nach Auffassung des BFH ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 9 EStG, dass dieser erstmalig auf Kapitalerträge anzuwenden sei, die nach dem 31.12.2008 zufließen würden. Eine mögliche Geltung des § 20 Abs. 8 EStG hinsichtlich Werbungskosten, die mit ab dem 1.1.2009 zufließenden Kapitalerträgen verbunden sind, aber vorher bereits angefallen sind, kann dem Wortlaut nicht entnommen werden. Einkünfte aus Kapitalvermögen sind gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 veranlagungszeitraumbezogen zu ermitteln.

Das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG findet allerdings auch dann Anwendung, wenn Ausgaben, die nach dem 31.12.2008 getätigt wurden, mit Kapitalerträgen zusammenhängen, die bereits vor dem 1.1.2009 zugeflossen sind; vgl. BFH Urteil vom 28.2.2018, VIII R 41/15 (LEXinform 0950603).

1.2. Besteuerung der Erträge aus Investmentfonds ab 1.1.2018

Inländische Fonds behielten bis 31.12.2017 die Steuern bei der Ausschüttung der Erträge von den Anlegern ein. Insbesondere bei thesaurierten Erträgen (s.u.) erfolgte jedoch im Rahmen der Veranlagung zudem eine Besteuerung im Jahr, in dem die Erträge erwirtschaftet wurden. Entsprechend mussten die doppelt erfassten Erträge im Ausschüttungsjahr entsprechend verringert werden, dies hatte ebenfalls personell im Rahmen der Veranlagung zu erfolgen und war sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für das Finanzamt mühselig und fehlerbehaftet. Ab 2018 wurde diese Besteuerung geändert.

Mit dem Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung vom 19.7.2016 (Investmentsteuerreformgesetz, BGBl I 2016, 1730, BStBl I 2016, 731), welches zum 1.1.2018 in Kraft getreten ist, wird ein transparentes durch ein intransparentes Steuersystem abgelöst. Wurden beim bisherigen Transparenzsystem die Fondserträge direkt beim Anleger steuerlich erfasst, werden beim intransparenten Steuersystem die Investmentfonds selbst partiell körperschaftsteuerpflichtig.

Bisher wurden thesaurierte Erträge als sog. ausschüttungsgleiche Erträge besteuert.

Die ausschüttungsgleichen Erträge werden durch das InvStG 2018 durch eine Vorabpauschale ersetzt. Diese wird aus Vereinfachungsgründen pauschal ermittelt.

Die Vorabpauschale gilt am ersten Werktag des Folgejahres als zugeflossen. Da die Vorabpauschale für 2018 somit erst im Jahr 2019 als zugeflossen gilt, enthalten die Vordruckentwürfe für den VZ 2018 hierzu keine Abfragen. Auch entsprechende Erläuterungen werden erst im Rahmen der Veröffentlichung der Vordruckentwürfe für den VZ 2019 erfolgen.

Die in der Steuerbescheinigung auszuweisenden Angaben wurden bereits an die geänderte Rechtslage angepasst (vgl. BMF vom 15.12.2017). Die Investmenterträge sind in der Steuerbescheinigung als Teil der Kapitalerträge enthalten und werden grundsätzlich nicht gesondert ausgewiesen. Die Teilfreistellungsbeträge sind bereits berücksichtigt, so dass nur die Nettobeträge in der Steuerbescheinigung ausgewiesen werden (BMF vom 15.12.2017, Rz. 29). Auf eine zusätzliche Erfassung der Investmenterträge oder der Teilfreistellung nach dem InvStG wurde daher bei Beträgen, die aus der Steuerbescheinigung übernommen werden können, verzichtet.

Für den Gewinn aus der Veräußerung von bestandsgeschützten Alt-Anteilen wird für die Wertveränderungen ab dem 1.1.2018 ein personengebundener Freibetrag von 100 000 € gewährt (§ 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 InvStG). Voraussetzung ist, dass die Alt-Anteile seit der Anschaffung nicht im Betriebsvermögen gehalten wurden.

Der Freibetrag findet beim Steuerabzug keine Anwendung, sondern wird nur im Rahmen der Veranlagung berücksichtigt. Im nachrichtlichen Teil der Steuerbescheinigung werden hierzu jeweils die Summe der Gewinne aus bestandsgeschützten Alt-Anteilen und die Summe der Verluste aus bestandsgeschützten Alt-Anteilen gesondert ausgewiesen. Der am Schluss des Veranlagungszeitraums verbleibende Freibetrag ist bis zu seinem vollständigen Verbrauch jährlich gesondert festzustellen (§ 56 Abs. 6 Satz 2 InvStG). Die Veräußerungsgewinne/-verluste von bestandsgeschützten Alt-Anteilen werden in der Anlage KAP 2018 mit einer neuen Zeile (Zeile 8a) gesondert abgefragt, um den Freibetrag nach § 56 Abs. 6 Nr. 2 InvStG automationstechnisch fortschreiben zu können (»In Zeile 7 enthaltene Veräußerungsgewinne/-verluste aus bestandsgeschützten Alt-Anteilen i.S.d. § 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 InvStG«).

Investmenterträge, die nicht dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben, sind nun in den entsprechenden Zeilen 4 bis 8 und/oder 9 bis 23 der neuen Anlage KAP-INV 2018 zu erklären.

2. Gesonderter Steuertarif nach § 32d EStG

2.1. Abgeltungsteuer

Für Einkünfte aus Kapitalvermögen

  • im Privatvermögen
  • und solche, die nicht unter die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung fallen (Einkünfte, die nicht unter § 20 Abs. 8 EStG fallen)

beträgt der gesonderte Steuertarif nach § 32d EStG 25 % (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 132). Die ESt (Abgeltungsteuer) wird als KapESt nach § 43 EStG (für Veräußerungen i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG nach § 43 Abs. 1 Nr. 9 EStG) an der Quelle erhoben. Nach § 43 Abs. 5 EStG ist für Kapitalerträge i.S.d. § 20 EStG, die der KapESt unterlegen haben, die ESt mit dem Steuerabzug abgegolten (ABC der Kapitalanlagen – Abgeltungswirkung). Die KapESt beträgt nach § 43a Abs. 1 Nr. 1 25 % des Kapitalertrags. Nach § 43a Abs. 2 EStG unterliegen der KapESt die vollen Kapitalerträge ohne jeden Abzug.

Unter den Voraussetzungen des § 44a Abs. 1 Nr. 1 EStG ist vom Steuerabzug in den Fällen Abstand zu nehmen, soweit die Kapitalerträge den Sparer-Pauschbetrag nicht übersteigen (→ Kapitalertragsteuer). Zum Kirchensteuerabzug s. → Kirchensteuer.

Mit der Wirkung der Abgeltungsteuer auf die Einkünfteerzielungsabsicht befasste sich der achte Senat des BFH. Die mit der Abgeltungsteuer als Schedule eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) bedingen eine tatsächliche Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht. Sie gilt auch hinsichtlich von Verlusten aus der Veräußerung einer Lebensversicherung, BFH Urteil vom 14.3.2017, VIII R 38/15 (LEXinform 0950604). Den Verlust machte der Kläger als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG geltend. Der Kläger hat durch die Veräußerung der Ansprüche aus der fondsgebundenen Lebensversicherung die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG erfüllt. Gemäß § 20 Abs. 4 EStG ergibt sich daraus ein Verlust. Im Streitfall fehlen relevante Anhaltspunkte für eine Widerlegung der Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers. Der Verlust war daher anzuerkennen.

