Abrechnungsbescheid
Einen Abrechnungsbescheid erlässt i.d.R. die Finanzbehörde bei Streitfragen gegenüber eines Steuerpflichtigen.
- Gibt es Streitfragen über Steueransprüche seitens des Steuerpflichtigen, erlässt die Finanzbehörde einen sogenannten Abrechnungsbescheid.
- Dieser wird in der Regel vom Steuerpflichtigen beantragt.
- Bei Streitigkeiten über Steuerabzugsbeiträge oder -vorauszahlungen entscheidet die Finanzbehörde über den Abrechnungsbescheid.
- Der Bescheid stellt fest, inwiefern Zahlungsentrichtungen aus Ihrem Steuerbescheid erloschen sind.
- Gegen diesen können Sie Einspruch einlegen.
1. Allgemeines
Gem. § 218 AO entscheidet das Finanzamt im Bedarfsfall per Abrechnungsbescheid bei Streitigkeiten über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis. Es handelt sich um eine Entscheidung innerhalb des Erhebungsverfahrens (→ Abgabenordnung). Für die Erteilung eines Abrechnungsbescheides ist regelmäßig ein Antrag erforderlich.
2. Anwendungsbereich
Im Abrechnungsbescheid wird darüber entschieden, ob und in welcher Höhe der Anspruch gegenüber dem Stpfl. besteht oder bereits beglichen worden ist. Jeder Stpfl., der vom Finanzamt auf Zahlung in Anspruch genommen wird oder ein Erstattungsguthaben beansprucht, ist antragsberechtigt. Zwischen dem Beteiligten und dem Finanzamt muss strittig sein, ob der betroffene Anspruch erfüllt worden ist. Der Antragsteller muss konkrete Argumente gegen den jeweiligen Bestand des Steueranspruchs erbringen. Die Erteilung eines Abrechnungsbescheides kommt daher u.a. in folgenden strittigen Fällen in Betracht:
- Rückerstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 AO bei Überzahlungen (→ Erstattungsanspruch).
- Erlöschen des Steueranspruchs durch Zahlung, Aufrechnung oder Zahlungsverjährung (→ Steuerschuldverhältnis).
- Entstehung von Säumniszuschlägen; macht der Stpfl. geltend, die Säumniszuschläge seien nicht oder nicht in der angeforderten Höhe entstanden, so ist sein Vorbringen – auch wenn es als Erlassantrag bezeichnet ist – als Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides anzusehen, da nur in diesem Verfahren entschieden werden kann, ob und inwieweit Säumniszuschläge entstanden sind (BFH Urteil vom 12.8.1999, VII R 92/98, BStBl II 1999, 751).
- Aufrechnung gem. § 226 AO.
- Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen oder Steuervorauszahlungen auf die festgesetzte Steuerschuld. Davon zu unterscheiden ist die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Steuervorauszahlungen als eigenständiger sonstiger Verwaltungsakt (= Anrechnungsverfügung).
- Abtretung, Verpfändung und Pfändung von Ansprüchen auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und Steuervergütungen.
3. Verfahrensrechtliche Stellung
3.1. Sonstige Verwaltungsakte
Der Abrechnungsbescheid ist ein sonstiger → Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO. Daher muss die Abrechnung gem. § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die Schriftform ist gem. § 119 Abs. 2 Satz 1 AO zunächst nicht zwingend vorgesehen. Im Hinblick auf ein regelmäßig bestehendes berechtigtes Interesse des Betroffenen ist gem. § 119 Abs. 2 Satz 2 AO der Abrechnungsbescheid schriftlich zu bestätigen. Die für Steuerbescheide (→ Steuerbescheid) und denen gleichgestellte Bescheide geltenden engeren Voraussetzungen nach § 157 AO greifen nicht.
Eine Rechtsbehelfsbelehrung gem. § 356 Abs. 1 AO ist als Sollvoraussetzung nicht zwingend vorgesehen, um die Möglichkeit der Einspruchseinlegung innerhalb eines Jahres nach § 356 Abs. 2 AO zu vermeiden, aber erforderlich.
3.2. Aufrechnung
Für die → Aufrechnung gelten nach § 226 Abs. 1 AO sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§§ 387 bis 396 BGB), soweit in § 226 Abs. 2 bis 4 AO nichts anderes bestimmt ist. Das Recht der Aufrechnung steht, falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, sowohl dem Stpfl. als auch dem Steuergläubiger zu.
