Die Antragsveranlagung gibt dem Arbeitnehmer, der nicht schon aus anderen Gründen verpflichtet ist, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, die Möglichkeit, dies freiwillig zu tun, um steuermindernde Aufwendungen auch außerhalb des Lohnsteuerverfahrens geltend zu machen.

1. Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG

1.1. Grundsätzliches

Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, wird eine Veranlagung nur unter den in § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 8 EStG genannten Voraussetzungen durchgeführt (→ Einkommensteuer-Veranlagungspflicht). Die Veranlagungsgründe sind in § 46 EStG abschließend aufgezählt. Unterbleibt eine Veranlagung endgültig, so gilt die Einkommensteuer, die auf die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit entfällt, für den Steuerpflichtigen durch den Lohnsteuerabzug als abgegolten (§ 46 Abs. 4 EStG).

Die Frist für die Antragsveranlagung beträgt vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres. Die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 2014 endet also erst am 31.12.2018.

1.2. Die Subsidiarität des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG

Die Antragsveranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ist subsidiär. Sie ist deshalb nicht möglich, wenn der Stpfl. bereits nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG von Amts wegen zu veranlagen ist. Erfolgt weder eine Pflichtveranlagung noch eine Antragsveranlagung durch das Finanzamt, so gilt die Einkommensteuer, die auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entfällt, für den Stpfl. durch den Lohnsteuerabzug als abgegolten, soweit er nicht für zu wenig erhobene Lohnsteuer in Anspruch genommen werden kann; vgl. § 46 Abs. 4 EStG.

In der Regel betrifft die Antragsveranlagung diejenigen Fälle, in denen der Stpfl. eine Steuererstattung erwarten wird. Stellt der Stpfl. fest, dass eine Antragsveranlagung zu einer Steuernachzahlung führt, so kann er grds. seinen Antrag zurücknehmen. Die Rücknahme muss aber verfahrensrechtlich zulässig sein (also bis zur Bestandskraft im Rahmen eines Einspruchs). Außerdem führt eine Rücknahme dann nicht zum Ziel, wenn das FA im Antragsverfahren feststellt, dass eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG vorliegt.

Ein Antrag des Stpfl. nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ist nicht erforderlich, wenn das FA das Veranlagungsverfahren von sich aus bereits durchgeführt hat und die ESt durch Erlass eines Steuerbescheids (§ 155 Abs. 1 AO) festgesetzt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei Erlass des Steuerbescheids aus der insoweit maßgeblichen Sicht des FA die Voraussetzungen für eine Veranlagung von Amts wegen vorlagen (BFH Urteil vom 22.5.2006, VI R 15/05, BStBl II 2006, 912).

Beispiel:

Beispiel und Lösung ergeben sich aus dem BFH-Urteil vom 22.5.2006 (VI R 15/05, BStBl II 2006, 912).

Ein Stpfl. erzielte im Veranlagungszeitraum 01 im Wesentlichen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sowie geringe Einkünfte (über 410 €) aus Vermietung und Verpachtung. Da im Dezember 04 noch keine ESt-Erklärung für 02 beim FA eingegangen war, schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 10.12.04 einen entsprechenden ESt-Bescheid. Gegen diesen Bescheid legte der Stpfl. form- und fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung reichte er am 20.1.05 die ESt-Erklärung für 02 ein. Darin erklärte er neben Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung. Daraufhin hob das FA den ESt-Bescheid auf und erklärte den Einspruch für erledigt. Am 15.2.05 stellte der Stpfl. einen Antrag auf Durchführung einer Veranlagung zur ESt 02.

Lösung:

Im Streitfall hat das FA eine Veranlagung rechtmäßig durchgeführt. Da die Kläger trotz Aufforderung (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO) keine ESt-Erklärung abgegeben hatten, musste das FA gem. § 162 AO die Besteuerungsgrundlagen schätzen. Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ergab, dass die Voraussetzungen für eine Veranlagung der Kläger nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG vorlagen, weil die Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, mehr als 410 € betrug. Folglich war das FA gem. § 25 Abs. 1 EStG verpflichtet, die Kläger zur ESt zu veranlagen und durch Erlass des (angefochtenen) Steuerbescheids die ESt festzusetzen. Die Veranlagung konnte nicht nach § 46 EStG unterbleiben.

Ein Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG war im Streitfall für die (weitere) Durchführung des Veranlagungsverfahrens nicht (mehr) erforderlich. Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, wird eine Veranlagung nur unter den in § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 8 EStG genannten Voraussetzungen durchgeführt. Die Antragsveranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ist gegenüber den Veranlagungstatbeständen aus § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 7 EStG subsidiär. Der Stpfl. kann die Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nur beantragen, wenn er nicht bereits nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 7 EStG von Amts wegen zu veranlagen ist. Der Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ist verfahrensrechtlicher Natur. Er leitet nur das Veranlagungsverfahren ein, mittels dessen die materiell gem. § 36 Abs. 1 EStG entstandene ESt ermittelt und festgesetzt wird. Nach der Konzeption der §§ 25, 46 EStG soll der Antrag auf Durchführung der Veranlagung die Finanzbehörde zu einem Handeln veranlassen, wenn sie nicht von sich aus tätig werden muss. Der Veranlagungsantrag soll das Veranlagungsverfahren in Gang setzen. Er macht den Erlass des Einkommensteuerbescheids aber nicht antragsabhängig. Ausgehend hiervon bedarf es für die Durchführung des Veranlagungsverfahrens keines Antrags des Stpfl. nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG mehr, wenn das FA das Veranlagungsverfahren von sich aus bereits durchgeführt und ESt durch Erlass eines Steuerbescheids (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO) festgesetzt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei Erlass des Steuerbescheids die Voraussetzungen für eine Veranlagung von Amts wegen aus der insoweit maßgeblichen Sicht des FA vorlagen. In einem solchen Fall kann der Antrag auf Durchführung der Veranlagung seinen Zweck, ein Veranlagungsverfahren in Gang zu setzen, nicht mehr erreichen. Dabei ist die Frage der Durchführung der Veranlagung grundsätzlich losgelöst von der – erst später erkennbar gewordenen – inhaltlichen Unrichtigkeit des Steuerbescheids zu beurteilen. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG steht der vom Stpfl. begehrten Festsetzung der materiell richtigen ESt nicht entgegen, wenn sich später nach Erlass des ESt-Bescheids herausstellt, dass die Finanzbehörde zu Unrecht angenommen hat, sie müsse von Amts wegen tätig werden und die Veranlagung durchführen. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG verdrängt nicht die Amtsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 7 EStG. Aufgabe sowohl der Antrags- als auch der Amtsveranlagung nach § 46 EStG ist es, Unvollkommenheiten des ausschließlich auf die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezogenen LSt-Abzugsverfahrens auszugleichen und über die Veranlagung die Gleichheit zwischen allen Steuerpflichtigen herzustellen. Dieser Gesetzeszweck gebietet eine Auslegung der Vorschrift, die die Festsetzung der materiell richtigen ESt ermöglicht und sie nicht verhindert.

Zusammenfassung:

  • Bei bereits durchgeführter Veranlagung ist kein Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG mehr erforderlich.
  • Bei irrtümlicher Amtsveranlagung ist keine Antragsveranlagung gegeben.

§ 46 EStG enthält keine Rechtsgrundlage für die Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide. Ist über den Einkommensteueranspruch bereits durch bestandskräftigen Bescheid entschieden worden, vermag auch ein fristgerechter Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG keine erneute Entscheidung über diesen Anspruch herbeizuführen (BFH Urteil vom 22.5.2006, VI R 17/05, BStBl II 2006, 806). Der Stpfl. hat das nachträgliche Bekanntwerden der steuermindernden Tatsachen grob verschuldet. Grobes Verschulden i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Stpfl. die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt.

Mit Urteil vom 26.3.2013 (VI R 22/11, BStBl II 2013, 631) hat der BFH entschieden, dass unter der Summe der Einkünfte bei der Antragsveranlagung derjenige Saldo zu verstehen ist, der sich unter Berücksichtigung der horizontalen und vertikalen Verlustverrechnung ergibt. Die Klägerin erklärte in der Einkommensteuererklärung 2005 neben Einkünfte aus § 19 EStG u.a. Einkünfte aus der Vermietung einer 1999 erworbenen Eigentumswohnung sowie Einkünfte aus einem Immobilienfonds. Aus der Veräußerung der Wohnung resultierte ein Veräußerungsverlust nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Erklärung führte zu einer Steuernachzahlung. Das Finanzamt setzte die sonstigen Einkünfte mit 0 € an, da es sich bei dem Verlust um einen nicht ausgleichsfähigen Verlust nach § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG handelte, und stellte einen verbleibenden Verlustvortrag fest. Mit dem Einspruch beabsichtigte die Klägerin die Rücknahme des Antrags auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, weil es statt der erwarteten Steuererstattung nunmehr zu einer Nachzahlung gekommen sei. Der BFH vertrat hierzu die Auffassung, wonach die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG vorlagen. Eine Pflichtveranlagung wird durchgeführt, wenn die positive Summe der Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen sind, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 sowie § 24a EStG, mehr als 410 € betragen. Der Begriff Summe der Einkünfte sei dem Grunde und der Höhe nach einheitlich nach den §§ 2–24 EStG zu bestimmen. Wegen der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 23 Abs. 3 EStG und des Fehlens verrechenbarer positiver Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Streitjahr sei der Veräußerungsverlust aus § 23 EStG nicht in die Berechnung der Summe der Einkünfte einzubeziehen.

Die Verlustverrechnung auf Einkunftsebene nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG ist auch i.R.d. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen; vgl. FG Köln vom 24.3.2015, 12 K 1964/12 zur alten Rechtslage: Zwischen den Beteiligten war streitig, ob bei der Ermittlung der nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegenden, positiven Einkünfte i.S.d. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG ein Verlustabzug für private Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 23 Abs. 3 EStG zu berücksichtigen und dementsprechend eine Pflicht- oder eine Antragsveranlagung zur Einkommensteuer 2006 vorzunehmen ist.

Fordert die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung auf, so ist er gem. § 149 Abs. 1 Satz 2 AO hierzu gesetzlich verpflichtet mit der Folge, dass sich der Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO richtet. Eine Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung liegt auch dann vor, wenn das FA zusätzlich ausführt, der Steuerpflichtige möge das Schreiben mit einem entsprechenden Hinweis zurücksenden, falls er seiner Auffassung nach nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sei (BFH Urteil vom 4.10.2017, VI R 53/15, BStBl II 2018, 123). Vorliegend stellt das Schreiben des FA vom 20.9.2007 eine Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung in Form eines Verwaltungsakts dar: Der Kläger wird darin unter Setzung eines Termins unmissverständlich aufgefordert, die Steuererklärung für 2006 einzureichen. Das FA weist zudem darauf hin, dass es berechtigt sei, zu Zwangsmitteln zu greifen, sollte die Steuererklärung bis zum genannten Termin nicht vorliegen. Damit gibt die Behörde zu erkennen, dass sie sich für berechtigt hält, die Abgabe der angeforderten Steuererklärung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs durchzusetzen. Aus dem Fehlen einer Begründung bzw. einer Rechtsbehelfsbelehrung kann nicht geschlossen werden, dass keine Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung i.S.d. § 149 Abs. 1 Satz 2 AO vorliegt (vgl. BFH Beschluss vom 16.2.2012, II B 99/11). Da der Kläger für das Streitjahr 2006 zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet war, war die vierjährige Verjährungsfrist infolge der Anlaufhemmung nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO bei Einreichung der Steuererklärung im Dezember 2011 noch nicht abgelaufen.

1.3. Antragsfrist

1.3.1. Aufhebung der bisherigen Zweijahresfrist

§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG regelte bisher, dass der Antrag auf Durchführung einer ESt-Veranlagung bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kj. durch Abgabe einer ESt-Erklärung zu stellen ist. Durch das JStG 2008 vom 20.12.2007 (BGBl I 2007, 3150) ist die zweijährige Antragsfrist aufgehoben worden. Nach § 52 Abs. 55j Satz 2 EStG ist diese Änderung erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden. Darüber hinaus ist sie für Veranlagungszeiträume vor 2005 anzuwenden, wenn der Antrag auf Veranlagung bis zum 28.12.2007 (Tag der Verkündigung des JStG 2008 im BGBl) beim FA eingegangen ist und über den Antrag am 28.12.2007 noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist. Die Neuregelung gilt somit nicht für Fälle, in denen der Antrag auf Veranlagung für einen Veranlagungszeitraum vor 2005 erst nach dem 28.12.2007 beim FA eingeht.

Hat das FA einen Antrag auf ESt-Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG bereits abgelehnt, weil der Antrag nach Ablauf der bisherigen Zweijahresfrist eingegangen ist, und stellt der Stpfl. nach Bestandskraft des Ablehnungsbescheids einen erneuten Antrag, kann diesem nicht entsprochen werden, da § 52 Abs. 55j Satz 2 EStG ausdrücklich regelt, dass § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG für Veranlagungszeiträume vor 2005 nur anzuwenden ist, wenn über einen Antrag auf Veranlagung zur ESt am Tag der Verkündung des JStG 2008 (28.12.2007) noch nicht bestandskräftig entschieden ist (s.a. Kurzinformation OFD Münster Nr. 1/2008 vom 2.1.2008, ohne Fundstelle).

Gegen diese Verwaltungsauffassung hat der BFH mit Urteil vom 12.11.2009 (VI R 1/09, BStBl II 2010, 406) entschieden, dass ein Stpfl., der ausschließlich Arbeitslohn bezieht und den Antrag auf Veranlagung für Veranlagungszeiträume vor 2005 erst nach dem 28.12.2007 stellt – soweit Verjährungsfristen nicht entgegensteht –, zu veranlagen ist. S.a. OFD Frankfurt a.M. vom 12.7.2012, S 2270 A – 11 – St 216.

Ist jedoch bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit über einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer bereits vor dem 28.12.2007 bestandskräftig abschlägig entschieden worden, kommt eine Veranlagung weder nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 noch gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 i.d.F. des JStG 2008 in Betracht (BFH Urteil vom 9.2.2012, VI R 34/11).

1.3.2. Verfassungsmäßigkeit der Antragsfrist und Anwendung der Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO

Mit Beschlüssen vom 22.5.2006 (VI R 49/04, BStBl II 2006, 808 und VI R 46/05, BStBl II 2006, 820) hat der BFH dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die bisherige Zweijahresfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG verfassungsgemäß ist (2 BvL 56/06). Im Vorlagefall hatte der Stpfl., der ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezogen hatte, die ESt-Erklärung für das Jahr 1996 erst in 2002, also nach Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist eingereicht. Unter III Nr. 2 des Beschlusses VI R 46/05 führt der BFH aus, Stpfl., die von Amts wegen zu veranlagen seien, könnten die Durchführung einer Veranlagung noch bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden siebten Kj. erreichen, da neben der vierjährigen Festsetzungsfrist auch die höchstens drei Jahre dauernde Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zu berücksichtigen sei. Dagegen könne der Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG i.d.F. vor dem JStG 2008 nur innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des Veranlagungszeitraums gestellt werden. Diese Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt.

In o.g. Verfahren wurde der Kläger zwischenzeitlich klaglos gestellt.

Das FG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 11.12.2008 (6 K 1801/08, EFG 2009, 413) entschieden, dass für einen Stpfl., der ausschließlich Arbeitslohn bezogen hatte und den Antrag auf Veranlagung für 2004 erst im Februar 2008 und damit nach dem 28.12.2007 stellte, weiterhin gem. § 52 Abs. 55j EStG die zweijährige Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG galt.

Gegen dieses Urteil wurde Revision eingelegt. Mit Urteil vom 12.11.2009 (VI R 1/09, BStBl II 2010, 406) hat der BFH entschieden, dass der Klage stattzugeben sei. Entsprechende Fälle, die bisher von der Bearbeitung zurückgestellt wurden, seien in diesem Sinne zu erledigen; ruhende Einspruchsverfahren können erledigt werden – so die Vfg. der OFD Frankfurt a.M. vom 12.7.2012, S 2270 A – 11 – St 216.

Die OFD Frankfurt weist in der o.g. Vfg. vom 12.7.2012 ausdrücklich darauf hin, dass das BFH-Urteil vom 12.11.2009 keine Ausführungen zur Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO enthält.

Zur Frage, ob die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO auch für Fälle der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gilt, nimmt die OFD Frankfurt in der o.g. Vfg. vom 12.7.2012 wie folgt Stellung:

Der Anlauf der Festsetzungsfrist wird nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO immer dann gehemmt, wenn eine Verpflichtung des Stpfl. zur Einreichung einer Steuererklärung oder -anmeldung oder zur Erstattung einer Anzeige besteht. Diese Verpflichtung kann sich unmittelbar aus dem Gesetz oder aus einer Aufforderung der Finanzbehörde ergeben. Ist der Stpfl. nur berechtigt, nicht jedoch verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben, wie z.B. bei der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, bleibt es für den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Grundregel des § 170 Abs. 1 AO. Diese Auffassung ist nunmehr höchstrichterliche bestätigt. Der BFH hat mit Urteilen vom 14.4.2011 (VI R 53/10, VI R 77/10, VI R 82/10 (NV) und VI R 86/10 (NV)) und 6.10.2011 (VI R 17/11) entschieden, dass bei einer Antragsveranlagung die dreijährige Anlaufhemmung nicht in Betracht kommt und damit im Ergebnis keine siebenjährige Festsetzungsfrist gilt. Der BFH stellt erneut klar, dass die Festsetzungsfrist nicht nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO gehemmt wird, wenn keine Steuererklärung einzureichen ist. Auch bestehen keine gleichheitsrechtlichen Bedenken gegen eine unterschiedliche Behandlung zwischen Pflicht- und Antragsveranlagung, da Art. 3 Abs. 1 GG lediglich nach der Gleichbehandlung nämlicher Sachverhalte verlangt. Zwischen Pflicht- und Antragsveranlagung bestehen jedoch Sachunterschiede, die eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf eine Anlaufhemmung rechtfertigen. Die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO soll nach Rspr. des BFH verhindern, dass durch eine späte Einreichung der Steuererklärung die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit verkürzt wird. Das Urteil VI R 53/10 wurde zwischenzeitlich im BStBl II 2011, 746 veröffentlicht und ist daher über den entschiedenen Fall hinaus allgemein anzuwenden.

Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 18.9.2013, 1 BvR 924/12).

Im Fall einer Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG i.d.F. des JStG 2008 kommt § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht zur Anwendung; siehe hierzu BFH vom 18.10.2012, VI R 16/11.

Die Anlaufhemmung greift auch dann nicht, wenn eine behördliche Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung dem Stpfl. erst nach dem Ablauf der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 AO zugeht oder eine die Pflichtveranlagung begründende Steuererklärung erst nach dem Ablauf der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 AO abgegeben wird (BFH Urteil vom 28.3.2012, VI R 68/10, BStBl II 2012, 711).

1.3.3. Ablauf der Festsetzungsfrist bei der Antragsveranlagung

Mit Urteil vom 20.1.2016 (VI R 14/15, BStBl II 2016, 380) hat der BFH entschieden, dass die Festsetzungsfrist erst mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags (2.1. des Folgejahres) endet, wenn ihr Ende auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Der Kläger erzielte als Offizier im Streitjahr (2007) ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seine Einkommensteuererklärung 2007 ging am Montag, den 2.1. 2012, beim Finanzamt ein. Seinen Hauptwohnsitz hatte er in A und seinen Nebenwohnsitz in B. Das Finanzamt lehnte die Durchführung der Antragsveranlagung mit der Begründung ab, dass die Einkommensteuererklärung des Klägers erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist am 31.12.2011 eingegangen sei. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Auf die Revision des Klägers hat der BFH die angefochtene Vorentscheidung aufgehoben und der Klage stattgegeben. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sei der Kläger zur Einkommensteuer für 2007 zu veranlagen. Denn er habe seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr und damit den Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG »rechtzeitig« gestellt. Gem. § 108 Abs. 3 AO ende, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend falle, die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Maßgebend für die Auslegung des § 108 AO sei nach Abs. 1 der Vorschrift der Fristbegriff des Bürgerlichen Rechts, § 108 Abs. 3 AO erfasse demnach alle Arten von Fristen. Der Zweck des § 193 BGB, die Sonn- und Feiertagsruhe zu wahren und die in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung übliche Fünftagewoche zu berücksichtigen, werde mithin durch § 108 Abs. 3 AO auf alle Arten von Fristen und damit auch die Festsetzungsfrist erstreckt. Im Streitfall sei das Ende der Festsetzungsfrist (31.12.2011) auf einen Sonnabend gefallen. In einem solchen Fall ende die Festsetzungsfrist nicht mit Ablauf des 31.12., sondern nach § 108 Abs. 3 AO erst mit Ablauf des nächsten Werktags und hier damit am 2.1.2012. Folglich habe der Kläger vorliegend die Festsetzungsfrist für 2007 gewahrt.

Sollte die Frist versäumt sein, wäre § 110 AO zu prüfen: Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nach § 110 AO in Betracht, wenn ein Steuerpflichtiger ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Auf Antrag ist ihm dann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Unstreitig handelt es sich bei der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO um eine gesetzliche Frist. Sie gehört aber als vielmehr uneigentliche gesetzliche Frist nicht zu den wiedereinsetzungsfähigen Fristen i.S.d. § 110 AO. Zwar gehört die Antragsfrist bei einer Antragsveranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zu den wiedereinsetzungsfähigen Fristen, eine Wiedereinsetzung in eine Antragsfrist ist nach Ansicht des BFH allerdings ausgeschlossen, wenn mit dem Fristablauf (bezogen auf die Antragsfrist) zugleich Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Folglich ist die Frage des Verschuldens i.S.d. § 110 Abs. 1 AO bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und entsprechend vorgetragenen entschuldbaren Gründen nicht klärungsbedürftig, da hier schon gar keine wiedereinsetzungsfähige Frist vorliegt und damit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO bereits dem Grunde nach schon nicht in Betracht kommt.

Der Einwurf einer Steuererklärung (hier eines Antrags auf Veranlagung zur ESt nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) am letzten Tag der Antragsfrist ist auch dann fristwahrend und führt zur Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3 AO, wenn die Erklärung bei einem unzuständigen FA abgegeben wird; vgl. FG Köln vom 23.5.2017, 1 K 1638/14; das Revisionsverfahren wird unter dem Aktenzeichen VI R 38/17 beim BFH geführt.

1.4. Form des Antrages

Der Antrag auf Veranlagung ist durch Abgabe einer ESt-Erklärung zu stellen (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG).

Das Formerfordernis hat den Zweck, den Antrag auf Veranlagung eindeutig zum Ausdruck zu bringen (BFH-Beschluss vom 22.5.2006, VI R 49/04, BStBl II 2006, 808). Das EStG enthält keine Definition des Begriffs der ESt-Erklärung (→ Steuererklärung). Im Schrifttum wird einhellig die Meinung vertreten, der durch Abgabe einer ESt-Erklärung zu stellende Veranlagungsantrag müsse den für die ESt-Erklärung maßgeblichen Formvorschriften des § 150 AO und des § 25 Abs. 3 EStG genügen; ansonsten sei der Antrag nicht wirksam gestellt (Schmidt/Glanegger, § 46 Rz. 86). Auch nach der Rechtsprechung des BFH verknüpft § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG die Wirksamkeit des Antrags auf Veranlagung mit den Anforderungen an eine formal wirksame ESt-Erklärung. Liegt eine ordnungsgemäße ESt-Erklärung vor, ist die Finanzbehörde verpflichtet, die ESt-Veranlagung durchzuführen. Fehlt es daran, so ist der Antrag nicht wirksam gestellt (BFH Urteile vom 7.11.1997, VI R 45/97, BStBl II 1998, 54; vom 18.8.1998, VII R 114/97, BStBl II 1999, 84; vom 10.4.2002, VI R 66/98, BStBl II 2002, 455 und vom 22.5.2006, VI R 15/05, BStBl II 2006, 912). Die Steuererklärung ist eine formalisierte Auskunft des Stpfl. oder seines Vertreters, die dem FA die Festsetzung der Steuer oder die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ermöglichen soll und in der Regel zum Erlass eines Steuerbescheides führt (BFH Urteile vom 2.7.1986, I R 70/83, BFH/NV 1987, 704, und vom 14.1.1998, X R 84/95, BStBl II 1999, 203). Ein Stpfl. hat eine Steuererklärung ordnungsgemäß abgegeben, wenn er dem FA die gesetzlich formalisierte Auskunft über den Besteuerungstatbestand und seine Bemessungsgrundlage in einer Weise erteilt, dass dieses die Steuer festsetzen bzw. die Besteuerungsgrundlagen feststellen kann. Durch die Abgabe der Steuererklärung wirkt der Stpfl. bei der Ermittlung des Sachverhalts mit (vgl. § 90 Abs. 1 Satz 1 AO), indem er der Finanzbehörde die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen offenlegt und auf diese Weise die Sachverhaltsbasis für das Veranlagungsverfahren schafft. Nur wenn der Stpfl. dieser Mitwirkungspflicht nachkommt, kann die Finanzbehörde das reguläre Veranlagungsverfahren einleiten, indem sie die ihr vom Stpfl. mitgeteilten Tatsachen auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft. Die Rechtsprechung des BFH hat bereits für einen wirksamen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich verlangt, dass der ArbN dem FA nach amtlichem Vordruck innerhalb der Antragsfrist nicht nur die erforderlichen Personalangaben macht, sondern auch zumindest den Bruttoarbeitslohn und die einbehaltene LSt mitteilt (BFH Urteile vom 15.3.1974, VI R 108/71, BStBl II 1974, 590 und vom 10.7.1987, VI R 160/86, BStBl II 1987, 827).

Eine Einkommensteuererklärung ist auch dann »nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck« abgegeben, wenn ein – auch einseitig – privat gedruckter oder fotokopierter Vordruck verwendet wird, der dem amtlichen Muster entspricht (BFH Urteil vom 22.5.2006, VI R 15/02, BStBl II 2007, 2).

Der eingereichte Mantelbogen nebst Anlage N ist keine wirksame ESt-Erklärung. Denn mit den dort gemachten Angaben hat der Stpfl. dem FA keine Auskunft über die Besteuerungsgrundlagen in einer Weise erteilt, die es dem FA ermöglicht hätte, die ESt festzusetzen. Insbesondere hat der Stpfl. damit keinerlei Angaben zur Höhe der von ihm nur dem Grunde nach erklärten Einkünfte gemacht. Damit hat der Stpfl. keine hinreichende Sachverhaltsbasis für die Durchführung eines regulären Veranlagungsverfahrens geschaffen. Zwar muss eine ESt-Erklärung nicht alle materiell-rechtlichen Angaben enthalten, damit der Antrag auf Veranlagung wirksam gestellt ist. Vielmehr ist die Abgabe einer Steuererklärung losgelöst von ihrer inhaltlichen Richtigkeit oder Vollständigkeit zu beurteilen. Fehlen jedoch sämtliche Angaben zur Höhe der im Veranlagungszeitraum vom Stpfl. bezogenen Einkünfte, liegt keine wirksame ESt-Erklärung vor. Denn das FA könnte auf einer solchen Grundlage die Steuer nur im Wege einer Schätzung nach § 162 AO festsetzen. Dies entspricht jedoch nicht dem vom Gesetzgeber mit der Abgabe einer Steuererklärung verfolgten Zweck. Es würde auch dem Sinn der Antragsveranlagung, Steuerübererhebungen durch den Lohnsteuerabzug entgegenzuwirken, zuwiderlaufen.

Mit Urteil vom 8.10.2014, VI R 82/13, hat der BFH entschieden, dass eine Einkommensteuererklärung auch wirksam per Fax an das Finanzamt übermittelt werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige den Inhalt der Einkommensteuererklärung tatsächlich in vollem Umfang zur Kenntnis genommen hat. In dem Streitfall übermittelte die Steuerberaterin der Klägerin dem Beklagten und Revisionskläger für das Streitjahr über das ELSTER-Portal ohne Zertifizierung eine Einkommensteuererklärung für die Klägerin. Am 30.12.2011 ging beim FA die hierzu gehörende komprimierte Einkommensteuererklärung ein. Die erste Seite (Deckblatt) dieser Erklärung war eine Telekopie (Fax) mit telekopierter Unterschrift der Klägerin. Vor Einreichung der Steuererklärung hatte sich die Klägerin, die urlaubsbedingt ortsabwesend war, in einem Telefonat mit ihrer Steuerberaterin über den Inhalt der Erklärung und die darin angesetzten Beträge ausgetauscht. Ohne die Erklärung in körperlicher Form gesehen zu haben, hatte sie sich im Anschluss an dieses Telefonat mit der Einreichung der Erklärung beim FA einverstanden erklärt und zu diesem Zweck das ihr daraufhin zugefaxte Deckblatt der Erklärung unterschrieben. Das war dem BFH ausreichend. Das Urteil führt somit zu einer wesentlichen Erleichterung bei Übermittlung von Steuererklärungen, die oft erst kurz vor Fristablauf verschickt werden können. Die Ausführungen des BFH zum Zweck des Erfordernisses der eigenhändigen Unterschrift überzeugen; sie sollten gleichermaßen für die Unterschrift auf einem gescannten und elektronisch versandten PDF-Dokument gelten.

Bei elektronischer Abgabe der Steuererklärung ist Folgendes zu beachten: Bei der Abgabe einer elektronischen Einkommensteuererklärung in komprimierter Form handelt es sich nur um ein hybrides Verschlüsselungsverfahren zwischen elektronischer und schriftlicher Steuererklärung. Eine ordnungsgemäße Steuererklärung i.S.d. § 150 AO liegt daher erst in dem Zeitpunkt vor, in dem die komprimierte (unterschriebene) Steuererklärung mit der für den Übermittlungsvorgang vergebenen Telenummer beim Finanzamt eingeht. Hingegen ist im Fall der Abgabe einer elektronischen Einkommensteuererklärung im authentifizierten Verfahren die rein elektronische Übermittlung ausreichend. Zu diesem Zeitpunkt liegt bereits eine ordnungsgemäße Steuererklärung i.S.d. § 150 AO vor.

Allein die Übermittlung der für die Einkommensteuererklärung relevanten Angaben unter Verwendung des Programms »ElsterFormular« im Wege der Datenfernübertragung über das Internet reicht für einen fristwahrenden Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG nicht aus. Wird für die Übermittlung der elektronischen Steuererklärung ein Zugang ohne elektronische Authentifizierung genutzt, gilt die elektronische Steuererklärung erst mit Eingang des unterschriebenen komprimierten Vordrucks als zugegangen, da eine Bearbeitung der Daten durch die Finanzbehörden erst mit der Kenntnis der Telenummer möglich ist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet aus, wenn der Stpfl. davon ausgehen muss, dass bei der Abgabe der Steuererklärung im Wege der Datenfernübertragung über das Internet keine geringeren Anforderungen gelten als bei der Abgabe der Einkommensteuererklärung in Papierform; vgl. FG Baden-Württemberg vom 17.8.2015, 9 K 2505/14.