Da nach Einführung der Abgeltungsteuer durch das UntStRG 2008 die traditionelle Quellentheorie mit der Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgegeben wurde, fallen Stückzinsen unter den Veräußerungstatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG. Nach der Übergangsvorschrift des § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 werden Stückzinsen auch dann besteuert, wenn die veräußerte Forderung vor dem 1.1.2009, also der Einführung der Abgeltungsteuer, erworben wurde. In zwei Urteilen bestätigte der BFH die Anwendung der Abgeltungsteuer auf diese Stückzinsen. Zwar hat der Gesetzgeber durch § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG i.d.F. des JStG 2010 die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG für Kapitalerträge aus der Veräußerung von Kapitalforderungen, die vor dem 1.1.2009 erworben wurden, grundsätzlich ausgeschlossen. Mit § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 2 EStG hat der Gesetzgeber aber eine Rückausnahme normiert, nach der für die bei der Veräußerung in Rechnung gestellten Stückzinsen § 52a Abs. 10 Satz 6 EStG anzuwenden ist. Danach unterliegen alle nach dem 31.12.2008 zufließenden Stückzinsen der Besteuerung – unabhängig davon, wann die Kapitalforderung erworben wurde. Die Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 2 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (nunmehr § 52 Abs. 28 Satz 16 Halbsatz 2 EStG) führt nicht zu einer echten Rückwirkung hinsichtlich der Besteuerung von Stückzinsen im Veranlagungszeitraum 2009, da sie lediglich die bereits bestehende Rechtslage klarstellt (BFH Urteile vom 7.5.2019, VIII R 31/15, BStBl II 2019, 577 – LEXinform 0950526 u. VIII R 22/15, BStBl II 2019, 576 – LEXinform 0950347).

Auch der Verzicht eines Gesellschafters auf eine Darlehensforderung gegen die Gesellschaft kann nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust bei den Einkünften aus KapVerm führen (BFH vom 6.8.2019, VIII R 18/16, LEXinform 0951011) und s.a. BFH-Pressemitteilung vom 14.11.2019 (LEXinform 0450605).

2.2. Berücksichtigung der Kapitaleinkünfte ohne Kapitalertragsteuerabzug

§ 32d Abs. 3 EStG stellt klar, dass Kapitalerträge, die nicht der KapESt unterlegen haben (z.B. Zinsen aus § 20 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG, private Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, deren Schuldner kein Kreditinstitut i.S.v. § 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b EStG, sondern eine Privatperson ist, Veräußerungsgewinne i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 6 und 7 EStG, Veräußerungsgewinne aus GmbH-Anteilen, ABC der Kapitalanlagen – Grundschuldzinsen – Diskontbeträge – Veräußerungsvorgänge bei Personengesellschaften – Zinsen aus Lebensversicherungen; → Kapitalertragsteuer) in der Veranlagung gem. §§ 25 ff. EStG zu berücksichtigen sind, sodass der Stpfl. diese in seiner ESt-Erklärung anzugeben hat (Zeilen 14 bis 19 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 144). Die tarifliche ESt erhöht sich in diesen Fällen grundsätzlich um 25 % dieser Einkünfte. Nach § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG werden bei der Ermittlung der tariflichen ESt die Kapitalerträge ohne Kapitalertragsteuerabzug nicht berücksichtigt (s.a. § 2 Abs. 5b Satz 1 EStG); deshalb ist nach § 2 Abs. 6 EStG die tarifliche ESt um die nach § 32d Abs. 1 EStG ermittelte ESt zu erhöhen.

2.3. Antrag auf Steuerfestsetzung der Kapitaleinkünfte mit Kapitalertragsteuerabzug

Nach § 32d Abs. 4 EStG hat der Stpfl. die Option, die Kapitaleinkünfte, die der KapESt unterlegen haben, im Rahmen der ESt-Veranlagung zu erklären, um beim KapESt-Abzug nicht berücksichtigte Tatbestände steuermindernd geltend zu machen (Zeile 5 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 145 bis 147). Insbesondere kommen folgende Gründe in Betracht:

  • Der Sparer-Pauschbetrag wurde nicht vollständig ausgeschöpft.
  • Der Verlustvortrag nach § 20 Abs. 6 EStG soll berücksichtigt werden. Zur Verlustverrechnung bei Einkünften aus Kapitalvermögen s. → Einkünfte aus Kapitalvermögen.
  • Beim KapESt-Abzug wurde der steuermindernde Effekt der KiSt-Zahlung noch nicht berücksichtigt.
  • Beim KapESt-Abzug sind Korrekturen vorzunehmen, die nicht von der auszahlenden Stelle durchgeführt werden. Dies muss die auszahlende Stelle nach § 20 Abs. 3a Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) bescheinigen.

Zur Günstigerprüfung s.a. Sikorski, NWB 2011, 1064 (ABC der Kapitalanlagen und -einkünfte – Veranlagungswahlrecht).

2.4. Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 6 EStG

Nach § 32d Abs. 6 EStG kann der Stpfl. auf die Anwendung des § 32d EStG verzichten (s.a. → Kontenabruf). Danach werden die Kapitaleinkünfte den anderen Einkünften des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen ESt unterworfen, wenn diese zu einer niedrigeren ESt führt (Günstigerrechnung; Zeile 4 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 149 bis 151). Damit wird für Stpfl., deren persönlicher Steuersatz niedriger als der Abgeltungsteuersatz ist, die Möglichkeit geschaffen, dass ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen diesem niedrigeren Steuersatz unterworfen werden. Das FA prüft im Rahmen der Günstigerprüfung von Amts wegen, ob die Anwendung der allgemeinen Regelungen (insbesondere unter Berücksichtigung des Grundfreibetrages und des Altersentlastungsbetrages) zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung führt. Sollte dies nicht der Fall sein, gilt der Antrag als nicht gestellt (ABC der Kapitalanlagen und -einkünfte – Veranlagungswahlrecht).

Bei Ansatz der tariflichen ESt ist die KiSt auf Kapitalerträge als Sonderausgabe abzugsfähig (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG; BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 150).

Der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist auch im Rahmen der Günstigerprüfung ausgeschlossen (§ 20 Abs. 9 EStG; BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 150).

Das FG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 17.12.2012 (9 K 1637/10, EFG 2013, 1041, LEXinform 3500058) entschieden, dass der Abzug von Werbungskosten in tatsächlicher Höhe bei den Einkünften aus Kapitalvermögen jedenfalls in den Fällen auf Antrag möglich ist, in denen der tarifliche Einkommensteuersatz bereits unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags unter dem Abgeltungsteuersatz von 25 % liegt. Im Rahmen des Revisionsverfahrens hat der BFH entschieden, dass auch bei der sog. »Günstigerprüfung« § 20 Abs. 9 EStG anwendbar sei. Ein Abzug der tatsächlich angefallenen Werbungskosten zur Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen sei aus diesem Grund nicht möglich (BFH Urteil vom 28.1.2015, VIII R 13/13, BStBl II 2015, 393).

