Aktien im Steuerrecht
Aktien lösen als WG im deutschen Steuerrecht unterschiedliche Folgen aus. Dies hängt mit ihrer Eigenschaft als Betriebsvermögen oder als Privatvermögen zusammen.
1. Bedeutung der Aktien im Steuerrecht
1.1. Übersicht
Im ersten Fall können sie Beteiligungen darstellen, sind jedenfalls aktivierungspflichtige WG in der Bilanz des Unternehmens. Der Bereich der im Betriebsvermögen gehaltenen Aktien wird unter diesem Stichwort nicht näher behandelt; s.a. → Beteiligung an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen und → Kapitalgesellschaften (KapG). Nachfolgend wird lediglich auf im Privatvermögen gehaltene Aktien eingegangen. Durch die zum VZ 2009 in Kraft getretene Abgeltungsteuer, die auch die Einkünfte aus Gewinnausschüttungen im Zusammenhang mit Aktien und dem Verkauf der Wertpapiere selbst erfasst, wurde die Besteuerung von im Privatvermögen gehaltenen Aktien grundlegend geändert.
Relevant sind Aktien auch im Zusammenhang mit der Erfassung als Arbeitslohn bei der Ausgabe an Mitarbeiter.
1.2. Die verschiedenen Aktien, vor allem unter Anschaffungsaspekten
Herkömmlich werden Aktien unterschieden
- nach der Art, wie das Grundkapital der AG aufgeteilt wird, d.h. in Nennbetrags- und Stückaktien oder
- nach ihrer Form zwischen Inhaber- und Namensaktien und
- nach den damit verbrieften Rechten zwischen Stamm- und Vorzugsaktien.
Zu 1: Nennbetragsaktien lauten auf einen ziffernmäßig genau festgelegten Betrag (z.B. 50 €), während bei einer ausgegebenen Stückaktie jede einzelne Aktie den gleichen Anteil am Grundkapital repräsentiert.
Zu 2: Bei einer Inhaberaktie ist der rechtmäßig legitimierte Eigentümer der Urkunde auch der Anteilsberechtigte an der AG, während dies bei der Namensaktie nur die namentlich (mit einem bestimmten Betrag) bezeichnete Person ist. Bei einer vinkulierten Namensaktie ist die Übertragung der Aktie von der Zustimmung der Hauptversammlung abhängig.
Zu 3: Der reguläre Fall, die Stammaktie, gewährt dem Inhaber ein Stimm- und Dividendenbezugsrecht, während die Vorzugsaktie aufgrund einer privilegierten Berechtigung (z.B. Vorbesitz) erworben wird und meist ohne Stimmrecht ausgestattet ist.
Unter dem speziellen Gesichtspunkt der Anschaffung sind im BMF-Schreiben vom 25.10.2004, BStBl I 2004, 1034, die verschiedenen Erwerbsmodalitäten (Wandel-, Options-, Umtausch- und Aktienanleihen) erläutert und im Hinblick auf § 23 EStG a.F. (Veräußerung von Aktien binnen einen Jahres nach Kauf als privates Veräußerungsgeschäft bis zum VZ 2008) dargestellt worden.
Außerdem werden auch die verschiedenen Erwerbs-(Abfindungs-)modalitäten von Anteilsrechten anlässlich gesellschaftsrechtlicher Vorgänge (Umwandlung, Kapitalerhöhung und Liquidation) im Hinblick auf spätere (private) Veräußerungen dargestellt.
Als weitere innovative Form der Kapitalanlage werden im Gesellschaftsrecht die »Tracking Stocks« Spartenaktien) diskutiert. Danach erhält der einzelne Aktionär zwar eine Beteiligung an der Gesamtgesellschaft, ist wirtschaftlich – qua eingeschränktem Dividendenbezug – aber nur an einem Teilbereich der AG beteiligt. Ein Beispiel dafür ist die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Die an der Börse gehandelten A-Aktien repräsentieren lediglich den Hafenumschlagbetrieb, die S-Aktien die Immobilien. Alleiniger Inhaber der S-Aktien ist die Stadt Hamburg. Trotz bilanzrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Bedenken ist eine getrennte Gewinnbezugsberechtigung steuerrechtlich vorstellbar, wenn man dem Grunde nach eine inkongruente Gewinnausschüttung zulässt.
Während die inkongruente → Gewinnausschüttung (der Dividendenbezug mehrerer GmbH-Gesellschafter weicht von dem konkreten GmbH-Geschäftsanteil ab) von der Rspr. toleriert wird (BFH Urteil vom 19.8.1999, BStBl II 2001, 43), soll nach Auffassung der Finanzverwaltung eine zweistufige Prüfung stattfinden (BMF vom 17.12.2013, BStBl I 2014, 63; vgl. zuvor den Nichtanwendungserlass vom 7.12.2000, BStBl I 2001, 47, krit. zum alten Nichtanwendungserlass: FG Hessen Urteil vom 25.2.2008, NZG 2009, 320; FG Baden-Württemberg Urteil vom 7.5.2008, EFG 2008, 1206, rkr. nach Revisionsrücknahme durch FA; BFH Beschluss vom 27.5.2010, BFH/NV 2010, 1865). Nach dem BMF-Schreiben vom 17.12.2013 (BStBl I 2014, 63) soll es in einem ersten Schritt nunmehr auf die zivilrechtliche Zulässigkeit der abweichenden Gewinnverteilung ankommen. Bei der GmbH ist z.B. maßgebend, ob gem. § 29 Abs. 2 Satz 3 GmbHG (bei der AG: § 60 Abs. 3 AktG) ein abweichender Gewinnverteilungsschlüssel im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist. Anschließend darf nach den Grundsätzen des § 42 AO keine rechtsmissbräuchliche Gestaltung vorliegen (vgl. zu den Ausnahmen § 42 Abs. 2 Satz 2 AO!).
M.E. sind die Gründe, die möglicherweise gegen eine inkongruente → Gewinnausschüttung wegen des Missverhältnisses zwischen Gesellschaftsanteil und Dividendenanteil sprechen, nicht auf die vorliegende Thematik übertragbar. Von daher spricht aus ESt-Sicht nichts gegen diese Beteiligungsform.
Hinweis:
Die inkongruente Gewinnausschüttung ist nach dem BFH-Beschluss vom 4.5.2012 (BFH/NV 2012, 1330) auch dann steuerlich anzuerkennen, wenn sie der Nutzung von Verlustvorträgen dient.
2. Einkünfte aus Aktien nach § 20 EStG
2.1. Die Besteuerung von Dividenden (ab VZ 2009) – Die Abgeltungsteuer
Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) gilt seit dem 1.1.2009 Folgendes: Die zuvor unterschiedlichen Steuersätze für private Kapitalerträge, die dem Gläubiger nach dem 31.12.2008 zufließen (§ 52a Abs. 1 EStG), werden durch einen einheitlichen Steuersatz von 25 % ersetzt (§ 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).
Gem. § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG beträgt der einheitliche Steuersatz für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht § 20 Abs. 8 EStG unterfallen, 25 %. Damit werden Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG im Grundsatz von der Abgeltungsteuer erfasst und mit einem einheitlichen Steuersatz von 25 % besteuert. Der Hinweis auf die Subsidiaritätsregel des § 20 Abs. 8 EStG macht deutlich, dass Gewinneinkünfte und Einkünfte aus V+V nicht der Abgeltungsteuer unterfallen.
Unterliegen die Kapitaleinkünfte auch der Kirchensteuer, ermäßigt sich die ESt um 25 % der Kirchensteuer (§ 32d Abs. 1 Satz 3 EStG). Anrechenbare ausländische Steuern werden auf die Abgeltungsteuer angerechnet (§ 32d Abs. 1 Satz 2 EStG). Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG unterliegen gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Kapitalertragsteuer, die 25 % beträgt (§ 43a Abs. 1 Satz 1 EStG) zzgl. 5,5 % SolZ, so dass eine effektive Belastung von 26,38 % entsteht. Die Kapitalertragsteuer hat gem. § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG abgeltende Wirkung. Mit dem Einbehalt der Kapitalertragsteuer ist daher im Regelfall die Besteuerung durchgeführt. Sofern keine Kirchensteuer einbehalten wurde, sind die Kapitalerträge i.R.d. Veranlagung anzugeben (Wahlrecht des Steuerpflichtigen zum Einbehalt i.R.d. Abgeltungsteuer oder im Veranlagungsverfahren, vgl. § 51a Abs. 2b, c und d EStG).
Beispiel 1:
Der unbeschränkt steuerpflichtige A ist römisch-katholisch und hat Brutto-Dividendeneinkünfte aus Streubesitz (
Lösung 1:
Die Steuer ermittelt sich wie folgt:
Ertragsteuern | ||
Dividenden | 10 000 € | |
ESt/Kapitalertragsteuer vor Kirchensteuer | 25 % | 2 500 € |
Einkommensteuerermäßigung wegen Kirchensteuer | 25 % | ./. 55 € |
ESt/Kapitalertragsteuer nach Kirchensteuer | 2 445 € | |
Kirchensteuer | 9 % | 220 € |
SolZ | 5,5 % | 135 € |
Steuern insgesamt | 2 800 € | |
anrechenbare ausländische Steuern | 1 000 € | |
Gesamtsteuerbelastung | 1 800 € | |
Netto-Ertrag nach inländischer Besteuerung | 8 200 € |
Zur Anwendung der gesetzlichen Regelungen der Abgeltungsteuer hat das BMF in seinen Schreiben vom 22.12.2009 (BStBl I 2010, 94) und vom 20.12.2012 (BStBl I 2013, 36; vgl. früher BMF vom 16.11.2010, BStBl I 2010, 1305) ausführlich Stellung genommen.