2. Veranlagung zur Anrechnung von Kapitalertragsteuer auf die Steuerschuld

2.1. Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG

Hat der ArbN Kapitalerträge bezogen, die dem KapESt-Abzug unterlegen haben, ist die ESt grundsätzlich mit dem KapESt-Abzug abgegolten (§ 43 Abs. 5 EStG). Die Kapitalerträge sind nach § 2 Abs. 5b EStG nicht in die Summe der Einkünfte einzubeziehen. Eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG findet in diesen Fällen nicht statt.

Für Kapitalerträge, die dem Steuerabzug unterlegen haben, kann nach § 32d Abs. 4 EStG die Veranlagung beantragt werden (Antragsveranlagung). Grundsätzlich werden die steuerabgegoltenen Kapitalerträge bei der Veranlagung nicht weiter berücksichtigt. Die Antragsveranlagung des § 32d Abs. 4 EStG eröffnet die Möglichkeit für die Berücksichtigung besonderer steuermindernder Umstände, die sich beim KapESt-Abzug nicht ausgewirkt haben. Es bleibt bei der Anwendung des Abgeltungsteuersatzes; ein Werbungskostenabzug ist bis auf den Sparer-Pauschbetrag nicht möglich. Es gelten die besonderen Verlustberücksichtigungsvorschriften gem. § 20 Abs. 6 EStG (→ Abgeltungsteuer).

Durch die Möglichkeit einer Wahlveranlagung erhält der Stpfl. das Recht, den Steuereinbehalt dem Grund oder der Höhe nach überprüfen zu lassen. Der entsprechende Antrag kann bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides gestellt werden.

Wird für Kapitalerträge, die dem Steuerabzug unterlegen haben, die Veranlagung beantragt, so erhöht sich die tarifliche ESt um die nach § 32d Abs. 1 EStG ermittelte Abgeltungsteuer. Die einbehaltene KapESt wird in diesen Fällen nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die ESt angerechnet.

Mit Urteil vom 29.8.2017, VIII R 23/15, hat der BFH entschieden, dass § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG der depotübergreifenden Verrechnung von Altverlusten i.S.d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (EStG a.F.) bei der (Antrags-)Veranlagung gem. § 32d Abs. 4 EStG nicht entgegensteht, da die depotbezogenen unterjährigen Verlustverrechnungen der auszahlenden Stelle i.S.d. § 43a Abs. 3 EStG zwar vorrangig, aber nicht endgültig sind. Die depotübergreifende Verrechnung von Altverlusten i.S.d. § 23 EStG a.F. ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Auch die Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG steht der Verlustverrechnung nicht entgegen. Die Entscheidung, die sich gegen die Verwaltungsauffassung wendet, ist von erheblicher Bedeutung für die Verrechnung von Altverlusten nach § 23 EStG aus der Zeit vor 2009, wenn der Steuerpflichtige Depots bei mehreren Kreditinstituten unterhält. Es ist zu prüfen, inwieweit die Steuerfestsetzungen für die Vorjahre verfahrensrechtlich noch aufgegriffen werden können.

Der Antrag auf Einbeziehung der Kapitalerträge in die Einkommensteuerveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG (sog. Antragsveranlagung) stellt ein unbefristetes Veranlagungswahlrecht dar (Bestätigung der BFH-Rspr). Der Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG kann zeitlich auch nach der Abgabe der Einkommensteuererklärung gestellt werden, sofern die Steuerfestsetzung zu diesem Zeitpunkt verfahrensrechtlich noch änderbar ist. Bei der Entscheidung, ob die nachträglich bekanntgewordene Tatsache der Erzielung von Einkünften aus KapVerm zu einer höheren (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder einer niedrigeren (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO) Steuer führt, ist nicht nur die festgesetzte Einkommensteuer, sondern auch die durch den Abzug vom Kapitalertrag abgegoltene Einkommensteuer in den Vergleich einzubeziehen; vgl. BFH vom 21.8.2019, X R 16/17.

2.2. Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 6 EStG

Für alle Kapitalerträge kann nach § 32d Abs. 6 EStG die Günstigerprüfung beantragt werden. Die nach § 20 EStG ermittelten Einkünfte aus Kapitalvermögen sind abweichend von § 32d i.V.m. § 2 Abs. 5b EStG in der Summe der Einkünfte, und somit auch im zu versteuernden Einkommen zu berücksichtigen. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen sind somit der tariflichen ESt zu unterwerfen. Die Einbeziehung der Einkünfte aus Kapitalvermögen in die allgemeine Veranlagung ist günstiger, wenn die sich daraus ergebende ESt einschließlich Zuschlagsteuern niedriger ist als die Summe aus ESt nach § 32d EStG und aus der ESt ohne Kapitaleinkünfte (→ Abgeltungsteuer). Der Antrag auf Günstigerprüfung kann bis zur Unanfechtbarkeit des betreffenden Einkommensteuerbescheides gestellt werden.

Ab VZ 2014 erfolgt kein Härteausgleich mehr auf Kapitalerträge, die nach § 32d Abs. 6 EStG der tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden. Ziel von § 46 Abs. 3 EStG und § 46 Abs. 5 EStG i.V.m. § 70 EStDV ist es, in bestimmten Fällen geringfügige Nebeneinkünfte, die Personen mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beziehen, durch Abzug eines Härteausgleichsbetrags nicht zu erfassen. Diese Nichterfassung von »Bagatell-Nebeneinkünften« hat nach Auffassung des Bundesrats im Bereich der Kapitaleinkünfte zu dem Ergebnis geführt, dass in Fällen der Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG) Einkünfte bei der Veranlagung außer Ansatz bleiben, die eigentlich mit dem Ziel eines steuerlich günstigeren Ergebnisses einbezogen werden sollen. Es sind zusätzliche Anreize für eine Günstigerprüfung zur Abgeltungsteuer und faktisch ein zweiter Sparer-Freibetrag für Arbeitnehmer entstanden (vgl. BR-Drs. 184/1/14). Mit der ab dem Veranlagungszeitraum 2014 anzuwendenden Änderung von § 46 Abs. 3 Satz 1 EStG durch Art. 2 Nr. 30 Buchst. b des sog. KroatienAnpG von 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) sowie der Neufassung von § 70 Abs. 1 Satz 1 EStDV durch Art. 24 Nr. 1 desselben Gesetzes sollen diese Anreize abgeschafft werden. Der Anwendungsbereich für den Härteausgleich wurde dahingehend eingeschränkt, dass einkommensteuerpflichtige Einkünfte vorliegen müssen, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist »und die nicht nach § 32d Abs. 6 EStG der tariflichen Einkommensteuer unterworfen wurden«.

Der Veranlagungsantrag kann nur bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids gestellt werden bzw. solange eine Änderung nach den Vorschriften der AO (z.B. § 164 Abs. 2 AO) oder den Einzelsteuergesetzen möglich ist.

Eine Änderung aufgrund neuer Tatsachen kommt nur nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Bei einem steuerlich beratenen Steuerpflichtigen wird die Änderung regelmäßig am »groben Verschulden« scheitern. Mit Urteil vom 12.5.2015 (VIII R 14/13, BStBl II 2015, 809) entschied der BFH, dass der zeitlich unbefristete Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG nach der Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids nur dann zu einer Änderung der Einkommensteuerfestsetzung führen kann, wenn die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift erfüllt sind. Führt die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG insgesamt zu einer niedrigeren Einkommensteuer, kommt eine Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nur dann in Betracht, wenn den Steuerpflichtigen an dem nachträglichen Bekanntwerden der abgegolten besteuerten Kapitaleinkünfte kein grobes Verschulden trifft. Weder der Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG noch die Vorlage einer Steuerbescheinigung sind ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Sind Einkünfte aus der Ausschüttung einer KapGes, deren Beteiligung der Stpfl. im Privatvermögen hält, aufgrund eines Antrags auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG den tariflich zu besteuernden Einkünften hinzuzurechnen, findet die anteilige (40 %-ige) Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG keine Anwendung. Sowohl die Unkenntnis des Antragsrechts gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG als auch die Unkenntnis, einen solchen Antrag neben einem Antrag auf Günstigerprüfung stellen zu können bzw. zu müssen, können bei einem nicht fachkundig beratenen Stpfl. unverschuldet sein und zur Wiedereinsetzung in die Antragsfrist gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG berechtigen. Dies kann selbst dann gelten, wenn die in Bezug auf die Antragsrechte unzureichende Anleitung zur Anlage KAP bei Anfertigung der Steuererklärung nicht vollständig gelesen wurde; vgl. BFH vom 29.8.2017, VIII R 33/15, BStBl II 2018, 69.

3. Literaturhinweise

Hillmoth, Pflicht- und Antrags-, getrennte und Zusammenveranlagung, INF 2004, 255; Hollatz, Antragsveranlagung gem. § 46 EStG als Auslaufmodell, NWB Fach 6, 4733; Spatschek u.a., Arbeitnehmerveranlagung – Die zweijährige Antragsfrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, DStR 2006, 2199; Bergan u.a., Das Ende der Antragsveranlagung? – Die neue Ansicht des BFH zur Ausschlussfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG, DStR 2006, 2203; Kontny u.a., Antragsveranlagung ohne Ende, FR 2007, 122; Geserich, Veranlagung bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit; NWB 2012, 2210; Geserich, Keine Anlaufhemmung bei Antragsveranlagung nach der Änderung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG durch das JStG, NWB 2011, 2614; Geserich, Ablauf der Festsetzungsfrist bei der Antragsveranlagung, NWB 2016, 984; Deutschländer, Fristenfalle: Die komprimierte Steuererklärung bei der Antragsveranlagung, NWB 2017, 3836.

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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Bei einer Anzahlung wird das Entgelt bereits voll oder zum Teil entrichtet, obwohl die Leistungen noch nicht bzw. noch nicht ganz ausgeführt wurden.

1. Definition der Anzahlung

Es sind Vorleistungen, die in Erfüllung eines zu einem späteren Zeitpunkt noch zu vollziehenden Anschaffungsgeschäfts erbracht werden (s.a. H 7a [Anzahlungen auf Anschaffungskosten] EStH). Zahlungen, durch die eine Tilgung der Kaufpreisschuld nicht eintritt, sind keine Anzahlungen. Sie können in Barzahlungen oder Lieferungen oder sonstigen Leistungen (bei einem Tausch oder tauschähnlichen Umsatz) bestehen. Anzahlungen müssen sich auf eine bestimmte Lieferung oder sonstige Leistung beziehen. Dies muss nach den Gegebenheiten des Einzelfalls beurteilt werden. Anzahlungen ohne konkrete Leistungsvereinbarung können eine bloße Kreditgewährung sein.

2. Zu- und Abflussprinzip im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung

2.1. Zuflussprinzip

Im Rahmen der → Einnahmen-Überschussrechnung sind erhaltene Anzahlungen im Zeitpunkt des Zuflusses (§ 11 Abs. 1 EStG) als Betriebseinnahmen zu erfassen. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Anzahlungen bzw. Vorauszahlungen für noch zu erbringende Leistungen oder zu liefernde Wirtschaftsgüter handelt. Die in der Anzahlung enthaltene Umsatzsteuer (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a) Satz 4 UStG) stellt hierbei ebenfalls eine Betriebseinnahme im Zeitpunkt des Zuflusses dar.

2.2. Abflussprinzip

2.2.1. Erwerb von Umlaufvermögen

Geleistete Anzahlungen für den Erwerb von Umlaufvermögen sind im Zeitpunkt des Abflusses (§ 11 Abs. 2 EStG) als Betriebsausgaben zu erfassen.

Durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28.4.2006 (BGBl I 2006, 1095) ist es bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung zu folgenden Anpassungen gekommen: Die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten

  • für nicht abnutzbare WG des Umlaufvermögens,
  • für Anteile an Kapitalgesellschaften des Umlaufvermögens,
  • für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte des Umlaufvermögens,
  • für Grund und Boden sowie Gebäude des Umlaufvermögens

sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 3 Satz 4 EStG).

2.2.2. Erwerb von Anlagevermögen

Geleistete Anzahlungen für den Erwerb von

  • abnutzbarem Anlagevermögen sind keine sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben, sondern ab dem Zeitpunkt der Lieferung des WG im Wege der → Abschreibung auf die Nutzungsdauer zu verteilen (§ 4 Abs. 3 Satz 3 EStG);
  • nicht abnutzbarem Anlagevermögen sind keine sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben, sondern erst im Zeitpunkt der Veräußerung als Betriebsausgaben abzugsfähig (§ 4 Abs. 3 Satz 4 EStG).Durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28.4.2006 (BGBl I 2006, 1095) ist es bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung zu folgenden Anpassungen gekommen: Die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten
    • für nicht abnutzbare WG des Anlagevermögens,
    • für Anteile an Kapitalgesellschaften,
    • für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte,
    • für Grund und Boden sowie
    • Gebäude des Umlaufvermögens

    sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 3 Satz 4 EStG). Außerdem sind die vorstehend aufgeführten WG unter Angabe des Tags der Anschaffung oder Herstellung und der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder des an deren Stelle tretenden Werts in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufzunehmen (§ 4 Abs. 3 Satz 5 EStG). Nach § 52 Abs. 10 EStG ist das Gesetz vom 28.4.2006 (BGBl I 2006, 1095) erstmals für WG anzuwenden, die nach dem 5.5.2006 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt werden. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare WG des Anlagevermögens, die vor dem 5.5.2006 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt wurden, sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

2.3. Anzahlungen auf Anschaffungskosten

Anzahlungen auf Anschaffungskosten sind Zahlungen, die nach dem rechtswirksamen Abschluss des obligatorischen Vertrages (R 7.2 Abs. 5 EStR) und vor der Lieferung eines Wirtschaftsgutes auf die endgültigen Anschaffungskosten geleistet werden, soweit sie diese nicht übersteigen. Ohne Bedeutung ist, ob die Zahlungen verzinst werden oder zu einer Kaufpreisminderung führen. Anzahlungen auf die Anschaffungskosten eines bebauten Grundstücks sind jeweils nach dem voraussichtlichen Verhältnis der Verkehrswerte oder Teilwerte auf den Grund und Boden und das Gebäude aufzuteilen. Keine Anzahlungen sind willkürlich geleistete Zahlungen. Zahlungen können auch dann willkürlich sein, wenn sie vertraglich vereinbart sind. Eine Zahlung gilt nicht als willkürlich, wenn das Wirtschaftsgut spätestens im folgenden Jahr geliefert wird. Bei Erwerb eines Gebäudes ist die Willkürlichkeit von Zahlungen auch nicht anzunehmen, soweit im Jahr der Zahlung und im folgenden Kalenderjahr voraussichtlich eine Gegenleistung erbracht wird, die die Anforderung eines Teilbetrags nach § 3 Abs. 2 MaBV rechtfertigen würde. Soweit die Zahlungen willkürlich sind, sind sie in dem Jahr als Anzahlung zu berücksichtigen, das dem Jahr vorausgeht, in dem die Anforderung eines entsprechenden Teilbetrags nach § 3 Abs. 2 MaBV voraussichtlich gerechtfertigt wäre.

3. Anzahlungen im Rahmen der Überschusseinkünfte

3.1. Auswirkung über die Abschreibung

Nach der ständigen Rspr. des BFH (z.B. Urteile vom 21.12.1982, VIII R 215/78, BStBl II 1983, 410; vom 27.6.1986, VIII R 30/88, BStBl II 1989, 934; vom 12.9.2001, IX R 39/97, BFH/NV 2002, 968, und IX R 52/00, BFH/NV 2002, 966) sind Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines zur Erzielung von Überschuss-Einkünften vorgesehenen (abnutzbaren) WG regelmäßig nur im Rahmen der AfA (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG) oder ggf. – neben der Normal-AfA nach § 7 Abs. 1 oder 4 EStG (§ 7a Abs. 4 EStG) – im Rahmen von Sonderabschreibungen zu berücksichtigen. Daher bleiben (Voraus)Zahlungen auf Anschaffungskosten im Zeitpunkt ihrer Leistung an den Veräußerer einkommensteuerrechtlich zunächst ohne Auswirkung. Sie wirken sich im Fall der Normal-AfA gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG erst ab Anschaffung des WG – verteilt auf dessen Nutzungsdauer – als Werbungskosten aus. Voraussetzung ist jedoch, dass das betreffende WG auch angeschafft wurde.

3.2. Verlorene Anzahlungen

In Anlehnung an die Rspr. des BFH zu Vorauszahlungen auf später nicht erbrachte Herstellungsleistungen (Urteile vom 31.3.1992, IX R 164/87, BStBl II 1992, 805; vom 30.8.1994, IX R 23/92, BStBl II 1995, 306) können hingegen auch (Voraus-)Zahlungen auf Anschaffungskosten dann, wenn das angestrebte Anschaffungsgeschäft nicht zustande gekommen ist und eine Rückzahlung nicht erlangt werden kann, in vollem Umfang abziehbar sein. Derartige verlorene Aufwendungen (An- oder Vorauszahlungen auf Anschaffungs- oder Herstellungsvorgänge) sind nach ständiger BFH-Rspr. als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG in dem Zeitpunkt abzuziehen, in dem deutlich wird, dass sie ohne Gegenleistung bleiben und eine Rückzahlung nicht zu erlangen ist, es also zu keiner Verteilung der Aufwendungen im Wege der AfA gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG kommen wird (vgl. BFH Urteile vom 14.2.1978, VIII R 9/76, BStBl II 1978, 455; vom 9.9.1980, VIII R 44/78, BStBl II 1981, 418; vom 4.7.1990, GrS 1/89, BStBl II 1880, 830). S. dazu auch das BFH-Urteil vom 28.6.2002 (IX R 51/01, BStBl II 2002, 758).

4. Anzahlungen bei einem Bilanzierenden

Bei einem Bilanzierenden müssen sowohl erhaltene als auch geleistete Anzahlungen in der Bilanz aktiviert bzw. passiviert werden. Bei einer erhaltenen Anzahlung muss sowohl die volle Anzahlung als auch die an das FA zu zahlende USt passiviert werden (Bruttomethode). Die Bruttomethode ist auch nach Verabschiedung des BilMoG weiterhin anwendbar (vgl. hierzu Endert/Sepetauz, BBK Nr. 21, 1005).

Beispiel:

Der Stpfl. erhält eine Anzahlung von 100 000 € zzgl. 19 000 € USt.

Lösung:

Es ergibt sich folgende Buchung:

Bank119 000 €
Aktiver RAP (USt auf Anz.)19 000 €an Erhaltene Anzahlung119 000 €
an Sonstige Verbindlichkeit (USt)19 000 €

Der BFH hat mit Urteil vom 14.5.2014, BStBl II 2014, 968 entschieden, dass die Gewinnrealisierung bei Planungsleistungen eines Ingenieurs nicht erst mit der Abnahme oder Stellung der Honorarschlussrechnung eintritt, sondern bereits dann, wenn der Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 8 Abs. 2 der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) 1996 entstanden ist. Der Anspruch entsteht, wenn die (Teil-)Leistung (nach der HOAI) abnahmefähig erbracht ist und eine prüfbare Rechnung wie bei der Schlussrechnung vorliegt, d.h. die Planungsleistung muss insoweit auftragsgemäß erbracht worden sein. Die Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI sind nicht wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte zu bilanzieren.

Wird das Anschaffungsgeschäft nicht in Euro, sondern in einer Fremdwährung abgewickelt, stellen sich vor allem folgende Probleme bei der Währungsumrechnung: Wird eine Anzahlung in einer Fremdwährung geleistet, ist der dafür aufgewendete Euro-Betrag als Anzahlung zu aktivieren und bei Zugang des Wirtschaftsguts erfolgsneutral auf dessen Anschaffungskosten umzubuchen. Gleiches gilt bei der Barzahlung des Kaufpreises.

5. Umsatzsteuerrechtliche Behandlung

5.1. Entstehung der Umsatzsteuer für erhaltene Anzahlungen

Bei erhaltenen Anzahlungen entsteht die USt mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist; bei → Sollversteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG, bei → Istversteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG. Anzahlungen können in Form von Barzahlungen, Lieferungen oder Erbringung von sonstigen Leistungen erbracht werden (vgl. Abschn. 13.5 Abs. 2 UStAE). Grundsätzlich besteht eine Pflicht zur Rechnungserteilung nur dann, wenn die Lieferung oder sonstige Leistung abgeschlossen ist. Eine Ausnahme besteht für erbrachte Anzahlungen, wobei die Verpflichtung gem. § 14 Abs. 5 UStG, jedoch nicht schon bei Vereinbarung über die Anzahlung, sondern erst bei Vereinnahmung des Zahlbetrags besteht.

Sind in einem Bestattungsvorsorgevertrag alle maßgeblichen Elemente der künftigen Bestattungsdienstleistung genau bestimmt, entsteht die Steuer für hierauf geleistete Anzahlungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vom Dienstleistenden vereinnahmt worden ist; vgl. BFH vom 14.11.2018, XI R 27/16.

5.2. Vorsteuerabzug für geleistete Anzahlungen

Bei geleisteten Anzahlungen ist gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG der → Vorsteuerabzug in dem Voranmeldungszeitraum möglich, in dem eine Rechnung mit gesondertem USt-Ausweis vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Leistet der Unternehmer für die Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen eine Anzahlung, bevor die angezahlte Leistung an ihn bewirkt ist, so ist für den Vorsteuerabzug auf seine Verwendungsabsicht im Zeitpunkt der Anzahlung abzustellen.

Der Vorsteuerabzug kommt für den Voranmeldungs- bzw. Besteuerungszeitraum in Betracht, in dem erstmalig beide Voraussetzungen erfüllt sind. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Lieferungen, auf die eine Anzahlung geleistet wurde, ist, dass alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestands, d.h. der künftigen Lieferung, bereits bekannt und somit insbesondere die Gegenstände der Lieferung zum Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind (vgl. BFH Urteil vom 24.8.2006, V R 16/05, BStBl II 2007, 340, vgl. Abschnitt 14.8 Abs. 4 Satz 2).

Ist eine Grundstücksvermietung beabsichtigt, kommt es darauf an, ob der Unternehmer das Grundstück steuerfrei vermieten oder auf die Steuerfreiheit der Grundstücksvermietung (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG) gem. § 9 UStG verzichten will. Im erstgenannten Fall ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen, im letztgenannten Fall nicht (BFH Urteil vom 17.5.2001, V R 38/00, BStBl II 2003, 434).

Der Leistungsempfänger darf die in den Endrechnungen ausgewiesene Steuer nur gekürzt um die bereits berücksichtigten Vorsteuerbeträge aus den Abschlagsrechnungen als Vorsteuer abziehen; ein weiterer Vorsteuerabzug steht ihm deswegen nicht zu, weil der Leistende die Steuer in diesem Umfang wegen der Abschlagsrechnungen nicht (mehr) für einen Umsatz, sondern deswegen schuldet, weil er sie in diesem Umfang zu Unrecht ausgewiesen hat. Hat ein Unternehmer bereits vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung Entgelte vereinnahmt, so entsteht insoweit auch die Steuer schon mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG), mithin aufgrund eines eigenen Besteuerungstatbestandes. Deshalb verlangt § 14 Abs. 5 UStG, dass in der Endrechnung die vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abgesetzt werden, wenn der Unternehmer dementsprechend über die Teilentgelte Rechnungen i.S.d. § 14 Abs. 1 bis 4 UStG ausgestellt hat. Aus Rechnungen über Zahlungen vor Ausführung der Leistung muss hervorgehen, dass damit Voraus- oder Anzahlungen abgerechnet werden, z.B. durch Angabe des voraussichtlichen Zeitpunkts der Leistung. Weiterhin müssen gem. § 14 Abs. 5 UStG i.V.m. § 14 Abs. 4 Nr. 1–8 die gleichen Angaben wie in einer Endabrechnung gemacht werden. Geschieht dies nicht, hat der Unternehmer in der Endrechnung einen höheren Steuerbetrag ausgewiesen, als er nach dem Gesetz für den Umsatz schuldet (§ 14c Abs. 1 UStG). In diesem Fall darf die zu Unrecht in Rechnung gestellte USt berichtigt werden, wenn der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger rückgängig gemacht worden ist (EuGH Urteil vom 19.9.2000, Rs. C-454/98, UR 2000, 470; BFH Urteil vom 22.3.2001, V R 11/98, BFH/NV 2001, 1088). Bei Ausgabe einer Rechnung mit Steuerausweis vor Ausführung der vereinbarten Lieferung – ohne Eingang des Entgelts – ist der Tatbestand des § 14 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. UStG 1993 jedenfalls dann erfüllt, wenn für den Rechnungsaussteller feststeht, dass er die vereinbarte Lieferung nicht mehr ausführen wird; s. BFH vom 5.2.1998, V R 65/97.

Der BFH (21.9.2016, V R 29/15) hat dem EuGH die folgenden Rechtsfragen zum Vorsteuerabzug und zur Berichtigung bei Anzahlungen vorgelegt:

Sind die Anforderungen an die Sicherheit einer Leistungserbringung als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug aus einer Anzahlung i.S.d. EuGH-Urteils Firin C-107/13 rein objektiv oder aus Sicht des Anzahlenden nach den für ihn erkennbaren Umständen zu bestimmen?

Sind die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der zeitgleichen Entstehung des Steueranspruchs und des Rechts auf Vorsteuerabzug gem. Art. 167 MwStSystRL und der ihnen nach Art. 185 Abs. 2 Unterabs. 2 und nach Art. 186 MwStSystRL zustehenden Regelungsbefugnisse berechtigt, die Berichtigung von Steuer und Vorsteuerabzug gleichermaßen von einer Rückzahlung der Anzahlung abhängig zu machen?

Muss das für den Anzahlenden zuständige FA dem Anzahlenden die Umsatzsteuer erstatten, wenn er vom Anzahlungsempfänger die Anzahlung nicht zurückerhalten kann? Falls ja, muss dies im Festsetzungsverfahren erfolgen oder reicht hierfür ein gesondertes Billigkeitsverfahren aus?

6. Literaturhinweise

Schießl, Bilanzierung von Anzahlungen, Steuer & Studium 2007, 224; Endert/Sepetauz, Umsatzsteuer auf erhaltene Anzahlungen nach dem BilMoG, Auswirkungen auf Bilanz und Buchführung, BBK Nr. 21, 1005; Ringwald, Gewinnrealisierung bei Werkverträgen, NWB 32/2015, 2352.

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Die Anzeigepflicht bzw. Berichtigungspflicht erstreckt sich neben den Stpfl. insbesondere auch sowohl auf die Gesamtrechtsnachfolger eines Stpfl. als auch auf die gesetzlichen Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigten.

1. Allgemeines

Erkennt ein Stpfl. nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist (→ Festsetzungsverjährung), dass eine

  • von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und
  • es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist,

so ist er gem. § 153 AO verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.

Das BMF hat den Anwendungserlass zu § 153 AO mit Schreiben vom 23.5.2016 (BStBl I 2016, 490) veröffentlicht.

2. Anzeigepflicht

Die Anzeige- bzw. Berichtigungspflicht erstreckt sich neben den Stpfl. insbesondere auch sowohl auf die Gesamtrechtsnachfolger (→ Gesamtrechtsnachfolge) eines Stpfl. als auch auf die gesetzlichen Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigten.

Eine steuerrechtliche Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO besteht auch dann, wenn der Stpfl. die Unrichtigkeit seiner Angaben bei Abgabe der → Steuererklärung nicht gekannt, aber billigend in Kauf genommen hat und er später zu der sicheren Erkenntnis gelangt, dass die Angaben unrichtig sind.

Kennt der Stpfl. bei Abgabe einer Steuererklärung deren Unrichtigkeit nicht und nimmt er eine solche auch nicht billigend in Kauf, unterliegt er einem vorsatzsauschließenden Tatumstandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 StGB. Er ist dann insoweit straflos.

Hat er die Unrichtigkeit leichtfertig nicht erkannt, kommt das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit der leichtfertigen Steuerhinterziehung nach § 378 AO in Betracht. Erlangt der Stpfl. in einem solchen Fall nachträglich Kenntnis von der Unrichtigkeit der Angaben, trifft ihn die Anzeige- und Berichtigungspflicht des § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO. Kommt er dieser Pflicht vorsätzlich nicht nach, ist er strafbar wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.

3. Keine Berichtigungs- oder Erklärungspflicht nach Veranlagungsfehler des Finanzamts nach fehlerfreier Steuererklärung

Mit der Abgabe einer vollständigen und ordnungsgemäßen Steuererklärung hat der Steuerpflichtige seine Erklärungspflicht erfüllt. Weicht die aufgrund der zutreffend erklärten Tatsachen durchgeführte Veranlagung des Steuerpflichtigen zu dessen Gunsten vom geltenden Recht ab, ergeben sich aus dem Verfahrensrecht keine weiteren Erklärungspflichten. § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO sieht eine Erklärungspflicht im Anschluss an eine abgegebene Steuererklärung nur vor, wenn diese Erklärung »unrichtig oder unvollständig« war. Fehlt eine solche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit, bestehen keine Berichtigungs- oder Erklärungspflichten nach § 153 AO (BFH vom 5.10.1966, BFHE 1987, 539, BStBl III 1967, 231).

Wird eine fehlerfreie Steuererklärung abgegeben, wird eine Steuerhinterziehung nicht begangen, wenn in den Folgejahren ein vom Finanzamt zu Unrecht bestandskräftig festgestellter Verlustvortrag gelten gemacht wird (BFH vom 4.12.2012, BStBl II 2014, 222).

Hat der Entrichtungsschuldner die Kapitalertragsteuer ordnungsgemäß angemeldet und abgeführt, lebt die Erklärungspflicht auch nach § 153 AO nicht wieder auf, wenn er nach einem Hinweis seitens des FA erfolgreich beantragt hat, die Steuerfestsetzung aufzuheben und die Beträge zu erstatten (BFH vom 8.4.2014, I R 51/12, BStBl II 2014, 982).

4. Nachträgliche Erkenntnis

Die Erkenntnis der Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit i.S.d. § 153 AO muss nach Abgabe der → Steuererklärung eintreten.

5. Berichtigungspflicht bei Erben

Auch eine wegen Demenz des Erblassers unwirksame Einkommensteuererklärung führt, wenn sie unrichtig oder unvollständig ist, zu einer Berichtigungspflicht des Erben nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 AO, bei deren Verletzung eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO durch Unterlassen vorliegen kann (BFH Urteil vom 29.8.2017, VIII R 32/15, BStBl II 2018, 223 LEXinform 0447795). Der Erbe tritt sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers ein.

6. Abgrenzung zur Selbstanzeige nach § 371 AO

Sowohl im Fall einer Anzeige und Berichtigung nach § 153 Abs. 1 AO als auch im Fall einer Selbstanzeige muss die Erklärung im Zeitpunkt ihrer Abgabe objektiv unrichtig gewesen sein. Objektiv unrichtig ist die Erklärung, wenn sie entgegen § 90 Abs. 1 Satz 2, § 150 Abs. 2 Satz 1 AO nicht alle steuerlich erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegt (vgl. AEAO zu § 153 Nr. 2).

Die Anzeige und Berichtigungspflicht nach § 153 AO besteht, wenn der Steuerpflichtige ohne Vorsatz und Leichtfertigkeit eine unrichtige Erklärung abgegeben hat. Sie besteht nicht bei einer von vornherein bewusst und gewollt unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung (→ Steuerhinterziehung), da § 153 AO den Stpfl. (→ Steuerpflichtiger) nicht zur Selbstbezichtigung oder → Selbstanzeige i.S.d. § 371 AO zwingt.