Entscheidungsgründe:

Nach Auffassung des BFH sei die verfassungskonforme Auslegung des FG hinsichtlich § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG, dass die tatsächlich entstandenen Werbungskosten abzugsfähig seien, wenn der individuelle Steuersatz unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags unter 25 % liege, falsch. Bei der durchzuführenden Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG sei die Anwendung des progressiven Regelsteuersatzes und nicht der Abgeltungssteuersatz einschlägig. Dies bedeute, dass auch bei einer durchzuführenden Günstigerprüfung das Verbot des Abzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten gem. § 20 Abs. 9 EStG einschlägig sei. Die Günstigerprüfung sei als »Billigkeitsmaßnahme« zu verstehen; gleichermaßen sollten die Anwender nicht vollständig aus dem System der Abgeltungsteuer ausscheiden.

Der entsprechende Antrag kann bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides gestellt werden bzw. solange eine Änderung nach den Vorschriften der AO (z. B. § 164 Abs. 2 AO) oder den Einzelsteuergesetzen möglich ist. §§ 177 und 351 Abs. 1 AO sind zu beachten (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 145 und 149).

Mit Urteil vom 12.5.2015 hat der BFH (BFH vom 12.5.2015, VIII R 14/13, BStBl II 2015, 806) entschieden, dass:

»1. Der zeitlich unbefristete Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG nach der Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids nur dann zu einer Änderung der Einkommensteuerfestsetzung führen kann, wenn die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift erfüllt sind.

2. Führt die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG insgesamt zu einer niedrigeren Einkommensteuer, kommt eine Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nur dann in Betracht, wenn den Steuerpflichtigen an dem nachträglichen Bekanntwerden der abgegolten besteuerten Kapitaleinkünfte kein grobes Verschulden trifft.

3. Weder der Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG noch die Vorlage einer Steuerbescheinigung sind ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.«

In dem Verfahren VIII R 14/13 stellte die Klägerin nach Ablauf der Einspruchsfrist für ihren Einkommensteuerbescheid einen Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Danach werden auf Antrag des Steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte nicht nach § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25 %, sondern nach dem individuellen Steuersatz des Steuerpflichtigen besteuert, da ihr individueller Steuersatz unter 25 % lag. Finanzamt und Finanzgericht lehnten eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides ab.

Der BFH hatte jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift verneint. Zwar wurde dem FA erst nach der Steuerfestsetzung bekannt, dass die Klägerin Kapitaleinkünfte erzielt hatte, die bei der nach § 32d Abs. 6 EStG angeordneten Gesamtbetrachtung der Besteuerungsgrundlagen zu einer niedrigeren Steuer geführt hätten. Eine Korrekturmöglichkeit für derartige »neue Tatsachen« nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist jedoch nur möglich, wenn den Steuerpflichtigen an dem nachträglichen Bekanntwerden kein Verschulden trifft. Der BFH hat hier ein Verschulden bejaht, da die Klägerin die Steuerbescheinigung über die einbehaltene Kapitalertragsteuer bereits vor der Abgabe der Einkommensteuererklärung erhalten hatte. Anders als bei der früheren Verwaltungsauffassung (z.B. LfSt Bayern mit Vfg. vom 16.2.2012 (S 0351 2.1 – 17/1 St 42, LEXinform 5233824) wird hier vom BFH bei Prüfung der Korrekturvorschrift nicht zwischen Steuerfestsetzung (Erhöhung, daher Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO = grobes Verschulden nicht zu prüfen) und Erhebung (Anrechnung) differenziert. Der BFH schaut auf das Ergebnis und kommt daher hier zu dem Schluss, dass § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO (Änderung zu Gunsten) zu prüfen ist. Diese Vorschrift ist dann jedoch nicht anzuwenden, da die nachträgliche Vorlage der Bescheinigung grob schuldhaft ist. Positiv ist allerdings, dass der BFH nicht fordert, dass der Antrag auf Günstigerprüfung immer bis zum Eintritt der Bestandskraft (Ablauf Rechtsbehelfsfrist) erfolgen muss. Dies hat Bedeutung für Fälle, in denen der Bescheid aus anderen Gründen geändert wird.

Zur Abgeltungsteuer im System der Einkommensbesteuerung s. Gieralka, Steuer & Studium 2009, 539; zur Günstigerprüfung s. Sikorski, NWB 2011, 1064 sowie Hechtner, Panorama, NWB 2011, 1769.

3. Nichtanwendung des Abgeltungsteuersatzes

3.1. Kapitalerträge bei anderen Einkunftsarten

Die Abgeltungsteuer gilt nicht für Kapitalerträge, die zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung gehören (§ 32d Abs. 1 Satz 1 EStG). Werden Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im (Sonder-) Betriebsvermögen gehalten, unterliegen die Erträge ab dem 1.1.2009 dem Teileinkünfteverfahren und nicht der Abgeltungsteuer (§ 3 Nr. 40 Satz 2 EStG). Betriebsausgaben können zu 60 % steuerlich berücksichtigt werden (§ 3c Abs. 2 EStG). Unabhängig davon ist allerdings ein Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 EStG; ABC der Kapitalanlagen – Halbeinkünfteverfahren). Die KapESt, der SolZ und die KiSt sind in den Zeilen 53 bis 55 der Anlage KAP 2016 zu erfassen.

3.2. Besondere Kapitalerträge

3.2.1. Ausschluss der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG

§ 32d Abs. 2 EStG legt als Ausnahme zu § 32d Abs. 1 EStG den Kreis solcher Kapitalerträge fest, die nicht unter den abgeltenden Steuersatz von 25 % fallen, sondern für die gemeinsam mit den Einkünften aus den anderen Einkunftsarten der progressive ESt-Tarif gilt. Durch § 32d Abs. 2 Nr. 1 bis 3 EStG sollen typisierte Missbrauchsfälle unterbunden werden.

Unter die Ausnahmeregelung fallen Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6 Satz 2 und 7 sowie Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 7 EStG, also insbesondere Einkünfte im Zusammenhang mit Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, Darlehensvereinbarungen sowie mit einer Beteiligung als stiller Gesellschafter (Zeilen 20 bis 24 der Anlage KAP 2016).

Beispiel 1:

Stpfl.Nahe stehende PersonStpfl. oder nahe stehende PersonKapitalgesellschaftStpfl.Bank
Darlehensvertrag (betrieblich oder im Zusammenhang mit Vermietung und Verpachtung)Der Stpfl. ist zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt. Gesellschafterdarlehen (betrieblich)Unterhält bei der Bank eine EinlageBank vergibt in gleicher Höhe einen Kredit an den Stpfl.
Zinserträge daraus (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG)Schuldzinsen daraus Betriebsausgaben oder Werbungskosten (Steuerentlastung max. 45 %)Zinserträge daraus (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) an Stpfl. oder nahe stehende PersonSchuldzinsen daraus im betrieblichen BereichBack-to-back-Finanzierung: Die Einkünfte aus der Einlage unterliegen dem progressiven ESt-Tarif, sofern die Bank auf den Stpfl. oder die nahe stehende Person aufgrund eines rechtlichen Anspruchs (z.B. Bürgschaft) oder einer dinglichen Sicherheit wie z.B. Grundschuld zurückgreifen kann.
Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 134 bis 136)Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 137)Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c EStG. Das gilt auch, wenn das überlassene Kapital vom Gläubiger der Kapitalerträge für die Erzielung von Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG eingesetzt wird.
Die Zinserträge unterliegen dem progressiven ESt-Tarif.
3.2.1.1. Darlehen an nahe stehende Personen nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG

Der VIII. Senat des BFH hat mit drei Urteilen vom 29.4.2014 (VIII R 9/13, VIII R 35/13 und VIII R 44/13, BStBl II 2014, 986, 990 und 992) entschieden, dass die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25 % (sog. Abgeltungsteuersatz) nicht schon deshalb nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen ist, weil Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige i.S.d. § 15 der Abgabenordnung sind.