2.2. Aufwendungen des Aktionärs
Seit der Einführung der Abgeltungsteuer ist zwischen im Privat- und im Betriebsvermögen gehaltenen Aktien zu unterscheiden. Im PV greift das WK-Abzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG, im BV sind im Zusammenhang mit den Aktien anfallende Aufwendungen (vorbehaltlich des Vorliegens von [nachträglichen] Anschaffungskosten) gem. §§ 20 Abs. 8 EStG i.V.m. der vorliegenden Einkunftsart weiterhin (ggf. eingeschränkt im Rahmen des TEV) abzugsfähig.
2.2.1. Werbungskosten bei im Privatvermögen gehaltenen Aktien
So phantasiereich die einzelnen Kapitalanlagen selbst ausgestaltet sind, so zahlreich waren – ihrer Erscheinung nach – auch die WK gem. §§ 9, 20 EStG bis einschließlich VZ 2008. Durch die Einführung der Abgeltungsteuer und den neuen § 20 Abs. 9 EStG ist die Geltendmachung der tatsächlichen WK über den sog. Sparer-Pauschbetrag (801 €; 1 602 € bei zusammenveranlagten Ehegatten) hinaus ausgeschlossen. Der Sparer-Pauschbetrag ist auch i.R.d. Abgeltungsteuer abzugsfähig. Damit soll im Wege einer Typisierung in den unteren Einkommensgruppen ein (pauschalierter) WK-Abzug möglich sein. Im Ergebnis wird damit erreicht, dass die Abgeltungsteuer und der auf den Sparer-Pauschbetrag begrenzte WK-Abzug im Wesentlichen auf private Kapitaleinkünfte beschränkt bleiben. Ein weiterer WK-Abzug ist nicht mehr möglich, sondern vielmehr kraft Gesetzes ausgeschlossen.
Der Sparer-Pauschbetrag erfasst Zinsen und Dividenden in voller Höhe sowie Gewinne aus der Veräußerung und Einlösung von Kapitalanlagen und aus Termingeschäften (§ 20 Abs. 2 EStG n.F.). Ein nicht ausgenutzter Sparer-Pauschbetrag des einen Ehegatten geht auf den anderen Ehegatten über (§ 20 Abs. 9 Satz 3 EStG). Kann ein Sparer-Pauschbetrag im Kapitalertragsteuerabzugsverfahren nicht vollständig ausgeschöpft werden, so wird dem Steuerpflichtigen gem. § 32d Abs. 4 EStG n.F. ein Wahlrecht eingeräumt, die Kapitaleinkünfte bei seiner Veranlagung geltend zu machen. Der Sparer-Pauschbetrag wird sowohl beschränkt als auch unbeschränkt Steuerpflichtigen gewährt. Bei beschränkter Steuerpflicht kann jedoch jeder Ehegatte nur seinen eigenen Sparer-Pauschbetrag bei der Ermittlung der Einkünfte berücksichtigen, da nach wie vor eine Zusammenveranlagung bei beschränkter Steuerpflicht nicht möglich ist.
Eine Zusammenveranlagung und somit die gemeinsame »Nutzung« des Sparer-Pauschbetrages ist wortlautgemäß nur bei Ehegatten möglich. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 7.5.2013 (NJW 2013, 2257) entschieden, dass eingetragene Lebenspartnerschaften unter den gleichen Voraussetzungen wie Ehegatten eine Zusammenveranlagung (→ Veranlagung) beantragen und die damit verbundenen Steuervorteile nutzen können. Eine Gleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnerschaften ist demnach mit Wirkung ab dem 1.8.2011 bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung für alle offenen Fälle geboten.
2.2.1.1. Ausnahmen
Das vom Gesetzgeber in § 20 Abs. 9 EStG normierte Werbungskostenabzugsverbot greift nicht in folgenden Fällen
- Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG können zunächst gem. § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG die Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, abgezogen werden. Der Hauptanwendungsfall hiervon sind Transaktionskosten.
- In den Fällen des § 20 Abs. 8 EStG (Subsidiaritätsklausel), wenn die Kapitalerträge anderen Einkunftsarten zuzuordnen sind; sofern es sich um im Betriebsvermögen gehaltene Anteile handelt und das TEV anzuwenden ist, werden konform mit der Systematik des alten Rechts 60 % der WK zum Abzug zugelassen
- In den Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 und 3 EStG (Ausnahmen von der Abgeltungsteuer).
- Bei Aufwendungen, die auf der Ebene von Investmentfonds anfallen (§ 3 Abs. 3 InvStG).
Im Rahmen der Überprüfung des Steuereinbehaltes (§ 32d Abs. 4 EStG) oder der Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG) ist eine Geltendmachung der Werbungskosten hingegen ebenfalls nicht möglich.
Hinweis:
Die Beschränkung der WK auf den Sparer-Pauschbetrag ohne zumindest eine Wahlmöglichkeit der Geltendmachung der tatsächlichen WK hat die verfassungsrechtliche Diskussion um § 20 EStG neu entfacht – insbesondere die niedrige Höhe des Sparer-Pauschbetrages, die nach Ansicht der Literatur nicht die vom BVerfG gestellte Voraussetzung für eine Pauschalierung (hier von Werbungkosten) eines typischen, realitätsgerechten Falles als Maßstab erfüllt und so zu einem Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG führen kann. Gleichermaßen werden Bedenken gegen die Neuregelung im Hinblick auf das grundsätzlich anerkannte objektive Nettoprinzip und das Gebot der Folgerichtigkeit erhoben. In der Zwischenzeit hat das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 17.12.2012 (EFG 2013, 1041) entschieden, das Werbungskostenabzugsverbot sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ein Abzug der Werbungskosten jedenfalls dann nicht ausgeschlossen werden darf, wenn der individuelle ESt-Satz bereits unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrages unter 25 % liegt (Rev. beim BFH: VIII R 13/13). Ausdrücklich nicht geklärt ist, ob der Werbungskostenausschluss verfassungswidrig ist, wenn der individuelle ESt-Satz über 25 % liegt. Betroffenen Steuerpflichtigen ist daher ggf. unter Bezug auf das anhängige Verfahren die Geltendmachung der angefallenen WK zu empfehlen. Ein entsprechender Mustereinspruch findet sich auch in LEXinform 0922239.
2.2.1.2. Ausnahmen von der Abgeltungsteuer
Günstigerregelung nach § 32d Abs. 6 EStG
Die Günstigerregelung des § 32d Abs. 6 EStG (BMF vom 22.12.2009, BStBl I 2010, 94 Rn. 149 ff.) sieht vor, dass dann, wenn der Steuersatz i.R.d. individuellen Veranlagungsverfahrens unter fiktiver Einbeziehung der Kapitaleinkünfte niedriger als 25 % ist, die Kapitaleinkünfte im Veranlagungsverfahren besteuert werden. Ein über den Sparer-Pauschbetrag hinausgehender WK-Abzug ist nicht möglich (§ 32d Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 9 EStG).
Verfahrensrechtlich ist erforderlich, dass der Steuerpflichtige für den Wechsel von der Abgeltungsteuer zum Veranlagungsverfahren einen Antrag stellt. Die Finanzbehörde hat dann von Amts wegen die Günstigerprüfung vorzunehmen. Kommt sie zum Ergebnis, dass eine Veranlagung für den Steuerpflichtigen ungünstiger ist, so gilt der Antrag als nicht gestellt. I.R.d. JStG 2010 wird auf einen Vorschlag des Bundesrates hin klargestellt, dass bei der Günstigerprüfung nicht auf die festgesetzte Einkommensteuer, sondern auf die gesamte Steuerbelastung einschließlich Zuschlagsteuern (z.B. Solidaritätszuschlag) abzustellen ist.
Die Wahlmöglichkeit besteht nur für sämtliche Kapitalerträge in einem VZ. Es müssen somit sämtliche Kapitelerträge in der Steuererklärung angegeben werden. Hierzu sind sämtliche Steuerbescheinigungen einzureichen. Ehegatten können den Antrag zudem nur einheitlich stellen (BMF vom 22.12.2009, BStBl I 2010, 94, Rn. 149).
Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann der Antrag als fristgebundenes Wahlrecht nur bis zur Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides gestellt werden (FinMin NRW vom 24.1.2011, S 0351). Dies gilt auch für den Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG.
Der (Abgeltungs-)Steuersatz von 25 % wird nach augenblicklichem Einkommensteuertarif bei einem Einkommen von rund 15 000 € (30 000 € bei Zusammenveranlagung) erreicht. Entsprechend ist nur bei zu versteuernden Einkommen, die unter dieser Grenze liegen, eine Antragsveranlagung sinnvoll.
Verfahrenstechnisch wird im Falle einer Günstigerstellung durch das Veranlagungsverfahren die einbehaltene Kapitalertragsteuer auf die festzusetzende ESt angerechnet, so dass i.d.R. eine Einkommensteuererstattung eintritt. Die Verrechnung von Verlusten aus anderen Einkunftsarten mit positiven Kapitalerträgen ist hier möglich (vgl. auch BMF vom 22.12.2009, BStBl I 2010, 94 Rn. 146). Der Altersentlastungsbetrag wird ebenfalls gewährt. Ausländische Quellensteuer wird hierbei maximal bis zur Höhe der auf die Kapitalerträge entfallenden tariflichen Einkommensteuer angerechnet. Bei Ansatz der tariflichen Einkommensteuer ist die Kirchensteuer auf Kapitalerträge als Sonderausgabe abzugsfähig (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG).