Ein Fehler, der dem Anzeige- und Berichtigungspflichtigen i.S.d. § 153 AO unterlaufen ist, ist straf- bzw. bußgeldrechtlich nur vorwerfbar, wenn er vorsätzlich bzw. leichtfertig begangen wurde (vgl. AEAO zu § 153 Nr. 2.5). Es gelten die allgemeinen Regelungen des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts (§ 369 Abs. 2, § 377 Abs. 2 AO). Es ist zwischen einem bloßen Fehler und einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit (§§ 370, 378 AO) zu differenzieren. Nicht jede objektive Unrichtigkeit legt den Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nahe. Es bedarf einer sorgfältigen Prüfung durch die zuständige Finanzbehörde, ob der Anfangsverdacht einer vorsätzlichen oder leichtfertigen Steuerverkürzung gegeben ist. Insbesondere kann nicht automatisch vom Vorliegen eines Anfangsverdachts allein aufgrund der Höhe der steuerlichen Auswirkung der Unrichtigkeit der abgegebenen Erklärung oder aufgrund der Anzahl der abgegebenen Berichtigungen ausgegangen werden.

Ein straf- oder bußgeldrechtlich vorwerfbares Verhalten kann auch dann vorliegen, wenn die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der abgegebenen Erklärung erkannt, aber keine (ggf. auch erneute) Berichtigung entsprechend der Verpflichtung aus § 153 AO vorgenommen wurde. In diesem Fall liegt eine Unterlassungstat vor.

Wird die in § 153 AO vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß (freiwillig) erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 AO bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist (§ 371 Abs. 4 AO).

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 153 AO muss der Steuerpflichtige dem Finanzamt unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern i.S.d. § 121 BGB, die Berichtigungspflicht anzeigen (vgl. AEAO zu § 153 Nr. 5). Hierbei gilt i.d.R. eine zweiwöchige Frist. Zusätzlich muss der Steuerpflichtige die Berichtigung vornehmen. Hierfür sieht das Gesetz keine Frist vor.

7. Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 9 AO

Berichtigungserklärungen i.S.d. § 153 AO hemmen den Ablauf der Festsetzungsfrist (→ Festsetzungsverjährung) nach § 171 Abs. 9 AO. Damit endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO greift insoweit nicht (BFH Urteil vom 8.7.2009, BStBl II 2010, 583).

Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 AO schließt den Eintritt der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nicht generell aus, wenn die Ermittlungen der Steuerfahndung vor dem Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist beginnen und die Steuerfestsetzung auf den Ermittlungen der Steuerfahndung beruht (vgl. BFH vom 17.11.2015, VIII R 68/13, BStBl II 2016, 571; bestätigend BFH vom 3.7.2018, VIII R 9/16, BFH/NV 2018, 1295).

8. Zu Unrecht in der Anrechnungsverfügung festgesetzte Erstattung

Wird bei der Datenerfassung der Einkommensteuerfestsetzung die für den Stpfl. einbehaltene Lohnsteuer versehentlich mit einem überhöhten Wert durch das FA erfasst, besteht für den Stpfl. keine Verpflichtung, die überhöhte Steuererstattung dem FA mitzuteilen, soweit diese nicht auf eigenem Verhalten oder Verhalten des Beraters beruht. Der Tatbestand der → Steuerhinterziehung wird dadurch regelmäßig nicht erfüllt. Eine Änderung der Anrechnung ist innerhalb der dafür geltenden Zahlungsverjährungsfrist (→ Zahlungsverjährung) grundsätzlich zulässig (→ Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO). Insoweit ist die Verzinsung der Nachforderung gem. § 233a AO (sog. Vollverzinsung) zu beachten (→ Zinsen). Zum Beginn der Zahlungsverjährung vgl. BFH vom 25.10.2011, BStBl II 2012, 220.

9. Literaturhinweise

Bangert und Schwarz, Die Anzeige- und Berichtigungserklärung nach § 153 AO, NWB 42/2015, 3088; Welling, Der neue Anwendungserlass zu § 153 AO – die Quadratur des Kreises?, IWB Nr. 17 vom 16.9.2016, 630.

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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Innerhalb Deutschlands ist die Einführung einer Anzeigepflicht von Steuergestaltungen bereits vor dem BEPS-Aktionsplan diskutiert worden.

1. Einführung

Mit der Veröffentlichung der Änderungsrichtlinie 2018/822/EU am 25.6.2019 im EU-Amtsblatt (DAC 6 – Richtlinie) sind sog. Intermediäre verpflichtet, Steuergestaltungen ab dem 25.6.2018 gegenüber den nationalen Steuerbehörden anzuzeigen. Hintergrund der Einführung der DAC 6 – Richtlinie ist der Zusammenschluss der Staaten der OECD und der G20-Staaten sowie weiterer Schwellen- und Entwicklungsländer im sog. BEPS-Projekt, das in einem 15-Punkte-Aktionsplan Maßnahmen verabschiedet hat, um den interstaatlichen Steuerwettbewerb zwischen Staaten mit niedrigen Steuersätzen und steuerlichen Präferenzregelungen zu vermeiden. Hintergrund des BEPS-Aktionsplans war die Einführung einheitlicher Regeln für den internationalen Steuerwettbewerb und eine bessere Verzahnung unterschiedlicher Steuerrechtssysteme. Innerhalb des BEPS-Aktionsplans sieht Aktionsplan 12 eine Entwicklung von Regelungen bzgl. der Offenlegung für aggressive Steuerplanungen vor. Hiernach sollen Stpfl. und ihre Berater dazu verpflichtet werden, den für sie zuständigen Finanzverwaltungen aggressive Steuerplanungen anzuzeigen. Hierdurch soll erreicht werden, dass Steuerbehörden frühzeitig über modellhafte Steuergestaltungen informiert werden und so frühzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Die EU-Kommission wurde im April 2016 vom Rat »Wirtschaft und Finanzen« dazu beauftragt, unter Berücksichtigung des Aktionspunkts 12 der BEPS-Initiative Vorschriften für die Meldepflichten grenzüberschreitender Steuergestaltungen für die einzelnen Mitgliedstaaten zu entwerfen. Dieses Vorhaben resultierte in der Änderungsrichtlinie 2018/822/EU, die durch die Mitgliedstaaten bis zum 31.12.2019 in nationales Recht umgesetzt werden mussten. Obwohl die neuen Vorschriften grundsätzlich erst ab dem 1.7.2020 angewendet werden müssen, besteht bereits eine Meldepflicht für einschlägige Sachverhalte, deren Umsetzung zwischen dem 25.6.2018 und den 1.7.2020 begann. Eine Meldung entsprechender Sachverhalte hat bis zum 31.8.2020 zu erfolgen. Innerhalb Deutschlands ist die Einführung einer Anzeigepflicht von Steuergestaltungen bereits vor dem BEPS-Aktionsplan diskutiert worden. Bereits im Rahmen der Einführung des JStG 2008 wurde die Einführung entsprechender Vorschriften in der AO auf der Basis eines Referentenentwurfs diskutiert. Aufgrund steuerpolitischer Diskussionen kam es damals nicht zu einer entsprechenden Gesetzesänderung. Aufgrund der DAC 6 – Richtlinie und der Umsetzung in nationales Recht bis Ende 2019 ist im nationalen Gesetzgebungsprozess dieses Thema erneut aufgekommen. Hierzu wurde bereits im Juli 2018 eine Einführung einer nationalen Meldepflicht für Steuergestaltungen im Rahmen eines inoffiziellen Gesetzentwurfs diskutiert. Der erste offizielle Gesetzentwurf kam im Januar 2019 auf und enthielt neben Regelungen für grenzüberschreitende Gestaltungen auch eine Meldepflicht für nationale Steuergestaltungen. Die nationale Meldepflicht war jedoch nicht mehr Bestandteil des offiziellen Referentenentwurfs vom 26.9.2019 sowie des Gesetzentwurfs vom 9.10.2019.

2. Umsetzung von DAC 6 in der Praxis

Die Umsetzungsfrist von DAC 6 in nationales Recht endete am 31.12.2019. Vorgesehen war, dass die Regelungen ab dem 1.7.2020 angewendet werden sollten. Der erste interstaatliche Informationsaustausch sollte am 31.10.2020 starten. Aufgrund der COVID-19-Pandemie ist es seitens der EU geplant, die aktuell geltenden Meldefristen zu verlängern. Grund hierfür ist, dass die zeitlich unmittelbar bevorstehende Anwendung der Mitteilungspflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen sowohl Unternehmen als auch ihre steuerlichen Berater unter Druck setzt, entsprechende Vorkehrungen zur Erfüllung der (neuen) Dokumentationspflichten zu treffen. Neben den allgemeinen Herausforderungen während der COVID-19-Pandemie, der sich Intermediäre und Nutzer stellen müssen, ist die sich abzeichnende Verlängerung der Meldefristen aus Praxissicht begrüßenswert. Bereits am 8.5.2020 hatte die EU-Kommission diesbezüglich einen Vorschlag zur Anpassung der DAC 6-Richtlinie veröffentlicht, die eine Verlängerung der Mitteilungsfrist für grenzüberschreitende Gestaltungen um insgesamt drei Monate zu verlängern. Aufgrund der COVID-19-Pandemie hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, aufgrund der unklaren Entwicklung innerhalb der Pandemie einen einmaligen Aufschub um drei Monate für Einreichung und Austausch zu gewähren. Hierüber konnte jedoch keine Übereinstimmung erreicht werden. Nach neuesten Informationen konnten sich die Vertreter der Mitgliedstaaten (COREPER II) sich am 3.6.2020 auf einen – derzeit nicht veröffentlichten – Richtlinienvorschlag einigen. Dieser Richtlinienvorschlag sieht eine Änderung der Anmeldefristen wie folgt vor: Die Meldefrist für sog. »Altfälle« soll vom 31.8.2020 auf den 28.2.2021 verschoben werden. Bei »Neufällen« soll die 30-tägige Mitteilungsfrist erst ab dem 1.1.2021 beginnen. Die Frist zur quartalsmäßigen Mitteilung marktfähiger Gestaltungen i.S.d. § 138h AO soll ab dem 30.4.2021 erfolgen. Der Informationsaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten über grenzüberschreitende Steuergestaltungen soll vom 31.10.2020 auf den 30.4.2021 verschoben werden. Des Weiteren sieht der Reformvorschlag vor, eine weitere Verlängerung um drei Monate zu gewähren, wenn innerhalb der ersten Verlängerungsperiode ersichtlich wird, dass aufgrund der COVID-19-Pandemie eine Verlängerung erforderlich wird und eine einstimmige Entscheidung des Rates diesbezüglich vorliegt. Gleichermaßen wird durch die verschiedenen Verlängerungen nicht die Frist des eigentlichen Anwendungsbeginn der Regelungen herausgeschoben. Innerhalb der Aufschiebungsperiode sind umgesetzte grenzüberschreitende Steuergestaltungen nach Ende des Moratoriums entsprechend mitzuteilen.

Kurzfristig wurde auf der Bundespressekonferenz am 6.7.2020 mitgeteilt, dass das f keinen Aufschub für die Mitteilungsfristen für DAC 6-Meldungen gewähren wird. Die Bekanntgabe der Nichtverlängerung kam überraschend, da grundsätzlich erwartet worden war, dass Deutschland analog zu anderen EU-Staaten die Möglichkeit nutzen würde, die Mitteilungsfristen zu verschieben. Bereits mit Art. 97 § 33 EGAO Abs. 5 EGAO im Corona-Steuerhilfegesetz hatte der Gesetzgeber das BMF ermächtigt, mithilfe eines BMF-Schreibens eine unionsrechtlich mögliche Fristverlängerung in Deutschland umzusetzen. Trotz Auswirkungen der COVID-19-Pandemie wurde die Notwendigkeit einer Fristverlängerung durch das BMF negiert. Dieses stellte klar, dass auch das BZSt für Steuern in der Lage sei, entsprechende Meldungen zu verarbeiten; ein entsprechendes BMF Schreiben werde kurzfristig veröffentlicht. Im Ergebnis bedeutet die Ablehnung dieser Fristverlängerung, dass der ursprünglich vorgesehene Zeitplan bleibt. Neben Deutschland haben sich Finnland und Österreich gegen einen Fristaufschub entschieden.

Folgende Mitteilungsfristen gelten nach Ablehnung der Fristverlängerung durch das BMF:

Die in Deutschland von der DAC 6-Richtlinie betroffenen Intermediäre und Nutzer sind ab dem 1.7.2020 bezüglich »Altfällen« und »Neufällen« wie folgt dazu verpflichtet, grenzüberschreitende Steuergestaltungen an das BZSt zu melden:

  • »Altfälle«: Grenzüberschreitende Steuergestaltungen, die nach dem 24.6.2018 und vor dem 1.7.2020 umgesetzt worden sind, sind dem BZSt bis zum 31.8.2020 mitzuteilen.
  • »Neufälle«: Grenzüberschreitende Steuergestaltungen, die ab dem 1.7.2020 umgesetzt werden, sind dem BZSt innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf des jeweiligen Ereignistags i.S.d. § 138f Abs. 2 Nr. 1–3 AO mitzuteilen.

2.1. Meldepflichtige Sachverhalte i.S.v. DAC 6

Die meldepflichtigen Sachverhalte sind in § 138e AO definiert. Dieser definiert den Anwendungsbereich im Wesentlichen auf die erfasste Steuerart, die grenzüberschreitende Gestaltung sowie bestimmte Kennzeichen der Gestaltung.

Die erfasste Steuerlast umfasst exemplarisch die nachfolgend aufgeführten Steuerarten:

  • Einkommensteuer,
  • Körperschaftsteuer,
  • Gewerbesteuer
  • Erbschaft-/Schenkungsteuer
  • Grunderwerbsteuer.

Nicht von der Meldepflicht der DAC 6 – Richtlinie umfasst sind die folgenden Steuerarten:

  • Einfuhrumsatzsteuer,
  • Umsatzsteuer,
  • Zölle,
  • Energiesteuer,
  • Stromsteuer,
  • Branntweinsteuer,
  • Tabaksteuer,
  • Sozialversicherungsbeiträge und Gebühren.

Des Weiteren muss durch die Gestaltung ein grenzüberschreitender Charakter erfüllt sein, damit etwaige Gestaltungen meldepflichtig gem. DAC 6 werden. Hierzu ist es erforderlich, dass mehr als ein EU-Mitgliedstaat von der Gestaltung betroffen ist. Alternativ gibt es Konstellationen, bei der die Betroffenheit eines Mitgliedstaates und eines oder mehrerer Drittstaaten ausreichend ist, um eine Meldepflicht gem. DAC 6 zu begründen.

Weitere Voraussetzung für eine meldepflichtige Gestaltung ist die Erfüllung mind. eines sog. »hallmarks« (Kennzeichen) i.S.v. DAC 6. Bezüglich der hallmarks ist wie folgt zu differenzieren: Zum einen gibt es Gestaltungen, die unabhängig eines etwaigen steuerlichen Vorteils der Gestaltung mitteilungspflichtig sind und zum anderen gibt es Gestaltungen, die nur bei der Erfüllung des sog. »Main-benefit-Tests« eine Meldepflicht auslösen. Der »Main-benefit-Test« gilt als erfüllt, wenn der zu erwartende Hauptvorteil aus der Inanspruchnahme der steuerlichen Gestaltung ein Steuervorteil ist oder zumindest einer von mehreren Vorteilen der Inanspruchnahme der Gestaltung ein Steuervorteil ist. Ein solcher Steuervorteil liegt gem. § 183d Abs. 3 AO vor, wenn durch die Steuergestaltung Steuererstattungen bzw. Steuervergütungen gewährt oder erhöht werden oder Steueransprüche sich verringern oder ganz entfallen. Ebenfalls liegt ein steuerlicher Vorteil vor, wenn dieser außerhalb des Gültigkeitsbereichs des deutschen Steuerrechts entsteht. Wann ein solcher Steuervorteil vorliegt bzw. welche Steuergestaltungen den Main-Benefit-Test nicht erfüllen und folglich auf einer sog. White-List stehen, soll nach aktuellem Kenntnisstand dem derzeit noch ausstehenden BMF-Schreiben entnommen werden können. Als Orientierungspunkt kann die Anlage zum Entwurf des BMF-Schreibens vom 3.2.2020 zu DAC 6 herangezogen werden, die die folgenden acht Fälle umfasst:

  • Güterstandsklauseln unter Nutzung von § 5 ErbStG,
  • Änderungen des Gesellschaftsvertrags zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 13a Abs. 9 ErbStG,
  • Abschluss von Poolverträgen i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zur Herbeiführung einer Begünstigung von Anteilen an Kapitalgesellschaften,
  • Schenkung zur Ausnutzung von Freibeträgen,
  • Zeitliche Verschiebung einer Veräußerung hinsichtlich des Ablaufs der Veräußerungsfrist gem. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG,
  • Abschluss von Basisrentenverträgen und Altersvorsorgeverträgen, die gem. § 5a Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zertifiziert sind,
  • Abschluss von Verträgen, bei denen Beiträge als Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 oder 3a EStG anerkannt werden und
  • Vorgänge, die dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung – FzulG – unterliegen.

2.2. Der Intermediär als zur Meldung einer grenzüberschreitenden Gestaltung verpflichteten Person

Von der Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen sind insbes. sog. Intermediäre betroffen. Hierbei handelt es sich um Personen, die eine meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung konzipieren, vermarkten, organisieren, zur Nutzung bereitstellen und deren Umsetzung durch Dritte begleiten. Die Mitteilungspflicht ist an die Mitwirkung verschiedener Stadien verknüpft. Die Mitwirkung an Teilschritten einer grenzüberschreitenden ohne Kenntnis davon begründet nicht die Stellung eines Intermediärs. Ebenfalls nicht für die Stellung als Intermediär notwendig ist die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe. Es können somit rechts-, steuerberatende und wirtschaftsprüfende Berufe als auch Banken, Fondsinitiatoren, Versicherungen, Family Offices und Vermögens- und Anlageberater von den Mitteilungspflichten betroffen sein. Die Stellung von sog. Hilfsintermediären ist innerhalb der EU unterschiedlich ausgestaltet: Während in Deutschland Hilfs- und Unterstützungsleistungen von Personen nicht meldepflichtig sein sollen, werden diese in Polen zur Meldung verpflichtet. Weitere Voraussetzung für die Stellung eines Intermediärs ist die Verbundenheit des Intermediärs mit dem Rechtsraum der EU. Diese Verbundenheit kann sich durch Ansässigkeit innerhalb eines EU-Mitgliedstaat oder durch eine Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat ergeben. Soweit der Intermediär dann einen konkreten Inlandsbezug nachweist, begründet er in Deutschland seine Meldepflicht. Diesbezüglich ist zu beachten, dass eine Meldepflicht parallel in mehreren EU-Mitgliedstaaten entstehen kann. Dies ist bspw. der Fall, wenn ein Intermediär in mehreren EU-Mitgliedstaaten einen Inlandsbezug aufweist oder mehrere Intermediäre mit unterschiedlichen Inlandsbezügen an der Gestaltung beteiligt sind. Gleichzeitig ist es für die Mitteilungspflicht eines Intermediärs unerheblich, wo die Auswirkungen seiner Gestaltung eintreten. Um eine grundsätzlich vorgesehene Doppelmeldung zu vermeiden, ist der Intermediär dazu verpflichtet, einen Nachweis zu erbringen, dass er seiner Mitteilungspflicht in einem anderen EU-Mitgliedstaat ordnungsgemäß nachgekommen ist bzw. die Meldung der meldepflichtigen Gestaltung bereits durch einen anderen Intermediär vorgenommen worden ist.

2.3. Der Intermediär als zur Meldung einer grenzüberschreitenden Gestaltung verpflichteten Person

Für den Fall, dass kein mitteilungspflichtiger Intermediär innerhalb der Gestaltung existiert, bspw. aufgrund von berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten bei Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern, kann unter Umständen eine Meldepflicht des Nutzers eintreten. Nutzer i.S.d. der DAC 6-Richtlinie sind Personen, die eine meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung zur Umsetzung zur Verfügung gestellt bekommen haben, diese umsetzen oder bereit sind, eine solche Gestaltung umzusetzen. Insbesondere bei für sich selbst konzipierten grenzüberschreitenden Steuergestaltungen sind die für Intermediäre geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Dem Nutzer obliegt in einem solchen Fall die originäre Mitteilungspflicht. In anderen EU-Mitgliedstaaten ist der Nutzer gleichermaßen dazu verpflichtet, seinen Mitteilungspflichten nachzukommen, da ansonsten die Mitteilungspflicht auf den Nutzer zurückfallen kann.

2.4. Umfang der mitteilungspflichtigen Daten

Zu den mitteilungspflichtigen Daten gehören neben den abstrakten Daten des Intermediärs und dem Inhalt der Gestaltung auch individuelle Angaben zum Nutzer sowie zu den sonstigen betroffenen Personen sowie das Datum der Umsetzung der Gestaltung. Die gesetzlichen Regelungen zur Datenmitteilung sind in § 138f und 138g AO niedergelegt. Die Meldung ist ggü. dem BzSt vorzunehmen. Dieses vergibt für jeden eingegangenen Datensatz einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung eine Registriernummer (Arrangement-ID) und für jede Mitteilung eine Offenlegungsnummer (Disclosure-ID). Beide Nummern hat der meldende Intermediär dem Nutzer mitzuteilen, damit dieser die Registrierungs- und Offenlegungsnummer in seiner Steuererklärung angeben kann. Sofern der Intermediär einer gesetzlichen Verschwiegenheitserklärung unterliegt und hiervon vom Nutzer nicht entbunden worden ist, kann ein Intermediär unter Umständen von der Mitteilungspflicht entbunden werden. In Deutschland ist diese Befreiung jedoch nur partiell umgesetzt worden, sodass der Intermediär in solchen Fällen auch mitteilungspflichtig bleibt. Die Mitteilungspflicht kann in einem solchen Fall dadurch erfüllt werden, dass der Nutzer im Auftrag des Intermediärs übermittelt. Weiß der Intermediär, dass parallel zu ihm ein weiterer Intermediär im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU zur Mitteilung der grenzüberschreitenden Gestaltung verpflichtet ist, kann eine Meldung auch durch den anderen bekannten Intermediär vorgenommen werden. In diesem Fall hat der mitteilende Intermediär den anderen beteiligten Intermediären die Registriernummer mitzuteilen.

2.5. Sanktionen beim Verstoß gegen die Mitteilungspflicht

Bei verspäteter, falscher, unvollständiger oder nicht vorgenommener Meldung einer grenzüberschreitenden Gestaltung drohen bei jedem Verstoß Geldbußen bis zu einem Betrag i.H.v. 25 000 €. In anderen EU-Mitgliedstaaten ist mit schärferen Sanktionen zu rechnen.

3. Umsetzung der Mitteilungspflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen

Die Einführung der Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen orientiert sich eng am Wortlaut der EU-Richtlinie. Die Verankerung innerhalb der AO erfolgte durch die neu einzufügenden §§ 138d–k AO, die nachfolgend in Anlehnung an den Referentenentwurf zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen wiedergegeben werden.

  • 138d Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen
  • 138e Kennzeichen grenzüberschreitender Steuergestaltungen
  • 138f Verfahren zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen durch Intermediäre
  • 138g Verfahren zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen durch Nutzer
  • 138h Mitteilungen bei marktfähigen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen
  • 138i Information der Landesfinanzbehörden
  • 138j Auswertung der Mitteilungen grenzüberschreitender Steuergestaltungen
  • 138k Angabe der grenzüberschreitenden Steuergestaltung in der Steuererklärung

3.1. § 138d AO

§ 138d Abs. 1 AO sieht eine Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen für Intermediäre vor. Durch die Mitteilungspflicht und der Definition, wer Intermediär ist, gelingt die Umsetzung des Art. 3 Nr. 21 und Art. 8ab Abs. 1 der durch die Richtlinie (EU) 2018/822 geänderten Richtlinie 2011/16/EU (Amtshilferichtlinie). Die Definition des Intermediärs führt die Erkenntnisse aus den verschiedenen Stadien einer Steuergestaltung fort, bei der von der Entstehung bis zur Umsetzung verschiedene Etappen durchlaufen werden. Die Gesetzesbegründung definiert diese Stadien wie folgt:

  • Unter Konzipieren ist das Planen, Entwerfen oder Entwickeln einer konkreten Steuergestaltung zu verstehen, i.d.R. in Bezug zu einem bestimmten Nutzer oder zu einer Gruppe von Nutzern.
  • Vermarktet wird eine Steuergestaltung, sobald sie auf den Markt gebracht und dort gegenüber Dritten angeboten wird. Verbundene Unternehmen sind davon nicht umfasst.
  • Zur Nutzung bereitstellen bedeutet, dass der Intermediär einem potenziellen Nutzer die für eine Umsetzung einer Steuergestaltung erforderlichen Informationen oder (Vertrags-)Unterlagen ausgehändigt oder anderweitig individuell zugänglich gemacht hat. Eine tatsächliche Umsetzung der Steuergestaltung durch den Nutzer ist hierbei noch nicht erforderlich. Die bloße Verbreitung allgemeiner Informationen über eine Steuergestaltung, z.B. durch Veröffentlichung unverbindlicher Informationen im Internet oder durch öffentliches Auslegen oder Ausgeben allgemein zugänglicher Prospekte, ist dagegen noch kein »zur Nutzung bereitstellen«. – Organisieren umfasst die systematische Vorbereitung und Planung der Steuergestaltung, die Bereitstellung zur Nutzung und die Zurverfügungstellung für eine konkrete Verwendung. –
  • Die Verwaltung der Umsetzung erfasst die verantwortliche Leitung der konkreten Umsetzung der Steuergestaltung.

Bei Anwendung des § 138d Abs. 1 AO ist zu beachten, dass der Begriff des Intermediärs keine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe voraussetzt. Entsprechend kann dem Grunde nach eine jede natürliche oder juristische Person Intermediär i.S.d. § 138d Abs. 1 AO sein. Voraussetzung für das Bestehen einer Intermediärfunktion ist es, dass der Intermediär eine grenzüberschreitende Steuergestaltung gem. den oben aufgeführten Kriterien konzipiert, vermarktet, organisiert oder zur Nutzung bereitstellt oder die Umsetzung einer solchen Steuergestaltung verwaltet. Aufgrund der genannten Kriterien werden typischerweise Intermediäre Angehörige der steuerberatenden Berufe, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Finanzdienstleister oder sonstige Berater sein.

In Abgrenzung hierzu sieht die Gesetzesbegründung vor, dass Personen, die bei der Verwirklichung einzelner Teilschritte einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung lediglich unterstützend mitgewirkt haben – ohne davon Kenntnis zu besitzen und auch ohne dies verständigerweise erkennen zu müssen – keine Intermediäre i.S.d. § 138d Abs. 1 AO sind.

Eine »Steuergestaltung« i.S.d. §§ 138d ff. AO ist als Schaffensprozess zu verstehen, bei dem durch den Nutzer selbst oder für den Nutzer eine bestimmte Struktur, ein bestimmter Prozess oder eine bestimme Situation bewusst oder aktiv herbeigeführt oder verändert wird, sodass diesem Prozess oder dieser Struktur eine steuerliche Bedeutung zukommt, welche ansonsten in keinem Fall eintreten würde. In diesem Kontext ist der Terminus »Steuergestaltung« extensiv auszulegen. Hierunter lassen sich u.a. die Schaffung, Zuordnung, Erwerb oder die Übertragung von Einkünften oder Quellen auf einen bestehenden Rechtsträger verstehen. Des Weiteren ist der Begriff »Steuergestaltung« daher weit zu verstehen. Er umfasst damit unter anderem die Schaffung, die Zuordnung, den Erwerb oder die Übertragung von Einkünften oder deren Quellen auf einen bestehenden Rechtsträger. Zusätzlich lässt sich unter dem Terminus »Steuergestaltung« die Gründung oder der Erwerb einer die Einkünfte erzielenden juristischen Person verstehen, bspw. die Gründung einer neuen Tochtergesellschaft durch eine Bestandgesellschaft und anschließende Kapitalausstattung der Tochtergesellschaft durch die gründende Gesellschaft und anschließende Übertragung der Gesellschaftsanteile an der Tochtergesellschaft. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist vom Terminus der »Steuergestaltung« nicht erfasst, wenn ein Stpfl. nach Abwarten des Ablaufs einer gesetzlichen Frist oder eines gesetzlichen Zeitraums eine Transaktion steuerfrei realisiert. Als Beispiel hierfür wird der Ablauf der Spekulationsfrist gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG angeführt. In § 138d Abs. 2 Satz 1 AO ist die mitteilungspflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltung definiert. Hiernach müssen die in den Nr. 1–3 genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Hierbei ist zu beachten, dass die Anforderungen innerhalb Nr. 2 (Buchst. a–e) und Nr. 3 (Buchst. a–b) nur alternativ erfüllt sein müssen. Hierbei handelt es sich um die nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen:

§ 138d Abs. 2 AO: »Eine grenzüberschreitende Steuergestaltung ist jede Gestaltung,

  1. die eine oder mehrere Steuern zum Gegenstand hat, auf die das EU-Amtshilfegesetz anzuwenden ist,
  2. die entweder mehr als einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder mindestens einen Mitgliedstaat der Europäischen Union und einen oder mehrere Drittstaaten betrifft, wobei mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
    1. nicht alle an der Gestaltung Beteiligten sind im selben Steuerhoheitsgebiet ansässig;
    2. einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten sind gleichzeitig in mehreren Steuerhoheitsgebieten ansässig;
    3. einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten gehen in einem anderen Steuerhoheitsgebiet über eine dort gelegene Betriebsstätte einer Geschäftstätigkeit nach und die Gestaltung ist Teil der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte oder macht deren gesamte Geschäftstätigkeit aus;
    4. einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten gehen in einem anderen Steuerhoheitsgebiet einer Tätigkeit nach, ohne dort ansässig zu sein oder eine Betriebsstätte zu begründen;
    5. die Gestaltung ist geeignet, Auswirkungen auf den automatischen Informationsaustausch oder die Identifizierung des wirtschaftlichen Eigentümers zu haben, und
  3. die mindestens
    1. ein Kennzeichen i.S.d. § 138e Abs. 1 aufweist und von der ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile die Erlangung eines steuerlichen Vorteils i.S.d. Abs. 3 ist, oder
    2. ein Kennzeichen i.S.d. § 138e Abs. 2 aufweist.