Der BFH ließ damit zu, dass die Kapitalerträge der Darlehensgeber gem. § 32d Abs. 1 EStG nach dem günstigeren Abgeltungssteuersatz besteuert werden können.

Zwar ist nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG der Abgeltungssteuersatz ausgeschlossen, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge »einander nahe stehende Personen« sind. Der gesetzliche Tatbestand sei nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein solches Näheverhältnis nur dann vorliege, wenn auf eine der Vertragsparteien ein beherrschender oder außerhalb der Geschäftsbeziehung liegender Einfluss ausgeübt werden könne oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen bestehe.

Danach ist ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S.d. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu begründen.

Hält der Darlehensvertrag einem Fremdvergleich stand, kann im Übrigen nicht bereits aufgrund des Fehlens einer Besicherung oder einer Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung auf eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des Abgeltungssteuersatzes geschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund des Steuersatzgefälles ein Gesamtbelastungsvorteil entsteht, da Ehe und Familie bei der Einkünfteermittlung keine Vermögensgemeinschaft begründen. Diese Urteile wurden im BStBl veröffentlicht und sind allgemein anzuwenden. Soweit der Darlehensnehmer die gezahlten Schuldzinsen nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzieht, war auch schon bisher die Anwendung des günstigeren Abgeltungssteuersatzes möglich.

Mit Schreiben vom 9.12.2014 (BStBl I 2014, 1608) hat das BMF diese Grundsätze übernommen und die Rz. 136 des mittlerweile neu veröffentlichten BMF-Schreibens vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85) wie folgt ergänzt:

»Von einem solchen Beherrschungsverhältnis ist auszugehen, wenn der beherrschten Person auf Grund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt (BFH Urteile vom 29. April 2014, VIII R 9/13, VIII R 35/13, VIII R 44/13, BStBl 2014 II S. 986, 990 und 992).«

Beispiel 2:

Der Vater (V) gewährt seiner Tochter (T) im Jahr 2013 ein Darlehen über 100 000 €. Das Geld nutzt die Tochter zum Erwerb (Anschaffungskosten 300 000 €) eines zu 70 % zu eigenen Wohnzwecken und zu 30 % zu fremden Wohnzwecken vermieteten ZFH.

Der Darlehensvertrag ist steuerlich anzuerkennen. Zins (4 % p.a.) und Tilgung werden vertragsgemäß gezahlt.

Die Abgrenzung, wann ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann, ist im Einzelfall sehr schwierig. Problematisch dürfte das Näheverhältnis zu minderjährigen Kindern und Ehegatten sein.

Siehe auch BFH vom 28.01.2015, VIII R 8/14.

Leitsätze:

1. Gewährt der Steuerpflichtige seinem Ehegatten ein Darlehen zur Anschaffung einer fremdvermieteten Immobilie und erzielt er hieraus Kapitalerträge, ist die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige auf den von ihm finanziell abhängigen Ehegatten bei der Gewährung des Darlehens einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.

2. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG, da er nicht an das persönliche Näheverhältnis der Ehegatten anknüpft, sondern auf der finanziellen Abhängigkeit des Darlehensnehmers vom Darlehensgeber beruht.

Entscheidungsgründe:

Im entschiedenen Urteilsfall verblieb der Klägerin (Ehefrau) hinsichtlich der Finanzierung kein eigener Entscheidungsspielraum, da ein fremder Dritter den Erwerb und die Renovierung des (Vermietungs-)Objekts durch die Klägerin nicht zu 100 % finanziert hätte. Danach war die Klägerin bei der Aufnahme der Darlehen von dem Kläger (Ehemann) als Darlehensgeber (absolut) finanziell abhängig, sodass ein Beherrschungsverhältnis vorliegt, das gem. § 32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG zum Ausschluss der Anwendung des gesonderten Tarifs für Kapitaleinkünfte führt.

3.2.1.2. Darlehnszinsen von einer Kapitalgesellschaft § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG

Der BFH entschied in seinem Urteil (BFH vom 29.4.2014, VIII R 9/13), dass die Privilegierung von Einkünften aus Kapitalvermögen (Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG) gegenüber anderen Einkunftsarten verfassungsgemäß sei. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes gem. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 2 Abs. 1 GG, da bei einer Begünstigung einer Gesellschafterfremdfinanzierung das wirtschaftspolitische Lenkungsziel des Gesetzgebers, durch die Einführung eines Abgeltungsteuersatzes die Standortattraktivität Deutschlands im internationalen Wettbewerb für private Anleger zu erhöhen, verfehlt würde. Die Beteiligungsgrenze von mindestens 10 % an der Schuldnerin der Kapitaleinkünfte verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da sie jedenfalls nicht willkürlich ist. Die gegen dieses Urteil erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG vom 7.4.2016, 2 BvR 2325/14.

Beispiel 3:

X ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH. X hat der GmbH zusätzlich neben seinen im Privatvermögen gehaltenen Anteilen ein (steuerlich anzuerkennendes) Darlehen über 100 000 € gewährt. Neben den jährlichen Zinsen i.H.v. 5 000 € (Zahlung 1.12.) erhält X durch Beschluss vom 15.7. eine Ausschüttung i.H.v. 1 000 € (brutto).

Mit BFH-Urteil vom 20.10.2016 (VIII R 27/15) entschied der BFH, dass der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG bei einer Darlehensgewährung an eine Kapitalgesellschaft allerdings nicht schon deshalb nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG ausgeschlossen ist, weil der Gläubiger der Kapitalerträge mittelbar zu mindestens 10 % an der Schuldnerin beteiligt ist (entgegen BMF-Schreiben vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Tz 137). Sind jedoch Anteilseignerin und Schuldnerin (Enkelgesellschaft) der Kapitalerträge jeweils Kapitalgesellschaften, kann der Steuerpflichtige als Gläubiger der Kapitalerträge jedenfalls dann eine der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft nahe stehende Person i.S.d. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG sein, wenn er aufgrund seiner Beteiligung über die Mehrheit der Stimmrechte in deren Gesellschafterversammlung verfügt. Im Urteilsfall hatten die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann ein Grundstück an eine Kapitalgesellschaft veräußert. An dieser Kapitalgesellschaft (Enkelgesellschaft) waren sie nicht unmittelbar beteiligt. Die Kaufpreisforderung wurde schließlich in ein verzinsliches Darlehen umgewandelt. Die Klägerin war jedoch mit 10,86 % und später 22,80 % des Stammkapitals an einer weiteren Kapitalgesellschaft (Muttergesellschaft) beteiligt, diese wiederum hielt 94 % der Anteile an der Enkelgesellschaft. Da die Klägerin jedoch zu keinem Zeitpunkt über eine Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Muttergesellschaft verfügte, war sie im Verhältnis zur Enkelgesellschaft demnach keine nahe stehende Person gem. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG.

Dass es auf die Mehrheit der Stimmrechte in deren Gesellschafterversammlung ankommt, bestätigte der BFH mit Urteil X R 9/17 vom 9.7.2019 (LEXinform 0951501). In diesem Fall ging es auch aufgrund eines beträchtlichen Kreditvolumens um die Abgrenzung von einer gewerblichen Darlehenshingabe zur noch vorliegenden privaten Vermögensverwaltung. Insbes. die bloßen Darlehensgewährungen führen zu keiner sachlichen Verflechtung und begründen keine Betriebsaufspaltung.