Unternehmerische Beteiligungen nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG
Die Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ist im Unterschied zur Günstigerregelung des § 32d Abs. 6 EStG für die Besteuerung der Anteilseigner wesentlich interessanter. So besteht hier neben der Möglichkeit, auf Antrag vom System der Abgeltungsteuer in das Veranlagungsverfahren zu wechseln, auch die Möglichkeit, die tatsächlichen WK geltend zu machen (§ 20 Abs. 6 und 9 EStG finden keine Anwendung) und Verluste nach den allgemeinen Regelungen zu verrechnen (→ Verlustabzug in der Einkommensteuer) bzw. vor- und rückzutragen (→ Verlustvortrag und -rücktrag).
Voraussetzung für die Geltendmachung des Wahlrechts ist allerdings, dass der Steuerpflichtige zu mindestens 25 % an der KapG (unmittelbar) beteiligt ist oder zumindest zu 1 % (unmittelbar) beteiligt ist und für die KapG beruflich tätig ist. Notwendig ist eine unmittelbare Beteiligung, wohingegen eine mittelbare Beteiligung nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht ausreichend ist.
Rechtsfolge ist sodann, dass die Kapitaleinkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG (nur solche sind von der Ausnahmeregelung erfasst) im Veranlagungsverfahren besteuert werden. Zur Anwendung kommt daher das Teileinkünfteverfahren (TEV) mit der Folge, dass die Dividenden/sonstigen Bezüge zu 60 % der Besteuerung unterliegen, allerdings auch 60 % der tatsächlichen WK in Abzug gebracht werden können (§ 3c Abs. 2 EStG). Gerade die Möglichkeit, die tatsächlichen WK (teilweise) geltend zu machen, macht die Ausnahmeregelung besonders attraktiv.
Beispiel 2:
A (alleinstehend, konfessionslos) besitzt 5 % der Aktien der B-AG und ist dort als Abteilungsleiter beschäftigt. Aus einer Gewinnausschüttung der B-AG hat er Dividendeneinkünfte von 50 000 €. Den Erwerb der Aktien hat A fremdfinanziert. Im Jahr der Dividendenausschüttung fallen Darlehenszinsen von 15 000 € an. Der individuelle Einkommensteuersatz bei Veranlagung beträgt (angenommen) 35 %.
Lösung 2:
Abgeltungsteuer | Veranlagungsverfahren | |
Dividendeneinnahmen | 50 000 € | |
(TEV: 50 000 € × 60 %) | 30 000 € | |
./. WK/Sparer-Pauschbetrag | 801 € | |
(15 000 € × 60 %) | 9 000 € | |
Dividendeneinkünfte | 49 199 € | 21 000 € |
Abgeltungsteuer + SolZ (26,38 %) | 12 979 € | |
individueller Steuersatz + SolZ (36,925 %) | 8 308 € |
Der Antrag auf Berücksichtigung der Kapitaleinkünfte muss während des Veranlagungsverfahrens gestellt werden. Sofern die Dividendeneinkünfte bereits mit Kapitalertragsteuer belastet wurden, ist die Kapitalertragsteuer bei der Veranlagung auf die festgesetzte ESt anzurechnen.
Der Antrag ist für die jeweilige Beteiligung zu stellen und kann für jede Beteiligung nur einheitlich ausgeübt werden.
Der Antrag ist spätestens mit dem Einreichen der Einkommensteuererklärung beim FA zu stellen (§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 EStG). Eine Verlängerung der Antragsfrist ist nicht möglich. Es besteht allerdings eventuell die Möglichkeit, gem. § 109 AO die Abgabefrist für die Einkommensteuererklärung zu verlängern. In Schätzungsfällen kann der Antrag noch bis zur Einreichung der Einkommensteuererklärung, was ggf. auch erst im Einspruchs- oder Klageverfahren geschehen kann, gestellt werden. Eine bestimmte Antragsform ist im Gesetz nicht vorgesehen, so dass ein formloser Antrag ausreichend sein sollte.
Ist der Antrag auf den Wechsel zum Veranlagungsverfahren gestellt, so gilt dieser für fünf Veranlagungszeiträume. In den Folgejahren muss daher kein neuer Antrag mehr gestellt werden. Er kann widerrufen werden, allerdings lediglich bis zur Abgabe der Einkommensteuererklärung für den betreffenden VZ. Hat ein Antragswiderruf stattgefunden, so ist eine erneute Ausübung des Wahlrechts zum Veranlagungsverfahren (für dieselbe Beteiligung) nicht mehr möglich.
2.2.2. Aufwendungen bei im Betriebsvermögen gehaltenen Aktien
Es kommen grundsätzlich zahlreiche Aufwendungen als WK/BA (im Folgenden nur als WK bezeichnet) in Betracht. Dabei ist die Abgrenzung zu den AK einer Aktie (Maklerprovisionen, Gründungskosten) ebenso zu beachten wie Verluste in der privaten Vermögenssphäre steuerlich unbeachtlich sind (so berechtigt die Insolvenz der AG nicht zum WK-Abzug). In diesem Sinne hat es der BFH (BFH Urteil vom 20.4.2004, BStBl II 2004, 597) abgelehnt, Beratungskosten für die fehlgeschlagene Gründung einer KapG als (vergebliche) WK zum Abzug zuzulassen. Diesem Urteil folgend hat der BFH mit Urteil vom 27.3.2007 (BFH/NV 2007, 1407) entschieden, dass Gutachtenkosten – hier im Zusammenhang mit der Anschaffung von GmbH-Geschäftsanteilen – keine Werbungskosten darstellen, sondern Anschaffungsnebenkosten sind, wenn bereits bei Vergabe des Gutachtens konkret der Entschluss vorliegt, bestimmte GmbH-Geschäftsanteile zu erwerben. Typische WK des Aktionärs sind demnach Depotgebühren, allgemein: Verwaltungskosten und Finanzierungskosten (Schuldzinsen), soweit sie nicht dem Vermögensbereich zuordenbar sind. Für den Fall, dass eine wesentliche Beteiligung (hier an einer GmbH) veräußert wird, sind die Schuldzinsen für ein Refinanzierungsdarlehen nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar. Mit dem Wegfall der Einkünfteerzielung entfällt auch der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart (vgl. BFH Urteil vom 12.9.2007, BFH/NV 2008, 37).
Nach der bisherigen Rspr. des BFH sind bei einer Kapitalanlage, bei der auf Dauer ein Überschuss der steuerpflichtigen Einnahmen über die Ausgaben erwartet werden kann, die Aufwendungen für die Verwaltung des Depots auch dann in vollem Umfang Werbungskosten, wenn neben den steuerpflichtigen Einnahmen auch steuerfreie Vermögensvorteile erzielt werden (vgl. BFH Urteil vom 4.5.1993, BStBl II 1993, 832; zuletzt bestätigt durch BFH Urteil vom 24.11.2009, BFH/NV 2010, 1417). Abweichend hiervon hat das FG Düsseldorf in seinem Urteil vom 1.3.2007 (11 K 2959/04 E) entschieden, dass das Fehlen eines eindeutigen Vorrangs, Wertsteigerungen zu erzielen, nicht im Umkehrschluss eine Vermutung für einen ausschließlichen Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften aus Kapitalvermögen rechtfertige. In der Folge soll ein Werbungskostenabzug nicht in Betracht kommen, wenn es an einem sachgerechten Aufteilungsmaßstab fehlt, da bei einem Mischsachverhalt, in dem ein Ertragsvorrang nicht erkennbar ist, davon auszugehen sei, dass sich die Rendite im Wesentlichen aus den Wertsteigerungen und nicht aus den Erträgen speisen soll.
Ob Reisekosten (Fahrtkosten zur depotverwahrenden Bank oder zur Hauptversammlung) zum WK-Abzug berechtigen oder zu nachträglichen AK führen, hat der BFH bereits zweimal (allerdings) für einen GmbH-Gesellschafter entschieden. Nach dem BFH-Urteil vom 22.10.2002, BFH/NV 2003, 164 sind die Aufwendungen in keinem Fall als AK zu werten, sondern können WK in der Einkunftsart des § 20 EStG oder in der des § 19 EStG sein, wenn daneben noch ein Arbeitsverhältnis zur GmbH besteht. Mit dem vergleichbaren Zuordnungsproblem (Zinsen für eine Bürgschaftsschuld, die der Gesellschafter-Geschäftsführer für seine notleidende GmbH aufgenommen hat) befasste sich der BFH (BFH Urteil vom 5.10.2004 (BFH/NV 2005, 54), blieb aber das Ergebnis der Zuordnung (§ 20 EStG oder § 19 EStG) letztlich schuldig. Den Entscheidungsgründen kann jedoch entnommen werden, dass ein Abzug als WK bei § 20 EStG nur dann in Betracht kommt, wenn die Verbindlichkeit wenigstens den Charakter eines eigenkapitalersetzenden Darlehens hat. Dies kann auch bei einer Familien-AG der Fall sein.
Für den Fall, dass keine tatsächlichen Werbungskosten geltend gemacht wurden, wurde bis einschließlich VZ 2008 nach Abzug eines Sparerfreibetrages (→ Pauschbeträge bei Kapitaleinkünften) von 750 € (§ 20 Abs. 4 EStG a.F.) ein Werbungskostenpauschbetrag nach § 9 EStG i.H.v. 51 € für sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen abgezogen. Bei zusammenveranlagten Ehegatten steht der Betrag einem jeden einzelnen Ehegatten zu.
2.2.3. Werbungskosten und das Teileinkünfteverfahren
Im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens wird systemgerecht auch der WK-Abzug auf 60 % gekürzt (§ 3c Abs. 2 EStG).