Mangels hoheitlicher Maßnahme stellt die Aufrechnung keinen → Verwaltungsakt dar. Zwar tritt insoweit die Finanzbehörde gegenüber einem Bürger auf, begründet ihren Anspruch jedoch aus einer zivilrechtlichen Grundlage, wie beispielsweise Werkverträgen oder Kaufverträgen, und stellt damit die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts dar. Will der Erklärungsempfänger dagegen vorgehen, ist ein Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides erforderlich, gegen den dann die Möglichkeit der Einspruchseinlegung besteht.
3.3. Örtliche Zuständigkeit
Zuständig für den Erlass eines Abrechnungsbescheids ist die nach den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen der §§ 16 ff. AO zuständige Finanzbehörde. An seiner mit Urteil vom 12.7.2011 (VII R 69/10, BFHE 234, 114; BFH/NV 2011, 1936) vertretenen Auffassung, dass für Entscheidungen durch Abrechnungsbescheid diejenige Behörde zuständig ist, die den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis festgesetzt hat, um dessen Verwirklichung gestritten wird, hält der BFH nicht mehr fest (BFH Urteil vom 19.3.2019, VII R 27/17, BFH/NV 2019, 721; LEXinform 0951445).
3.4. Rechtsbehelfs- und Korrekturmöglichkeit
Gegen den Abrechnungsbescheid ist der Einspruch gem. § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO, gegen eine hierzu ergehende Einspruchsentscheidung ist die Anfechtungsklage gem. § 40 Abs. 1 FGO gegeben.
Eine Korrektur kommt innerhalb (vgl. § 132 AO) oder außerhalb des Einspruchsverfahrens nach § 129 AO (→ Berichtigung von Schreib-/Rechenfehlern und ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten gem. § 129 AO und § 173a AO) oder nach den §§ 130 und 131 AO (→ Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO) in Betracht. Die Anwendung der §§ 172 ff. AO scheidet aus, da der Abrechnungsbescheid kein Steuerbescheid ist.
4. Bindungswirkung an die Anrechnungsverfügung
Bei der Erstellung des Abrechnungsbescheids muss das Finanzamt von der aktuellen Steuerbescheidlage ausgehen. Dabei ist das Finanzamt an existierende Anrechnungsverfügungen, die selbstständige Verwaltungsakte (→ Verwaltungsakt) darstellen, gebunden. Die Bindungswirkung muss bei Erlass des Abrechnungsbescheides beachtet werden. Eine Korrektur (Berichtigung, Rücknahme oder Widerruf) des Verwaltungsaktes »Steueranrechnung« zugunsten oder zuungunsten des Betroffenen im Zusammenhang mit einem Abrechnungsbescheid ist nur möglich, wenn eine der Voraussetzungen der §§ 129 bis 131 AO gegeben ist.
5. Einfluss des Abrechnungsbescheides auf den Beginn der Zahlungsverjährung
Eine Korrektur der Anrechnungsverfügung ist nur innerhalb der durch die Anrechnungsverfügung in Lauf gebrachten Zahlungsverjährungsfrist zulässig (BFH Urteil vom 12.2.2008, VII R 33/06, BStBl II 2008, 504 und vom 27.10.2009, VII R 51/08, BStBl II 2010, 382). Die Verjährungsfrist des § 228 AO beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres der Bekanntgabe der Steuerfestsetzung und beträgt fünf Jahre. Nach Ablauf der Verjährungsfrist soll Rechtssicherheit darüber einkehren, was der Steuerpflichtige aufgrund der Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung anzurechnender Vorauszahlungen zu zahlen hat und was ihm zu erstatten ist. Umgekehrt kann der Steuerpflichtige nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr verlangen, dass auf die festgesetzte Steuer nachträglich etwas angerechnet oder erstattet wird. Vgl. OFD Niedersachsen vom 26.2.2015, S 0450-49-St 144.