3.2.2. Ausnahme i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG

Leistungen aus Lebensversicherungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG fallen ebenfalls nicht unter den Abgeltungstarif von 25 %. Betroffen sind nach dem 31.12.2004 abgeschlossene Lebensversicherungen, bei denen die Versicherungsleistung nach Vollendung des 60. Lebensjahres und nach Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsabschluss ausgezahlt wird. Bei diesen Leistungen beträgt der steuerpflichtige Ertrag die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen der Versicherungsleistung und den geleisteten Beiträgen. Sinn und Zweck ist, dass bei Anwendung des Abgeltungstarifs wegen der hälftigen Steuerbefreiung insgesamt nur 12,5 % Einkommensteuer fällig wären. Zur Vermeidung dieser (zusätzlichen) Begünstigung gilt der Abgeltungstarif nicht.

Trotzdem wird auch bei den betreffenden Lebensversicherungen ein Kapitalertragsteuerabzug von 25 % der gesamten Erträge vorgenommen. Die Besteuerung erfolgt zwingend im Rahmen der ESt-Veranlagung zum persönlichen Steuertarif. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer wird gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG angerechnet. § 20 Abs. 6 EStG ist hierbei nicht anzuwenden, es gelten somit keine Verlustausgleichsbeschränkungen, § 32d Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG. § 20 Abs. 9 EStG ist jedoch anzuwenden, d.h. als WK ist der Sparer-PB abzuziehen, der Abzug tatsächlicher höherer WK ist nicht möglich.

3.2.3. Optionsrecht i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG

Durch das JStG 2008 vom 20.12.2007 (BGBl I 2007, 3150) wird die Optionsmöglichkeit des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG bei typischerweise unternehmerischen Beteiligungen neu eingefügt (Zeilen 23 und 24 der Anlage KAP 2018 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 138 bis 143). Die Optionsmöglichkeit besteht für Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG, wenn der Stpfl.

  • zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Es ist ausreichend, dass eine mindestens 25 %ige (unmittelbare oder mittelbare) Beteiligung zu irgendeinem Zeitpunkt in dem VZ, für den der Antrag erstmals gestellt wird, vorliegt (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 139);oder
  • zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig ist.Mit Wirkung ab VZ 2017 steht die Optionsmöglichkeit nur dann zur Verfügung, wenn der Stpfl. zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist und durch eine berufliche Tätigkeit für diese maßgeblichen unternehmerischen Einfluss auf deren wirtschaftliche Tätigkeit nehmen kann.

    Unter den Begriff der beruflichen Tätigkeit fallen sowohl selbstständig als auch nichtselbstständig ausgeübte Tätigkeiten. Ob es sich bei der beruflichen Tätigkeit um eine gewerbliche, freiberufliche oder um eine andere unter die Gewinneinkünfte fallende Tätigkeit handelt, ist unerheblich. Nicht ausreichend ist eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, 953, Rz. 138). Da diese Einschränkung bislang nicht gesetzlich verankert war, stellte – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – der BFH mit Urteil vom 25.8.2015, VIII R 3/14 (BStBl II 2015, 892) klar, dass die Norm § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG (i.d.F bis VZ 2016) weder Anforderungen »qualitativer noch quantitativer Art« an die geforderte berufliche Tätigkeit für die Kapitalgesellschaft stelle.

Die erforderliche berufliche Tätigkeit »für« eine Kapitalgesellschaft setzt nach der bis Ende des VZ 2016 geltenden Fassung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG nicht voraus, dass der Gesellschafter unmittelbar für diejenige Kapitalgesellschaft tätig wird, für deren Kapitalerträge er den Antrag stellt. BFH Urteil vom 27.3.2018, VIII R 1/15 (LEXinform 0950205). Vielmehr reicht auch eine mittelbare Tätigkeit – wie im Entscheidungsfall »nur« als Geschäftsführer für die Tochtergesellschaft im Rahmen einer Organschaft – aus, um den Antrag auf Anwendung der tariflichen Einkommensteuer gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG im Zusammenhang mit den Kapitaleinkünften aus der Beteiligung an der Muttergesellschaft (Organträger) mit einer Beteiligungsquote von mehr als 5 % zu stellen.

Das abstrakte Vorliegen von Kapitalerträgen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG ermöglicht dem Stpfl. die Ausübung der Option auch dann, wenn in dem jeweiligen VZ Erträge tatsächlich nicht vorhanden sind und die Option nur dazu dient, die tatsächlich entstandenen Werbungskosten zu 60 % im Rahmen der Veranlagung zu berücksichtigen (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 143).

Nach dem BFH-Urteil vom 16.3.2010 (VIII R 20/08, BStBl II 2010, 787) können private Gesellschafter ihre → Schuldzinsen, die für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG anfallen, unter den gleichen Voraussetzungen wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehen, wenn sie auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen. Danach können Schuldzinsen nach der Veräußerung der GmbH-Anteile als Werbungskosten berücksichtigt werden, soweit der Verkaufspreis nicht zur Darlehenstilgung ausreicht.

Hinweis:

Ab dem VZ 2009 ist der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten grundsätzlich ausgeschlossen. Stattdessen wird bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen als Werbungskosten ein Betrag von 801 € bzw. 1 602 € abgezogen (Sparerpauschbetrag).

Der Gesetzgeber hat aber mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG eine Option zur Anwendung der tariflichen ESt eingeräumt. Nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG findet das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG in diesen Fällen keine Anwendung.

Wurde die Beteiligung, für die die Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ausgeübt worden ist, nach dem 31.12.2008 beendet, gelten die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG letztmalig für den VZ der Beendigung als erfüllt. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG dient lediglich der Verwaltungsvereinfachung in Form eines erleichterten Nachweises der Tatbestandsvoraussetzungen und ersetzt nicht das Vorliegen einer Beteiligung nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG. Sinkt die Beteiligung unter die Grenzen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG, ist auch innerhalb der Frist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen (s.a. BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 139).

Beispiel 4:

A hielt als Alleingesellschafter 100 % der Anteile an der der A-GmbH. Der Erwerb der Beteiligung wurde fremdfinanziert. Im Rahmen der ESt-Erklärung 2009 übte A sein Optionsrecht nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für die Beteiligung an der A-GmbH aus und beantragte den Abzug der angefallenen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Am 15.12.2010 veräußerte A die Beteiligung. Dabei verblieb ein Schuldüberhang. Im Rahmen seiner ESt-Erklärung 2011 macht A nachträgliche Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.

Lösung 4:

Da die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG im VZ 2011 zu keinem Zeitpunkt erfüllt waren, kommt ein Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht mehr in Betracht.

Die Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG kann somit letztmalig für den VZ Wirkung entfalten, in dem die Beteiligung dem Stpfl. noch als Einkunftsquelle zuzurechnen ist. Dies ist das Jahr der Veräußerung oder in Auflösungsfällen das Jahr, in dem der Veräußerungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG realisiert worden ist. Der Veräußerungsverlust nach § 17 EStG entsteht grundsätzlich im Zeitpunkt der Beendigung der Liquidation; auf das Jahr der Auflösung der Kapitalgesellschaft (z.B. durch Liquidationsbeschluss oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens) kommt es regelmäßig nicht an (s.a. Anmerkung vom 3.1.2013, LEXinform 0652019).