Beispiel 3:
Zum 31.12.201 setzt sich der Depotbestand von Dagobert aus Aktien im Wert von 20 000 € und aus Rentenpapieren im Wert von 30 000 € zusammen. Über weitere Kapitalanlagen verfügt D in 11 nicht.
Die Depotgebühren (11) belaufen sich auf 100 €.
Das BMF hat zu der Frage der Aufteilung von WK für den Fall Stellung genommen, in dem eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich ist (BMF vom 12.6.2002, BStBl I 2002, 647). Die Kapitalanlagen werden folglich gruppiert und bilden den Aufteilungsmaßstab.
Lösung 3:
In Gruppe 1 (TEV) befinden sich die Aktien, in Gruppe 2 (übrige) die Rentenpapiere. Von 100 € Depotgebühren entfallen 2/5 = 40 € auf die Aktien und sind nur mit dem 60 % (24 €) abzugsfähig, während die auf die festverzinslichen Papiere entfallenden Depotgebühren von 60 € voll abzugsfähig sind.
Die Höhe der WK (§§ 9, 20 Abs. 8 EStG) beträgt für D demnach 84 €, wenn er einzeln veranlagt wird.
Anders (keine Aufteilung) sieht es laut BFH-Urteil vom 8.7.2003, DStR 2003, 1830 für den Fall der Mischfinanzierung (kombiniert eigen-/fremdfinanzierter Erwerb) von festverzinslichen Wertpapieren aus, wenn es um die Beurteilung der Überschusserzielungsabsicht geht. Für diese Frage sind die Schuldzinsen in vollem Umfang als WK anzusetzen.
Besonderheiten gelten für den Fall des Veräußerungsgewinnes nach § 17 Abs. 4 EStG (der unter weiteren Voraussetzungen ebenfalls dem TEV unterliegt), dass keine Einkünfte als der Anlage bezogen wurden. Siehe hierzu BMF vom 8.11.2010 (IV C 6 – S 2128/07/10001) sowie die Änderung des § 3c EStG durch das JStG 2010 als Reaktion auf anderslautende BFH-Rspr.
2.3. Exkurs: Abschreibung bei im Betriebsvermögen gehaltenen Aktien
Grundsätzlich werden bei Wertpapieren handelsrechtlich keine Abschreibungen vorgenommen, wobei eine unterschiedliche Behandlung von im Anlage- bzw. Umlaufvermögen ausgewiesenen Wertpapieren möglich ist. Der Hauptfall der Abschreibung von Wertpapieren (Aktien) ist der Fall einer voraussichtlich dauernden Wertminderung. Handelsrechtlich (§ 253 Abs. 3 Satz 4 HGB) besteht eine Abschreibungspflicht bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung, bei nicht voraussichtlich nicht dauernden Wertminderung besteht ein Wahlrecht hierzu. Steuerrechtlich besteht hingegen nur im Fall einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ein Wahlrecht zur Abschreibung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Das BMF hat hierzu mit Schreiben vom 26.3.2009 (BStBl I 2009, 514) typisierende Grenzen angenommen, ab denen von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ausgegangen werden kann (s. hierzu auch BFH vom 26.9.2007, BStBl II 2009, 294). Diese typisierende Betrachtungsweise wurde durch Urteil des FG Münster vom 31.8.2010 (9 K 3466/09 K, G) eingeschränkt, indem zwar der Grundsatz einer typisierenden Betrachtungsweise für zulässig erklärt wurde, jedoch die Grenzen des BMF für nicht angemessen gehalten wurden. Der BFH hat mit Urteil vom 21.9.2011 (BFH/NV 2012, 310) diese Wertgrenzen zu Gunsten der Steuerpflichtigen präzisiert und eine Abschreibung bereits bei einer Unterschreitung der Anschaffungskosten um 5 % bei börsennotierten Aktienfondsanteilen am Bilanzstichtag zugelassen.
2.4. Die personelle Zurechnung der Einnahmen aus einem Aktienbestand
2.4.1. Das gesetzliche »Leitbild« (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ff. EStG sowie § 20 Abs. 5 EStG)
Abgesehen von der Sonderregelung in § 21 Abs. 1 Nr. 4 EStG (Besteuerung aufgrund der gesetzlichen Surrogation im V+V-Bereich) enthalten allein § 20 Abs. 2 Nr. 2 ff. EStG gesetzliche Antworten auf die Beteiligung mehrerer Personen an einer Einkunftsquelle. Diese im Jahre 1994 durch das StMBG als Klarstellung eingeführten Anwendungsfälle sind durch das (mögliche) Auseinanderfallen von Stammrecht (Aktie) und dem eigentlichen Ertragsanspruch (auch Gewinn-, Zins- oder Dividendenanspruch genannt) gekennzeichnet. Als weitere Begleiterscheinung ist bei der Gesamtschau des § 20 Abs. 2 Nr. 2 ff. EStG zusätzlich zu berücksichtigen, dass die vom Stammrecht isolierten Ertragsansprüche zusätzlich verbrieft sein können (als Dividendenscheine oder als Zinskupons), während umgekehrt die Einkunftsquelle selbst nicht verbrieft sein muss. Die Fälle der nicht verbrieften Inhaberschaft des Stammrechts werden gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG pauschal den verbrieften Wertpapieren gleichgestellt.
2.4.1.1. Die Übertragung der Beteiligung (an einer Kapitalgesellschaft) und § 20 Abs. 5 EStG
Bei der Übertragung von Anteilen an einer KapG geht das wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber über, wenn er
- aufgrund eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat und
- die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie
- das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.
Bestimmen die Parteien eines Aktienkaufvertrags den im Jahr des Vertragsabschlusses zunächst nur vorläufig festgelegten Kaufpreis aufgrund eines erst im folgenden Jahr zu erstellenden Wertgutachtens und machen sie die Besitzübertragung von der vollständigen Zahlung des Kaufpreises abhängig, geht nach Ansicht des BFH (Urteil vom 22.7.2008, BFH/NV 2008, 1908) das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen noch nicht mit Abschluss des Kaufvertrages auf den Erwerber über.
Der Gesellschafterwechsel bei einer KapG ist weder an den Jahreswechsel noch an das Vorliegen eines Gewinnverteilungsbeschlusses gebunden. Wird inmitten eines Jahres die Beteiligung verkauft (abgetreten), erfolgt i.d.R. auch eine zivilrechtliche Absprache über den Gewinn des laufenden Jahres.
Beispiel 4:
Bei der X-AG (Wj. = Kj.) veräußert A am 30.6.2001 sein Aktienpaket von 10 T€ an B, während der zweite Aktionär C den Restanteil von 15 T€ behält. Bei den Verhandlungen über den Kaufpreis (insgesamt 100 T€) wird vereinbart, dass hiervon 5 T€ auf den zu erwartenden Gewinnanspruch des Jahres 01 entfallen. Der am 1.4.2002 beschlossene auszuschüttende Gewinn ist so hoch wie das Stammkapital der X-AG (25 T€) und wird entsprechend der Beteiligungsverhältnisse an B und C überwiesen.
In der Praxis wird unterstellt, dass die Parteien von dem gesellschaftsrechtlichen Grundsatz ausgehen, dass der Gewinnanspruch dem jeweiligen (d.h. derzeitigen) Inhaber des Mitgliedschaftsrechtes zusteht (vgl. z.B. für das GmbH-Recht: § 29 Abs. 1 GmbHG). Die Absprache über den laufenden Gewinn im Jahr des Gesellschafterwechsels wird – wie hier – häufig entgeltlich erfolgen. Die Gewinnabsprache kann auch unentgeltlich oder teilentgeltlich geregelt werden.
Lösung 4:
- Das Stammrecht steht im Zeitpunkt des Verteilungsbeschlusses (1.4.2002) dem Neugesellschafter zu (gesellschaftsrechtliche Ausgangslage).
- Weiter ist durch § 20 Abs. 5 EStG – in Übereinstimmung mit zwei BFH-Urteilen aus dem Jahre 1986 – klarstellend geregelt, dass – entgegen zivilrechtlicher Absprachen über die Früchteverteilung nach § 101 BGB – der Gewinn i.H.v. 10 T€ (die Dividende) immer vom Neugesellschafter versteuert wird.
- Der Kaufpreis von 5 T€ bezieht sich auf den hiervon losgelösten Ertragsanspruch für das Jahr 01. Anders als bei § 21 Abs. 1 Nr. 4 EStG tritt hier der anteilige Kaufpreis von 5 T€ nicht an die Stelle des künftigen Gewinnes (als vorgezogener Gewinnanteil), sondern geht im Gesamtkaufpreis von 100 T€ auf und wird steuerlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 EStG bzw. des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG (oder § 6 AStG) als Veräußerungsgewinn berücksichtigt.
Zur Klarstellung wird darauf verwiesen, dass zwei andere Fälle in der Beurteilung unproblematisch sind:
- Der Gesellschafterwechsel erfolgt in 02 nach dem Verteilungsbeschluss für 01: Der Gewinn steht dem Altgesellschafter zu (BFH Urteil vom 9.3.1982, BStBl II 1982, 540).
- Der Gesellschafterwechsel erfolgt in 01 und zur Diskussion stehen die zukünftigen Gewinne der Jahre 02 ff.: nach BFH-Urteil vom 12.10.1982, BStBl II 1983, 128 stehen die zukünftigen Gewinne dem Neugesellschafter zu.
In einem Schenkungsfall (Vater schenkt den GmbH-Geschäftsanteil seinen Kindern) hat der BFH allerdings entschieden (BFH Urteil vom 14.10.2002, BFH/NV 2003, 307), dass der Vater die Dividenden dann weiterhin zu versteuern hat, wenn diese weiterhin auf das Konto des Vaters überwiesen werden. Diese Entscheidung berührt aber nicht die grundsätzliche Zuordnung, sondern klärt nur für die Fallgruppe der »Angehörigenschenkung«, da es in solchen Fällen am »tatsächlichen Vollzug« der Schenkung fehlt.