Besteht eine Steuergestaltung aus einer Reihe von Gestaltungen, gilt sie als grenzüberschreitende Steuergestaltung, wenn mindestens ein Schritt oder Teilschritt der Reihe grenzüberschreitend i.S.d. Satz 1 Nr. 2 ist; in diesem Fall hat die Mitteilung nach Abs. 1 die gesamte Steuergestaltung zu umfassen.«

In § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO sind diejenigen Steuerarbeiten bestimmt, die Grundlage für eine mitteilungspflichtige Gestaltung sind. Hierbei handelt es sich um Steuern, auf die das EU-Amtshilfegesetz anwendbar ist. Die Beschränkung auf diese Steuerarten ergibt sich inzident aus dem Anwendungsbereich der Amtshilferichtlinie, die durch das EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) in nationales Recht umgesetzt worden sind. In diesen Anwendungsbereich fallende Steuern sind die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer sowie die Erbschaft- und Schenkungsteuer, aber auch die Luftverkehrsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und die nichtharmonisierten Verbrauchsteuern, wie beispielsweise die Kaffeesteuer. Ausgenommen von dieser Regelung ist die Umsatzsteuer als direkte Steuer, da sie der Mehrwertsteuersystemrichtlinie unterliegt. Des Weiteren ausgenommen sind die harmonisierten Verbrauchsteuern und die Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach dem Zollkodex der EU.

§ 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO definiert den Tatbestand eine grenzüberschreitenden Steuergestaltung. Hiernach ist eine Steuergestaltung grenzüberschreitend, wenn sie mehr als einen Mitgliedstaat der Europäischen Union betrifft. Entsprechend ist es unerheblich, ob Deutschland direkt oder indirekt von der grenzüberschreitenden Steuergestaltung betroffen ist. Zusätzlich stellt § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO zusätzlich auf die Ansässigkeit bzw. auf die Tätigkeit der Beteiligten ab; unter Anwendung des § 138d Abs. 7 AO gilt der Intermediär jedoch nicht als Beteiligter, auf dessen Ansässigkeit oder Beteiligung abgestellt wird. Entsprechend wird grundsätzlich durch § 138d Abs. 2 AO vorausgesetzt, dass die Beteiligten in verschiedenen Steuerjurisdiktionen ansässig sind. Sofern eine Ansässigkeit nicht bejaht werden kann, wird im Folgenden auf eine etwaige Doppelansässigkeit abgestellt. Falls eine solche nicht einschlägig sein sollte, wird auf die Betriebsstätte eines Beteiligten abgestellt. Hierzu ist es erforderlich, dass die Betriebsstätte in einem anderen Steuerhoheitsgebiet als dem Ansässigkeitsstaat liegt und die grenzüberschreitende Steuergestaltung wenigstens einen Teil der Geschäftstätigkeit ausmacht. Für den Fall, dass eine solche Betriebsstätte nicht besteht, wird auf die reine Tätigkeit eines Beteiligten in einem anderen Steuerhoheitsgebiet abgestellt. Gem. der Gesetzesbegründung muss diese Tätigkeit in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der übrigen Tatbestandsvarianten des § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO und nach dem Sinn und Zweck der Richtlinie (EU) 2018/822 steuerlich erheblich sein. Etwaige sonstige Tätigkeiten, die sich steuerlich nicht auswirken, sind hingegen unerheblich. Zuletzt gelten auch solche Gestaltungen als grenzüberschreitend, die möglicherweise Auswirkungen auf den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten in Steuersachen nach dem gemeinsamen Meldestandard oder die Identifizierung der wirtschaftlichen Eigentümer haben und damit spezifische Kennzeichen i.S.d. § 138e Abs. 2 Nr. 2 und 3 AO erfüllen.

Innerhalb des § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO sind weitere kumulative Voraussetzung inhaltlicher Kennzeichen festgelegt, die eine grenzüberschreitende Steuergestaltung ausmachen. Innerhalb des § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO können dabei die Buchst. a und b alternativ erfüllt sein. Die umfassende Definition der einzelnen Kennzeichen enthält § 138e AO. Hiernach werden Gestaltungen, die Kennzeichen i.S.d. § 138e Abs. 1 AO und zusätzlich den sog. »Main benefit«-Test erfüllen, als mitteilungspflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltungen eingestuft. Bezüglich der in § 138e Abs. 1 AO enthaltenen Kennzeichen wird insbes. auf äußere Merkmale einer Gestaltung abgestellt. Hierzu gehören beispielsweise die vertragliche Vereinbarung einer Vertraulichkeitsregelung über die konkrete Art und Weise, mit der ein steuerlicher Vorteil durch die Gestaltung erlangt werden soll. Zur Einschränkung des insgesamt sehr weit gehaltenen Anwendungsbereichs muss zu den Kennzeichen i.S.d. § 138e Abs. 1 AO eine weitere Prüfung durchgeführt werden. Hierzu wird die Sicht eines verständigen Dritten zum zu erwartenden Hauptvorteil herangezogen. Alternativ muss der Hauptvorteil in der Erlangung eines steuerlichen Vorteils bestehen. Zusätzlich muss die Gestaltung darauf ausgerichtet sein, die günstige Auswirkung des steuerlichen Vorteils in den Vordergrund zu rücken. Dem Mitteilungspflichtigen steht es als Exkulpation frei, überwiegende außersteuerliche (wirtschaftliche) Gründe für die konkrete Strukturierung einer Transaktion darzulegen, sodass die steuerlichen Vorteile für die Durchführung der Gestaltung in ihrer Bedeutung reduziert werden.

Hierzu ist es jedoch nicht – abweichend von Fällen des § 42 Abs. 2 Satz 2 AO – nicht ausreichend, beachtliche außersteuerliche Vorteile nachzuweisen. Bei diesem Nachweis ist es erforderlich, dass der steuerliche Vorteil kein Hauptvorteil der durchgeführten Gestaltung ist. Den Zeitpunkt der Vorlage eines solchen steuerlichen Vorteils wird durch § 138d Abs. 3 AO bestimmt. Das Vorliegen eines Kennzeichens i.S.d. § 138e Abs. 2 AO wird durch § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b AO bestimmt. Zur Vorlage eines Kennzeichens ist es bereits ausreichend, wenn die in § 138e Abs. 2 AO aufgeführten Merkmale erfüllt sind, ohne dass der Hauptvorteil die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist.

§ 138d Abs. 2 Satz 2 AO sieht vor, dass eine grenzüberschreitende Steuergestaltung ebenfalls vorliegt, wenn diese aus einer Reihe verschiedener Gestaltungen besteht und dabei nur ein Schritt oder ein Teilschritt der Gestaltungsreihe einen grenzüberschreitenden Bezug besitzt. In klarstellender Art und Weise sieht Satz 2 Halbsatz 2 vor, dass der Mitteilungspflichtige dazu verpflichtet ist, die ihm bekannten Informationen zur Steuergestaltung mitzuteileilen und nicht lediglich die aus seiner Sicht maßgeblichen Informationen.

§ 138d Abs. 3 AO enthält eine abstrakte Definition eines steuerlichen Vorteils i.S.d. § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a AO. Ein solcher steuerlicher Vorteil kann gem. § 138 Abs. 3 Satz 1 AO in der Reduktion oder Verschiebung der Entstehung von Steueransprüchen, in der Erstattung von Steuerbeträgen oder in der Gewährung von Steuervergütungen bestehen. Hierbei werden Steueransprüche verringert, indem die grenzüberschreitende Steuergestaltung bspw. zu einer doppelten Berücksichtigung abzugsfähiger Kosten in verschiedenen Steuerhoheitsgebieten führt. Ebenfalls führt eine Verschiebung der Entstehung von Steueransprüchen in andere Besteuerungszeitpunkte oder Besteuerungszeiträume für die Annahme eines steuerlichen Vorteils i.S.d. Vorschrift. Dabei ist die Entstehung des maßgeblichen steuerlichen Vorteils nicht auf die deutsche Ertragshoheit beschränkt. Es ist bereits ausreichend, wenn der steuerliche Vorteil in einem der beteiligten Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem Drittstaat erzielt wird (§ 138d Abs. 3 Satz 2 AO).

In diesem Kontext ist zu beachten, dass der Begriff des steuerlichen Vorteils i.S.d. § 138d AO nicht dem Begriff des Steuervorteils i.S.d. § 370 AO entspricht. Soweit der steuerliche Vorteil einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung sich jedoch ausschließloch im Inland auswirkt und bei Berücksichtigung aller Umstände der Steuergestaltung als gesetzlich vorgeschrieben gilt, gilt dieser nicht als steuerlicher Vorteil gem. § 138d Abs. 3 Satz 3 AO i.S.d. § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a AO.

Hierbei wird ein steuerlicher Vorteil einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung nicht als vom Gesetz vorgesehen angesehen, wenn dieser steuerlicher Vorteil bei objektivierter Betrachtung systemtragenden Grundsätzen der Besteuerung in Deutschland wie bspw. dem Leistungsfähigkeitsprinzip widerspricht. Ein solcher Fall liegt bspw. dann vor, wenn ein grenzüberschreitender Vorgang zu einem Doppelabzug von Aufwendungen oder Verlusten oder zu einem Abzug von Aufwendungen ohne Besteuerung der korrespondierenden Erträge führt. Ebenfalls liegt ein solcher Verstoß gegen systemtragende Grundsätze vor, wenn grenzüberschreitende Sachverhalte günstiger besteuert werden sollen als ohne grenzüberschreitende Elemente bei voller Verwirklichung in einem oder dem anderen Staat besteuert worden wären. Ob ein steuerlicher Vorteil für den konkreten Fall ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist, ist im jeweiligen Einzelfall nicht ausschließlich aus dem Wortlaut der Norm, sondern unter Berücksichtigung aller Umstände der konkreten Gestaltung. Vorrangig ist zur Klärung dieser Frage die Teleologie der gesetzlichen Regelung heranzuziehen.

Ausschließlich bei Übereinstimmung mit der gesetzgeberischen Intention, bestimmte, eingegrenzte Konstellationen einer von der Regelbesteuerung abweichenden, »günstigeren« Besteuerung zu unterwerfen, befreit eine Gestaltung von der Anwendung des § 138d AO. Aus diesem Grund sind selbst legale steuerliche Vorteile dazu geeignet, eine Mitteilungspflicht auszulösen, wenn sie durch eine Gestaltung erzielt werden, die in einer Gesamtschau nicht dazu geeignet ist, der gesetzgeberischen Intention zu entsprechend. Das in Deutschland geltende Verständnis des steuerlichen Vorteils orientiert sich eng an der Definition der »aggressiven Steuerplanung« durch die EU-Kommission: »Ein Hauptmerkmal dieser Praktiken ist, dass sie die Steuerschuld durch Vorkehrungen senken, die zwar durchaus legal sind, aber zur Absicht des Gesetzes im Widerspruch stehen. […] Aggressive Steuerplanung besteht darin, die Feinheiten eines Steuersystems oder Unstimmigkeiten zwischen zwei oder mehr Steuersystemen auszunutzen, um die Steuerschuld zu senken.«

§ 138d Abs. 4 AO verweist zur Gewährleistung eines weiten Anwendungsbereichs der Mitteilungspflichten auf § 12 AO sowie ggf. auf eine davon abweichende Definition einer Betriebsstätte in einem DBA. Dieser extensive Verweis dient zur Erfassung von Fällen, bei der eine Steuergestaltung auf die Ausnutzung von Unterschieden in der abkommensrechtlichen Definition des Betriebsstättenbegriffs abzielt.

§ 138d Abs. 5 AO definiert den »Nutzer« einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung. Ein »Nutzer« i.S.d. § 138 Abs. 5 AO ist jede natürliche oder juristische Person, Personengesellschaft, Gemeinschaft oder Vermögensmasse, der die grenzüberschreitende Steuergestaltung zur Verfügung gestellt wird (§ 138d Abs. 5 Nr. 1), die bereit ist, die grenzüberschreitende Steuergestaltung umzusetzen (§ 138d Abs. 5 Nr. 2), oder die den ersten Schritt zur Umsetzung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung vorgenommen hat (§ 138d Abs. 5 Nr. 3). Eine Zurverfügungstellung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung an einen Nutzer liegt vor, wenn der Intermediär ihm die vertraglichen Unterlagen ausgehändigt oder anderweitig zugänglich gemacht hat. Eine tatsächliche Umsetzung ist hingegen nicht erforderlich. Die Realisierung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung ist nur noch vom Nutzer abhängig.

Eine Bereitschaft i.S.d. § 138d Abs. 5 Nr. 2 AO zur Umsetzung einer grenzüberschreitenden Gestaltung liegt vor, sobald die Umsetzung ausschließlich von der abschließenden Entscheidung des Nutzers abhängig ist. Entsprechend kommt § 138d Abs. 5 Nr. 2 AO zur Anwendung, wenn eine grenzüberschreitende Steuergestaltung durch den Stpfl. selbst ohne Einschaltung eines Intermediärs konzipiert worden ist. Innerhalb eines Unternehmens ist für die Anwendung des § 138d Abs. 5 Nr. 2 AO darauf abzustellen, wann der zuständige Verantwortliche die Umsetzung der Steuergestaltung beschlossen hat.

Im Fall eines Vertrags mit einer aufschiebenden Bedingung gem. § 158 BGB gilt die Person als Nutzer, die die ersten Schritte zur Umsetzung der grenzüberschreitenden Gestaltung vorgenommen hat (§ 138d Abs. 5 Nr. 3 AO).

Im Fall, dass ein Nutzer eine grenzüberschreitende Steuergestaltung für sich selbst konzipiert hat, ohne dass ein Intermediär eingeschaltet worden ist, sieht § 138d Abs. 6 AO vor, dass für solche Nutzer die für Intermediäre geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind.

§ 138d Abs. 7 AO sieht vor, dass ein Intermediär nicht als ein »an der Gestaltung Beteiligter« gilt, soweit er im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Steuergestaltung nur solche Tätigkeiten ausübt, durch die er nach § 138d Abs. 1 AO die Stellung eines Intermediärs erlangt hat. Dies bedeutet, dass eine grenzüberschreitende Steuergestaltung nicht vorliegt, wenn alle an der Steuergestaltung beteiligten Personen im selben fremden Steuerhoheitsgebiet ansässig sind und ausschließlich der Intermediär einen Inlandsbezug i.S.d. § 138d Abs. 7 AO aufweist.

3.2. § 138e AO

§ 138e AO enthält eine abschließende Aufzählung der Kennzeichen, die einen mitteilungspflichtigen Tatbestand auslösen können. Die Ausgestaltung des § 138e AO orientiert sich im Wesentlichen an der durch die Richtlinie (EU) 2018/822 geänderten Amtshilferichtlinie. § 138e Abs. 1 AO erfasst Kennzeichen, auf die der Relevanztest des § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a AO anzuwenden ist. In Abweichung hiervon erfasst § 138e Abs. 2 AO lediglich solche Kennzeichen, deren Vorliegen ohne Relevanztest eine mitteilungspflichtige Steuergestaltung auslöst. Soweit die Kennzeichen des § 138e Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO auf bestimmte Modalitäten der Entwicklung, Vermarktung oder Umsetzung von Gestaltungen abstellen, bspw. eine qualifizierte Vertraulichkeitsklausel, eine standardisierte Dokumentation oder Struktur, stellen die Kennzeichen der Nr. 3 § 138e Abs. 2 AO unmittelbar auf bestimmte Strukturinhalte oder rechtliche Ergebnisse von Gestaltungen an. Hierzu zählen bspw. Verlustnutzung oder Nichtbesteuerung. Unter Bezug auf § 138e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 stellt § 138e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO fest, dass eine innerhalb eines Vertrags aufgenommene Vertraulichkeitsklausel ein Kennzeichen einer potenziell mitzuteilenden Steuergestaltung ist. Abweichend hiervon fallen gesetzliche und standesrechtliche Verschwiegenheitspflichten nicht in den Anwendungsbereich dieses Kennzeichens. Vom Anwendungsbereich dieses Kennzeichens erfasst werden hingegen Vereinbarungen, wonach es dem Nutzer oder anderen an der Steuergestaltung beteiligten Personen verboten ist, eine Offenlegung des Steuervorteils, der sich aus der Steuergestaltung ergibt, an die Finanzverwaltung zu bewirken.

Von der Mitteilungspflicht ausgenommen sind alle Vertraulichkeitsklauseln, die eine Offenlegung gegenüber anderen Intermediären verbieten, die von einer potentiellen Mitteilungspflicht zu einer konkreten Steuergestaltung nicht erfasst sind. Dies dient dazu, dass Geschäftsgeheimnisse der beteiligten Intermediäre gegenüber konkurrierenden Intermediären gewahrt bleiben. Ebenfalls erfüllen Klauseln, wonach zwei Parteien vereinbaren, dass eine Gestaltung nicht ohne Zustimmung des Erstellers an Dritte weitergeleitet werden darf, die Anforderungen dieses Kennzeichens, da in diesem Fall andere Intermediäre und die Finanzverwaltung Dritte sind. Soweit die Finanzverwaltung und andere Intermediäre bzgl. Einzelheiten eines steuerlichen Vorteils innerhalb einer Klausel explizit ausgenommen sind, löst diese Vertraulichkeitsklausel keine Mitteilungspflicht aus.

§ 138e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b AO definiert die Vergütung als Kennzeichen, soweit ihre Höhe an die Höhe des steuerlichen Vorteils anknüpft. Eine Abhängigkeit der Vergütung von der Höhe des steuerlichen Vorteils stellt nach Auffassung des Gesetzgebers ein Indiz für rein steuerlich motivierte Gestaltungen dar. Die standesrechtlichen Vorschriften bzgl. einer erfolgsabhängigen Vergütung – § 4a RVG, § 9a StBerG, § 55a WPO – bleiben hiervon unberührt. Aus diesem Grund erfolgt keine Festsetzung einer Vergütung dieser Berufsgruppen i.S.d. § 138e AO, wenn sich der bei der RVG zu berücksichtigende Gegenstandswert aufgrund der Berücksichtigung des erwarteten steuerlichen Vorteils erhöht. Abweichend hiervon werden Erfolgshonorare erfasst, die eine zusätzliche Vergütung bei Eintritt einer Bedingung bedingen, sofern sich die Bedingung auf den eintretenden steuerlichen Vorteil bezieht.

Die in § 138 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO definierten Kennzeichen sollen Gestaltungen erfassen, die dazu geeignet sind, in einer unbestimmten Anzahl weiterer Fälle im Wesentlichen in gleicher Weise eingesetzt werden zu können. Diese Standardisierung kann sich einerseits auf die äußere Dokumentation als auf die innere Struktur der Gestaltung beziehen. Hierbei sind kleinere Anpassungen an die individuellen Bedürfnisse der verschiedenen Steuerpflichtigen bzgl. der Beurteilung als Standardisierung unbeachtlich.

Unter einer »standardisierten Dokumentation« versteht der Gesetzgeber Vertragswerke oder sonstige mandatsbezogene Dokumente, welche ohne Vornahme wesentlicher Anpassungen an den Einzelfall für den Nutzer musterartig vorbereitet sind. Wesentlich sind hierbei Anpassungen in der Form oder Darstellung, die in einer vorzunehmenden Dokumentation inhaltlich nicht mehr gleich erscheinen lassen.

Eine »standardisierte Struktur« bezieht sich auf den materiellen Gehalt der Gestaltung, unabhängig davon, ob formale Vertragsmuster bestehen, Entsprechend liegt eine standardisierte Struktur vor, wenn die Gestaltung inhaltlich oder konzeptionell so aufgebaut ist, dass sie geeignet dazu ist, in einer Vielzahl weiterer Fälle in im Wesentlichen gleicher Weise eingesetzt werden zu können. Als »wesentlich« sind Anpassungen einer Struktur zu beurteilen, die die betreffende Steuergestaltung inhaltlich oder konzeptionell ändern. Ein Indiz hierfür ist eine inhaltliche oder konzeptionelle Änderung mit der sich die auf die Steuergestaltung anzuwendenden gesetzlichen Regelungen ändern. Regelmäßig ist eine solche »Struktur« anzunehmen, wenn ein bewusstes Hintereinanderschalten oder Zusammenwirken von rechtlichen Teilschritten zur Zielerreichung gewählt wird. Dies liegt vor, wenn eine Transaktion durch eine Mehrzahl hintereinander geschalteter Schritte bewusst rechtlich verkompliziert wird, ohne dass dies im Ergebnis eine Änderung des wirtschaftlichen Gehalts der Transaktionen zur Folge hat.

Ebenfalls liegt eine solche »Struktur« vor, wenn kein eigenständiger wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird, sondern allein der Steuervorteil im Vordergrund steht (z.B. beim sog. »Goldfinger«-Modell). Gegensätzlich ist eine »Struktur« nicht bereits deshalb zu verneinen, weil der Intermediär die Gestaltung z. B. betragsmäßig an die Bedürfnisse des Einzelfalls anpasst.

Ein weiteres Beispiel für eine standardisierte Struktur lässt sich nach Auffassung des Gesetzgebers innerhalb der Begründung und dem Einsatz von Finanzierungsgesellschaften insbes. im niedrig besteuernden Ausland erkennen, wenn die konkrete Gestaltung auch ohne wesentliche inhaltliche oder konzeptionelle Änderungen bei anderen Stpfl. verwendet werden kann. Des Weiteren kann ebenfalls die Einrichtung von unternehmensgruppeninternen Zentralgesellschaften in niedrig besteuernden Staaten, z.B. einer Einkaufs- oder Dienstleistungsgesellschaft, eine standardisierte Struktur der Gestaltung i.S.d. Kennzeichens darstellen, wenn diese konkrete Gestaltung ohne wesentliche inhaltliche oder konzeptionelle Änderungen bei anderen Stpfl. verwendet werden kann. Sofern in Abgrenzung zum Vorherigen im Zuge einer bestehenden Geschäftsbeziehung eine (steuerliche) Strukturierungsmaßnahme entwickelt wird, welche einen individuellen Einzelfall betrifft, liegt regelmäßig keine standardisierte Dokumentation oder Struktur der Gestaltung vor. Sofern jedoch ein Intermediär den individuellen Einzelfall zum Anlass nimmt, aus dem individuellen Einzelfall eine standardisierte Gestaltung zu entwickeln, bspw. durch Anonymisierung des Einzelfalls oder eine Einzelfallgestaltung in anderer Weise für eine Vielzahl weiterer Fälle verwendbar macht, weist die Gestaltung ein Kennzeichen nach § 138e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf.

Im Zusammenhang mit den in § 138e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO definierten Kennzeichen ist die Feststellung der Voraussetzungen des § 138d Abs. 3 AO wichtig, insbes. die Feststellung, ob ein steuerlicher Vorteil vorliegt. Hierbei ist zu beachten, dass zahlreiche Standardvorgänge der Rechts- oder Steuerberatung die Voraussetzungen des § 138d Abs. 3 AO nicht erfüllen, bspw. die formularmäßige Gründung von Gesellschaften oder die formularmäßige Vergabe von Darlehen. Diesbezüglich kann sich jedoch etwas anderes ergeben, wenn Steuerklauseln in Standardverträgen zu einem gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehenen steuerlichen Vorteil führen, der im rein nationalen Kontext nicht erzielt werden könnte. Sofern sich die steuerliche Beratung eines Intermediärs auf den Hinweis auf steuerliche Regelungen erstreckt, bei denen sich der steuerliche Vorteil expressis verbis aus dem Gesetzestext ergibt, bspw. das Hinausschieben einer geplanten Veräußerung hinsichtlich des Ablaufs der Veräußerungsfrist gem. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG erfüllt diese Beratung die Anforderungen dieses Kennzeichens auch selbst dann nicht, wenn für die steuerliche Beratung ein Musteranschreiben verwendet wird. Dasselbe gilt in Umwandlungsfällen gem. § 20 Abs. 1 UmwStG, da es beim Ansatz des Buchwerts an einem steuerlichen Vorteil fehlt, da dieser in § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ausdrücklich vorgeschrieben ist.

§ 138e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a AO erfasst Fälle der Verlustnutzung, in denen von einem Beteiligten planmäßig rechtliche Schritte unternommen werden, um ein verlustbringendes Unternehmen (mittelbar) zu erwerben und die Haupttätigkeit zu beenden. Gegensätzlich wird der Erwerb von Unternehmen mit bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs eingestelltem Betrieb oder mit zwischenzeitlich Gewinn erwirtschaftenden Betrieben nicht von diesem Kennzeichen erfasst. Die Voraussetzungen für die Unangemessenheit rechtlicher Schritte entsprechen den Anforderungen des § 42 Abs. 2 AO und der dazu ergangenen Rechtsprechung. Sofern keine wirtschaftlichen Gründe für die jeweiligen Schritte vorliegen, kann davon ausgegangen werden, dass eine Gestaltung gezielt dafür genutzt werden soll, Steuern zu sparen oder zu umgehen. Um die Verluste eines erworbenen Unternehmens für die Verringerung der eigenen Steuerbelastung einzusetzen, ist es erforderlich, dass der Erwerb des Verlustunternehmens in einem Umfang erfolgt, der es dem Erwerber ermöglicht, die erforderlichen weiteren Schritte veranlassen bzw. durchsetzen zu können. Sofern die Verluste jedoch aufgrund der Anwendung der Verlustnutzungsbeschränkungen gem. §§ 8c und 8d KStG nicht genutzt werden können, sind solche Erwerbe nicht mitteilungspflichtig. Jedoch können sich aus diesem inneren Zusammenhang mit den Verlustnutzungsbeschränkungen ebenfalls Indizien für die Beurteilung der unangemessenen rechtlichen Schritte ergeben. Es können unangemessene rechtliche Schritte vorliegen, wenn Gestaltungen darin bestehen, die Verlustnutzungsbeschränkungen zu umgehen und aus diesem Grund von einem Direkterwerb der Beteiligung abgesehen wird. Hierbei sind der Nutzer, verbundene Unternehmen und Dritte beteiligt, die bei der Gestaltung eine Funktion erfüllen. Eine untergeordnete Hilfsfunktion ist hierzu ausreichend. In diesem Kontext zählt die erworbene Verlustgesellschaft ebenfalls zu der an der Gestaltung Beteiligten und ist bei der Mitteilung ebenfalls als Beteiligter anzugeben. Jedoch ist es nicht erforderlich, dass die erworbene Verlustgesellschaft eine eigene Mitteilung abgibt. Dasselbe gilt für Dritte, deren Beitrag zur Verwirklichung der Gestaltung nicht erforderlich ist.

§ 138e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b AO sieht vor, dass das Umwandeln von Einkünften in Vermögen, in Schenkungen oder andere niedriger besteuerte oder steuerfreie Einnahmen oder steuerbefreite Einkünfte eine mitteilungspflichtige Steuergestaltung darstellt. An den entsprechenden Umwandlungen können ein Steuerpflichtiger oder mehrere Stpfl. sowie verbundene Unternehmen beteiligt sein. Des Weiteren sind von dieser Vorschrift auch solche Konstellationen erfasst, bei denen das Umwandeln ausschließlich im Inland erfolgt und Auswirkungen im Ausland hat. Unter den Begriff der »Umwandlung« fällt in diesem Kontext bspw. die Änderung der Einkunftsart. Nicht erfasst sind jedoch Konstellationen, bei denen ein steuerlicher Vorteil für den konkreten Fall ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist, unabhängig davon, ob das Umwandeln der Einkünfte grenzüberschreitend erfolgt. Entsprechend führt die Aufstockung einer Beteiligung, die die Anwendung des Schachtelprivilegs ermöglicht, nicht zu einer Mitteilungspflicht. Ob ein steuerlicher Vorteil für den konkreten Fall ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist, ergibt sich im Einzelfall ausschließlich aus dem Wortlaut der Norm unter Berücksichtigung aller Umstände der konkreten Gestaltung und vorrangig aus dem Telos der gesetzlichen Regelung. Aufgrund der Übereinstimmung mit der Intention des Gesetzgebers, bestimmte Konstellationen einer von der Regelbesteuerung abweichenden »günstigeren« Besteuerung zu unterwerfen, kann eine Gestaltung von dem Anwendungsbereich des Kennzeichens ausgenommen werden. Entsprechend können auch legale steuerliche Vorteile eine Mitteilungspflicht auslösen, wenn sie durch solche Gestaltungen erzielt werden, die in einer Gesamtbetrachtung der gesetzgeberischen Intention nicht gerecht werden. Dieses Verständnis des steuerlichen Vorteils orientiert sich an der Definition der »aggressiven Steuerplanung« durch die EU-Kommission: »Ein Hauptmerkmal dieser Praktiken ist, dass sie die Steuerschuld durch Vorkehrungen senken, die zwar durchaus legal sind, aber zur Absicht des Gesetzes im Widerspruch stehen. […] Aggressive Steuerplanung besteht darin, die Feinheiten eines Steuersystems oder Unstimmigkeiten zwischen zwei oder mehr Steuersystemen auszunutzen, um die Steuerschuld zu senken.« Dabei sind nicht nur die durch die deutsche Rechtsordnung gesetzlich eingeräumten steuerlichen Vorteile zu beachten, sondern auch solche, die von den nationalen Rechtsordnungen anderer EU-Mitgliedstaaten vorgesehen sind. Nicht von Bedeutung sind dagegen steuerliche Vorteile, die ein Drittstaat unilateral durch nationale Gesetze einräumt.

Beispiel 1:

Eine inländische Stiftung ist Inhaberin einer Forderung, aus der stpfl. Zinserträge erzielt werden. Sie legt die Forderung in eine Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ein. Die von der Tochtergesellschaft zukünftig bezogenen Dividenden sind unter den Voraussetzungen des § 8b Abs. 1 und 4 KStG steuerfrei.

Sofern das Umwandeln der Einkünfte dazu geeignet ist, die effektive Steuerbelastung der ganzen Struktur bei einer Gesamtbetrachtung der in- und ausländischen geschuldeten Steuer zu mindern, unterstellt der Gesetzgeber regelmäßig einen relevanten steuerlichen Vorteil, der zu einer Mitteilungspflicht führt. Während die Freistellung der Dividendeneinkünfte unter den Voraussetzungen des § 8b KStG im Gesetz vorgesehen ist, folgt für die Gesamtbetrachtung der Gestaltung, dass der konkrete steuerliche Vorteil nicht von der gesetzgeberischen Intention getragen wird. Die Gestaltung beruht darauf, dass die Bezüge eine Vorversteuerung unterlegen haben. Hierauf setzt der gesetzgeberische Wille auf, eine Doppelbesteuerung (Kaskadeneffekt) zu vermeiden. Durch die Gestaltung soll jedoch eine gesetzeszweckwidrige Keinmalbesteuerung erreicht werden. § 138e Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c AO baut auf folgenden Überlegungen auf:

Sofern Wirtschaftsgüter zwischen Stpfl. verschoben werden, ist dies dazu geeignet, eine Änderung der steuerlichen Behandlung auszulösen, ohne dass sich die zugrundeliegende Wirtschaftstätigkeit ändert oder ein nichtsteuerlicher Grund für die Transaktion besteht. Der Terminus »Transaktion« bedeutet in diesem Kontext eine gegenseitige, ggf. sogar mehrteilige, Übertragung von Gütern oder Rechten zwischen zwei juristischen oder natürlichen Personen, Rechtsträgern oder Vermögensmassen.

Relevant i.S.d. Kennzeichens ist eine Transaktion, wenn zwischen der Transaktion und der Gestaltung ein Zusammenhang besteht und die Transaktion für die Gestaltung genutzt werden kann. Analog der Beschreibung in der durch die Richtlinie (EU) 2018/822 geänderten Amtshilferichtlinie liegt eine mitteilungspflichtige Steuergestaltung vor, wenn Stpfl. Transaktionen für zirkuläre Vermögensverschiebungen nutzen und zwar entweder durch die Einbeziehung zwischengeschalteter Unternehmen, die keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben oder dadurch, dass sich die Transaktionen gegenseitig aufheben oder ausgleichen (sog. »Round tripping«).