Trotz Einführung der Abgeltungsteuer sind nachträgliche Werbungskosten im Zusammenhang mit Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG grundsätzlich abzugsfähig (BHF Urteil vom 16.3.2010, BStBl II 2010, 787), sodass auch Zinsen im Zusammenhang mit eigenkapitalersetzenden Gesellschafterbürgschaften grundsätzlich abzugsfähig sind. Der Abzug tatsächlich angefallener Werbungskosten ist jedoch durch § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG ab dem VZ 2009 ausgeschlossen. Der vom FG Düsseldorf (Urteil vom 4.10.2012, 12 K 993/12 E, EFG 2013, 122, LEXinform 20144289) zugelassene Abzug von Werbungskosten aufgrund der Optionsmöglichkeit des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG sei ab dem VZ 2009 nicht mehr einschlägig, da zwar eine Beteiligung noch zu bejahen sei, aber durch den Kläger keine Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt werden und eine Erzielung zukünftiger Kapitalerträge ausgeschlossen sei. Aus diesem Grund können die vom Kläger im Rahmen des TEV zu 60 % geltend gemachten Zinsen nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend gemacht werden.

Sowohl die Unkenntnis des Antragsrechts gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG als auch die Unkenntnis, einen solchen Antrag neben einem Antrag auf Günstigerprüfung stellen zu können bzw. zu müssen, können bei einem nicht fachkundig beratenen Steuerpflichtigen unverschuldet sein und zur Wiedereinsetzung in die Antragsfrist gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG berechtigen (BFH Urteil vom 29.8.2017, VIII R 33/15, LEXinform 0950534). Im Streitfall hat der Kläger mit der Angabe der Beteiligungserträge aus der GmbH in Zeile 7 der Anlage KAP bei den »Kapitalerträgen, die dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben«, und dem Antrag auf Günstigerprüfung zutreffende und zulässige Angaben gemacht. Er durfte davon ausgehen, mit diesen Eintragungen alle notwendigen Angaben gemacht zu haben, um das für ihn günstigste Besteuerungsergebnis zu erreichen. Ein Anlass für weitere Eintragungen in Bezug auf die Beteiligungserträge – insbesondere in Zeile 24 und 25 Anlage Kap 2010 – ergab sich daher nicht für den Kläger.

Beachte:

Zur Günstigerprüfung enthielt die amtliche Anleitung zur Anlage KAP 2010 die – in dieser Absolutheit unvollständige und damit irreführende – Aussage, aufgrund des Antrags werde »das Finanzamt prüfen, ob sich eine niedrigere Besteuerung Ihrer Kapitalerträge ergibt«. In der Anleitung fehlt zudem ein Hinweis auf die Möglichkeit, kumulative Anträge gem. § 32d Abs. 6 EStG und gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG stellen zu können sowie zu den Rechtsfolgen, die sich bei einer Kombination der Anträge ergeben. Auch die vollständige Lektüre der Anleitung hätte dem Kläger daher nicht mit hinreichender Sicherheit vermittelt, dass er im Streitfall sowohl einen Antrag gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG als auch einen Antrag gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG hätte stellen müssen, um eine niedrigere Besteuerung als mit einem isolierten Antrag auf Günstigerprüfung zu erreichen (BFH Urteil vom 29.8.2017, VIII R 33/15, LEXinform 0950534). Der Inhalt der Anleitung zur Anlage KAP hat sich in den Jahren nicht verändert, so finden sich in der Anleitung zur Anlage KAP 2016 die gleichen Aussagen, die der BFH für unvollständig und irreführend befunden hat.

3.2.4. Ausschluss der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG

Durch das JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) wird die Nichtanwendung der Abgeltungsteuer i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG für Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 9 EStG neu eingefügt. Voraussetzung ist, dass die Gewinnausschüttungen das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben. Eine verdeckte Gewinnausschüttung mindert einerseits nicht das Einkommen der Körperschaft (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Beim Empfänger führt sie zu Einkünften aus Kapitalvermögen und ist ab 2009 dem Teileinkünfteverfahren bzw. der Abgeltungsteuer zu unterwerfen. § 8b Abs. 1 Satz 2 ff. KStG und § 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG stellen dabei sicher, dass das Teileinkünfteverfahren dem Gesellschafter nur gewährt wird, soweit die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert hat (materiell-rechtliche Korrespondenz). Der Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung ist dann auf der Ebene der Körperschaft mit KSt (Steuersatz derzeit 15 %) und auf der Ebene des Gesellschafters mit ESt (ab 2009 regelmäßig in Form der Abgeltungsteuer) belastet. Im Rahmen der Abgeltungsteuer bestand bisher keine solche materielle Korrespondenz zwischen der Abgeltungsteuer und der steuerlichen Behandlung bei der leistenden Körperschaft. Diese stellt die Neuregelung in § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG her. Durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.6.2013, BGBl I 2013, 1809) wird § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG mit Wirkung ab 1.1.2014 geringfügig geändert.

3.3. Folgen der Nichtanwendung des Abgeltungsteuersatzes

Für Kapitalerträge, die nach § 32d Abs. 2 EStG unter den allgemeinen ESt-Tarif fallen, gelten abweichend von § 20 Abs. 6 EStG die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Verlustverrechnungs- und Verlustausgleichsregeln. Außerdem sind in den Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 und 3 EStG die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen zum Werbungskostenabzug zu beachten, sodass die Regelungen des Sparer-Pauschbetrages gem. § 20 Abs. 9 EStG nicht anzuwenden sind. Zur Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrages s. BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 129.

3.4. Verrechnung zwischen regelbesteuerten Einkünften aus Kapitalvermögen und der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen

Mit Urteil vom 30.11.2016 (BFH Urteil vom 30.11.2016, VIII R 11/14, BStBl II 2017, 443) stellte der achte Senat des BFH fest, dass auf Grundlage eines gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG gestellten Antrags eine horizontale Verlustverrechnung zwischen den dem gesonderten Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden negativen Einkünften und den dem Steuertarif des § 32a EStG unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen vorzunehmen ist. Der Regelung des § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG ist nicht zu entnehmen, dass die nach § 20 EStG zu ermittelnden und den übrigen Einkünften hinzuzurechnenden Einkünfte aus Kapitalvermögen positiv sein müssen. Der Sinn und Zweck des § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG schließt es – vorbehaltlich § 20 Abs. 6 EStG – ebenfalls nicht aus, dass auch negative Kapitaleinkünfte den übrigen Einkünften i.S.d. § 2 EStG hinzugerechnet werden können. Zwar ist die Regelung in erster Linie auf nach § 20 EStG ermittelte positive Einkünfte aus Kapitalvermögen zugeschnitten, die dem abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug gem. §§ 32d Abs. 1, 43 Abs. 1 EStG unterlegen haben. Werden solche Einkünfte erzielt, kann gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG nicht der für die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich anzuwendende gesonderte Steuertarif von 25 % (§ 32d Abs. 1 Satz 1 EStG), sondern aufgrund der Hinzurechnung der Kapitaleinkünfte zu den übrigen Einkünften i.S.d. § 2 EStG der progressive Regelsteuersatz (§ 32a EStG) zur Anwendung kommen. Durch die Antragstellung können Steuerpflichtige, deren Belastung mit der tariflichen Einkommensteuer auf Kapitaleinkünfte niedriger als der gesonderte Steuertarif in Höhe von 25 % ist, erreichen, dass ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen mit den übrigen Einkünften diesem niedrigeren Steuersatz unterworfen werden (s. BMF vom 22.12.2009, IV C 1-S 2252/08/10004, BStBl I 2010, 94, Rz. 149 f.; BStBl I 2016, 85, Rz. 149; BFH Urteil vom 28.1.2015, VIII R 13/13, BStBl II 2015, 393, Rz. 13). § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG ermöglicht jedoch keine uneingeschränkte Hinzurechnung negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen zu den übrigen Einkünften gem. § 2 EStG. Eine generelle (vertikale) Verlustverrechnung negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten im Wege der Günstigerprüfung ist gem. § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG ausgeschlossen.