2.4.1.2. Sonderfall »Leerverkauf«
Eine Sonderregelung wurde durch das Jahressteuergesetz 2007 für die Fälle eingeführt, in denen Aktien vom Erwerber mit Dividendenberechtigung erworben, tatsächlich aber ohne Dividendenanspruch geliefert werden. Für diese Fälle bestimmt § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG, dass als sonstige Bezüge auch Bezüge gelten, die an Stelle der Bezüge i.S.d. Satzes 1 (also an Stelle von Dividenden) von einem anderen als dem Anteilseigner nach Absatz 5 bezogen werden. Bedeutung hat die Regelung insbesondere für sog. Leerverkäufe, bei denen der Verkäufer die Anteile selbst erst beschaffen muss, der Erwerb hingegen erst möglich ist, nachdem der Dividendenabschlag vorgenommen wurde.
Im Zuge der internationalen Finanzmarktkrise wurden Leerverkäufe auf Aktien und andere Wertpapiere in Deutschland durch § 30h WpHG weitgehend verboten. Nach der Übergangsregelung des § 42a WpHG sind hiervon Geschäfte ausgenommen, die bereits vor dem 27.7.2010 abgeschlossen wurden, sofern diese nicht auf Grund einer anderen Regelung verboten sind. Ergänzend hierfür wurde das »EU-Leerverkaufs-Ausführungsgesetz« vom 6.11.2012 (BGBl I 2012, 2286) im nationalen Gesetzgebungsverfahren verabschiedet, welches die »EU-Leerverkaufsverordnung« umsetzt. Die bereits bestehenden nationalen Regeln wurden entsprechend angepasst. Korrespondierend hierzu hat die EU-Kommission am 29.6.2012 weitere Verordnungen vorgestellt, die die »EU-Leerverkaufsverordnung« flankieren sollen.
Zum Einbehalt von KapESt auf Gewinne aus Leerverkäufen s. auch BMF vom 5.5.2009, BStBl I 2009, 631, vom 21.9.2010, BStBl I 2010, 752 und vom 3.3.2011, BB 2011, 662. Nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder werden die oben genannten BMF-Schreiben mit Wirkung ab dem 1.1.2012 gemäß BMF-Schreiben vom 29.11.2011 (BB 2011, 3092) aufgehoben. Der Bereich der Kapitalertragsteuererhebung bzw. -erstattung i.R.d. Leerverkaufes wurde i.R.d. OGAW-IV-Umsetzungsgesetzes (BGBl I 2011, 1126) mit Wirkung ab dem 1.1.2012 umfassend neu geregelt. (§ 43 Abs. 1 Nr. 1a, EStG mit Wirkung für alle Kapitalerträge, die nach dem 31.12.2011 zufließen). Für Vorgänge vor dem 1.1.2012 sind die o.g. BMF-Schreiben weiterhin anzuwenden. Für den Übergangszeitraum sind die weiteren Besonderheiten des BMF-Schreibens vom 29.11.2011 zu beachten.
Die mit dem AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809) eingeführte Vorschrift in § 44 Abs. 1a EStG eröffnet nunmehr die Möglichkeit eines Einbehaltes von KapESt für ausländische Stellen für die Fälle, in denen inländische Aktien mit Dividendenberechtigung durch deutsche Steuerpflichtige erworben, jedoch ohne Dividendenanspruch geliefert werden. Behält die ausländische Stelle hierauf (freiwillig) KapESt ein und leitet diese an eine inländische Wertpapiersammelbank weiter, ist diese zur Abführung der einbehaltenen Steuer und auf Verlangen zur Ausstellung einer Steuerbescheinigung i.S.d. § 45a Abs. 2 EStG verpflichtet (BT-Drs. 17/10604). Hierdurch soll die Notwendigkeit einer Veranlagung solcher Kapitalerträge verhindert werden. Die KapESt wird bereits auf Ebene der ausländischen Stelle (d.h. von dritter Seite) einbehalten, welche zugleich die entsprechende Steuerbescheinigung erstellt. Zeitlich findet diese Neuregelung für Kapitalerträge Anwendung, die nach dem 31.12.2012 zufließen (§ 52a Abs. 16c Satz 2 EStG). Das BMF wandte die Neuregelung in § 44 Abs. 1a EStG im Vorgriff auf die (einst durch das JStG 2013 geplant, s. BT-Drs. 17/11190) Gesetzesänderung für alle nach dem 31.12.2012 zufließenden Kapitalerträge an (BMF vom 28.12.2012, DStR 2013, 38).
2.4.1.3. Die Abtretung von Gewinnansprüchen nach § 20 Abs. 2 Nr. 2a EStG
Anders als bei § 20 Abs. 5 EStG wird hier nicht die Beteiligung übertragen, sondern – wegen der Abspaltungstheorie zulässigerweise – nur der Gewinn- oder Dividendenanspruch.
Beispiel 5:
Der Aktionär A verkauft in 04 seinen Gewinnanteilsschein auf die Jahresdividende 04 an B zu 2 000 €. In 05 entfällt auf A eine anteilige Dividende von 1 850 €.
Lösung 5:
Der Dividendenschein gilt – ebenso wie die Aktie – als Wertpapier. Gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a EStG i.V.m. § 3 Nr. 40g EStG hat A in 04 60 % von 2 T€ als vorgezogenen Kapitalertrag zu erfassen; KapESt fällt dabei nicht an. Der spätere Zufluss der Dividende bei B ist für beide Personen steuerlich unbeachtlich. Nach h.A. ist es auch unbeachtlich, ob die spätere Dividende dem Kaufpreis entspricht.
Zu den sonstigen Gewinnansprüchen i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 2a EStG gehören auch Bezugsrechte, die anlässlich einer Kapitalerhöhung zum Erwerb junger Aktien ausgegeben werden. Für den Fall, dass diese Bezugsrechte innerhalb der Veräußerungsfrist des § 23 EStG veräußert werden, hat der BFH auf einen Veräußerungstatbestand nach § 23 EStG entschieden (BFH Urteil vom 22.5.2003, BStBl II 2003, 712).
Diese mit § 21 Abs. 1 Nr. 4 EStG identische Lösung (gesetzliche Surrogation: der Kaufpreis ersetzt den späteren Dividendenzufluss) lässt sich unschwer für Übertragungsmöglichkeiten, vor allem im Familienkreis, nutzen. Um der Gefahr der Einkünfteverlagerung vorzubeugen, bleibt es daher bei einer unentgeltlichen Übertragung des isolierten Gewinnanspruches bei der Regelung des § 20 Abs. 5 EStG, wonach der Aktionär (Inhaber des Stammrechts) Einkunftssubjekt bleibt.
2.4.2. Der Nießbrauch bei Kapitalvermögen – offene Fragen/neue Wege
2.4.2.1. Einführung in die Problemstellung
Zivilrechtlich bereitet die Bestellung eines Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil, z.B. an einem Aktienpaket, keine Probleme. Die allgemeine Zulässigkeit ergibt sich aus § 1068 BGB (Nießbrauch an Rechten), wonach wegen des Grundsatzes von § 1069 Abs. 2 BGB (keine Bestellung an unübertragbaren Rechten) nur noch darauf zu achten ist, dass im Falle der Vinkulierungsklausel die übrigen Gesellschafter zustimmen (Beispiel: vinkulierte Namensaktie). Nach der wirksamen Bestellung ist der Nießbraucher zur Nutzung berechtigt. Nach h.M. kann bei der inhaltlichen Ausformulierung des Nießbrauchs nur ein »Ertragsnießbrauch« und kein »Vollrechtsnießbrauch« vereinbart werden, da ansonsten das Vollrecht ausgehöhlt werden könnte. Wegen des erforderlichen Ausschlusses von Mitverwaltungsrechten, die beim Inhaber des GmbH-Geschäftsanteils verbleiben, wird praxisgerecht der Ertragsnießbrauch mit einer Stimmrechtsbevollmächtigung versehen sein.
Hinweis:
Diese wird – im Auszug – folgenden Wortlaut haben:
»Rechte und Pflichten der Beteiligten:
- Der Inhaber des Aktienpakets (Vater V) bevollmächtigt den Nießbraucher (Sohn S) unwiderruflich zur Ausübung des Stimmrechts.
- V verpflichtet sich, von seinem Stimmrecht keinen Gebrauch zu machen, ersatzweise auf Wunsch des S abzustimmen.
- Das Gewinnbezugsrecht steht uneingeschränkt dem S zu. Er kann i.R.d. Hauptversammlung für größtmögliche Gewinnausschüttung stimmen.«
Im Unterschied zu den überarbeiteten Regelungen beim Immobiliennießbrauch sind den ursprünglichen Aussagen (von 1983) im Bereich des Nießbrauchs bei Kapitalbeteiligungen keine Ergänzungen hinzugefügt worden. Im Gegenteil: In der jüngsten amtlichen Rezeption der Erkenntnisse von 1983 aus dem Jahre 1999 werden wiederum »holzschnittartig« die Ausführungen zu den Immobilien auf die Kapitaleinkünfte übertragen. Als vorläufige Ergebnisse schreiben daher Verwaltung und noch h.M. die Gewinnanteile nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur im Falle des Vorbehalts- und Vermächtnisnießbrauches dem Nießbraucher zu (s. auch BFH Urteil vom 29.5.2001, BFH/NV 2001, 1393 sowie FG Münster vom 14.1.2003, EFG 2003, 690).