Insbes. bei zirkulären Vermögensverschiebungen ist maßgeblich, dass es sich um zwei Transaktionen handeln muss und zusätzlich das betroffene Vermögen nach Abschluss der Transaktion wertmäßig zum ursprünglichen Steuerpflichtigen zurückkehren muss. Ein Übergang der wirtschaftlichen Zuordnung für die Dauer einer juristischen Sekunde ist dazu ausreichend. Wesentlicher Charakter ist es zudem, dass die Transaktionen einem planmäßigen Ablauf folgen. Um eine gegenseitige Aufhebung von Transaktionen aufgrund rechtlicher Vorgaben, bspw. infolge eines gesetzlich vorgeschriebenen Clearings im Rahmen von Finanztermingeschäften zu verhindern, dürfen sich die Transaktionen i.S.d. § 138e AO nicht aufheben.

Ausschließlich vertragliche Transaktionen sind dazu geeignet, sich gegenseitig aufzuheben und sind entsprechend dem »Main benefit«-Test zu unterziehen. Sämtliche Gestaltungen, bei denen aufgrund eines planmäßigen Ineinandergreifens der Transaktionen keine Unsicherheit besteht, ob oder zu welchem Wert das verschobene Wirtschaftsgut wieder zum Veräußerer zurückkehrt, müssen als zirkulär angesehen werden, da das betroffene Vermögen ohne wertmäßige Änderung zum ursprünglichen Stpfl. zurückkehrt.

Beispiel 2:

Speziell aus den USA sind Fälle sog. »Round tripping intangibles« bekannt. Dabei werden immaterielle Werte, die eine inländische Gesellschaft entwickelt hat, im Wege einer nicht-ausschließlichen Lizenz an eine im niedrig besteuerten Ausland ansässige Tochtergesellschaft zur Produktion eines Wirtschaftsguts zeitweise überlassen. Da die inländische Gesellschaft Eigentümerin des immateriellen Werts bleibt und durch den vertraglich ausschließlichen und zeitlich begrenzten Charakter der Lizenz, kann eine relativ niedrige Lizenzgebühr für die Nutzungsüberlassung fremdüblich sein. Produziert die ausländische Tochter daraufhin die finalen Güter, können diese allerdings, da sie die neue Technologie enthalten, einen sehr hohen Marktwert haben. Werden diese Güter nun in einem weiteren Schritt an die inländische Muttergesellschaft veräußert, um von ihr im Inland auf den Markt gebracht zu werden, kann daher ein relativ hoher Kaufpreis fremdüblich sein. Somit entstehen große Gewinnanteile aus der Nutzung der Technologie zu der Tochtergesellschaft im niedrig besteuerten Ausland. Diese Fallkonstellationen führen indes nur zu dem beabsichtigten Ergebnis, wenn das relevante nationale Verrechnungspreissystem die verlagerte Gewinnchance nicht als eigenständigen immateriellen Wert erfasst.

Beispiel 3:

Eine deutsche Aktiengesellschaft (AG) unterliegt einer kombinierten Ertragsteuerbelastung von ca. 33 % (Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuer). Die AG hält 100 % des Kapitals an einer niederländischen Finanzierungsgesellschaft, die in den Niederlanden einer Ertragsteuerbelastung von ca. 25 % unterliegt. Die deutsche AG legt zunächst einen Betrag in die Finanzierungsgesellschaft ein. Unmittelbar im Anschluss gewährt die Finanzierungsgesellschaft der deutschen AG ein Darlehen i.H.d. Einlage. Somit wurde Zinsaufwand geschaffen, der in Deutschland – vorbehaltlich der Anwendung einer Zinsschranke – die Bemessungsgrundlage mindert.

§ 138e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. d AO erfasst Fälle, in denen der Empfänger grenzüberschreitender Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen in einem Steuerhoheitsgebiet ansässig ist, welches keine oder sehr geringe Körperschaftsteuern erhebt und oft im allgemeinen Sprachgebrauch als sogenannte »Steueroase« bezeichnet wird. Die Definition des verbundenen Unternehmens ergibt sich aus § 138e Abs. 3 AO. Ein Körperschaftsteuersatz von »nahe 0 %« liegt vor, wenn er kleiner oder gleich 4 % ist, da nach Rundungsregeln bei dieser Höhe abgerundet wird.

Als Beispiel für die Verlagerung von Gewinnen durch grenzüberschreitende Zahlungen sind mehrstufige Gestaltungen anzusehen, die unter Ausnutzen von nationalen Qualifikationskonflikten verschiedener Jurisdiktionen bzgl. der Ansässigkeit von Gesellschaften einer gleichzeitig unzureichenden auswärtigen Hinzurechnungsbesteuerung Steuersubstrat planmäßig an einen Letztempfänger zuweist, der in einem Steuerhoheitsgebiet steuerlich ansässig ist, das entweder überhaupt keine Unternehmenssteuern erhebt oder einen Körperschaftsteuersatz von 0 % oder nahe 0 % hat (sog. »Double Irish with a Dutch Sandwich«-Struktur). Im Ergebnis bleiben so die grenzüberschreitenden Zahlungen in diesen Fällen unbesteuert.

§ 138e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. e AO erfasst Fälle, in denen die grenzüberschreitenden Zahlungen als solche steuerlich begünstigt sind und nicht ihr Empfänger steuerlich begünstigt ist. Diese steuerliche Begünstigung kann im Wege einer gesetzlichen Steuerbefreiung oder im Wege einer sog. Präferenzregelung vorgenommen werden. Der Relevanztest ist ebenfalls auf diese Kennzeichen anwendbar, so dass ein steuerlicher Vorteil der Hauptgrund oder einer der Hauptgründe der Gestaltung sein muss und nicht ausdrücklich im Gesetz angelegt sein darf. Im Ergebnis wäre das Schachtelprivileg des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG somit eine grundsätzlich vom Kennzeichen erfasste Steuerbefreiung, die jedoch aufgrund des Relevanztestes nicht zu einer Mitteilungspflicht führt. Der in § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG normierte steuerliche Vorteil ist ausdrücklich im Gesetz vorgesehen. Die Steuerbefreiung erfolgt auf der Grundlage, dass der Staat, dem das Besteuerungsrecht zugewiesen ist, die Zahlungen nicht in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezieht. Entsprechend steht es einer Steuerbefreiung gleich, wenn eine Besteuerung aufgrund der folgenden Regelungen erreicht wird:

  • Inanspruchnahme von Freibeträgen,
  • Inanspruchnahme eines Verlustausgleichs oder -abzugs wegen anderer negativer Einkünfte,
  • Abzug bzw. der Anrechnung von im Ausland gezahlten Steuern,
  • Anwendung von DBA-Schachteldividenden-Regelungen,
  • Anwendung einer Unionsrichtlinie.

Alternativ kann eine Steuerbefreiung aufgrund der Inanspruchnahme ausländischer Vorschriften zur Einkünfteermittlung temporäre oder permanente Differenzen im Vergleich zu der nach deutschem Steuerrecht ermittelten Bemessungsgrundlage begründen, auch wenn sie wie eine zumindest temporäre partielle Nichtbesteuerung wirkt. Beispielsweise treten temporäre Differenzen auf, wenn das Recht des anderen Vertragsstaats höhere Rückstellungen ermöglicht oder höhere Abschreibungen zulässt. Gegensätzlich treten permanente Differenzen auf, wenn das Recht des anderen Vertragsstaats es ermöglicht, Aufwendungen abzuziehen, die nach inländischem Steuerrecht dem Betriebsausgabenabzugsverbot des § 4 Abs. 5 EStG unterliegen würden. Im Umkehrschluss liegt eine Präferenzregelung in der Regel dann vor, wenn bestimmte Branchen, Sektoren oder Einnahmen im Vergleich zur übrigen Wirtschaft oder zu anderen Einnahmekategorien steuerlich begünstigt werden. Insoweit muss neben der Selektivität der Regelung noch eine von der Regelbesteuerung abweichende, niedrige Besteuerung hinzukommen. Ein Beispiel für eine Präferenzregelung sind Regelungen, die für Lizenzeinkünfte eine bevorzugte Besteuerung vorsehen (sog. Patent- oder Lizenz -Boxen). Eine Präferenzregelung liegt auch dann vor, wenn die Lizenzeinkünfte auf einer aktiven Forschungs- und Entwicklungstätigkeit i.S.d. modifizierten Nexus-Ansatzes der OECD beruhen.

§ 138e Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO bestimmt, dass Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen an staatenlose Zahlungsempfänger oder solche Zahlungsempfänger, die in einem Territorium ansässig sind, welches auf der Liste nichtkooperierender Drittstaaten der Europäischen Union geführt wird, mitteilungspflichtige Steuergestaltungen auslösen. Staatenlose Zahlungsempfänger sind typischerweise solche Personen, die bewusst eine (steuerliche) Ansässigkeit vermeiden. Diese fehlende Ansässigkeit in einem Staat wird entweder durch ihr tatsächliches Verhalten erreicht oder durch Ausnutzung von Qualifikationskonflikten zwischen den betroffenen nationalen Rechtsordnungen. Ein solcher Qualifikationskonflikt kann bspw. eintreten, wenn ein Staat die steuerliche Ansässigkeit ausschließlich anhand des Sitzes der Geschäftsleitung abhängig macht und ein zweiter Staat ausschließlich auf den Ort der Gründung der Gesellschaft abstellt. Erfolgt die Gesellschaftsgründung im ersten Staat und befindet sich der Sitz der Geschäftsleitung im zweiten Staat, entsteht eine in keinem Steuerhoheitsgebiet ansässige Gesellschaft (sog. »ghost company«).

Das Merkmal der Staatenlosigkeit erfasst auch solche Fälle grenzüberschreitender Zahlungen, in denen die steuerliche Ansässigkeit nach den Bestimmungen eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) von beiden Vertragsstaaten nicht in korrespondierender Weise bestimmt wird. Ein solcher Qualifikationskonflikt kann bspw. bei der Bestimmung der Ansässigkeit einer Gesellschaft nach Maßgabe des Orts der tatsächlichen Geschäftsleitung auftreten, wenn jeder Vertragsstaat davon ausgeht, dass sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung im jeweils anderen Staat befindet. Dies führt dazu, dass kein Staat das Besteuerungsrecht als sog. Ansässigkeitsstaat dieser Gesellschaft wahrnimmt.

§ 138e Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b AO erfasst Transaktionen, bei denen Steuerpflichtige vergleichbare Steuervergünstigungen in mehreren Rechtsordnungen beantragen oder ihnen die Steuervergünstigungen gewährt werden. Hierunter fallen Fallgestaltungen, in denen Abschreibungen in Folge von Qualifikationskonflikten in mehreren Staaten geltend gemacht werden sollen.

Beispiel 4:

Eine inländische Fluggesellschaft (Leasingnehmerin) least bei dem ausländischen Leasingunternehmen (Leasinggeber) ein Flugzeug. Beiden Parteien wird das Flugzeug von ihrem jeweiligen Ansässigkeitsstaat aufgrund der nationalen Regelungen bilanziell zugerechnet. Somit können beide Unternehmen Abschreibungen als Betriebsausgaben geltend machen. Dasselbe Wirtschaftsgut wird folglich in zwei Staaten abgeschrieben.

Ein ähnlicher Fall kann auch im Fall von Betriebsstätten, die nach einem DBA freigestellt werden, auftreten, wenn ein Wirtschaftsgut sowohl der Betriebsstätte als auch dem Stammhaus zugerechnet wird. Dieses Kennzeichen erfasst jedoch keine Fälle, in denen eine Doppelbesteuerung im Wege der Anrechnungsmethode beseitigt werden soll. Unterhält bspw. ein inländischer Nutzer in einem Staat, mit dem kein DBA besteht, eine Betriebsstätte und werden in dieser Betriebsstätte Waren mit Maschinen produziert, werden die für die Produktion genutzten Maschinen gem. den jeweiligen Gewinnermittlungsvorschriften abgeschrieben. Anschließend wird das Betriebsstättenergebnis im Betriebsstättenstaat besteuert. In Deutschland fließt das Ergebnis der Betriebsstätte in die Gewinnermittlung des Nutzers ein. Gleichzeitig erfolgt eine Anrechnung der ausländischen Steuern gem. § 34c EStG i.V.m. § 26 KStG. Die Abschreibungen der Maschinen werden sowohl im ausländischen Staat als auch in Deutschland berücksichtigt. Eine Mitteilung ist in einem solchen Fall nach Auffassung des Gesetzgebers nicht erforderlich, soweit die doppelte Geltendmachung einer Abschreibung z.B. darauf beruht, dass das Ergebnis der Betriebsstätte sowohl im Betriebsstättenstaat als auch im inländischen Stammhaus erfasst und besteuert wird. Das Kennzeichen erfasst ebenfalls Fälle, in denen eine Befreiung von einer Doppelbesteuerung mehrfach für dieselben Einkünfte oder Vermögen beantragt wird. Ein potentieller Anwendungsfall ist bspw. eine Drei-Staaten-Konstellation, in der auf Basis des DBA zwischen den ersten beiden Staaten eine Freistellung der Einkünfte im zweiten Staat beantragt wird und auf Basis des DBA zwischen dem ersten und dem dritten Staat eine Freistellung der Einkünfte im ersten Staat erzielt wird. Um eine solche Befreiung zu erreichen, können bspw. Qualifikationskonflikte oder Zuordnungskonflikte im Hinblick auf eine steuerliche Transaktion, die diese drei Staaten betrifft, genutzt werden. Im Ergebnis werden diese Einkünfte in keiner Jurisdiktion besteuert werden.

§ 138e Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c AO sieht eine Mitteilungspflicht für solche Gestaltungen vor, bei denen eine Übertragung oder Überführung von Vermögensgegenständen in den beteiligten Rechtsgebieten hinsichtlich des Wertansatzes im Abgangsstaat bzw. des Wertansatzes im Zugangsstaat steuerlich unterschiedlich beurteilt wird. Dieses Kennzeichen erfasst Fälle, bei denen eine Differenz zwischen Veräußerungspreis im Staat der Veräußerung und Anschaffungspreis im Staat des Erwerbs besteht. Differenzen können hier auftreten, wenn im Staat der Veräußerung der Buchwert angesetzt wird, während im Staat des Erwerbs der Ansatz mit dem gemeinen Wert erfolgt. Beträgt der unterschiedliche Wertansatz 10 % oder weniger, ist er nicht wesentlich und somit nicht mitteilungspflichtig.

§ 138e Abs. 2 Nr. 2 AO knüpft an den Standard für den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten nach dem gemeinsamen Meldestandard der OECD an und erfasst solche Steuergestaltungen, deren Ziel es ist, eine unzureichende Umsetzung des gemeinsamen Meldestandards durch Steuerhoheitsgebiete oder Finanzinstitute oder der von ihnen Beauftragten als auch die Nichtanwendbarkeit des gemeinsamen Meldestandards auszunutzen. Die Nichtanwendbarkeit kann darauf zurückgehen, dass ein Steuerhoheitsgebiet an dem Informationsaustausch nicht teilnimmt oder dass der persönliche, sachliche oder zeitliche Anwendungsbereich des an sich umgesetzten gemeinsamen Meldestandards vermieden wird. Ausnutzen liegt dann vor, wenn ein Informationsaustausch über Finanzkonten nicht, nicht vollständig, nicht verwertbar, nicht mit dem richtigen Endadressaten oder nicht zur richtigen Zeit erfolgt. Die bloße Tatsache, dass infolge einer Gestaltung eine Meldung bzw. ein Informationsaustausch nach CRS unterbleibt, reicht für die Annahme, dass CRS-Rechtsvorschriften umgangen würden, nicht aus. Ebenfalls liegt eine Ausnutzung oder Vermeidung des CRS-Regelwerks insbesondere nicht vor, wenn im Vordergrund einer Gestaltung nachvollziehbare wirtschaftliche Erwägungen stehen, die zur Folge haben, dass auch eine Meldung bzw. ein Informationsaustausch nach CRS ausbleibt.

Des Weiteren liegt eine Umgehung des CRS nicht vor, wenn die Informationen zum Finanzkonto gem. eines FATCA-Abkommens mit der Steuerverwaltung bzw. den Steuerverwaltungen des meldepflichtigen Kontoinhabers ausgetauscht werden. Hinsichtlich der Termini »Finanzkonto«, »Finanzinstitut«, »Kontoinhaber« und »beherrschende Person« rekurriert das Kennzeichen auf die Begriffsbestimmungen der §§ 19 und 20 des Gesetzes zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten. Das Vorliegen der Kennzeichen nach § 138e Abs. 2 Nr. 2 AO beurteilt sich unabhängig von der steuerlichen Ansässigkeit der nach CRS meldepflichtigen Personen bzw. dem Staat oder Gebiet, der oder das Empfänger des Informationsaustausches nach CRS ist. Die Buchstaben a bis f des Abs. 2 Nr. 2 stehen in einem Alternativverhältnis zueinander.

§ 138e Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO sieht die Mitteilungspflicht solcher grenzüberschreitender Steuergestaltungen vor, welche die Nutzung eines Kontos, Produkts oder einer Anlage umfassen, die formal nicht zur Annahme eines meldepflichtigen Kontos führen, obwohl dieses Konto, Produkt oder diese Anlage typische Merkmale eines nach dem gemeinsamen Meldestandard meldepflichtigen Finanzkontos beinhaltet. § 138e Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b AO sieht die Mitteilungspflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen vor, die zum Gegenstand haben, dass ein meldepflichtiges Finanzkonto oder Vermögenswerte in ein Steuerhoheitsgebiet übertragen werden, das keinen Finanzkonteninformationsaustausch nach dem gemeinsamen Meldestandard mit dem Steuerhoheitsgebiet durchführt, in dem der Nutzer der Steuergestaltung bzw. des meldepflichtigen Finanzkontos ansässig ist. Erfasst wird auch die Einbeziehung eines solchen Steuerhoheitsgebiets in eine Steuergestaltung. § 138e Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c AO sieht eine Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vor, die Einkünfte und Vermögen als Produkte oder Zahlungen einstufen, die nicht dem gemeinsamen Meldestandard unterliegen. Hiervon ist eine Umqualifizierung von Einkünften und Vermögensgegenständen zu Finanzprodukten erfasst, die keiner Meldeverpflichtung nach dem gemeinsamen Meldestandard unterliegen. § 138e Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d AO erfasst grenzüberschreitende Steuergestaltungen, die die Übertragung oder die Umwandlung eines Finanzinstituts oder eines Finanzkontos oder der darin enthaltenen Vermögenswerte, welche grundsätzlich als meldende Finanzinstitute oder meldepflichtige Finanzkonten einzustufen sind, in Finanzinstitute, Finanzkonten oder in Vermögenswerte vorsehen, die nicht der Meldepflicht im Rahmen des gemeinsamen Meldestandards unterliegen.

In Abgrenzung zu § 138e Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d AO erfasst § 138e Abs. 2 Nr. 2 Buchst. e AO grenzüberschreitende Steuergestaltungen, die keine Übertragung oder Umwandlung eines meldenden Finanzinstituts oder meldepflichtigen Finanzkontos zum Gegenstand haben, jedoch Rechtsträger, Steuergestaltungen oder Strukturen umfassen, die die Meldung eines oder mehrerer Kontoinhaber bzw. einer oder mehrerer beherrschender Personen im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs über Finanzkonten nach dem gemeinsamen Meldestandard ausschließen oder vorgeblich ausschließen.

§ 138e Abs. 2 Nr. 2 Buchst. f AO beschreibt grenzüberschreitende Steuergestaltungen, die darauf abzielen, Schwächen innerhalb der Verfahrensweise, die Finanzinstitute zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht bzgl. des gemeinsamen Meldestandards anwenden, auszunutzen oder diese Verfahren aushöhlen. Hierdurch wird die Einbeziehung solcher Steuerhoheitsgebiete in die grenzüberschreitende Steuergestaltung miteingeschlossen, die über ungeeignete bzw. schwache Regelungen über die Durchsetzung von Regelungen für die Durchführung von Vorschriften gegen die Geldwäsche oder mit schwachen Transparenzanforderungen für juristische Personen oder Rechtsvereinbarungen ausgestattet sind. Zur Beurteilung etwaiger Schwächen können die Ergebnisse des Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes der OECD auf Ersuchen herangezogen werden.

§ 138e Abs. 2 Nr. 3 AO umfasst grenzüberschreitende Steuergestaltungen, die darauf gerichtet sind, durch Zwischenschaltung rechtlicher Eigentümer oder wirtschaftlich Berechtigter unter Einbeziehung verschiedener Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen die Identität wirtschaftlich Berechtigter zu verschleiern. Keine Voraussetzung hierbei ist es, dass die Identität des wirtschaftlich Berechtigten verschleiert wird, um eine zutreffende Meldung nach dem gemeinsamen Meldestandard zu verhindern oder zu erschweren. Die Merkmale der Buchstaben a und b müssen allerdings kumulativ erfüllt sein.

§ 138e Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a AO enthält die Voraussetzung, dass Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen verwendet werden, die keine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, die mit angemessenem Personal, angemessenen Vermögenswerten und Räumlichkeiten einhergeht. Hierdurch sind regelmäßig passive Gesellschaften gekennzeichnet, die die Ermittlung der hinter ihnen stehenden Berechtigten erschweren sollen.

§ 138e Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b AO sieht vor, dass die einbezogenen Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen in anderen Steuerhoheitsgebieten eingetragen, ansässig oder niedergelassen sind oder verwaltet bzw. anderweitig kontrolliert werden als dem Steuerhoheitsgebiet, in dem ein oder mehrere der wirtschaftlich Berechtigten der von diesen Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen gehaltenen Vermögenswerten ansässig sind.

Eine weitere Voraussetzung ist es, dass die wirtschaftlichen Eigentümer der einbezogenen Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen nicht gem. dem GWG identifizierbar gemacht werde.

§ 138e Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a AO stellt auf die Nutzung unilateraler Safe-Harbour-Regelungen ab. Eine solche Regelung, die für eine abgrenzbare Kategorie von Stpfl. oder Geschäftsvorfällen festgelegt ist und dafür in Betracht kommende Stpfl. von bestimmten Verpflichtungen befreit, die aufgrund der allgemeinen Verrechnungspreisvorschriften eines Staates sonst zu erfüllen wären.

Eine solche Safe-Harbour-Regelung ersetzt daher die Verpflichtungen des allgemeinen Verrechnungspreissystems durch einfachere Verpflichtungen. Dieses Kennzeichen erfasst Fälle, bei denen es keine eigenständige Ermittlung des (angemessenen) Verrechnungspreises gibt, sondern Pauschalen zur Anwendung kommen. Als Pauschalen können z.B. bestimmte Schwellenwerte bei der Gewinnmarge herangezogen werden oder darin bestehen, dass die Netto-Umsätze der konzerninternen Export-Transaktionen einen bestimmten Prozentsatz der Gesamtumsätze ausmachen. Des Weiteren sehen diverse Rechtsordnungen bei der Ermittlung eines Fremdvergleichspreises vor, dass bestimmte Preise oder Gewinnaufschläge in einer zuvor festgelegten Bandbreite als fremdüblich gelten. Diesbezüglich ist es möglich, dass Rechtsordnungen einen pauschalen Kostenaufschlag für Dienstleistungen oder Darlehensgewährungen zwischen verbundenen Unternehmen als fremdüblich ansehen. Soweit sich die Verrechnungspreise in diesem Rahmen bewegen, erfolgen im Einzelfall keine weiteren Ermittlungen bzgl. der Fremdüblichkeit und es erfolgen keine Korrekturen bzgl. der Verrechnungspreise. Eine Angemessenheitsprüfung entfällt entsprechend.

§ 138e Abs. 2 Nr. 4 Buchst. b AO normiert die Übertragung von schwer zu bewertenden immateriellen Werten zwischen verbundenen Unternehmen und Betriebsstätten. Unter dem Terminus »schwer zu bewertende immaterielle Werte« lassen sich immaterielle Werte oder Rechte an immateriellen Werten subsumieren, für die zum Übertragungszeitpunkt keine ausreichend belastbaren Vergleichswerte vorliegen oder zum Übertragungszeitpunkt die voraussichtlichen Cashflows bzw. die übertragenen immateriellen Werte höchst unsicher sind, weshalb der Erfolg des immateriellen Werts zum Übertragungszeitpunkt nur schwer absehbar ist. Praktische Anwendungsfälle sind bspw. immaterielle Werte zum Zeitpunkt des Transfers, die nur teilweise entwickelt sind, deren kommerzielle Nutzbarkeit erst später zu erwarten ist bzw. deren Nutzung neuartig ist. Soweit jedoch Patente und Marken bei der Übertragung oder Überführung sich bereits verfestigt haben, also bereits ein Marktpreis gebildet worden ist, liegt kein schwer zu bewertender immaterieller Wert vor. Soweit innerhalb eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs mehrere immaterielle Werte übertragen oder überführt werden, ist aus Vereinfachungsgründen lediglich eine Anzeige abzugeben, in der alle betroffenen immateriellen Werte anzugeben sind.

§ 138e Abs. 2 Nr. 4 Buchst. c AO normiert Übertragungen von Funktionen, Risiken und Wirtschaftsgütern oder sonstigen Vorteilen innerhalb von verbundenen Unternehmen, sofern sich dies erheblich negativ auf den erwarteten jährlichen Gewinn vor Zinsen und Steuern des übertragenden Unternehmens auswirkt. Bei analoger Anwendung auf Betriebsstätten ist das EBIT des übertragendenden Unternehmens ohne Berücksichtigung der Betriebsstätte, auf die die Funktionen, Risiken oder Wirtschaftsgütern übertragen wurden, zu berechnen.

§ 138e Abs. 3 AO enthält eine Definition des »verbundenen Unternehmens« i.S.d. Abs. 1 u. 2.

3.3. § 138f – neu –

§ 138f AO regelt das Verfahren zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen i.S.d. §§ 138d und 138e AO durch Intermediäre.

§ 138f Abs. 1 Satz 1 AO bestimmt die Verpflichtung eines jeden Intermediärs, eine grenzüberschreitende Steuergestaltung i.S.d. § 138d Abs. 1 AO dem BZSt gem. amtlich vorgeschriebenem Datensatz und über die amtlich bestimmte Schnittstelle mitzuteilen. Der Inhalt dieses Datensatzes bestimmt sich gem. § 138f Abs. 3 AO.

Die Übermittlung der Mitteilungen hat nach Maßgabe der §§ 87a und 87b AO elektronisch zu erfolgen. Die übermittelten Daten werden durch das BZSt in das von der EU-Kommission eingerichtete sichere Zentralverzeichnis eingestellt. Hierdurch können die Informationen von den anderen Mitgliedstaaten abgerufen werden.

§ 138f Abs. 2 AO bestimmt die Frist, wonach die Mitteilung an das BZSt zu übermitteln ist. Gem. § 138f Abs. 2 AO ist die Mitteilung innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt des ersten mitteilungspflichtigen Ereignisses zu erstatten. Die Mitteilungspflicht gem. § 138f. Abs. 2 Nr. 1 AO beginnt, sobald die grenzüberschreitende Steuergestaltung einem Nutzer zur Umsetzung bereitgestellt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Intermediär die steuerliche Gestaltung und die zugehörigen Unterlagen an den Nutzer ausgegeben oder diesem auf anderem Weg nutzbar gemacht hat. Auf eine tatsächliche Umsetzung der Steuergestaltung durch den Nutzer kommt es nicht an. § 138f Abs. 2 Nr. 2 AO beginnt die Mitteilungsfrist, wenn der Nutzer der grenzüberschreitenden Steuergestaltung zur Umsetzung bereit ist. Unter diese Regelung fallen insb. Konstellationen, bei denen die grenzüberschreitende Steuergestaltung durch den Nutzer selbst konzipiert worden ist. § 138f Abs. 2 Nr. 3 AO verknüpft den Fristbeginn mit dem Tag, an dem durch den Nutzer der erste Schritt zur Umsetzung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung getätigt worden ist. Ein Beispiel hierfür ist bspw. ein Vertrag über die Nutzung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung, der von einer aufschiebenden Bedingung abhängig ist, die noch nicht eingetreten ist. Für die Fristberechnung der Mitteilungsfrist wird auf den Tag abgestellt, an dem das erste der in den Nr. 1–3 genannten mitteilungspflichtigen Ereignissen eintritt. Dies soll es der Finanzverwaltung ermöglichen, zum frühestmöglichen Zeitpunkt über die grenzüberschreitende Steuergestaltung informiert zu werden.

§ 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AO enthält die mitzuteilenden Angaben zu den Intermediären. Ist dieser eine natürliche Person, sind Familienname, Vorname, Geburtstag und Geburtsort anzugeben. Soweit der Intermediär keine natürliche Person ist, sind Firma und dessen Name anzugeben. In beiden Fällen sind Anschrift, Ansässigkeitsstaat sowie sein (in- oder ausländisches) Steueridentifikationsmerkmal oder seine (in- oder ausländische) Steuernummer anzugeben.

Die Erhebung und sonstige Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten erfolgt unter Einhaltung der Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung und der ergänzenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen der AO (insbes. die §§ 2a, 29b, 29c, 30 und 32a bis 32j AO).

Die Erhebung der Steueridentifikationsnummern der Intermediäre ist durch die Amtshilferichtlinie vorgeschrieben und stellt eine Maßnahme dar, die angemessen und erheblich ist, um dem BZSt die Auswertung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung und den zielgenauen Informationsaustausch zu ermöglichen.

§ 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO bestimmt den Umfang der mitzuteilenden Angaben zum Nutzer. Soweit der Nutzer eine natürliche Person ist, sind Familienname und Vorname, der Tag seiner Geburt und sein Geburtsort anzugeben. Soweit der Nutzer keine Person ist, sind seine Firma oder sein Name anzugeben. In beiden Fällen sind darüber hinaus seine Anschrift, sein Ansässigkeitsstaat sowie – soweit dies dem Intermediär bekannt ist – sein (in- oder ausländisches) Steueridentifikationsmerkmal oder seine (in- oder ausländische) Steuernummer anzugeben. Für die Erhebung und sonstige Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten gelten die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung und der ergänzenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen der AO (insbes. §§ 2a, 29b, 29c, 30 und 32a bis 32j AO). Die Erhebung der Steueridentifikationsnummern der Nutzer ist durch die Amtshilferichtlinie vorgeschrieben und stellt eine Maßnahme dar, die angemessen und erheblich ist, um dem Bundeszentralamt für Steuern die Auswertung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung und die zielgenaue Information der örtlich zuständigen Finanzbehörden nach § 138i und § 138j Abs. 4 AO zu ermöglichen. § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AO bestimmt, dass der Intermediär Einzelheiten über das oder die Kennzeichen i.S.d. § 138e AO benennen muss, die nach § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO eine konkrete Mitteilungspflicht auslösen.