§ 20 Abs. 6 Satz 2 EStG verbietet eine vertikale (inner- und überperiodische) Verrechnung negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Abgeltungsteuer unterlegen haben, mit positiven tariflich besteuerten Einkünften aus anderen Einkunftsarten; die negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen sind nach § 2 Abs. 5b EStG weder in die Einkünfte noch in die Summe der (regelbesteuerten) Einkünfte und den Gesamtbetrag der (regelbesteuerten) Einkünfte einzubeziehen. § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG enthält nach seinem eindeutigen Wortlaut aber keine Beschränkung für einen horizontalen Verlustausgleich innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen und schließt damit auch die Verrechnung zwischen regelbesteuerten Einkünften aus Kapitalvermögen und der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen nicht aus.

Dies bedeutet im Ergebnis, dass der Steuerpflichtige einen Antrag gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG stellen und die gem. § 20 EStG ermittelten negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, mit gem. § 32a EStG tariflich zu besteuernden positiven Einkünften aus Kapitalvermögen im Wege des horizontalen Verlustausgleichs verrechnen kann, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer führt. Über den Antrag gem. § 32d Abs. 6 EStG werden die nach § 20 EStG ermittelten (negativen) Kapitaleinkünfte i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG im ersten Schritt unter Verdrängung des § 32d Abs. 1, 3 und 4 EStG zu Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 2 bis 5 EStG, die dem Tarif des § 32a EStG unterliegen (Baumgärtel/Lange in HHR, § 32d EStG, Rz. 82). Sie fallen nicht mehr unter die Beschränkungen des § 2 Abs. 5b EStG. Im zweiten Schritt können sie, da das Verrechnungsverbot gem. § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG insoweit nicht eingreift, mit den tariflich zu besteuernden Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung des BMF im Schreiben in BStBl I 2016, 85, Rz. 119a.

Zu beachten ist dabei jedoch, dass ein Abzug des Sparer-Pauschbetrags gem. § 20 Abs. 9 EStG von Einkünften aus Kapitalvermögen, die gem. § 32d Abs. 2 EStG tariflich besteuert werden, ausgeschlossen ist. Gem. § 20 Abs. 9 Satz 4 EStG darf der Sparer-Pauschbetrag nicht höher als die nach Maßgabe des § 20 Abs. 6 EStG verrechneten Kapitalerträge sein. Er ist somit erst nach Vornahme einer Verrechnung gem. § 20 Abs. 6 EStG und nur insoweit abziehbar, wie nach der Verrechnung noch positive Einkünfte aus Kapitalvermögen vorhanden sind, die dem gesonderten Tarif gem. § 32d Abs. 1 EStG unterliegen. Durch den Abzug des Sparer-Pauschbetrags können negative Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem gesonderten Steuertarif gem. § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, weder entstehen (BFH Urteil vom 1.7.2014, VIII R 53/12, BStBl II 2014, 975, Rz. 22) noch sich erhöhen. Dies gilt auch, wenn wie im Streitfall ein Antrag auf Günstigerprüfung gestellt wird und die Hinzurechnung vorzunehmen ist (BFH Urteil, BStBl II 2015, 393, Rz. 21 ff.), da die Regelung des § 20 Abs. 9 EStG auch im Rahmen der Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG anzuwenden ist, weil nur die »nach § 20« zu ermittelnden Kapitaleinkünfte i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG den tariflich belasteten Einkünften gem. § 2 EStG hinzugerechnet werden können.

Eine anderweitige – allgemeine – Berechtigung zur horizontalen Verlustverrechnung außerhalb einer Antragstellung und Hinzurechnung gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG auf Grundlage des § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG zwischen tariflich zu besteuernden Einkünften aus Kapitalvermögen und dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung hält auch der achte Senat des BFH für ausgeschlossen (BFH Urteil vom 30.11.2016, VIII R 11/14, BStBl II 2017, 443 unter II., 3., b – Rz. 47 und 48).

In einem weiteren Verfahren bekräftigt der 8. Senat des BFH die Voraussetzung eines Antrages auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG für die Verrechnung zwischen den dem gesonderten Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden positiven Einkünften aus Kapitalvermögen und den dem Steuertarif des § 32a EStG unterliegenden Altverlusten aus Kapitalvermögen (BFH Urteil vom 29.8.2017, VIII R 5/15, LEXinform 0950235). Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 30.11.2016, VIII R 11/14, BFHE 256, 455, BStBl II 2017, 443 Rz. 48) entschieden hat, ist eine allgemeine Berechtigung zur Verrechnung von Verlusten aus tariflich besteuerten Einkünften und positiven Kapitaleinkünften, die dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – nach § 10d EStG festgestellte Altverluste aus Kapitalvermögen vorliegen. Denn auch in diesem Fall ist erforderlich, dass die der Abgeltungsteuer unterliegenden positiven Kapitaleinkünfte im ersten Schritt unter Verdrängung des § 32d Abs. 1, 3 und 4 EStG zu Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 2 bis 5 EStG werden, die dem Tarif des § 32a EStG unterliegen. Sie fallen dann nicht mehr unter die Beschränkungen des § 2 Abs. 5b EStG. Im zweiten Schritt können sie, da das Verrechnungsverbot des § 20 Abs. 6 EStG insoweit nicht eingreift, mit den tariflich zu besteuernden Altverlusten aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Eine direkte Verrechnung der gem. § 10d EStG festgestellten Altverluste mit den im Streitjahr erzielten und der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen innerhalb der Schedule scheidet danach aus. Entgegen der Auffassung der Kläger kann eine direkte Verrechnung der dem Abgeltungsteuersatz des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden positiven Kapitaleinkünfte mit den nach § 10d EStG festgestellten Altverlusten auch nicht aufgrund eines Antrags auf Überprüfung des Steuereinbehalts gem. § 32d Abs. 4 EStG erfolgen. Der Antrag führt nur dazu, dass Kapitalerträge, die der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, in die Veranlagung mit einbezogen werden. Dabei bleibt der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen des § 32d Abs. 1 EStG weiter anwendbar. Erforderlich für eine Verrechnung von Kapitaleinkünften, die dem gesonderten Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, mit tariflich besteuerten negativen Einkünften ist jedoch, dass die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte selbst der tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden (s.o.). Diese Rechtsfolge kann nur durch einen Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG erreicht werden. Im Urteilsfall (BFH Urteil vom 29.8.2017, VIII R 5/15, LEXinform 0950235) handelte es sich ursprünglich um negative Einkünfte i.S.d. § 20 EStG und nicht um Altverluste aus Kapitalvermögen i.S.d. § 23 EStG a.F. Hierzu befand der BFH, dass die Ungleichbehandlung der Verrechnung von Altverlusten aus Kapitalvermögen gegenüber den Altverlusten i.S.d. § 23 EStG a.F. nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Die Ungleichbehandlung, dass gem. § 20 Abs. 6 Satz 1, § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG a.F. ohne einen Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG direkt mit Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG ausgeglichen werden können, ist sachlich gerechtfertigt. Nachdem der Gesetzgeber mit der Einführung der Abgeltungsteuer einen grundlegenden Systemwechsel vollzogen hat und Einkünfte aus der Veräußerung von Wertpapieren nicht mehr als private Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 23 EStG, sondern als Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG qualifiziert hat, können Altverluste aus Wertpapiergeschäften nur noch aufgrund der Übergangsregelung des § 23 Abs. 3 EStG mit Kapitaleinkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG und Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden. Dagegen unterliegen die Altverluste aus § 20 EStG a.F. keiner Verlustverrechnungsbeschränkung. Sie können auch nach der Einführung der Abgeltungsteuer mit Einkünften aller anderen Einkunftsarten verrechnet werden. Bereits diese Einschränkung der Verlustverrechnung für Altverluste nach § 23 EStG a.F. rechtfertigt die vom Gesetzgeber in § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG direkt angeordnete Verrechnung mit den der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitaleinkünften. Zudem können Altverluste aus § 23 EStG a.F. aufgrund der Übergangsregelung des § 52a Abs. 11 Satz 11 EStG nur innerhalb von fünf Jahren nach Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 mit Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG ausgeglichen werden. Der BFH hat dies in seinem Urteil vom 6.12.2016, IX R 48/15, BFHE 256, 136, BStBl II 2017, 313) als verfassungsgemäß angesehen. Die zeitliche Verlustverrechnungsbeschränkung, die für Altverluste i.S.d. § 20 EStG a.F. nicht besteht, rechtfertigt es, dass Altverluste i.S.d. § 23 EStG a.F. auch ohne einen Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG direkt mit Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG verrechnet werden. Denn dadurch wird sichergestellt, dass die Altverluste aus § 23 EStG a.F. innerhalb der Fünfjahresfrist umfassend zur Verrechnung mit Kapitaleinkünften genutzt werden.