Beim Zuwendungsnießbrauch scheint der Bestellmodus (entgeltlich/unentgeltlich) zu unterschiedlichen Ergebnissen zu führen. Beim unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch verbleiben die Einkünfte beim Besteller (Inhaber des Aktienpakets). Zum entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch wird ausgeführt, dass das Entgelt für die Bestellung des Nießbrauches zu Einkünften nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 EStG (heute: § 20 Abs. 2 Nr. 2a EStG) führe und die Einziehung des Gewinnanteils durch den Nießbraucher nur eine unbeachtliche Forderungsabtretung sei und demzufolge der Nießbrauchsbesteller nach wie vor Zurechnungssubjekt für die Kapitaleinkünfte sei.
Diese Ansicht führt nicht nur zu entsprechenden »Verwerfungen« in den Verträgen zur Nießbrauchsbestellung, sondern ignoriert in der unreflektierten Übernahme der »Immobilien-Überlegungen« den unterschiedlichen Ausgangspunkt. Während die Zuordnungsfrage bei § 21 EStG weitgehend von der Frage der persönlichen AfA-Befugnis überlagert ist, muss die Zuordnungsfrage bei den Kapitalübereinkünften von der Überlegung getragen sein, wer Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG erzielt, d.h. wer als marktberechtigter Teilhaber an diesen Kapitaleinkünften anzusehen ist. Die Antwort kann nur unter Zuhilfenahme der Erkenntnisse der Marktbeteiligungstheorie gefunden werden.
2.4.2.2. Persönlicher Lösungsansatz: Zurechnung der Kapitaleinkünfte beim entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch (Mindermeinung und Argumentations-/Gestaltungshilfen)
Die Doppelbesteuerung, mit der die h.M. das Problem löst (das Entgelt für die Begründung des Zuwendungsnießbrauches = Einnahme nach § 20 Abs. 2 Nr. 2a EStG für den Besteller und die zusätzliche Erfassung der späteren Gewinnanteile wiederum beim Besteller, soweit nicht § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG greift), kann nicht hingenommen werden.
Wiederum andere betrachten die späteren Gewinnzahlungen als unbeachtliche Forderungseinziehung (der Nießbraucher hat hiernach keine Einkünfte, vgl. BFH Urteil vom 12.12.1969, BStBl II 1970, 212) und ignorieren somit vollends die rechtsgeschäftliche Absprache beim entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch. Auch diese Lösung kann nicht richtig sein. Es besteht insgesamt ein unbefriedigendes »Rechtsfolgenpatt«.
In Hinblick auf das gesetzliche Differenzierungsangebot des § 20 EStG, wonach in den Nr. 1–4 »aktive« Kapitaleinkünfte geregelt sind und in den folgenden Nr. 5–7 eher »passive« Einkünfte, kann die Marktbeteiligungstheorie an dieser Nahtstelle wertvolle Erkenntnisse liefern. Im Anwendungsbereich des »aktiven Katalogs« von § 20 EStG, wozu über Nr. 1 auch die Gewinnbeteiligung an einer GmbH zählt, wird man eine entsprechende Dispositionsbefugnis, mit der ein Nießbraucher ad hoc ausgestattet ist, nicht ignorieren dürfen und ihm folglich die Einkünfte zurechnen müssen. Zu diesen Dispositionsbefugnissen über die Einkunftsquelle GmbH-Geschäftsanteil sollten, worauf in der Literatur immer wieder hingewiesen wird, zählen:
- das Stimmrecht,
- ein Anfechtungsrecht sowie
- die Eigenberechtigung zur Teilhabe an der Kapitalerhöhung.
Von entscheidender Bedeutung ist schließlich noch, dass der Nießbraucher durch die Bezahlung (entgeltlicher Nießbrauch) bereits einen Erfolgsbeitrag für die Marktbeteiligung an dieser Einkunftsquelle geleistet hat.
Dieser konsistenten Lösung gebührt gegenüber der herkömmlichen »Steuerklausellösung«, die in Verträgen zu lesen ist, wonach bei einer Stimmrechtsbevollmächtigung der Nießbrauch auf die »Erträge nach Abzug der Einkommensteuerbelastung« beschränkt werden soll, eindeutig der Vorzug.
Um ein gesamtschlüssiges Konzept vorzulegen, fehlt bei der hier vorgeschlagenen Lösung (Zurechnung der Gewinnanteile beim entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch) nur noch die Behandlung des bezahlten Entgelts bei der Bestellung des Nießbrauchs. Nach den obigen Erkenntnissen zu einer identischen Fallgruppe stellt der Kaufpreis für das Nutzungsrecht im Jahr der Bezahlung eine negative Einnahme des Nießbrauchers dar. Somit liegt ein in sich konsistentes Besteuerungskonzept für den entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch vor, das ohne gekünstelte Vertragsgestaltungen und ohne Rechtsfolgenwiderspruch auskommt.
3. Die Veräußerung von Aktien
Durch die Neufassung des § 20 Abs. 2 EStG hat sich die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Wertpapieren grundlegend geändert. Der 1.1.2009 stellt in diesem Zusammenhang eine deutliche Zäsur da. Vor dem 1.1.2009 angeschaffte Wertpapiere sind wie zuvor grundsätzlich lediglich i.R.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F. steuerlich zu erfassen. Ist die einjährige Spekulationsfrist für diese »alten« Wertpapiere abgelaufen, so bleibt ihre Veräußerung steuerrechtlich unbeachtlich. Weder ein Gewinn noch ein etwaiger Verlust werden berücksichtigt.
Es stellt sich die Frage des sachlichen Anwendungsbereiches der beiden hier thematisierten Vorschriften. Auf Grund des Subsidiaritätsprinzips des § 20 Abs. 8 EStG werden nur unwesentliche Beteiligungen an Körperschaften durch § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG erfasst, die nicht bereits durch § 17 EStG erfasst sind. § 17 EStG ist demnach vorrangig anzuwenden. Somit ist die Norm nur für Streubesitzanteile von weniger als 1 % einschlägig, die im Privatvermögen gehalten werden. Im Betriebsvermögen gehaltene Beteiligungen sind im Fall der Veräußerung ebenfalls wegen § 20 Abs. 8 EStG nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4, 5 EStG als laufender Gewinn zu besteuern, während bei Alleinbeteiligungen (= 100 %) § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eingreift. Von § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG erfasste Veräußerungsobjekte sind zunächst die Anteile an in- und ausländischen Körperschaften (Letztere, die im Rahmen eines Rechtsformvergleiches den inländischen KapG strukturell gleichen). Des Weiteren fallen hierunter die Veräußerung von Genussrechten an diesen Körperschaften, ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften. Durch diese sehr weitreichende Norm wird letztendlich ein Gleichlauf mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG hergestellt. Von § 20 Abs. 2 Nr. 7 sind (vergleichbar der Generalnorm der sonstigen Kapitalerträge des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) insbesondere die Veräußerung von (festverzinslichen) Wertpapieren, Obligationen und sog. »Finanzinnovationen« u.Ä. erfasst.
Zu verbleibenden Zweifelsfragen, auch i.R.d. Veräußerungen i.S.d. neuen § 20 Abs. 2 EStG hat das BMF inzwischen durch mehrere Schreiben (umfassend vom 22.12.2009, BStBl I 2010, 94 [Nr. 1, § 43/1], vom 15.6.2009 [bis einschließlich VZ 2008], DB 2009, 1506, ergänzt durch Schreiben vom 20.12.2012, BStBl I 2013, 36; vgl. früher BMF vom 16.11.2010, BStBl I 2010, 1305 sowie vom 13.6.2008, DStR 2008, 1236) Stellung genommen. Nicht allein schon auf Grund der Komplexität dieser Schreiben wird die zentrale Stellung und die ebenfalls bestehende Komplexität des neuen § 20 Abs. 2 EStG verdeutlicht.
Der Veräußerungsgewinn ermittelt sich nach § 20 Abs. 4 EStG n.F. und bemisst sich anhand einer Gegenüberstellung von Veräußerungserlösen sowie den Anschaffungskosten der veräußerten Aktien und den mit der Veräußerung im Zusammenhang stehenden Kosten. Insoweit ist eine Anknüpfung an § 17 EStG und an die alte Fassung des § 23 EStG zu erkennen. Demzufolge kann es nach wie vor zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust kommen. An dieser Stelle wird auch der Grundsatz der Bruttobesteuerung der Abgeltungsteuer durchbrochen, da WK im tatsächlichen Umfang geltend gemacht werden können.
Als Veräußerungseinnahmen sind hierbei alle Positionen zu verstehen, die der Veräußerer als Gegenleistung für die Hingabe erhält. Stundungszinsen für eine Stundung der Kaufpreisforderung gehören nicht hierzu. Diese sind vielmehr § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zuzuordnen.
Die Anschaffungskosten entsprechen begrifflich den §§ 255 Abs. 1 HGB und § 6 EStG. Demnach sind die AK diejenigen Kosten, die erforderlich sind, um die einzelne Kapitalanlage aus fremder in die eigene wirtschaftliche Verfügungsbefugnis zu übertragen. Neben dem Kaufpreis können hierunter Maklergebühren, Notargebühren, Beratungskosten und Zeitungsanzeigen fallen, soweit sie für den Erwerb der Kapitalanlage nötig waren.
I.R.d. gesetzlich gewollten Bruttobesteuerung ist der Begriff der im Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft abziehbaren Aufwendungen eng auszulegen. Abziehbar sind nur solche Aufwendungen, ohne die das Geschäft nicht zustande gekommen wäre. Hierfür kommen z.B. Maklerprovisionen und Notargebühren in Betracht, sofern sie vom Veräußerer getragen werden.