§ 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AO verlangt eine Zusammenfassung der steuerlichen Gestaltung durch den Intermediär. Die Zusammenfassung muss so erfolgen, dass es einem sachkundigen, objektiven Dritten ohne Weiteres möglich ist, nachzuvollziehen, wie im Rahmen der grenzüberschreitenden Steuergestaltung ein gesetzlich nicht vorgesehener steuerlicher Vorteil für den Nutzer entsteht und was dieser steuerliche Vorteil ist. Aus Kontrollzwecken sollte der Intermediär prüfen, ob es bei der grenzüberschreitenden Steuergestaltung in einem rein innerstaatlichen Sachverhalt ebenfalls zu dem beabsichtigten steuerlichen Vorteil kommen würde.

§ 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Buchst. a AO erfordert, dass – soweit bekannt – auch die allgemein gebräuchliche Bezeichnung der Steuergestaltung benannt wird. Zudem soll nach § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b AO auch eine abstrakt gehaltene Beschreibung der im Hinblick auf die konkrete grenzüberschreitende Steuergestaltung relevanten Geschäftstätigkeit oder Gestaltung des Nutzers mitgeteilt werden. Dies gilt allerdings nur, soweit dies nicht zur Offenlegung eines Handels-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnisses oder eines Geschäftsverfahrens oder von Informationen, deren Offenlegung die öffentliche Ordnung verletzen würde, führt.

§ 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 AO fordert die Mitteilung des Datums des Tages, an dem mit der Umsetzung der Steuergestaltung nach § 138f Abs. 2 Nr. 3 AO begonnen wird. Insoweit sind auch Vorbereitungsschritte umfasst, da der steuerliche Vorteil typischerweise erst mit Entstehung der jeweiligen Steuer mit Ablauf des Besteuerungszeitraums entsteht. § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 AO legt fest, dass auch Einzelheiten über die für das Gelingen der Steuergestaltung wesentlichen, einschlägigen in- und ausländischen Vorschriften benannt werden müssen. Hierzu ist es ausreichend, dass lediglich die Vorschrift selbst möglichst exakt zitiert wird. Sofern es sich um ausländische Vorschriften handelt, ist die genaue Bezeichnung des jeweiligen Gesetzes einschließlich der Angabe des jeweils gesetzgebenden Staates erforderlich. § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 AO sieht vor, dass der wirtschaftliche Wert der grenzüberschreitenden Steuergestaltung zu bezeichnen ist. Dieser bemisst sich bei einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung nicht am erwarteten steuerlichen Vorteil der Steuergestaltung, sondern bezieht sich auf die konkrete Transaktion. Maßgebend zur Wertbestimmung kann insbesondere die Höhe der Gegenleistung oder der Investition sein. Aufgrund der Tatsache, dass die Höhe dieses Werts keine Abgabe auslöst, sind keine überhöhten Anforderungen an die Wertermittlung zu stellen.

§ 138f Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 AO erfordert die Benennung aller anderen Mitgliedsstaaten, die von einer konkreten grenzüberschreitenden Steuergestaltung betroffen sind, soweit sie der mitteilungspflichtigen Person bekannt sind. Von einer Betroffenheit ist auszugehen, wenn die Steuergestaltung geeignet ist, steuerliche Auswirkungen auf diese, von der konkreten Steuergestaltung betroffenen Mitgliedstaaten zu haben. Somit ist ein Mitgliedstaat betroffen, wenn eine der Voraussetzungen des § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO erfüllt ist, auch wenn der steuerliche Vorteil nur in einem der betroffenen Mitgliedstaaten vorliegt.

Entsprechend sind alle Mitgliedsstaaten mitzuteilen, die vergleichbare Regelungen besitzen, die einen entsprechenden steuerlichen Vorteil auslösen, jedoch sich auf die der Mitteilung zugrundeliegenden grenzüberschreitenden Steuergestaltung nicht auswirken.

§ 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 AO erfordert, soweit der Intermediär darüber Kenntnis besitzt, alle anderen Personen benennt, die von der grenzüberschreitenden Steuergestaltung betroffen sind. Des Weiteren ist ebenfalls anzugeben, zu welchen Mitgliedstaaten der Europäischen Union diese Personen in Beziehung stehen. Soweit der Intermediär Kenntnis darüber besitzt, dass neben ihm mindestens ein weiterer Intermediär im Geltungsbereich der AO oder einem Mitgliedsstaat der EU zur Mitteilung derselben grenzüberschreitenden Steuergestaltung verpflichtet ist, ist der Intermediär gem. § 138f Abs. 3 Satz 2 AO dazu verpflichtet, in seiner Mitteilung auch die Angaben zu den anderen ihm bekannten Intermediäre i.S.d. § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AO anzugeben.

§ 138f Abs. 4 Satz 1 AO verpflichtet den mitteilenden Intermediär den Nutzer darüber zu informieren, welche ihn betreffenden Daten er an das BZSt übermittelt hat oder übermitteln wird. In Fällen des § 138f Abs. 3 Satz 2 AO hat der mitteilende Intermediär die anderen Intermediäre nach § 138f Abs. 4 Satz 2 AO unverzüglich darüber zu informieren, dass er die Daten gem. § 138f Abs. 3 AO an das BZSt übermittelt hat. Dieser Weg ermöglicht es anderen mitteilungspflichtigen Intermediären nachzuweisen, dass ihre Mitteilungspflicht bereits durch den mitteilenden Intermediär erfüllt wurde.

§ 138f Abs. 5 Satz 1 AO weist das BZSt grundsätzlich für jeden bei ihm eingegangenen Datensatz i.S.d. § 138f Abs. 3 Satz 1 AO – eine Registriernummer für die grenzüberschreitende Steuergestaltung (sog. »ArrangementID«) und – eine Offenlegungsnummer für die eingegangene Mitteilung (sog. »DisclosureID«) zu und teilt diese dem mitteilenden Intermediär mit.

Sofern bei einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung wegen der Mitteilung eines anderen Intermediärs vom BZSt oder von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats der EU im Einklang mit den dort geltenden Rechtsvorschriften bereits eine Registriernummer zugewiesen worden ist und diese dem mitteilenden Intermediär bekannt ist, hat dieser dem BZSt im Datensatz nach § 138f Abs. 3 Satz 1 AO auch jene bereits erteilte Registriernummer mitzuteilen (§ 138f Abs. 5 Satz 2 AO). Die Zuweisung einer Registriernummer für die grenzüberschreitende Steuergestaltung durch das BZSt hat in diesen Fällen zu unterbleiben (§ 138f Abs. 5 Satz 3 AO). Hierdurch soll vermieden werden, dass für dieselbe grenzüberschreitende Steuergestaltung mehrere Registriernummern vergeben werden. Der Intermediär hat die vom BZSt zugewiesene Registriernummer für die grenzüberschreitende Steuergestaltung (§ 138f Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO) und die Offenlegungsnummer für die eingegangene Mitteilung (§ 138f Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AO) unverzüglich dem Nutzer derselben grenzüberschreitenden Steuergestaltung mitzuteilen (§ 138f Abs. 5 Satz 4 AO). Der Nutzer ist dazu verpflichtet, die Registriernummer und die Offenlegungsnummer gem. § 138f Abs. 5 Satz 1 AO in seiner Mitteilung nach § 138f Abs. 6 Satz 2 AO anzugeben, um die abstrakten Angaben nach § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 4 bis 9 AO und die individuellen Angaben nach § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 und 10 AO zusammenführen zu können.

Ist dem Intermediär bekannt, dass neben ihm mindestens ein weiterer Intermediär im Geltungsbereich der AO oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU zur Mitteilung derselben grenzüberschreitenden Steuergestaltung verpflichtet ist, hat der mitteilende Intermediär die vom BZSt vergebene Registriernummer nach § 138f Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO den anderen ihm bekannten Intermediären mitzuteilen (§ 138f Abs. 5 Satz 5 AO). Ist kein Intermediär i.S.d. § 138d Abs. 1 AO vorhanden, der die Voraussetzungen des § 138f Abs. 7 AO (»Inlandsbezug«) erfüllt, obliegt die Mitteilungspflicht hinsichtlich des in § 138f Abs. 3 Satz 1 AO bezeichneten Datensatzes unter den Voraussetzungen des § 138g AO dem Nutzer.

§ 138f Abs. 6 AO stellt auf Fallgestaltungen ab, innerhalb derer sich Intermediäre, die die Voraussetzungen des § 138f Abs. 7AO erfüllen, auf eine gesetzliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit berufen können. Hiervon erfasst sind bspw. Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer bei mandatsbezogenen Sachverhalten. Die gesetzliche Mitteilungspflicht des Intermediärs hinsichtlich der in § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 und 10 AO genannten Daten geht nach § 138f Abs. 5 Satz 1 AO nur unter folgenden Voraussetzungen auf den Nutzer über:

  • der Intermediär hat den Nutzer über den Übergang der Mitteilungspflicht auf den Nutzer und die Möglichkeit der Entbindung des Intermediärs von der Verschwiegenheitsverpflichtung informiert,
  • der Nutzer hat den Intermediär aber nicht von der Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden, und
  • der Intermediär hat dem Nutzer die nach § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 und 10 AO erforderlichen und dem Nutzer nicht bereits bekannten Angaben zur Verfügung gestellt. Soweit die Mitteilungspflicht hinsichtlich der in § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 und 10 AO bezeichneten Daten hiernach auf den Nutzer übergegangen, so hat er nach § 138f Abs. 6 Satz 2 AO in seinem Datensatz auch die vom Bundeszentralamt für Steuern nach Eingang des vom Intermediär übermittelten Datensatzes zugewiesene Registrier- und Offenlegungsnummer (siehe § 138f Abs. 5 Satz 1 AO) anzugeben.

Der Intermediär ist dazu verpflichtet, den Nutzer nach § 138f Abs. 6 Satz 3 AO bis zum Ablauf einer Woche nach Eintritt des mitteilungspflichtigen Ereignisses i.S.d. § 138f Abs. 2 AO über den Übergang der Mitteilungspflicht auf den Nutzer, über die Möglichkeit zur Entbindung von der Verschwiegenheitsverpflichtung sowie über die nach § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 und 10 AO erforderlichen Angaben zu informieren.

Die dreißigtägige Frist des Nutzers zur Mitteilung der in § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 und 10 AO Angaben beginnt – abweichend von der für den Intermediär geltenden Frist – erst mit Ablauf des Tages, an dem der Nutzer vom Intermediär die erforderlichen Daten erlangt hat (§ 138f Abs. 6 Satz 4 AO). Hierdurch wird sichergestellt, dass dem Nutzer (sofern die Mitteilungspflicht auf ihn übergegangen ist) ab Zugang der für die Mitteilung erforderlichen Informationen immer ausreichend Zeit bleibt, um seinerseits die Mitteilung an das BZSt zu übermitteln. Trotz Bestehens einer gesetzlichen Verpflichtung zur Verschwiegenheit bleibt demzufolge der Intermediär zur Mitteilung der in § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 und 10 AO genannten (individuellen) Daten verpflichtet – wenn der Nutzer den Intermediär von der Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden hat – der Intermediär den Nutzer nicht über den Übergang der Mitteilungspflicht auf den Nutzer und die Möglichkeit der Entbindung von der Verschwiegenheitsverpflichtung informiert hat oder – der Intermediär dem Nutzer nicht die nach § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 und 10 AO erforderlichen Angaben sowie die Registriernummer und die Offenlegungsnummer (siehe § 138f Abs. 5 Satz 1 AO) zur Verfügung gestellt hat. Die Pflicht zur Mitteilung der in § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 4 bis 9 AO genannten (abstrakten) Daten verbleibt ungeachtet einer gesetzlichen Pflicht zur Verschwiegenheit beim Intermediär.

§ 138f Abs. 7 Satz 1 AO regelt, welche Intermediäre ihrer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen gegenüber dem BZSt gem. § 138d Abs. 1 AO zu erfüllen haben. Eine Mitteilungspflicht des Intermediärs gegenüber dem BZSt besteht nach § 138f Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AO, wenn er im Geltungsbereich der AO seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. bei nicht-natürlichen Personen seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat. Dies gilt auch in dem Fall, wenn die grenzüberschreitende Steuergestaltung keinen in Deutschland ansässigen Nutzer und auch keine deutschen Steueransprüche betrifft. Sofern der Intermediär dagegen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig ist, muss er seiner Mitteilungspflicht in seinem Ansässigkeitstaat und dem dort geltenden Recht nachkommen. Diese Verpflichtung gilt auch dann, wenn die grenzüberschreitende Steuergestaltung in Deutschland ansässige Nutzer und deutsche Steueransprüche betrifft. Sofern ein Intermediär weder im Geltungsbereich der AO noch in einem anderen Mitgliedstaat der EU ansässig ist, begründet § 138f Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 AO unter folgenden Voraussetzungen eine gegenüber dem BZSt zu erfüllende Mitteilungspflicht eines in einem Drittstaat ansässigen Intermediärs. Diese resultiert aus den nachfolgenden Voraussetzungen:

  • der Intermediär unterhält im Geltungsbereich der AO eine Betriebsstätte, durch die er die Dienstleistung im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Steuergestaltung ausführt (§ 138f Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Satz 2 AO),
  • der Intermediär ist im Geltungsbereich der AO in das Handelsregister oder in ein öffentliches berufsrechtliches Register (z.B. ein Verzeichnis nach § 3b oder § 86b StBerG) eingetragen (§ 138f Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO) oder
  • der Intermediär ist im Geltungsbereich der AO bei einem Berufsverband für juristische oder beratende Dienstleistungen registriert (§ 138f Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO). Diese Regelungen gewährleisten eine in Deutschland zu erfüllende Mitteilungspflicht solcher Intermediäre, die nicht in der Europäischen Union ansässig sind.

§ 138f Abs. 8 AO regelt den Fall, dass ein in der EU ansässiger Intermediär zur Mitteilung derselben grenzüberschreitenden Steuergestaltung zugleich im Geltungsbereich der AO und in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten verpflichtet ist. Mehrere identische Mitteilungen der gleichen grenzüberschreitenden Steuergestaltung in mehreren Mitgliedstaaten sind weder aus Sicht der Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten der EU noch aus Sicht der beteiligten Intermediäre sinnvoll, da die Informationen zwischen diesen Mitgliedstaaten ausgetauscht werden. Aus diesem Grund ist ein Intermediär nach § 138f Abs. 8 AO von der Mitteilungspflicht gem. § 138d Abs. 1 AO befreit, sofern er nachweisen kann, dass er dieselbe grenzüberschreitende Steuergestaltung bereits in einem anderen Mitgliedstaat ordnungsgemäß der dort zuständigen Finanzbehörde mitgeteilt hat. Hierzu ist es bereits ausreichend, dass die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaates für die ihr mitgeteilte Steuergestaltung eine Registriernummer und eine Ordnungsnummer vergeben hat. Eine Mitteilung dieser Registriernummer und der Ordnungsnummer ist in diesen Fällen ausreichend. Gem. § 138f Abs. 9 Satz 1 AO sind mehrere Intermediäre derselben grenzüberschreitenden Steuergestaltung grundsätzlich nebeneinander zur Mitteilung verpflichtet. Da jedoch mehrere identische Mitteilungen der gleichen grenzüberschreitenden Steuergestaltung weder aus Sicht der Finanzverwaltungen der Mitgliedsstaaten der EU noch aus Sicht der Finanzverwaltungen der EU-Mitgliedstaaten sinnvoll ist, sieht § 138f Abs. 9 Satz 2 AO eine Befreiung von der Mitteilungspflicht vor. Hierzu ist es erforderlich, dass der Intermediär nachweisen kann, dass bereits ein anderer Intermediär hinsichtlich derselben Steuergestaltung die erforderlichen Informationen entweder dem BZST oder der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats übermittelt hat. Für einen Nachweis ausreichend sind die in diesem Zusammenhang bei in Deutschland erfolgten Mitteilungen die Angabe der vom BZSt vergebenen Registriernummer gem.

§ 138f Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO der mitgeteilten grenzüberschreitenden Steuergestaltung sowie der der Mitteilung zugewiesenen Ordnungsnummer nach § 138f Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AO aus. Soweit bereits die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaates eine Registriernummer und eine Ordnungsnummer vergeben hat, genügt deren Angabe. Unter den erforderlichen Informationen i.S.d. Regelung sind die Angaben nach § 138f Abs. 3 AO zu verstehen. Diese umfassen Auskünfte über die grenzüberschreitende Steuergestaltung, den oder die Intermediäre und den oder die Nutzer.

3.4. § 138g AO

§ 138g AO regelt das Verfahren zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen i.S.d §§ 138d und 138e AO durch Nutzer. Existiert kein Intermediär, der die Voraussetzungen des § 138f Abs. 7 AO erfüllt, obliegt die Mitteilungspflicht hinsichtlich aller in § 138f Abs. 3 AO bezeichneten Daten nach § 138g Abs. 1 AO grundsätzlich dem Nutzer. Ein Nutzer ist nur dann nicht mitteilungspflichtig, wenn er nachweisen kann, dass er selbst, der Intermediär oder ein anderer Nutzer dieselbe grenzüberschreitende Steuergestaltung bereits in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen Recht mitgeteilt hat. Sofern ein Nutzer die grenzüberschreitende Steuergestaltung für sich selbst konzipiert, gelten für ihn gem. § 138d Abs. 6 AO die für Intermediäre geltenden Bestimmungen, also insbesondere § 138f AO, entsprechend. § 138g Abs. 2 AO regelt den Fall, in dem mehrere Nutzer hinsichtlich derselben grenzüberschreitenden Steuergestaltung nebeneinander nach Abs. 1 mitteilungspflichtig sind:

  • Hinsichtlich in § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 4 bis 9 AO bezeichneten Daten ist vorrangig der Nutzer zur Mitteilung verpflichtet, der die grenzüberschreitende Steuergestaltung mit dem Intermediär oder den Intermediären vereinbart hat; nachrangig ist der Nutzer mitteilungspflichtig, der die Umsetzung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung verwaltet. In diesem Fall gelten die Regelungen des § 138f Abs. 5 Satz 1 und 4 AO entsprechend.
  • Hinsichtlich der in § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 und 10 AO bezeichneten Daten sind alle Nutzer jeweils individuell zur Mitteilung verpflichtet. Hierbei haben sie die Registriernummer der grenzüberschreitenden Steuergestaltung anzugeben.
  • Soweit der nach § 138g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO vorrangig mitteilungspflichtige Nutzer hinsichtlich der übrigen Nutzer auch die in § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 10 AO bezeichneten Daten mitgeteilt hat, sind die übrigen Nutzer von ihrer individuellen Mitteilungspflicht befreit.

Die Regelungen in § 138g Abs. 1 und 2 AO gelten nach § 138g Abs. 3 Satz 1 AO nur für diejenigen Nutzer, die im Geltungsbereich der AO ansässig sind oder in einem Drittstaat ansässig sind und im Geltungsbereich der AO entweder:

  • eine Betriebsstätte haben, in der durch die grenzüberschreitende Steuergestaltung ein Vorteil entsteht, oder
  • Einkünfte erzielen oder wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, soweit diese für eine Steuer maßgeblich sind, auf die das EU-Amtshilfegesetz Anwendung findet.

§ 138g Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO verweist auf § 138d Abs. 4 AO, um klarzustellen, dass Betriebsstätte i.S.d. Regelung sowohl eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO als auch eine Betriebsstätte im Sinne eines DBA sein kann.

3.5. § 138h AO

§ 138h AO setzt die Aktualisierungspflicht nach Art. 8ab Abs. 2 der durch die Richtlinie (EU) 2018/822 geänderten Amtshilferichtlinie um. Hierdurch wird vermieden, dass bei marktfähigen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen für jeden einzelnen Nutzer vollständige Datensätze i.S.v. § 138f Abs. 3 Satz 1 AO übermittelt werden müssen, obwohl die mitzuteilenden Daten überwiegend identisch sind. Eine marktfähige grenzüberschreitende Steuergestaltung liegt nach Abs. 1 des § 138h AO vor, wenn für ihre Verwendung durch einen weiteren Nutzer keinerlei individuelle Anpassung erforderlich ist. Nach § 138g Abs. 2 AO ist § 138f Abs. 5 AO bei marktfähigen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen nicht anzuwenden. Der Intermediär wird hierdurch zur Mitteilung des vollständigen Datensatzes nach § 138f Abs. 3 Satz 1 AO verpflichtet, wenn nicht ein Ausnahmefall i.S.d. § 138d Abs. 6 AO oder des § 138g Abs. 1 AO vorliegt. Nach § 138g Abs. 1 Satz 1 AO hat der Intermediär bei marktfähigen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen – hinsichtlich neu hinzugekommener Nutzer – lediglich nachträglich eingetretene Änderungen und Ergänzungen hinsichtlich der in § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 2, 6, 9 und 10 AO bezeichneten Daten bis zum zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres mitzuteilen, in dem jeweils neue oder geänderte mitteilungspflichtige Umstände eingetreten sind. Diese Aktualisierung hat gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmte Schnittstelle unter Angabe der Registriernummer nach § 138f Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO und der Offenlegungsnummer nach § 138f Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AO zu erfolgen.

3.6. § 138i AO

Soweit grenzüberschreitende Steuergestaltungen (auch) Steuern betreffen, die von den Ländern oder Gemeinden verwaltet werden, hat das BZSt den Landesfinanzbehörden im automatisierten Verfahren mitzuteilen, dass ihm Angaben über nach den §§ 138f bis 138h AO mitgeteilte grenzüberschreitende Steuergestaltungen vorliegen. Eine Information über die Auswertung einer Mitteilung erfolgt dabei nicht.

3.7. § 138j AO

Das BZSt hat nach § 138j Abs. 1 Satz 1 AO die Aufgabe, die ihm nach den §§ 138f bis 138h AO zugegangenen Mitteilungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen auszuwerten. Soweit von einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung Steuern betroffen sind, die von Zollbehörden verwaltet werden, obliegt diese Auswertung der Generalzolldirektion. Die Ergebnisse der Auswertung gemäß § 138j Abs. 1 haben das BZSt bzw. die Generalzolldirektion dem BMF mitzuteilen. Personenbezogene Daten der Intermediäre, der Nutzer und ggf. anderer an der Steuergestaltung beteiligter Personen sind dabei nur insoweit mitzuteilen, wie dies zur Erfüllung der in § 3 FVG geregelten Aufgaben des BMF und ggf. der obersten Finanzbehörden der Länder erforderlich ist. Das BMF prüft dann, ob grenzüberschreitende Steuergestaltungen Anlass für gesetzgeberische Maßnahmen sein können oder ob Verwaltungsvorschriften zum Umgang mit der Steuergestaltung erlassen werden sollen. Soweit von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen Steuern betroffen sind, die ganz oder teilweise den Ländern oder Gemeinden zustehen, informiert das BMF seinerseits die obersten Finanzbehörden der Länder. Die obersten Finanzbehörden der Länder können in diesen Fällen dann – ebenso wie das BMF nach § 138j Abs. 2 AO – prüfen, ob die Steuergestaltung Anlass dafür bietet, gesetzgeberische Maßnahmen vorzuschlagen, oder ob eine Verwaltungsvorschrift zum Umgang mit der Steuergestaltung erlassen werden soll. Das BZSt hat den Landesfinanzbehörden Angaben über ihm nach den §§ 138f bis 138h AO mitgeteilte grenzüberschreitende Steuergestaltungen zusammen mit den Ergebnissen seiner Auswertung zum Abruf bereitzustellen, soweit diese Steuergestaltungen von den Ländern oder Gemeinden verwaltete Steuern betreffen.

§ 138j Abs. 5 AO setzt Artikel 8ab Abs. 15 der durch die Richtlinie (EU) 2018/822 geänderten Amtshilferichtlinie um. Die Regelung stellt klar, dass aus dem Unterbleiben einer Reaktion des BZSt der Generalzolldirektion, des BMF oder des Gesetzgebers auf die Mitteilung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung keine Schlüsse auf die steuerrechtliche Zulässigkeit dieser Steuergestaltung gezogen werden. Will der Nutzer der Steuergestaltung eine verbindliche Aussage der Finanzverwaltung zu der dem BZSt mitgeteilten Steuergestaltung erlangen, stehen ihm die allgemeinen verfahrensrechtlichen Regelungen, zum Beispiel eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO, offen. Die Mitteilung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung kann außerdem auch im Hinblick auf den Gesetzgeber kein schützenswertes Vertrauen des Nutzers oder Intermediärs in die Zulässigkeit seiner Gestaltung begründen. Schon gar nicht kann eine Mitteilung im Verhältnis zum Gesetzgeber dazu führen, dass Intermediäre oder Nutzer sich nachträglich auf die Zulässigkeit ihrer Gestaltung berufen.

3.8. § 138k AO

Hat ein Nutzer eine grenzüberschreitende Steuergestaltung verwirklicht, muss er dies in der nach § 138k Satz 1 AO maßgeblichen Steuererklärung angeben. Hierbei genügt es, in der Steuererklärung die vom Bundeszentralamt für Steuern zugeteilte Registriernummer nach § 138f Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO und die Offenlegungsnummer nach § 138f Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AO oder die von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union zugeteilte Registrier- und Ordnungsnummer anzugeben. Diese Regelung dient der Umsetzung der geänderten Amtshilferichtlinie, die nicht nur rechtspolitische Ziele verfolgt, sondern auch veranlagungsunterstützende Ziele. Die auf die Nennung der Registriernummer beschränkte Deklarationspflicht entlastet die Steuerpflichtigen, weil sie die verwirklichte Steuergestaltung anderenfalls in ihrer Steuererklärung ausführlich darlegen müssten. § 138k AO gilt nicht nur für Steuern, die von den Ländern oder Gemeinden verwaltet werden, sondern auch für Steuern, die von Bundesfinanzbehörden verwaltet werden.

4. BMF-Schreiben zur Anwendung von DAC 6

Bezüglich der Anwendung von DAC 6 hat das BMF einen überarbeiteten Entwurf am 14.7.2020 veröffentlicht, dessen Kernaussagen auszugsweise nachfolgend wiedergegeben werden.

4.1. Steuergestaltung (Tz. 9 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Bei einer Steuergestaltung handelt es sich um einen bewussten, das (reale und/oder rechtliche) Geschehen mit steuerlicher Bedeutung verändernden Schaffensprozess durch Transaktionen, Regelungen, Handlungen, Vorgänge, Vereinbarungen, Zusagen, Verpflichtungen oder ähnliche Ereignisse. Durch den Nutzer oder für den Nutzer wird dabei eine bestimmte Struktur, ein bestimmter Prozess oder eine bestimmte Situation bewusst und aktiv herbeigeführt oder verändert. Diese Struktur, dieser Prozess oder diese Situation bekommt dadurch eine steuerrechtliche Bedeutung, die ansonsten nicht eintreten würde. Eine Steuergestaltung liegt nicht vor, wenn ein Stpfl. lediglich den Ablauf einer gesetzlichen Frist oder eines gesetzlichen Zeitraums abwartet, nach welchem er eine Transaktion steuerfrei oder nicht steuerbar realisieren kann. Unerheblich ist, ob die Gestaltung modellhaft angelegt ist.

4.2. Beteiligte der Steuergestaltung (Tz. 11 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Als Beteiligte der Steuergestaltung kommen laut dem BMF die folgenden Personen in Betracht:

  • der Nutzer,
  • andere Beteiligte
  • sowie ggf. der Intermediär.

4.3. Bereitstellung zur Umsetzung (Tz. 14 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Eine grenzüberschreitende Steuergestaltung ist einem Nutzer zur Umsetzung bereitgestellt, wenn dem Nutzer alle erforderlichen Unterlagen und Informationen vorliegen, die er benötigt, um die grenzüberschreitende Steuergestaltung zu verwirklichen. Es muss eine erkennbare Absicht des Nutzers bestehen, die ihm individuell dargelegte grenzüberschreitende Steuergestaltung umsetzen zu wollen. Eine solche Absicht kann insbesondere unterstellt werden, sobald die den Einzelfall betreffenden vertraglichen Unterlagen an den Nutzer überreicht oder anderweitig zur Verfügung gestellt wurden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt obliegt die alleinige Entscheidungsgewalt über die Verwendung dieser grenzüberschreitenden Steuergestaltung dem Nutzer. Unverbindliche und reine Werbemaßnahmen, mit denen ein Intermediär auf eine Beauftragung abzielt, fallen nicht unter den Anwendungsbereich dieses Ereignisses.

4.4. Bereitschaft zur Umsetzung (Tz. 16 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Die Bereitschaft zur Umsetzung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung ist gegeben, sobald die tatsächliche Umsetzung der Steuergestaltung nur noch von der abschließenden Entscheidung des Nutzers abhängig ist. § 138d Abs. 5 Nr. 2 AO kommt insbesondere zur Anwendung, wenn die Steuergestaltung vom Nutzer selbst, also ohne Beteiligung eines Intermediärs, konzipiert worden ist (Inhouse-Gestaltung) und damit keine Unterlagen zur Umsetzung bereitgestellt werden müssen. In Unternehmen ist hierbei auf die für die Entscheidung über die Implementierung der Steuergestaltung zuständigen Personen abzustellen.

4.5. Verwirklichung des ersten Schritts der Umsetzung (Tz. 17 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Die Bereitschaft zur Umsetzung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung ist gegeben, sobald die tatsächliche Umsetzung der Steuergestaltung nur noch von der abschließenden Entscheidung des Nutzers abhängig ist. § 138d Abs. 5 Nr. 2 AO kommt insbesondere zur Anwendung, wenn die Steuergestaltung vom Nutzer selbst, also ohne Beteiligung eines Intermediärs, konzipiert worden ist (Inhouse-Gestaltung) und damit keine Unterlagen zur Umsetzung bereitgestellt werden müssen. In Unternehmen ist hierbei auf die für die Entscheidung über die Implementierung der Steuergestaltung zuständigen Personen abzustellen.

4.6. Besonderheiten bei Personengesellschaften und Gemeinschaften (Tz. 22 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Nutzer der grenzüberschreitenden Steuergestaltung i.S.d. § 138d Abs. 5 AO ist grds. die PersGes oder Gemeinschaft, bei der sich die grenzüberschreitende Steuergestaltung auswirkt. Eine steuerliche Auswirkung in diesem Sinn liegt auch vor, wenn sich die grenzüberschreitende Steuergestaltung auf ein Feststellungsverfahren auswirkt. Die Gesellschafter und Gemeinschafter sind andere an der Gestaltung Beteiligte, wenn ihre steuerliche Behandlung (z.B. durch Ansässigkeit oder Steuerpflicht) für die Steuergestaltung von Bedeutung ist. Sie können ausnahmsweise auch Nutzer der Steuergestaltung sein, wenn sich die grenzüberschreitende Steuergestaltung nicht ausschließlich bei der PersGes oder Gemeinschaft, sondern darüber hinaus auch unmittelbar beim Gesellschafter oder Gemeinschafter steuerlich auswirken soll und dieser eine der Voraussetzungen des § 138d Abs. 5 AO erfüllt.

4.7. Ansässigkeit (Tz. 32 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Die steuerliche Ansässigkeit i.S.d. § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b AO bestimmt sich nach dem nationalen Recht der jeweils beteiligten Steuerhoheitsgebiete. Anknüpfungspunkte für eine Ansässigkeit einer natürlichen oder juristischen Person sowie einer PersGes, Gemeinschaft oder Vermögensmasse können Wohnsitz (vgl. § 8 AO), gewöhnlicher Aufenthalt (vgl. § 9 AO), Ort der Geschäftsleitung (vgl. § 10 AO), Sitz (vgl. § 11 AO) oder Staatsangehörigkeit sein.