4. Abgeltungsteuer und Altersentlastungsbetrag

Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG, die von der Abgeltungsteuer erfasst werden, sind in die Berechnung des Altersentlastungsbetrags nicht einzubeziehen (FG Münster Urteil vom 24.3.2012, 11 K 3383/11 E, EFG 2012, 1464, LEXinform 5013505, rkr.).

Gem. § 24a EStG ist Stpfl. unter bestimmten Voraussetzungen ein → Altersentlastungsbetrag zu gewähren. Die Vorschrift bezweckt, Altersbezüge, die nicht in Leibrenten oder Versorgungsbezügen bestehen, in abgemilderter Form zu besteuern. So sollen Einkünfte, die anders als Leibrenten und Versorgungsbezüge keiner ermäßigten Besteuerung unterliegen, ebenfalls eine altersbedingte Ermäßigung erfahren. § 24a EStG sieht zwei selbstständige Bemessungsgrundlagen für den Altersentlastungsbetrag vor. Neben dem Arbeitslohn aus aktiver Arbeitstätigkeit ist dies die positive Summe der Einkünfte, die nicht zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören. Gem. § 2 Abs. 5b Satz 1 EStG sind, soweit Rechtsnormen des EStG an die Begriffe Einkünfte, Summe der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte anknüpfen, Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG, die von der Abgeltungsteuer erfasst werden, nicht einzubeziehen. Hiernach kann im Streitfall kein Altersentlastungsbetrag gem. § 24a EStG berücksichtigt werden. Der Kläger hat Kapitalerträge erzielt, die im Streitjahr unstreitig dem Steuerabzug nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG (= Abgeltungsteuer) unterlegen haben. Auf diese Erträge ist die Vorschrift des § 24a EStG, soweit sie an den Begriff der »Einkünfte« anknüpft, gem. § 2 Abs. 5b Satz 1 EStG nicht anzuwenden. Zwar schließt der Wortlaut des § 24a EStG die Berücksichtigung von Einkünften aus Kapitalvermögen nicht ausdrücklich aus. Jedoch ergibt sich ein Ausschluss von dem Steuerabzug gem. § 32d Abs. 1 und 43 Abs. 5 EStG unterliegenden Kapitalerträgen aus der – ebenso klaren und eindeutigen – Regelung des § 2 Abs. 5b Satz 1 EStG. Die Nichtberücksichtigung der dem Steuerabzug unterliegenden Kapitalerträge bei der Ermittlung des Altersentlastungsbetrages ist mit Blick auf die den Kläger bereits begünstigende Besteuerung der Kapitalerträge gem. § 32d Abs. 1 EStG folgerichtig.

5. Literaturhinweise

Hensel, Das BMF-Anwendungsschreiben vom 22.12.2009 zur Abgeltungsteuer, NWB 2010, 966; Reislhuber u.a., Weitere ausgewählte Aspekte des neuen BMF-Anwendungsschreibens zur Abgeltungsteuer, DStR 2010, 684; Paukstadt u.a., Der neue Anwendungserlass zur Abgeltungsteuer, DStR 2010, 678; Ronig, Anlage KAP 2009, NWB 2010, 1618; Worgulla, Stille Gesellschaften, partiarische Darlehen und Unterbeteiligungen – Abgrenzung und steuerliche Besonderheiten im Regime der Abgeltungsteuer –, NWB 2010, 3182; Dellner, Abgeltungsteuer und Bausparzinsen bei Eigennutzung, NWB 2010, 2444; Kühling u.a., Kein Progressionsvorbehalt für Kapitaleinkünfte ab Veranlagungszeitraum 2009, NWB 2011, 226; Eggers, Werbungskostenabzugsverbot bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, NWB 2011, 646; Hechtner u.a., Besteuerung von Stückzinsen nach den Änderungen durch das JStG 2010 – Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 16.12.2010, NWB 2011, 518; Sikorski, Keine nachträgliche Ausübung von Wahlrechten bei der Abgeltungsteuer? – Verfahrensrechtliche Probleme bei der nachträglichen Erklärung von Kapitaleinkünften –, NWB 2011, 1064; Haisch u.a., Überschusserzielungsabsicht bei der Kapitalanlage unter der Abgeltungsteuer, DStR 2011, 2178; Ronig, Praxisprobleme im Zusammenhang mit der Anlage KAP, NWB 2011, 4260; Hänsch, Die Abgeltungsteuer im System der Einkommensteuer, Steuer & Studium 2012, 275; Schäfer u.a., Offene Fragen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Abgeltungsteuer, DStR 2012, 1885; Ronig, Aktualisiertes Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer – Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 9.10.2012 –, NWB 2012, 3770; Rehr/Maciejewski, Streubesitzdividenden bei inländische Kapitalgesellschaften (leider) voll steuerpflichtig, DStR 2015, 1481; Zöller/Gläser, Abgeltungsteuer bei Angehörigen-Darlehen: Begriff der absoluten finanziellen Abhängigkeit, BB 2015, 1632; Werth, Erste BFH-Rechtsprechung zur Abgeltungsteuer, DStR 2015, 1343Zöller/Gläser, Der Begriff der nahestehenden Person i.S.d. § 32d EStG, DStR 2015, 497; Meinert, Nachträgliche Werbungskosten beim Systemwechsel zur Abgeltungsteuer, DB 2015, 890; Levedag, Finanzierung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer, GmbHR 2015, 57.

Keine Tags für diesen Steuerberater Beitrag. Related posts