Der Begriff der Veräußerung ist nach § 20 Abs. 2 und 3 EStG weit auszulegen. Als Veräußerung gilt demnach auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine KapG.
Der Tausch von Anteilen, der nach ständiger Rspr. als Veräußerung anzusehen ist (vgl. BFH vom 7.7.1992, BStBl II 1993, 331), fällt ebenfalls hierunter. Allerdings sind hierbei die Ausnahmen des § 20 Abs. 4a EStG zu beachten.
Ein wesentlicher Unterschied zum alten Recht ist, dass auch die Rückzahlung eines Wertpapieres zum Nennbetrag eine Ermittlung eines Veräußerungsgewinnes nach sich zieht. Das BMF hat hierzu im Schreiben vom 22.12.2009 (BStBl I 2010, 94) in den Rn. 59 ff. ausführlich Stellung genommen:
- Laut BMF stellen der Forderungsverzicht (soweit keine verdeckte Einlage gegeben ist) und der Forderungsausfall keine Veräußerungen dar. Bei einem Forderungsverzicht gegen Besserungsschein sollen nach BMF-Auffassung die Grundsätze des Forderungsverzichts Anwendung finden.
- Die Liquidation einer KapG ist ebenfalls keine Veräußerung der Anteile an dieser KapG. § 17 Abs. 4 EStG bleibt unberührt.
- Beim Tausch von Wertpapieren (Rn. 64 ff.) werden die bisherigen Aktien veräußert und die erlangten erworben, soweit nicht § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG Anwendung findet.
- Der Sonderfall des Umtausches von ADR, GDR und IDR in Aktien stellt keine Veräußerung dar.
- Die Einlage in eine KapG ist grundsätzlich keine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG, es sei denn, es handelt sich um eine verdeckte Einlage. Bei verdeckten Einlagen gilt § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG (Veräußerungsfiktion). Er geht § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG vor.
Ohne Bedeutung ist, ob die Veräußerung freiwillig oder unter wirtschaftlichem Zwang erfolgt. Werden oder sind bei einer Gesellschaftsübernahme die verbliebenen Minderheitsgesellschafter rechtlich oder wirtschaftlich gezwungen, ihre Anteile an den Übernehmenden zu übertragen, liegt vorbehaltlich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG eine Veräußerung der Anteile an den Übernehmenden vor. Wird die Gegenleistung nicht in Geld geleistet (z.B. Lieferung eigener Aktien des Übernehmenden), ist als Veräußerungspreis der gemeine Wert der erhaltenen Wirtschaftsgüter anzusetzen.
4. Verlustverrechnung bzw. Verlustausgleich (§ 20 Abs. 6 EStG)
Bei der Berücksichtigung von Verlusten ist zwischen Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften von vor dem 1.1.2009 angeschafften Wertpapieren einschließlich des zum 31.12.2008 gesondert festgestellten Verlustvortrages für private Veräußerungsgeschäfte einerseits und dem Verlust aus der Veräußerung von nach dem 31.12.2008 angeschafften Kapitalanlagen zu unterscheiden. Gem. § 23 Abs. 3 Satz 9, 10 EStG können Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 anzuwendenden Fassung auch mit Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG i.d.R. des Art. 1 des Gesetzes vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) ausgeglichen werden. Sie mindern abweichend von Satz 8 nach Maßgabe des § 10d auch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus § 20 Abs. 2 EStG n.F. erzielt.
Dies bedeutet Folgendes für die Verlustverrechnung: Verluste aus Kapitalvermögen (und damit auch solche aus der Veräußerung von Kapitalanlagen) sind zunächst nicht mehr mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgleichsfähig und nicht nach § 10d EStG verrechenbar (§ 20 Abs. 6 EStG). Für den verbleibenden horizontalen Verlustausgleich und -vortrag (ein Rücktrag von Verlusten ist in § 20 Abs. 6 EStG nicht vorgesehen) ist zunächst ein Verlustausgleich innerhalb des »allgemeinen« Verlustverrechnungstopfes, d.h. mit positiven Kapitalerträgen des laufenden Jahres (bei der Bank oder dem Kreditinstitut) gem. § 43a Abs. 3 EStG i.R.d. Kapitalertragsteuerabzugs vorzunehmen. Hierdurch sollen viele zusätzliche Veranlagungsfälle vermieden werden.
Der »allgemeine« Verlustverrechnungstopf umfasst:
- Zinserträge,
- Dividenden,
- Gewinne aus Beteiligungsverkäufen (positiver Saldo des besonderen Verlustverrechnungstopfes),
- negative Stückzinsen,
- negative Zwischengewinne,
- Veräußerungsverluste (ohne Aktien) sowie
- ausländische Quellensteuer.
Ein nach erfolgter Saldierung verbleibender Verlust kann entweder auf das Folgejahr fortgetragen werden, oder dem Steuerpflichtigen wird auf Antrag bis zum 15.12. des jeweiligen Verlustjahres durch die auszahlende Stellung unter Nullstellung des allgemeinen Verlustverrechnungstopfes eine Verlustbescheinigung ausgestellt. Dieser kann dann die Verluste im Wege der Veranlagung geltend machen.
Hiervon sind allerdings Veräußerungsverluste aus Aktien ausgeschlossen. Diese können nur mit Veräußerungsgewinnen aus Aktien (Anschaffung nach dem 31.12.2008) verrechnet werden. Sie werden in einem besonderen Verlustverrechnungstopf geführt. Ergibt sich hierin ein positiver Saldo, so kann dieser in den allgemeinen Verlustverrechnungstopf übertragen und dort mit etwaigen verbleibenden Verlusten verrechnet werden. Alternativ hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit, sich eine Verlustbescheinigung ausstellen zu lassen und diese Verluste im Veranlagungsverfahren geltend zu machen. Wird hiervon kein Gebrauch gemacht, so ist der verbleibende Verlust gesondert festzustellen und auf die Folgejahre vorzutragen. Ist eine Verrechnung im Veranlagungsverfahren ebenfalls nicht möglich, wird die zuständige Finanzbehörde die Verluste ebenfalls gesondert feststellen und vortragen.
Alle anderen Veräußerungsgewinne sind (nach dem Verlustausgleich des § 43a Abs. 3 EStG = im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugsverfahrens) vorrangig mit Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften, die bis zum 31.12.2008 (egal aus welchen Anlagen) entstanden sind, zu verrechnen. Dabei ist es unerheblich, woraus diese Altverluste entstanden sind. Diese vorrangige Verrechnung ist erforderlich, da diese nur bis zum 31.12.2013 möglich ist. Für die Verrechnung mit Altverlusten, die nur i.R.d. Veranlagung erfolgt, muss der Steuerpflichtige eine Steuerbescheinigung nach § 45a Abs. 2 EStG (BMF vom 18.12.2009, BStBl I 2010, 94 [= Nr. 1, § 45a/1]) einreichen, in der die insgesamt erzielten Gewinne i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG und die darin enthaltenen Gewinne aus Aktienveräußerungen angeführt werden. Die Altverluste können wahlweise auch mit Gewinnen aus § 23 EStG verrechnet werden. Diese Form der Verrechnungsmöglichkeit bleibt auch über den 31.12.2013 hinaus bestehen (§ 23 Abs. 3 Satz 7 bis 9 i.V.m. § 52a Abs. 11 Satz 11 EStG).
Eine analoge Regelung der Verlustverrechnung gilt für Altverluste aus sog. Stillhaltergeschäften (§ 22 Nr. 3 Satz 5 und 6 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG). Diese können bis zum 31.12.2013 mit Einkünften gem. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG verrechnet werden.
Danach erfolgt eine Verlustverrechnung mit Verlustvorträgen aus Vorjahren, die bereits der Abgeltungsteuer unterlegen haben. Etwaige dann noch verbleibende Verluste sind gesondert festzustellen und auf die Folgejahre fortzutragen.
Beispiel 6:
X (konfessionslos, sonstige Einkünfte: 200 000 €) erzielt im Jahr 2010 folgende Kapitaleinkünfte:
- Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren i.H.v. 50 000 €,
- Verluste aus Veräußerungen von Aktien i.H.v. 25 000 €,
- Gewinne aus Veräußerungen anderer Wertpapiere i.H.v. 50 000 €.
Im 2009 wurde ein verbleibender Verlustvortrag von 50 000 € festgestellt, von denen 10 000 € auf Aktienveräußerungen entfallen. Der verbleibende gesondert festgestellte Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften beträgt per 31.12.2009 10 000 €.
Wie hoch sind die in 2010 zu versteuernden Kapitaleinkünfte? Zusätzlich sind etwaige Verluste gesondert festzustellen.
Lösung 6:
Die Verluste aus Aktienveräußerungen sind nur mit entsprechenden Gewinnen verrechenbar und sind daher in 2010 nicht zu berücksichtigen. Der neue vortragsfähige Verlust aus Aktienveräußerungen ist per 31.12.2010 i.H.v. 35 000 € gesondert festzustellen.
Die verbleibenden positiven Kapitaleinkünfte betragen demzufolge 100 000 €. Diese sind zunächst mit den verbleibenden Altverlusten gem. § 23 EStG zu verrechnen. Diese betrugen zuvor noch 10 000 € und können demzufolge in 2010 vollkommen verrechnet werden. Es verbleiben somit 90 000 €, der neue vortragsfähige Altverlust aus privaten Veräußerungsgeschäften ist per 31.12.2010 i.H.v. 0 € gesondert festzustellen. Ab 2011 entfällt demzufolge für X diese Möglichkeit der Verlustverrechnung.