4.8. Dauersachverhalte (Tz. 43 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Für die Beurteilung, ob eine Steuergestaltung i.S.d. § 138d Abs. 2 AO vorliegt, sind nur solche Sachverhalte zu berücksichtigen, die nach dem 24.6.2018 verwirklicht worden sind. Vor dem 25.6.2018 verwirklichte und nicht mitteilungspflichtige Dauersachverhalte (z.B. Lizenz- und Darlehensverträge) führen daher nur zu einer Steuergestaltung i.S.d. § 138d Abs. 2 AO, wenn nach dem 24.6.2018 wesentliche Änderungen eingetreten sind, welche isoliert betrachtet als Steuergestaltung i.S.d. § 138d Abs. 2 AO anzusehen sind, da sie insbes. ein Kennzeichen des § 138e AO erfüllen.

4.9. Vermarkten (Tz. 52 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Eine grenzüberschreitende Steuergestaltung wird vermarktet, sobald sie auf den Markt gebracht und dort gegen Entgelt gegenüber Dritten angeboten wird. Das setzt voraus, dass eine bestimmte, in der Regel marktfähige Steuergestaltung zunächst ohne konkreten Bezug zu einem bestimmten Nutzer entwickelt wird, wobei die Entwicklung nicht durch den Vermarkter erfolgen muss. Der Vermarkter ist derjenige, der die Steuergestaltung am Markt mit dem Ziel der Anbahnung einer Geschäftsbeziehung zwischen dem Vermarkter und einem noch unbestimmten Nutzer vertreibt. Eine Steuergestaltung ist auch dann am Markt angeboten, wenn nur ein begrenzter potenzieller Nutzerkreis vorhanden ist.

4.10. Konzipieren (Tz. 54 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Konzipieren ist das Planen, Entwerfen oder Entwickeln einer konkreten, regelmäßig maßgeschneiderten Steuergestaltung in Bezug zu einem bestimmten Nutzer oder zu einer Mehrzahl von Nutzern, soweit es sich bei diesen um eigene Geschäftspartner (o.Ä.) des Konzipierenden handelt. Wird das Konzept durch einen Nutzer an Dritte weitergeleitet, ist der Konzipierende insoweit nicht Intermediär.

4.11. Organisieren (Tz. 57 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Die Organisation einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung für Dritte stellt insbesondere auf administrative Aspekte ab und beinhaltet die umfassende und systematische Vorbereitung und Planung einer möglichen Umsetzung der Steuergestaltung in Bezug auf einen bestimmten Nutzer oder eine Mehrzahl von Nutzern bis hin zur Bereitstellung zur Nutzung

4.12. Bereitstellung zur Nutzung (Tz. 58 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Eine grenzüberschreitende Steuergestaltung ist einem Dritten zur Nutzung bereitgestellt, wenn der Intermediär einem potenziellen Nutzer die für eine Umsetzung einer bestimmten grenzüberschreitenden Steuergestaltung erforderlichen Informationen oder (Vertrags-)Unterlagen ausgehändigt oder anderweitig individuell zugänglich gemacht hat. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass der Nutzer die grenzüberschreitende Steuergestaltung tatsächlich umsetzt, er muss hierzu aber durch die ihm zur Verfügung gestellten Informationen und Unterlagen objektiv in der Lage sein.

4.13. Verwaltung der Umsetzung (Tz. 60 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Die Verwaltung der Umsetzung durch Dritte erfasst die verantwortliche Leitung der konkreten Umsetzung der Steuergestaltung durch einen anderen als den Nutzer der Steuergestaltung selbst. Nicht unter die Verwaltung der Umsetzung fällt regelmäßig die bloße Abbildung der steuerlichen Konsequenzen aus der Umsetzung der Steuergestaltung im Rahmen der Erstellung der entsprechenden Steuererklärungen, sofern die Steuergestaltung hierdurch nicht insgesamt umgesetzt wird.

4.14. Abgrenzung von Intermediär und anderen an der Gestaltung Beteiligten (Tz. 61 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Wer eine Gestaltung, die ein Kennzeichen i.S.d. § 138e Abs. 1 AO erfüllt, vermarktet, konzipiert, organisiert, zur Nutzung bereitstellt oder deren Umsetzung verwaltet, ist kein Intermediär, wenn er nicht wusste, dass für den Nutzer oder einen potenziellen Nutzer einer der Hauptvorteile die Erzielung eines steuerlichen Vorteils i.S.d. § 138d Abs. 3 AO ist, und keine objektiven Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass dies der Fall ist. Hierbei sind alle vorliegenden relevanten Fakten (d.h. alle Sachverhaltsinformationen, die für die rechtliche Beurteilung der Steuergestaltung und die Prüfung einer Mitteilungspflicht nach der AO erforderlich sind) sowie das einschlägige Fachwissen und Verständnis, das für die Erbringung solcher Dienstleistungen erforderlich ist, zu berücksichtigen. Weitergehende Ermittlungen sind nicht geboten.

4.15. Kennzeichen (Tz. 106 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

§ 138e AO enthält die abschließende Aufzählung der Kennzeichen, die einen mitteilungspflichtigen Tatbestand auslösen. Dabei erfasst § 138e Abs. 1 AO die bedingten Kennzeichen, auf die der Relevanztest des § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a AO anzuwenden ist. Im Gegensatz dazu erfasst § 138e Abs. 2 AO solche unbedingten Kennzeichen, deren Vorliegen ohne Relevanztest zu einer mitteilungspflichtigen Steuergestaltung führt

4.16. Steuerlicher Vorteil (Tz. 109 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

§ 138d Abs. 3 Satz 1 AO enthält die gesetzliche Definition eines steuerlichen Vorteils i.S.d. § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a AO. Ein steuerlicher Vorteil liegt danach vor, wenn durch die Steuergestaltung

  • Steuern erstattet werden sollen,
  • Steuervergütungen gewährt oder erhöht werden sollen,
  • Steueransprüche entfallen oder verringert werden sollen,
  • die Entstehung von Steueransprüchen verhindert werden soll,
  • die Entstehung von Steueransprüchen in andere Besteuerungszeiträume oder auf andere Besteuerungszeitpunkte verschoben werden soll.

4.17. Angaben zum wirtschaftlichen Wert der Steuergestaltung (Tz. 223–225 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Nach § 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 AO ist der wirtschaftliche Wert der grenzüberschreitenden Steuergestaltung anzugeben. Der wirtschaftliche Wert einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung bemisst sich nicht am erwarteten steuerlichen Vorteil der Steuergestaltung, sondern bezieht sich auf den Wert der konkreten Transaktion. Maßgebend zur Wertbestimmung kann insbes. die Höhe der Gegenleistung oder der Investition sei. Unrichtige Angaben des wirtschaftlichen Werts sind nach § 379 Abs. 2 Nr. 1e oder Nr. 1f AO nicht bußgeldbewehrt.

4.18. Angaben der betroffenen Mitgliedstaaten (Tz. 226–227 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

§ 138f Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 AO erfordert, dass alle anderen EU-Mitgliedstaaten benannt werden, die von der mitzuteilenden grenzüberschreitenden Steuergestaltung wahrscheinlich betroffen sind. Das gilt nur, soweit sie der mitteilungspflichtigen Person bekannt sind.

4.19. Aktualisierungspflicht bei marktfähigen Gestaltungen (Tz. 253 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Grundsätzlich ist zu jeder grenzüberschreitenden Steuergestaltung eine eigenständige und alle Angaben i.S.d. § 138f Abs. 3 AO umfassende Mitteilung zu fertigen. Bei marktfähigen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen hätte dies allerdings zur Folge, dass dem Bundeszentralamt für Steuern und den zuständigen Behörden der anderen EU-Mitgliedstaaten eine Vielzahl von Mitteilungen derselben grenzüberschreitenden Steuergestaltungen mit inhaltlich weitgehend identischen Angaben übermittelt werden müssten. In diesen Fällen ist die Information ausreichend, ob und wenn ja, welche weiteren Nutzer dieselbe grenzüberschreitende Steuergestaltung verwirklichen wollen. Durch die Regelung in § 138h AO soll daher vermieden werden, dass der Intermediär einer marktfähigen grenzüberschreitenden Steuergestaltung bei einem neu hinzukommenden Nutzer nochmals Angaben zu allen bisherigen Nutzern in seine Mitteilung mit aufzunehmen hat. Die Mitteilung i.S.d. § 138h AO ist daher auf solche Angaben beschränkt, die selbst eine neue Mitteilungspflicht auslösen und neue Informationen vermitteln können.

4.20. Pflicht zur Angabe der grenzüberschreitenden Gestaltung in der Steuererklärung (Tz. 262–263 des BMF-Entwurfschreibens vom 14.7.2020):

Hat ein Nutzer eine grenzüberschreitende Steuergestaltung verwirklicht, muss er diese nach § 138k Satz 1 AO in der Steuererklärung für die Steuerart und den Besteuerungszeitraum oder den Besteuerungszeitpunkt angeben, in der sich der steuerliche Vorteil der grenzüberschreitenden Steuergestaltung erstmals auswirken soll. Diese Verpflichtung gilt für alle Steuererklärungen, die ab dem 1.7.2020 den Finanzbehörden übermittelt werden (vgl. Art. 97 § 33 Abs. 1 EGAO). Soweit Steuererklärungen vor dem 1.7.2020 übermittelt werden und darin keine Angaben nach § 138k AO enthalten sind, müssen diese Angaben auch nicht nachträglich ergänzt werden.

Die Verwirklichung knüpft an den Zeitpunkt an, in dem sich ein steuerlicher Vorteil erstmals auswirkt. Eine grenzüberschreitende Steuergestaltung ist in diesem Sinne nicht erst dann verwirklicht, wenn alle Teilschritte einer bestimmten grenzüberschreitenden Steuergestaltung umgesetzt sind. Vielmehr knüpft die Verwirklichung bereits an den Zeitpunkt an, in dem wegen der grenzüberschreitenden Gestaltung eines bestimmten Sachverhalts unter Berücksichtigung aller im Einzelfall einschlägigen Rechtsnormen erstmals eine von einem rein innerstaatlich verwirklichten Sachverhalt abweichende, steuerliche Rechtsfolge ausgelöst werden soll.

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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Arbeit auf Abruf ist der rechtliche Begriff für eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit nach dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge vom 21.12.2000.

1. Begriffsbestimmungen

Arbeit auf Abruf ist der rechtliche Begriff für eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit nach dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) vom 21.12.2000 (BGBl I 2000, 1966). Ziel des Gesetzes ist u.a., Teilzeitarbeit zu fördern und die Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten ArbN zu verhindern (§ 1 TzBfG). Dabei werden ArbN vom ArbG bei Bedarf zur Arbeitsleistung abgerufen.

Nach dem Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter ArbN wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter ArbN, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten ArbN ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten ArbN entspricht.

Teilzeitbeschäftigt ist ein ArbN, dessen regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten ArbN (§ 2 Abs. 1 Satz 1 TzBfG). Teilzeitbeschäftigt ist auch ein ArbN, der eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ausübt (→ Geringfügig Beschäftigte, → Sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Nebenbeschäftigungen).

2. Arbeit auf Abruf nach § 12 TzBfG

2.1. Vor- und Nachteile der Abrufarbeitsverhältnisse

Neben der zeitlich nicht begrenzten Verringerung der Arbeitszeit (§ 8 TzBfG) und der Verlängerung der Arbeitszeit eines teilzeitbeschäftigten ArbN (§ 9 TzBfG) regelt § 12 TzBfG die Möglichkeit der Vereinbarung der Arbeit auf Abruf. Nach dem Diskriminierungsverbot gilt diese Regelung sowohl für Vollzeit- als auch für Teilzeitbeschäftigte.

Bei den typischen Abrufarbeitsverhältnissen dürfte es sich insbes. um geringbezahlte Gelegenheitsjobs, z.B. von Schülern und Studenten handeln. Als Aushilfe im Gastronomiebereich, bei großem Besucheraufkommen im Freizeitbereich (Freizeitparks) oder im Einzelhandel werden Minijobs häufig auf Abruf ausgeübt und sind somit nicht an feste Arbeitszeiten gebunden.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG können ArbG und ArbN vereinbaren, dass der ArbN seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Je nach Kundenaufkommen kann flexibel mit dem Personaleinsatz reagiert werden. Der ArbG bestimmt also einseitig die Lage der Arbeitszeit durch Abruf der Arbeitsleistung. Die Zeit zwischen den Arbeitseinsätzen ist unbezahlt. Bei der »Arbeit auf Abruf« hat der ArbG eine hohe Flexibilität, der ArbN trägt das wirtschaftliche Risiko.

Nach § 615 BGB trägt im Normalfall der ArbG das Risiko, dass z.B. bei geringer Kundennachfrage oder sonstiger betrieblicher Probleme der ArbN seinen Dienst nicht verrichten kann. Der ArbN kann nach § 615 Satz 1 BGB für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nacharbeit verpflichtet zu sein. Das gilt insbes. in den Fällen, in denen der ArbG das Risiko des Verdienstausfalls trägt (§ 615 Satz 3 BGB).

Durch beiderseitigen Vertrag bzw. arbeitsvertragliche Regelungen kann von den gesetzlichen Regelungen des Schuldverhältnisses abgewichen werden, soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt (§ 311 Abs. 1 BGB). Durch die Gestaltungsmöglichkeiten des § 12 TzBfG wird von der gesetzlichen Regelung des § 615 BGB abgewichen und das Risiko des ArbG wesentlich minimiert.

2.2. Vertragliche Gestaltungen für Minijobber

2.2.1. Vereinbarung einer wöchentlichen Mindest- bzw. Höchstarbeitszeit

ArbG und ArbN können vereinbaren, dass die Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu leisten ist (§ 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG). Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG muss die Vereinbarung eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Als wöchentliche Arbeitszeit kann dabei eine Mindest- oder Höchstarbeitszeit festgelegt werden.

Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der ArbG nur bis zu 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der ArbG nur bis zu 20 % der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 TzBfG).

Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der ArbG die Arbeitsleistung des ArbN jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen (§ 12 Abs. 1 Satz 4 TzBfG).

Entscheidend für das Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ist nicht der tägliche, wöchentliche oder monatliche Arbeitseinsatzsondern die Höhe des Arbeitsentgelts i.S.d. § 14 Abs. 1 SGB IV. Das Arbeitsentgelt darf regelmäßig im Monat 450 € nicht überschreiten (→ Geringfügig Beschäftigte).

Bei der vertraglichen Gestaltung eines Abrufarbeitsverhältnisses muss bei der Festlegung der wöchentlichen Arbeitszeit der Bruttostundenlohn i.H.d. gesetzlichen Mindestlohns von aktuell 9,19 € sowie der monatliche Höchstverdienst von 450 € berücksichtigt werden.

Hinweis:

Nach der Zweiten Mindestlohnanpassungsverordnung (MiLoV2) vom 13.11.2018 (BGBl I 2018, 1876) wird auf Grund des § 11 MiLoG der Mindestlohn ab 1.1.2019 auf 9,19 € und ab 1.1.2020 auf 9,35 € brutto je Zeitstunde festgesetzt.

Beispiel 1:

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt lt. Arbeitsvertrag nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG höchstens 12 Stunden. Als Entlohnung wird der maßgebliche Mindestlohn gezahlt.

Lösung 1:

Bei einem Abrufarbeitsverhältnis erfolgt die Entlohnung ausschließlich für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden.

Der ArbG ist nach § 28f Abs. 1 Satz 1 SGB IV i.V.m. § 8 BVV (Beitragsverfahrensordnung) verpflichtet, Entgeltunterlagen zu führen (s.a. Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen, sog. Geringfügigkeits-Richtlinien 2019, LEXinform 0208740 unter F.). Hierzu gehören u.a. Angaben und Unterlagen über

  • das monatliche Arbeitsentgelt,
  • die Beschäftigungsdauer,
  • die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit und die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden,
  • die Aufzeichnungen nach § 17 Abs. 1 MiLoG über Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der geringfügig Beschäftigten.

Die Ermittlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts hat stets bei Beginn der Beschäftigung und erneut bei jeder nicht in der bisherigen Prognose berücksichtigten Veränderung in den Verhältnissen (z.B. Erhöhung oder Reduzierung des Arbeitsentgelts), die nicht nur gelegentlich und unvorhersehbar ist, im Wege einer vorausschauenden Betrachtung zu erfolgen (Geringfügigkeits-Richtlinien 2019, LEXinform 0208740 unter B.2.2.1).

Das regelmäßige Arbeitsentgelt ermittelt sich abhängig von der Anzahl der Monate, für die eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht, wobei maximal ein Jahreszeitraum (12 Monate) zugrunde zu legen ist. Sofern die Beschäftigung im Laufe eines Kalendermonats beginnt, kann für den Beginn des Jahreszeitraums auf den 1. Tag dieses Monats abgestellt werden (z.B. Beginn der Beschäftigung am 15. Februar, Beginn Jahreszeitraum ab 1. Februar). Dabei darf das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt im Durchschnitt einer Jahresbetrachtung 450 € nicht übersteigen (maximal 5 400 € pro Jahr bei durchgehender mindestens 12 Monate dauernder Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt in jedem Monat). Steht bereits zu Beginn der Beschäftigung fest, dass diese nicht durchgehend für mindestens 12 Monate gegen Arbeitsentgelt besteht, ist die zulässige Arbeitsentgeltgrenze für den Gesamtzeitraum entsprechend zu reduzieren.

Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 TzBfG).

Bei einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 12 Stunden muss der ArbN mindestens 10 Stunden beschäftigt werden.

Die Prognose zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bzw. zu Beginn des Kj. erfordert keine alle Eventualitäten berücksichtigende genaue Vorhersage, sondern lediglich eine ungefähre Einschätzung, welches Arbeitsentgelt – ggf. nach der bisherigen Übung – mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Grundlage der Prognose können dabei lediglich Umstände sein, von denen in diesem Zeitpunkt anzunehmen ist, dass sie das Arbeitsentgelt bestimmen werden. Stimmt diese Prognose infolge nicht sicher voraussehbarer Umstände mit dem späteren Verlauf der Entgeltzahlung nicht überein, bleibt die für die Vergangenheit getroffene Feststellung maßgebend.

Wird für die Prognose eine wöchentliche Arbeitszeit von 11 Stunden zugrunde gelegt, so ist das durchschnittliche Jahresentgelt wie folgt zu ermitteln:

Die wöchentliche Arbeitszeit von 11 Stunden ist in eine Monatsarbeitszeit umzurechnen. Zur Berechnung des Wochenfaktors s. auf der Homepage der Lohn-Info www.lohn-info.de/Grundlagen/Zeitberechnungen. Danach beträgt der Wochenfaktor 4,35 (s.a. R 3b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a LStR). Die grobe Berechnung des Wochenfaktors führt zu (52 Wochen : 12 Monate =) 4,3333.

Bei einer wöchentlichen prognostizierten Arbeitszeit von 11 Stunden beträgt die umgerechnete prognostizierte monatliche Arbeitszeit (11 Stunde/Woche × 4,35 =) 47,85 (gerundet 48) Stunden/Monat.

Bei einem Mindestlohn von 9,19 €/Arbeitsstunde beträgt der prognostizierte durchschnittliche Monatslohn (48 Stunden × 9,19 € =) 441,12 €. Der ArbG geht in seiner Jahresprognose davon aus, dass das Arbeitsentgelt im Jahr 5 400 € nicht übersteigt, sodass der ArbN als geringfügig entlohnt beschäftigt zu beurteilen ist.

Berechnung für das Jahr 2020:

Bei 48 Stunden im Monat und einem Mindestlohn im Jahr 2020 i.H.v. 9,35 € beträgt der durchschnittliche Monatslohn 448,80 €. Auch hier übersteigt das Jahresentgelt nicht den zulässigen Betrag von 5 400 €.

Beispiel 2:

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt lt. Arbeitsvertrag nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG höchstens 12 Stunden (s. Beispiel 1). Nach der Prognose des ArbG zu Beginn des Kj. ist der ArbN geringfügig beschäftigt (s.o. Lösung 1).

Nach den Aufzeichnungen des ArbG wurde der ArbN im laufenden Kj. wie folgt beschäftigt und entlohnt:

Januar bis Februar je44 Stunden à 9,19 € =404,36 €/Monat× 2 =808,72 €
März bis August je50 Stunden à 9,19 € =459,50 €/Monat× 6 =2 757,00 €
September bis Dezember je47 Stunden à 9,19 € =431,93 €/Monat× 4 =1 727,72 €
zusammen5 293,44 €

Ein Zwölftel dieses Betrages beläuft sich auf (5 293,44 € : 12 =) 441,12 € und übersteigt die Arbeitsentgeltgrenze von 450 € nicht, sodass der ArbN geringfügig beschäftigt ist.

Beispiel 3:

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt lt. Arbeitsvertrag nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG mindestens 12 Stunden.

Lösung 3:

Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der ArbG nur bis zu 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 TzBfG).

Wird für die Prognose eine wöchentliche Arbeitszeit von 12 Stunden zugrunde gelegt, so ist das durchschnittliche Jahresentgelt wie folgt zu ermitteln (s.a. Lösung 1):

Die wöchentliche Arbeitszeit von 12 Stunden ist in eine Monatsarbeitszeit umzurechnen. Der Wochenfaktor beträgt 4,35 (s.a. R 3b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a LStR). Bei einer wöchentlichen prognostizierten Arbeitszeit von 12 Stunden beträgt die umgerechnete prognostizierte monatliche Arbeitszeit (12 Stunde/Woche × 4,35 =) 52,2 (gerundet 53) Stunden/Monat.

Bei einem Mindestlohn von 9,19 €/Arbeitsstunde beträgt der prognostizierte durchschnittliche Monatslohn (53 Stunden × 9,19 € =) 487,07 €. Der ArbG geht in seiner Jahresprognose davon aus, dass das Arbeitsentgelt im Jahr 5 400 € übersteigt, sodass der ArbN nicht als geringfügig entlohnt beschäftigt zu beurteilen ist.

2.2.2. Arbeitsvertrag ohne Festlegung einer wöchentlichen Mindest- bzw. Höchstarbeitszeit

2.2.2.1. Regelung bis 31.12.2018

Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, galt bis 31.12.2018 eine Arbeitszeit von 10 Stunden als vereinbart (§ 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG a.F.).

Bei einer 10-Stunden-Woche und einem gesetzlichen Mindestlohn im Kj. 2018 i.H.v. 8,84 € ergab sich ein durchschnittlicher Monatslohn von (10 Stunden × 4,35 Wochen/Monat = 43,5 Stunden/Monat × 8,84 €/Stunde =) 384,54 €. Bis zum 31.12.2018 galt das Abrufarbeitsverhältnis ohne Festlegung einer wöchentlichen Arbeitszeit als geringfügiges Beschäftigungsverhältnis.

2.2.2.2. Regelung ab 1.1.2019

Bleibt das vor dem 1.1.2019 bestehende Abrufarbeitsverhältnis, in dem keine wöchentliche Arbeitszeit vereinbart wurde, auch nach dem 31.12.2018 weiter bestehen, wird daraus ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis, weil die Geringfügigkeitsgrenze von 450 € überschritten wird.

Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts – Einführung einer Brückenteilzeit vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2384) wird mit Wirkung vom 1.1.2019 u.a. § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG dahingehend geändert, dass ohne Festlegung der wöchentlichen Arbeitszeit eine Arbeitszeit von 20 Stunden (bisher 10 Stunden) als vereinbart gilt.

Bei einer 20-Stunden-Woche und einem gesetzlichen Mindestlohn im Kj. 2019 i.H.v. 9,19 € ergibt sich ein durchschnittlicher Monatslohn von (20 Stunden × 4,35 Wochen/Monat = 87,0 Stunden/Monat × 9,19 €/Stunde =) 799,53 €. Ab dem 1.1.2019 gilt das Abrufarbeitsverhältnis ohne Festlegung einer wöchentlichen Arbeitszeit nicht mehr als geringfügiges Beschäftigungsverhältnis.

Wenn das Abrufarbeitsverhältnis ein Minijob bleiben soll, müssen ArbG mit dem Minijobber die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festlegen (s.o. Beispiel 1 und 2).

2.3. Vorankündigungsfrist

Der ArbN ist zur Arbeitsleistung nur dann verpflichtet, wenn der ArbG ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt (§ 12 Abs. 3 TzBfG). In der täglichen Praxis wird diese Regelung – gerade in kleinen Betrieben – oft nicht eingehalten.

Durch Tarifvertrag kann von der Regelung des § 12 Abs. 1 und 3 TzBfG auch zuungunsten des ArbN abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungsfrist vorsieht.

2.4. Beachtung der Arbeitszeitgrenzen

2.4.1. Arbeitszeitgrenzen nach dem Arbeitszeitgesetz

Nach § 3 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit der ArbN grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Abweichende Regelungen dazu enthält u.a. § 7 ArbZG.

Arbeitszeiten bei mehreren ArbG sind zusammenzurechnen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ArbZG).

2.4.2. Pflichten des Arbeitgebers

Der ArbG hat nach § 28a SGB IV jeden versicherungspflichtigen und jeden geringfügig Beschäftigten zu melden und nach § 28e SGB IV den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Hieraus erwächst für den ArbG die Verpflichtung, das Versicherungsverhältnis des jeweiligen ArbN zu beurteilen, Beiträge zu berechnen und gegebenenfalls vom Arbeitsentgelt einzubehalten und an die Einzugsstelle abzuführen. Insbes. für geringfügig Beschäftigte sieht § 8 Abs. 2 Nr. 7 BVV zwingend vor, dass die Erklärung des geringfügig entlohnten Beschäftigten über weitere Beschäftigungen sowie die Bestätigung, dass die Aufnahme weiterer Beschäftigungen dem ArbG anzuzeigen sind, zu den Entgeltunterlagen zu nehmen ist (Geringfügigkeits-Richtlinien 2019, LEXinform 0208740 unter B.6.1).

2.4.3. Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers

Der ArbN ist nach § 28o Abs. 1 SGB IV verpflichtet, dem ArbG, bei mehreren Beschäftigungen allen beteiligten ArbG, die zur Durchführung des Meldeverfahrens und der Beitragszahlung erforderlichen Angaben zu machen und, soweit erforderlich, Unterlagen vorzulegen. Hierzu gehört auch, dass der ArbN seine ArbG über eventuelle Vorbeschäftigungen oder über aktuelle weitere Beschäftigungen bei anderen ArbN informiert, damit der jeweilige ArbG prüfen kann, ob eine geringfügig entlohnte Beschäftigung mit anderen geringfügig entlohnten Beschäftigungen oder mit einer nicht geringfügigen versicherungspflichtigen Beschäftigung zusammenzurechnen ist (vgl. Ausführungen zur zwingenden Erklärung des ArbN im vorangegangenen Gliederungspunkt). In diesem Zusammenhang wird dem ArbG empfohlen, die notwendigen Angaben zur versicherungsrechtlichen Beurteilung der Beschäftigung mittels eines Einstellungsbogens beim ArbN zu erfragen (Geringfügigkeits-Richtlinien 2019, LEXinform 0208740 unter B.6.2).

2.5. Arbeitszeitkonten

Sozialversicherungsrechtlich relevante flexible Arbeitszeitregelungen sind auch für geringfügig Beschäftigte uneingeschränkt möglich. Dabei ist zwischen

  • sonstigen flexiblen Arbeitszeitregelungen (z.B. Gleitzeit- oder Jahreszeitkonten) und
  • Wertguthabenvereinbarungen (z.B. Langzeit- oder Lebensarbeitszeitkonten)

zu unterscheiden. Zu den flexiblen Arbeitszeitregelungen s. Geringfügigkeits-Richtlinien 2019 (LEXinform 0208740 unter B.5). Weitere Informationen zu Arbeitszeitkonten für Minijobs finden Sie auf der Homepage der Minijob-Zentrale unter www. minijob-zentrale.de dort unter minijobs gewerblich/450-Euro-Minijobs/Flexible Arbeitszeitregelungen. Am Ende der Information Verweis auf die Broschüre »Arbeitszeitkonten für Minijobs«.

Beispiel 4:

Für einen Minijobber wird ein Jahresarbeitszeitkonto eingerichtet. Er arbeitet vom 1. Januar bis zum 31. Dezember auf Abruf und erhält ein monatlich gleichbleibendes festes Arbeitsentgelt von 441 €. Bei einem vereinbarten Stundenlohn von 9,19 € und einer vereinbarten Soll-Arbeitszeit von 48 Stunden im Monat, ergeben sich 576 Arbeitsstunden im Jahr, die flexibel genutzt werden sollen. Der Arbeitgeber zahlt die Abgaben ausgehend vom vereinbarten monatlichen Arbeitsentgelt (441 €). S.a. oben Beispiel 1.

Variante A:

Das Arbeitszeitkonto ist zum 31. Dezember ausgeglichen (s.a. Geringfügigkeits-Richtlinien 2019, LEXinform 0208740 unter B.2.2.1.3).

JanFebMärzAprilMaiJuniJuliAugSepOktNovDezGesamt:
Arbeitsentgelt in Euro4414414414414414414414414414414414415 292
zulässiges Arbeitsentgelt4504504504504504504504504504504504505 400
zulässige Arbeitszeit5 400 € : 9,19 €/Stunde =587
vereinbarte Arbeitszeit484848484848484848484848576
tatsächliche Arbeitszeit484848485353485343434843576
Arbeitszeitkonto0000+ 5+ 10+ 10+ 15+ 10+ 5+ 500

Variante B:

In den Monaten April bis September und im Dezember ergeben sich saisonbedingte Produktionsspitzen. Der Minijobber wird innerhalb des Jahres für einen Zeitraum von zwei Monaten von der Arbeitsleistung freigestellt, um mit der Gesamtarbeitszeit die zulässige Entgeltgrenze für den Minijob nicht zu überschreiten.

JanFebMärzAprilMaiJuniJuliAugSepOktNovDezGesamt:
Arbeitsentgelt in Euro4414414414414414414414414414414414415 292
zulässiges Arbeitsentgelt4504504504504504504504504504504504505 400
zulässige Arbeitszeit5 400 € : 9,19 €/Stunde =587
vereinbarte Arbeitszeit484848484848484848484848576
tatsächliche Arbeitszeit4848486368636363630060587
Arbeitszeitkonto000+ 15+ 35+ 50+ 65+ 80+ 95+ 47./. 1+ 11+ 11
Gesamtstunden587
Gesamtentgelt587 Stunden × 9,19 €/Stunde =5 395

Variante C:

Im Einzelfall darf es auch zu Überschreitungen der Arbeitszeit und damit des zulässigen Gesamtentgelts von 5 400 € pro Jahr kommen. Voraussetzung ist aber, dass das Überschreiten gelegentlich (maximal dreimal pro Zeitjahr) und nicht vorhersehbar ist. Nicht vorhersehbar wäre z.B. ein erhöhter Arbeitseinsatz wegen des krankheitsbedingten Ausfalls eines anderen ArbN (Geringfügigkeits-Richtlinien 2019, LEXinform 0208740 unter B.3.1).