Unterbleibt eine wegen Änderung eines Steuerbescheides erforderliche Berichtigung der Anrechnungsverfügung im Rahmen der Steuerbescheidänderung, kann sie innerhalb der fünfjährigen Zahlungsverjährungsfrist, die durch die Bekanntgabe des Steueränderungsbescheides in Lauf gesetzt wird, mit einem Abrechnungsbescheid i.S.d. § 218 Abs. 2 AO nachgeholt werden. Entsprechendes gilt für die unterbliebene Auswertung eines Feststellungsbescheides (BFH vom 29.10.2013, VII R 68/11, BStBl II 2016, 115).
Soweit die Anrechnungsverfügung keinen Widerrufsvorbehalt enthält, kann eine Korrektur der Anrechnungsverfügung bis zum Eintritt der Zahlungsverjährung nur nach §§ 129–131 AO erfolgen. Die Anrechnungsverfügung entfaltet gegenüber einem späteren Abrechnungsbescheid Bindungswirkung. Diese Bindungswirkung muss deshalb beim Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO beachtet werden (AEAO zu § 218, Nr. 3).
Zur ausführlichen Darstellung der Problematik vgl. → Zahlungsverjährung.
6. Widerstreitende Anrechnungsverfügungen und Abrechnungsbescheide – § 218 Abs. 3 AO i.V.m. § 174 AO
Die Korrektur- und Verjährungsvorschrift des § 218 Abs. 3 AO ermöglicht die Korrektur von widerstreitenden Anrechnungsverfügungen bzw. Abrechnungsbescheiden unter entsprechender Anwendung des § 174 Abs. 4 und 5 AO. Beantragt z.B. ein Ehegatte die Korrektur seiner Anrechnungsverfügung zu seinen Gunsten, ermöglicht es § 218 Abs. 3 AO, eine sich danach ergebende widerstreitende Anrechnung beim anderen Ehegatten zu korrigieren. Der zugrunde liegende einheitliche Lebenssachverhalt ist bei allen Beteiligten übereinstimmend zu beurteilen.
Gegenüber einer Person, die im Ausgangsverfahren nicht Antragsteller war, ist eine für sie nachteilige Korrektur ihrer Anrechnungsverfügung oder ihres Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 3 AO nur dann möglich, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung der fehlerhaften Anrechnungsverfügung bzw. des fehlerhaften Abrechnungsbescheids geführt hat, in entsprechender Anwendung des § 174 Abs. 5 AO beteiligt wurde. Für eine wirksame Beteiligung dieser Person muss ihr auch der Verwaltungsakt bzw. im Einspruchsverfahren die Einspruchsentscheidung bekannt gegeben werden (vgl. BFH Urteile vom 11.4.1991, V R 40/86, BStBl II 1991, 605, und vom 5.5.1993, X R 111/91, BStBl II 1993, 817). Die Beiladung nach § 218 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO ist bereits dann gerechtfertigt, wenn wegen eines der in § 218 Abs. 3 Satz 1 AO genannten Verfahren die Möglichkeit einer Folgeänderung besteht und das FA die Beiladung beantragt oder veranlasst hat (vgl BFH Beschluss vom 29.5.2018, VII B 112/17, BFH/NV 2018, 972).
Hinsichtlich des Antragstellers oder Rechtsbehelfsführers wird die Zahlungsverjährung nach § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrochen. Die Zahlungsverjährungsfrist gegenüber einer Person, die im Ausgangsverfahren nicht Rechtsbehelfsführer/Antragsteller war, wird in entsprechender Anwendung des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unterbrochen, wenn sie vor Eintritt der ihr gegenüber geltenden Zahlungsverjährung beteiligt wurde (vgl. AEAO zu § 218, Nr. 4.2) und ihr gegenüber die entsprechenden steuerlichen Folgen innerhalb eines Jahres nach Korrektur der Anrechnungsverfügung oder des Abrechnungsbescheids im Ausgangsverfahren gezogen werden (vgl. AEAO zu § 218, Nr. 4.5).
Rechtsbehelfe können nur gegen den im Ausgangsverfahren erlassenen Verwaltungsakt eingelegt werden.
Wurde die Korrektur einer Anrechnungsverfügung zu Gunsten nicht auf Antrag des Steuerpflichtigen durchgeführt (Änderung von Amts wegen), ist § 218 Abs. 3 AO nicht anwendbar.
7. Literaturhinweise
Ripken, Abrechnungsbescheid als Mittel der Steuerschlichtung, NWB Fach 2, 8181.
Keine Tags für diesen Steuerberater Beitrag. Related posts