Die verbleibenden 90 000 € können schließlich mit dem Verlust aus 2009 (60 000 €) verrechnet werden, so dass auch dieser Verlustvortrag vollkommen verbraucht wird und mit 0 € gesondert festzustellen ist.
Von den verbleibenden 30 000 € ist schließlich noch der Sparer-Pauschbetrag i.H.v. 801 € (§ 20 Abs. 9 EStG) abzuziehen, so dass X im Ergebnis 29 199 € der Abgeltungsteuer zu unterwerfen hat. Die Steuer beträgt demzufolge 7 299,75 €, der SolZ 401,49 €. Die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG führt an dieser Stelle zu keinem günstigeren Ergebnis, da X auf Grund seiner sonstigen Einkünfte (200 000 €) bereits ohne die Kapitaleinkünfte einem höheren Steuersatz als 25 % unterliegt.
5. Aktien als Arbeitslohn
Folgende Fälle, in denen die Ausgabe von Aktien als Arbeitslohn zu erfassen sein kann sind zu beachten:
Bezeichnung des Vorganges | Eigen-Betriebliches Interesse des AG | Arbeitslohn | Weitere Hinweise, Begründung | Rechtsprechung, Verwaltungsanweisungen | |
Beteiligung des Arbeitnehmers am Unternehmen des Arbeitgebers: | Für die Ermittlung des gemeinen Wertes der Aktien s. auch BFH vom 29.7.2010, VI R 30/07 | ||||
die Arbeitnehmerstellung ist nicht mitprägend für den Erwerb der Aktien, sondern allein maßgeblich für die Auswahl der Käufer | nein | FG Hessen vom 10.12.2009, LEXinform 5010193 | |||
Ausgabe von Gratisaktien | möglich | ja | Es muss nach Aussage des Gerichts ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des AG vorliegen. | FG Düsseldorf vom 26.5.2010, LEXinform 5010156 |
Zu erfassen ist der geldwerte Vorteil beim ArbN im Zeitpunkt des Zuflusses der Aktien. Dies ist dann der Fall, wenn der ArbN die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Aktien erlangt. Ein solcher Zufluss liegt nicht vor, solange dem Arbeitnehmer die Verfügung über die Aktien rechtlich unmöglich ist (BFH vom 30.6.2011, BStBl II 2011, 923). Grundsätzlich ist laut BFH-Rspr. die tatsächliche Veranlassung der Zuteilung maßgebend. Ist das individuelle Dienstverhältnis des ArbN für die Zuteilung von Aktien maßgeblich, kommt die Annahme von Arbeitslohn in Betracht.
Dies ist der Fall, wenn ein Vorteil (hier die Zuteilung der Aktien) mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers darstellt, nicht aber wenn der Vorteil Entgelt für die Veräußerung eines Wirtschaftsgutes ist (BFH vom 30.6.2011, BStBl II 2011, 948). Bei Aktienoptionsrechten zugunsten des Arbeitnehmers fließt der Vorteil dem ArbN erst dann gem. § 11 EStG zu, wenn er das Optionsrecht ausübt oder anderweitig verwertet (BFH vom 18.9.2012, BStBl II 2013, 289).
Das Teileinkünfteverfahren findet auf Arbeitslohn aus Aktien keine Anwendung (BFH vom 20.12.2006, BFH/NV 2007, 698).
6. Die Bewertung von börsennotierten Aktien in der Erbschaftsteuer
Wie aus der Überschrift zu § 11 BewG zu erkennen ist, befasst sich die Vorschrift (auch) mit der Anteilsbewertung, insbes. der Anteile an KapGes (s. § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG). § 11 BewG unterscheidet in seinen Absätzen 1 und 2 Vorgänge innerhalb und außerhalb des Börsenverkehrs. Sofern Anteile verbrieft und börsennotiert sind (z.B. Aktien), ist vorrangig der Kurswert anzusetzen (s. § 11 Abs. 1 BewG). Ist dies nicht möglich (z.B. GmbH-Anteile), ist der gemeine Wert zu ermitteln (s. § 11 Abs. 2 BewG).
Aktien (Anteile mit Wertpapiercharakter), die am Bewertungsstichtag an der Börse gehandelt werden, sind mit dem niedrigsten am Stichtag notierten Kurs anzusetzen (s. § 11 Abs. 1 Satz 1 BewG). Der notierte Kurs der Wertpapiere ist als deren (vereinfacht zu ermittelnder) gemeiner Wert anzusehen. Es handelt sich um eine Typisierung bei der Wertfindung, die dem steuerlichen Massenverfahren Rechnung trägt und der gleichmäßigen Steuerfestsetzung dienen soll. Es erfolgt kein Abschlag vom Börsenkurs wegen eines tatsächlich unter dem Börsenkurs liegenden gemeinen Wertes (keine Öffnungsklausel). Abweichungen vom Kurswert sind nur dann zuzulassen, wenn der festgestellte Kurs nicht der wirklichen Geschäftslage des Verkehrs an der Börse entspricht, d.h. eine Streichung des festgestellten Kurses hätte erreicht werden können (s. BFH vom 1.10.2001, BFH/NV 2002, 319).
Es muss der niedrigste am Stichtag an einer der acht deutschen Börsen im amtlichen Börsenhandel (nach dem Börsenzulassungsgesetz vom 16.12.1986 [BGBl I 1986, 2478] vollzieht sich der Handel zum einen im amtlichen Handel und zum anderen im geregelten Markt oder Freiverkehr) notierte Kurs (bei variablen Kursen = Kassakurs, ansonsten Einheitskurs) festgestellt werden (nicht Eröffnungs-/Schlusskurs, es sei denn, er wäre der niedrigste). Durch das Finanzmarktrichtlinienumsetzungsgesetz vom 16.7.2007 (BGBl I 2007, 1330) wurde der Begriff »amtlicher Handel« durch »Handel im regulierten Markt« ab 1.11.2007 ersetzt. Diese neue Terminologie erfolgte als Reaktion auf die neuen Begrifflichkeiten des Börsengesetzes. Liegt eine Kursnotierung zum Stichtag nicht vor (z.B. weil kein Börsenhandel erfolgt ist oder Aktie nicht notiert ist), ist der letzte innerhalb der letzten 30 Tage vor dem Stichtag notierte Kurs – unabhängig von seiner Höhe – maßgebend (s. § 11 Abs. 1 Satz 2 BewG). Kurse nach dem Stichtag sind ohne Relevanz.
Entsprechend ist zu verfahren, wenn die Aktie in den Freiverkehr einbezogen ist (s. § 11 Abs. 1 Satz 3 BewG). Es ist also zwischen den im amtlichen Börsenhandel festgestellten Kursen und den Preisen von Wertpapieren, die im geregelten Markt/Freiverkehr gehandelt werden, zu unterscheiden. Erstere werden im amtlichen Kursblatt bekanntgegeben, letztere können »veröffentlicht« werden (z.B. im Kursblatt der Börse). Werden Kurse amtlich festgestellt, so haben sie im Rahmen des § 11 Abs. 1 BewG ein größeres Gewicht als die im Freiverkehr veröffentlichten Kurse. Liegt ein amtlicher Börsenkurs für die letzten dreißig Tage vor dem Besteuerungszeitpunkt nicht vor, kann auch bei Aktien, die im amtlichen Markt gehandelt werden, auf die nichtamtlichen Kurse im geregelten Markt/Freiverkehr zurückgegriffen werden. Kurs i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 3 BewG ist auch der im Kursblatt einer Börse angegebene Kurs mit dem Zusatz »G«. Dieser Kurs ist jedoch für die Bewertung nicht von Bedeutung, wenn er im geregelten Freiverkehr veröffentlicht wurde und erwiesen ist, dass ihm kein Kaufangebot innerhalb der Dreißigtagefrist des § 11 Abs. 1 Satz 2 BewG zugrunde liegt (s. BFH vom 21.2.1990, BStBl II 1990, 490).
Werden Aktien in einem Bankdepot verwaltet, so wird wohl i.d.R. der von der Bank anzuzeigende Kurswert vom FA übernommen werden (s. § 33 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 1 ErbStDV/Muster 1).
Bei ausländischen Aktien ist, wenn ein Telefonkurs im inländischen Bankverkehr vorliegt, dieser maßgebend. Lässt sich der gemeine Wert nicht auf dieser Grundlage ermitteln, ist er möglichst aus den Kursen des Emissionslandes abzuleiten. Bei jungen Aktien und Vorzugsaktien, die (noch) nicht an der Börse eingeführt sind, ist der gemeine Wert aus dem Börsenkurs der Stammaktien abzuleiten (s. R B 11.1 Abs. 3 und 4 ErbStR 2019).
7. Literaturhinweise
Preißer/Bressler, in: Preißer, Die Steuerberaterprüfung 2020, Bd. 1, 19. A., Teil A Kap. II 2., Stuttgart 2020; Mertens/Karrenbrock, Die Abgeltungsteuer im Kontext des objektiven und subjektiven Nettoprinzips – Zugleich Anmerkungen zum Urteil des FG Baden-Württemberg vom 17.12.2012, 9 K 1637/10, DStR 2013, 950; Bender/Bracksiek, Satzungsdurchbrechende Beschlüsse als Grundlage der steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen, DStR 2014, 121; Schäfer/Scholz, Offene Fragen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Abgeltungsteuer, DStR 2012, 1885; Korn, Ausgaben und Verluste bei Anteilen an Kapitalgesellschaften in Teileinkünfteverfahren und Abgeltungsteuer DStR 2009, 2509; Preißer/von Rönn/Schultz-Aßberg, Unternehmensteuerreform 2008, 1. A.
Zur Bewertung von Aktien (und der verschiedenen Aktiengattungen): Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, 11. A., § 11, Rn. 14 ff.
Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.
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