Im Beispielsfall werden im Dezember 53 Mehrstunden (Krankheitsvertretung) geleistet. Diese Arbeitsstunden sind abzugelten und nicht als Guthabenstunden ins nächste Kalenderjahr zu übernehmen, um das Arbeitszeitkonto zum Ende des Jahres auszugleichen.

JanFebMärzAprilMaiJuniJuliAugSepOktNovDezGesamt:
Arbeitsentgelt in Euro4414414414414414414414414414414414415 292
zulässiges Arbeitsentgelt4504504504504504504504504504504504505 400
zulässige Arbeitszeit5 400 € : 9,19 €/Stunde =587
vereinbarte Arbeitszeit484848484848484848484848576
tatsächliche Arbeitszeit48484863687373686318653629
Unschädliche Mehrstunden53– 53
Arbeitszeitkonto000+ 15+ 35+ 60+ 85+105+120+ 90+ 4800
Gesamtentgelt629 Stunden × 9,19 €/Stunde =5 781

Wegen des krankheitsbedingten Mehreinsatzes handelt es sich insgesamt um ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis, obwohl die Jahresentgeltgrenze von 5 400 € überschritten ist.

Variante D:

Ein Minijob liegt spätestens ab dem Zeitpunkt nicht mehr vor, von dem an vor Jahresablauf (12 Monatszeitraum) zu erkennen ist, dass die geleisteten Arbeitsstunden einen Anspruch auf Arbeitsentgelt von regelmäßig mehr als 450 € im Monat begründen und die zuviel geleisteten Arbeitsstunden im laufenden Jahr nicht mehr ausgeglichen werden können (Geringfügigkeits-Richtlinien 2019, LEXinform 0208740 unter B.3.1).

JanFebMärzAprilMaiJuniJuliAugSepOktNovDezGesamt:
Arbeitsentgelt in Euro4414414414414414414414414414414414415 292
zulässiges Arbeitsentgelt4504504504504504504504504504504504505 400
zulässige Arbeitszeit5 400 € : 9,19 €/Stunde =587
vereinbarte Arbeitszeit484848484848484848484848576
tatsächliche Arbeitszeit637353387348734873283338641
Summe Arbeitsstunden nach Ablauf Oktober570
Summe Arbeitsentgelt nach Ablauf Oktober:

570 Stunden × 9,19 /Stunde = 5 238,30 €.

Zulässig sind im Kj. 5 400 €, sodass im November noch 161,70 € gezahlt werden dürfen.

Dies entspricht 17 Arbeitsstunden.

Arbeitszeitkonto+ 15+ 4045+ 35+ 60+ 60+ 85+ 85+110+ 90+ 75+ 65+ 65

Spätestens ab November handelt es sich nicht mehr um eine geringfügig entlohnte Beschäftigung, weil die zulässigen 587 Gesamtarbeitsstunden zwar nicht bereits mit Ablauf des Monats Oktober erreicht wurden, durch die Arbeitszeit im November mit dann 603 Stunden überschritten werden. In den Monaten November und Dezember hätte der Arbeitnehmer lediglich noch mit 17 Arbeitsstunden eingesetzt werden dürfen. In diesem Fall wären insgesamt 587 Arbeitsstunden geleistet worden. Bei einem Stundenlohn von 9,19 € wären dann insgesamt 5 394,53 € Arbeitslohn gezahlt worden und die Jahresentgeltgrenze von 5 400 € wäre nicht erreicht worden. Eine Meldung hat ab November anstatt zur Minijob-Zentrale zur zuständigen Krankenkasse zu erfolgen. Aufgrund der höheren Arbeitszeiten ergibt sich ein regelmäßiges Arbeitsentgelt von mehr als 450 Euro im Monat und somit eine mehr als geringfügige Beschäftigung.

3. Literaturhinweise

Lohn-Info, www.lohn-info.de, Stichwörter: Arbeitsverhältnisse/Teilzeitarbeit/Arbeit auf Abruf Minijob-Zentrale, www. minijob-zentrale.de.

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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Die Experten der ASK Steuerberater in Hannover betreuen Unternehmer und Freiberufler in Fragen der Steuerberatung sowie der Steueroptimierung.

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Die CG Car-Garantie ist eine besondere Garantieleistung in der Kfz-Wirtschaft.

Die neue Rechtsprechung des BFH und darauf aufsetzende Anweisungen der Finanzverwaltung führen derzeit bei den Autohäusern zu erheblichen Umsetzungsproblemen.

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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Inhaltsverzeichnis pauschalierter Verlustrücktrag

 

Corona-Krise

– Minderung der Vorauszahlungen 2020/2019

– Vorläufiger Verlustrücktrag für 2020 nach 2019

JaNeinVermerk
I. Minderung der Vorauszahlung VZ 2020
Ein nachweislich und unmittelbar von der Corona-Krise Betroffener kann bis zum 31.12.2020 Anträge auf Anpassung der Einkommensteuer-/Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuervorauszahlungen für den VZ 2020 stellen.
Wurden für den VZ 2020 Vorauszahlungen festgesetzt?Wurden keine Vorauszahlungen festgesetzt, bedarf es keines Antrags auf Herabsetzung!
  • Einkommensteuer-/Körperschaftsteuervorauszahlungen
  • Gewerbesteuervorauszahlungen
Die Herabsetzung der VZ 2020 setzt voraus, dass der Steuerpflichtige von der Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich betroffen ist.
Ein Steuerpflichtiger ist von der Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich betroffen, wenn:Voraussetzungen für die Herabsetzung der Vorauszahlung
  • die Summe der im VZ-Bescheid 2020 angesetzten Einkünfte wegen der Corona-Krise in 2020 voraussichtlich wesentlich sinken wird
Ermittlung der voraussichtlichen Einkünfte für 2020Zur Durchführung der Herabsetzung müssen die geminderten Einkünfte ermittelt werden (grobe Schätzung ist ausreichend)
Liegen die Voraussetzungen vor, kann ein Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen 2020 gestellt werdenForm und Inhalt des Antrags
  • Antrag schriftlich/elektronisch stellen
  • Darin Mitteilung über die voraussichtliche Höhe der erzielten Einkünfte (erforderlich für Neuberechnung der Vorauszahlungen)
II. Pauschaler Verlustrücktrag zur Minderung der Vorauszahlungen 2019 (§ 110 EStG)
Auf Antrag kann ein Steuerpflichtiger für die Festsetzung der Vorauszahlungen 2019 den Gesamtbetrag der Einkünfte, der bei der Festsetzung der Vorauszahlungen 2019 zugrunde gelegt wurde, gemindert um die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), um 30 % pauschal mindern lassen.
Bisher wurde keine Veranlagung des VZ 2019 durchgeführtNach der Steuerfestsetzung für 2019 kann keine Herabsetzung der Vorauszahlungen mehr erfolgen.
Für den VZ 2019 wurden ESt-/KSt-Vorauszahlungen festgesetztWurden keine Vorauszahlungen für 2019 festgesetzt, bedarf es keines Antrags auf Herabsetzung!
Wird – mit Ausnahme der Einkünfte nach § 19 EStG – in der Summe ein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte erzielt, der bei der Festsetzung der Vorauszahlungen 2019 angesetzt wurdeGibt es keinen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte (ohne Einkünfte aus § 19 EStG), kommt es entweder nicht zu einer Festsetzung von Vorauszahlungen bzw. beziehen sich die Vorauszahlungen ausschließlich auf die Einkünfte aus § 19 EStG, die jedoch zu kürzen wären.
Betragen die für 2020 festgesetzten Vorauszahlungen 0 €Der Antrag nach § 110 EStG setzt voraus, dass die Vorauszahlungen für 2020 auf 0 € herabgesetzt wurden/bzw. 0 € betragen.

Ggf. Antrag nachholen!

Antrag auf einen pauschal ermittelten Verlustrücktrag in den VZ 2019 stellen (ggf. zusammen mit Antrag auf Herabsetzung der VZ 2020 auf 0 €).
Der pauschalierte Verlustabzug beträgt 30 % des Gesamtbetrags der Einkünfte (ohne Einkünfte i.S.d. § 19 EStG), max. 5 Mio. € (bzw. 10 Mio. € bei einer Zusammenveranlagung)
Alternativer Verlustrücktrag

Ein höherer fiktiver Verlustrücktrag ist durch den Nachweis eines höheren voraussichtlichen Verlustes 2020 möglich.

Für die Geltendmachung eines höheren Verlustabzugs bei den Vorauszahlungen 2019 sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen:
  • Wird voraussichtlich in 2020 ein höherer Verlust als der pauschalierte Verlustrücktrag erzielt?
  • Nachweis möglich?
Berechnung und Unterlagen über höheren Verlust dann dem Antrag auf Minderung der VZ 2019 beifügen
Auch bei einem individuell ermittelten höheren vorläufigen Verlustrücktrag dürfen die Höchstbeträge für einen Verlustrücktrag von 5 Mio. € bzw. 10 Mio. € bei einer Zusammenveranlagung nicht überschritten werden.
III. Vorläufiger Verlustrücktrag 2020 auf 2019
Erfolgt die ESt-/KSt-Veranlagung 2019, kann dabei – wegen der fehlenden Veranlagung 2020 – grundsätzlich noch kein Verlustrücktrag aus 2020 berücksichtigt werden (§ 10d EStG).

In diesem Fall kann auf Antrag ein vorläufiger Verlustrücktrag nach § 111 Abs. 1 EStG in Höhe von 30 % des Gesamtbetrags der Einkünfte 2019, ohne die darin ggf. enthaltenen Einkünfte aus § 19 EStG, durchgeführt werden.

Hat der Steuerpflichtige in 2019 einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte (ohne die Einkünfte nach § 19 EStG)?Wird kein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte (ohne Einkünfte aus § 19 EStG) erzielt, kommt es entweder zu einer Steuerfestsetzung über 0 €, bzw. bezieht sich die Steuerfestsetzung ausschließlich auf die Einkünfte aus § 19 EStG, die bei einem pauschalen vorläufigen Verlustrücktrag nicht zu berücksichtigen sind.
Betragen die Vorauszahlungen für 2020 0 €?Voraussetzung für einen vorläufigen Verlustrücktrag in 2019 (§ 111 Abs. 1 Satz 3 EStG).

Ggf. entsprechenden Antrag stellen (s.o.)

Ist die Veranlagung 2020 bereits durchgeführt worden?In diesem Fall stünde ein ggf. vorhandener Verlustrücktrag nach § 10d EStG fest, so dass es kein Bedarf für einen vorläufigen Verlustrücktrag mehr gibt. Ein Antrag nach § 111 EStG ist nicht mehr möglich (§ 111 Abs. 7 EStG).
Es kann ein Antrag auf einen vorläufigen Verlustrücktrag nach § 111 EStG gestellt werden.
  • Antrag zusammen mit der Steuererklärung 2019 gestellt
  • Antrag wird nach Erhalt des Steuerbescheids 2019 gestellt?
Antrag kann grundsätzlich nur dann gestellt werden, wenn der Bescheid 2019 noch nicht unanfechtbar bzw. noch nach den §§ 129, 164, 172 ff AO änderbar ist.
  • Steuerbescheid 2019 ist vor oder innerhalb von 14 Tagen nach der Verkündung des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes bestandkräftig geworden?
Nachholung des Antrags ist möglich.

Der Antrag nach § 111 Abs. 1 EStG ist innerhalb eines Monats nach der Verkündigung des Gesetzes nachzuholen (§ 111 Abs. 8 EStG).

Der vorläufige Verlustrücktrag beträgt 30 % des Gesamtbetrags der Einkünfte (ohne Einkünfte i.S.d. § 19 EStG), max. 5 Mio. € (bzw. 10 Mio. € bei einer Zusammenveranlagung)
Alternativer Verlustrücktrag

Ein höherer vorläufiger Verlustrücktrag als der pauschalierte kann vom Gesamtbetrag der Einkünfte (ohne die Einkünfte nach § 19 EStG) abgezogen werden, wenn dieser durch geeignete Unterlagen nachgewiesen werden kann (§ 111 Abs. 2 EStG).

Wird voraussichtlich in 2020 ein höherer Verlust als der pauschalierte vorläufige Verlustrücktrag erzielt?
Nachweis möglich?Berechnung und Unterlagen über den voraussichtlich höheren Verlust sind dem Antrag auf vorläufigen Verlustrücktrag für 2020 beizufügen.
Auch bei einem individuell ermittelten höheren vorläufigen Verlustrücktrag dürfen die Höchstbeträge für einen Verlustrücktrag von 5 Mio. € bzw. 10 Mio. € bei einer Zusammenveranlagung nicht überschritten werden (§ 111 Abs. 3 EStG).

Bei einem Antrag nach § 111 Abs. 1 EStG besteht für 2020 die Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuer-/Körperschaftsteuererklärung (§ 111 Abs. 5 EStG).

IV. Bei einer Nachzahlung im Rahmen der ESt-/KSt-Veranlagung 2019 – Antrag auf Stundung prüfen (§ 111 Abs. 4 EStG)
Wurden vor Erlass des Steuerbescheids 2019 bereits die Vorauszahlungen 2019 herabgesetzt (§ 110 EStG)?
Führt die Herabsetzung der Vorauszahlungen für 2019 zu einer Nachzahlung bei der Steuerfestsetzung für 2019?Da ist beispielweise dann der Fall, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte 2019 höher ist als der bei der Festsetzung der Vorauszahlungen angesetzte.
Stundungsantrag stellen?Die Nachzahlung kann zinslos gestundet werden.
Die Stundung endet bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Steuerfestsetzung für 2020. Es werden keine Stundungszinsen erhoben.

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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1. Von der DAC 6-Richtlinie umfasste Steuerarten

Von der DAC 6-Richtlinie sind u.a. die folgenden Steuerarten umfasst:

  • Einkommensteuer,
  • Körperschaftsteuer,
  • Gewerbesteuer,
  • Grundsteuer,
  • Erbschaftsteuer und
  • Kapitalertragsteuer

Folgende Steuerarten sind explizit nicht von der DAC 6-Richtlinie umfasst:

  • Umsatzsteuer,
  • Verbrauchsteuern,
  • Zölle und
  • Sozialabgaben.

2. Entstehung einer Meldeverpflichtung eines Intermediärs

Ein Intermediär i.S.d. § 138d Abs. 1 AO konzipiert, vermarktet, organisiert oder stellt eine grenzüberschreitende Gestaltung zur Nutzung bereit und/oder verwaltet die Umsetzung der Gestaltung (bspw. als Steuerberater oder Bank). Für eine Meldeverpflichtung eines Intermediärs müssen die nachfolgenden Kriterien erfüllt sein:

  • Ansässigkeit im Geltungsbereich des Gesetzes (Deutschland),
  • Ansässigkeit im Drittland, aber deutschem Recht unterliegend
  • Verfügung über eine Betriebsstätte in Deutschland oder
  • Eintragung in einem öffentlichen Register oder einem Berufsverband für juristische, steuerliche oder beratende Dienstleistungen in Deutschland

2.1. Ausnahmen von der Meldepflicht eines Intermediärs

  • Ein in einem Drittland hinzugezogener Berater ist kein Intermediär, auch wenn durch ihn die o.g. Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Intermediäre, die in anderen EU-Staaten ansässig sind, müssen ihre Meldepflichten im EU-Staat ihrer Ansässigkeit erfüllen.
  • Mitteilungspflicht eines zur Meldung verpflichteten Intermediärs entfällt, wenn eine entsprechende Meldung bereits durch einen anderen Intermediär erfolgt ist.
  • Berufliche Verschwiegenheitsgebote i.S.d. § 138f Abs. 6 AO (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte) führen zur einer Befreiung des Intermediärs von der Meldepflicht und verlagern die Meldepflicht auf den Stpfl. Der Intermediär hat den Stpfl. unverzüglich über die Meldepflicht zu informieren.

3. Anforderungen an eine grenzüberschreitende Gestaltung i.S.d. § 138d Abs. 2 AO

Eine grenzüberschreitende Steuergestaltung ist jede Gestaltung, die

  1. die eine oder mehrere Steuern zum Gegenstand hat, auf die das EU-Amtshilfegesetz anzuwenden ist,
  2. die entweder mehr als einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder mindestens einen Mitgliedstaat der Europäischen Union und einen oder mehrere Drittstaaten betrifft, wobei mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist
    1. nicht alle an der Gestaltung Beteiligten sind im selben Steuerhoheitsgebiet ansässig;
    2. einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten sind gleichzeitig in mehreren Steuerhoheitsgebieten ansässig;
    3. einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten gehen in einem anderen Steuerhoheitsgebiet über eine dort gelegene Betriebstätte einer Geschäftstätigkeit nach und die Gestaltung ist Teil der Geschäftstätigkeit der Betriebstätte oder macht deren gesamte Geschäftstätigkeit aus;
    4. einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten gehen in einem anderen Steuerhoheitsgebiet einer Tätigkeit nach, ohne dort ansässig zu sein oder eine Betriebstätte zu begründen;
    5. die Gestaltung ist geeignet, Auswirkungen auf den automatischen Informationsaustausch oder die Identifizierung des wirtschaftlichen Eigentümers zu haben, und

die mindestens ein Kennzeichen i.S.d. § 138e Abs. 1 AO aufweist und von der ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile die Erlangung eines steuerlichen Vorteils im Sinne des Absatzes 3 ist, oder ein Kennzeichen i.S.d. § 138e Abs. 2 AO aufweist.

Besteht eine Steuergestaltung aus einer Reihe von Gestaltungen, gilt sie als grenzüberschreitende Steuergestaltung, wenn mindestens ein Schritt oder Teilschritt der Reihe grenzüberschreitend i.S.d. S. 1 Nr. 2 ist; in diesem Fall hat die Mitteilung nach Abs. 1 die gesamte Steuergestaltung zu umfassen.

4. Prüfung der Erfüllung von Hallmarks i.S.d § 138e AO

Zur Prüfung der Erfüllung etwaiger Hallmarks sind § 138e Abs. 1 AO und § 138e Abs. 2 AO zu prüfen:

4.1. Prüfung von Hallmarks gem. § 138e Abs. 1 AO

Prüfung von Hallmarks

4.2. Prüfung von Hallmarks gem. § 138e Abs. 2 AO

Prüfung von Hallmarks 02

5. Inhalt und Vornahme einer Meldung zur Mitteilung grenzüberschreitender Gestaltungen

5.1. Übermittlung an das Bundeszentralamt für Steuern nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz

Die grenzüberschreitende Steuergestaltung i.S.d. § 138d Absatz 2 ist dem Bundeszentralamt für Steuern nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz im Sinne des Absatzes 3 über die amtlich bestimmte Schnittstelle mitzuteilen

5.2. Fristen bei der Übermittlung an das Bundeszentralamt für Steuern

Die Angaben an das Bundeszentralamt für Steuern sind innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf des Tages zu übermitteln, an dem das erste der nachfolgenden Ereignisse eintritt:

  1. Bereitstellung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung zur Umsetzung,
  2. Bereitschaft des Nutzers der grenzüberschreitenden Steuergestaltung zu dessen Umsetzung oder
  3. Ein Nutzer der grenzüberschreitenden Steuergestaltung hat den ersten Schritt zur Umsetzung dieser Steuergestaltung vorgenommen.

5.3. Anforderungen an den zu übermittelnden Datensatz gem. § 138f Abs. 3 AO

  1. Anforderungen des Datensatzes bzgl. des Intermediärs
    • Familiennamen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, wenn der Intermediär eine natürliche Person ist
    • Firma oder Name, wenn der Intermediär keine natürliche Person ist
    • Anschrift
    • Ansässigkeitsstaat
    • Steueridentifikationsmerkmal oder Steuernummer
  2. Anforderungen des Datensatzes bzgl. des Nutzers
    • Familienname und Vorname, Tag und Ort der Geburt, wenn der Nutzer eine natürliche Person ist
    • Firma oder Name, wenn der Nutzer keine natürliche Person ist
    • Anschrift
    • Ansässigkeitsstaat
    • Steueridentifikationsmerkmal oder Steuernummer
  3. Anforderungen an den Datensatz bei Beteiligung von Personen an einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung, die i.S.d. § 138e Abs. 3 AO als verbundene Unternehmen des Nutzers gelten, bzgl. der verbundenen Unternehmen
    • Firma oder Namen des verbundenen Unternehmens
    • Anschrift
    • Ansässigkeitsstaat des verbundenen Unternehmens
    • Steueridentifikationsmerkmal oder Steuernummer des verbundenen Unternehmens
  4. Einzelheiten zu den nach § 138e AO zur Mitteilung verpflichtenden Kennzeichen
  5. Zusammenfassung des Inhalts der grenzüberschreitenden Steuergestaltung einschließlich
    • Verweis auf die Bezeichnung, unter die Steuergestaltung allgemein bekannt ist,
    • abstrakt gehaltenen Beschreibung der relevanten Geschäftstätigkeit oder Gestaltung des Nutzers, soweit dies nicht zur Offenlegung eines Handels-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnisses oder eines Geschäftsverfahrens oder von Informationen führt, deren Offenlegung die öffentliche Ordnung verletzen würde,
  6. das Datum des Tages, an dem der erste Schritt der Umsetzung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung gemacht wurde oder voraussichtlich gemacht werden wird,
  7. Einzelheiten zu den einschlägigen Rechtsvorschriften aller betroffenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die unmittelbar die Grundlage der grenzüberschreitenden Steuergestaltung bilden,
  8. den tatsächlichen oder voraussichtlichen wirtschaftlichen Wert der grenzüberschreitenden Steuergestaltung,
  9. die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die wahrscheinlich von der grenzüberschreitenden Steuergestaltung betroffen sind, und
  10. Angaben zu allen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Personen, die von der grenzüberschreitenden Steuergestaltung wahrscheinlich unmittelbar betroffen sind, einschließlich Angaben darüber, zu welchen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sie in Beziehung stehen, soweit dem Intermediär dies bekannt ist.

Der Datensatz ist gem. BMF vom 29.4.2020 per Datenübermittlung über die ELMA-Schnittstelle für Massendatenmelder oder per Datenübermittlung über das DAC6-Formular für Einzeldatenmelder an das BZSt elektronisch zu übermitteln.

6. Praxisbeispiele

6.1. Grenzüberschreitende Darlehensbeziehung

Grenzüberschreitende Darlehensbeziehung

Hallmark ist erfüllt, wenn:

  • Ltd. unterliegt auf Jersey keiner KSt
  • Kennzeichen: Steuerliche Ansässigkeit in einem Staat mit KSt-Satz null
  • Main Benefit Test erfüllt? Ja, unter der Prämisse, dass Hauptvorteil dieser Gestaltung die Erlangung eines Steuervorteils gewesen ist.

Ergebnis: Meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung

6.2. Grenzüberschreitende Lizenzgewährung

Grenzüberschreitende Lizenzgewährung

Hallmark ist erfüllt, wenn:

  • NL B.V. unterliegt mit Lizenzeinkünften einem besonderen Steuersatz für IP-Einkünfte
  • Kennzeichen: Empfänger unterliegt mit Einkünften einem präferentiellem Steuerregime
  • Main Benefit Test erfüllt? Ja, unter der Prämisse, dass Hauptvorteil die Erlangung eines Steuervorteils gewesen ist

Ergebnis: Meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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1. Einnahmen aus der Erbringung von wahlärztlichen Leistungen

1.1. Allgemeiner Überblick

Ärzte, die eine eigene Praxis innehaben, erzielen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Die Betriebsärzte, die Knappschaftsärzte, die nicht voll beschäftigten Hilfsärzte bei den Gesundheitsämtern, die Vertragsärzte und die Vertragstierärzte der Bundeswehr, die Vertrauensärzte der Deutschen Bahn AG und andere Vertragsärzte in ähnlichen Fällen haben in der Regel neben der bezeichneten vertraglichen Tätigkeit eine eigene Praxis. Die Vergütungen aus dem Vertragsverhältnis gehören deshalb regelmäßig zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit.

Mit Urteil vom 5.10.2005 (VI R 152/01, BStBl II 2006, 94) hat der BFH entschieden, dass ein angestellter Chefarzt mit den Einnahmen aus dem ihm eingeräumten Liquidationsrecht für die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen in der Regel Arbeitslohn bezieht, wenn die wahlärztlichen Leistungen innerhalb des Dienstverhältnisses erbracht werden. Ob die wahlärztlichen Leistungen innerhalb des Dienstverhältnisses oder im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit erbracht werden, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der vom BFH im dem o.g. Urteil aufgestellten Grundsätzen und nach Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen.

Ein Chefarzt erzielt auch durch seine Privatliquidationen für stationär erbrachte wahlärztliche Leistungen Arbeitslohn, wenn sich sein Liquidationsrecht aus seinem Arbeitsvertrag ableitet, er in den geschäftlichen Organismus des Krankenhauses eingebunden ist, er kein Unternehmerrisiko trägt und eine entsprechende Unternehmerinitiative fehlt (vgl. FG Münster Urteil vom 7.6.2011, Az. 1 K 3800/09). Die Liquidationserlöse des Klägers aus der Erbringung seiner stationären wahlärztlichen Leistungen sind aufgrund der gebotenen Wertung der Gesamtumstände als Arbeitslohn zu qualifizieren. Die Leistungen seien als Teil des Dienstverhältnisses mit der Klinik anzusehen. Denn zum einen werde dem Kläger das Liquidationsrecht für stationäre wahlärztliche Leistungen erst aufgrund des mit der Klinik abgeschlossenen Dienstvertrages ermöglicht. Ferner sei der Kläger bei der Erbringung seiner Leistungen in den geschäftlichen Organismus des Krankenhauses eingebunden. Zum anderen fehle es erkennbar an Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko des Klägers in Bezug auf die stationären wahlärztlichen Leistungen.

Der BFH nimmt in seinem Urteil vom 16.7.2014, VIII R 41/12, BStBl II 2015, 216 Stellung zur leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit selbständiger Ärzte. Selbständige Ärzte üben ihren Beruf grds. auch dann leitend und eigenverantwortlich aus, wenn sie ärztliche Leistungen von angestellten Ärzten erbringen lassen. Voraussetzung dafür ist, dass sie aufgrund ihrer Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Tätigkeit ihres angestellten Fachpersonals – patientenbezogen – Einfluss nehmen, sodass die Leistung den »Stempel der Persönlichkeit« des Steuerpflichtigen trägt (Anschluss an BFH Urteil vom 22.1.2004, IV R 51/01, BStBl II 2004, 509). Führt ein selbständiger Arzt die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durch, legt er für den Einzelfall die Behandlungsmethode fest und behält er sich die Behandlung »problematischer Fälle« vor, ist die Erbringung der ärztlichen Leistung durch angestellte Ärzte regelmäßig als Ausübung leitender eigenverantwortlicher freiberuflicher Tätigkeit im Rahmen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG anzusehen.

Nach dem Urteil des FG München vom 25.6.2015, 15 K 3749/13, beurteilt sich die Frage, ob ein Chefarzt eines Krankenhauses wahlärztliche Leistungen selbstständig oder unselbstständig erbringt, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, wobei besonders hervorzuheben ist, dass die Tätigkeiten eines Chefarztes zur Erbringung der wahlärztlichen Leistungen regelmäßig zu den dienstvertraglich geschuldeten Leistungen gehören.

1.2. Dienstaufgaben des Arztes

Bei der erforderlichen Gewichtung und Abwägung der für und gegen ein Arbeitsverhältnis sprechenden Merkmale ist es u.a. bedeutsam ob die Tätigkeit des Arztes zur Erbringung der wahlärztlichen Leistungen zu seinen dem Krankenhaus vertraglich geschuldeten Dienstaufgaben gehört. In dem Urteilsfall stand das Liquidationsrecht für die wahlärztlichen Leistungen dem Arzt nur aufgrund der ausdrücklichen Einräumung dieses Rechts durch das Krankenhaus im Dienstvertrag zu. Nach dem Dienstvertrag unterlag der Arzt – mit Ausnahme seiner rein ärztlichen Tätigkeit – den Weisungen des Krankenhausträgers und des leitenden Arztes des Krankenhauses. Die Weisungsfreiheit des Chefarztes bei Ausübung der ärztlichen Tätigkeit selbst steht der Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegen.

1.3. Einbindung in den geschäftlichen Organismus des Krankenhauses

Der Arzt war hinsichtlich der Erbringung der wahlärztlichen Leistungen in den geschäftlichen Organismus des Krankenhauses eingebunden. Der Arzt hatte – soweit möglich – die mit seinen dienstlichen Aufgaben und folglich auch die mit den wahlärztlichen Leistungen zusammenhängenden ärztlichen Leistungen ausschließlich im Krankenhaus mit dessen Geräten und Einrichtungen zu bewirken. Neue diagnostische und therapeutische Untersuchungs- und Behandlungsmethoden bzw. Maßnahmen, die wesentliche Mehrkosten verursachen, konnte der Arzt grundsätzlich nur im Einvernehmen mit dem Krankenhaus einführen.

1.4. Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko

Bei der Würdigung des Gesamtbilds der Verhältnisse ist insbesondere das Vorliegen bzw. Fehlen der Unternehmerinitiative und des Unternehmerrisikos von Bedeutung. Der Arzt hatte nur eine sehr begrenzte Möglichkeit, den Umfang seiner wahlärztlichen Tätigkeit zu bestimmen. Verträge über die Erbringung der wahlärztlichen Leistungen schloss das Krankenhaus unmittelbar mit den Patienten ab. Sofern wahlärztliche Leistungen vereinbart wurden, bezogen sich diese nicht speziell auf die Leistungen des Arztes, sondern auf die Leistungen aller an der Behandlung beteiligten liquidationsberechtigten Ärzte des Krankenhauses. Da die Erbringung der wahlärztlichen Leistungen zu den vom Arzt dem Krankenhaus geschuldeten Dienstpflichten gehörte, konnte der Arzt es grundsätzlich nicht ablehnen, gegenüber Patienten, die mit dem Krankenhaus wahlärztliche Leistungen vereinbart hatten, solche Leistungen zu erbringen. Inhalt der Arbeitspflicht ist insbesondere die richtige Erfüllung des zwischen Krankenhausträger und Patient geschlossenen Behandlungsvertrages. Eine unternehmerische Entscheidung, wahlärztliche Leistungen bei bestimmten Patienten zu erbringen oder dies zu unterlassen, hatte der Arzt folglich nicht. Auf der anderen Seite konnte der Arzt seine wahlärztliche Tätigkeit nicht durch eigene unternehmerische Entscheidungen wesentlich ausweiten. Denn er konnte mit den Patienten selbst keine Behandlungsverträge über wahlärztliche Leistungen abschließen. Zudem war seine Tätigkeit durch die ihm hierfür vom Krankenhaus zur Verfügung gestellten Einrichtungen und das Krankenhauspersonal begrenzt.

1.5. Risiko des Forderungsausfalls

Das vom Arzt zu tragende Risiko eines Forderungsausfalls ist ebenfalls als gering einzustufen. Zum einen besteht bei Patienten, die wahlärztliche Leistungen in Anspruch nehmen, regelmäßig eine Krankenversicherung. Die Einziehung der Honorarforderungen aus den wahlärztlichen Leistungen übernahm das Krankenhaus. Es kommt hinzu, dass der Arzt im Falle eines Forderungsausfalls ein unternehmerisches Risiko jedenfalls insoweit nicht tragen musste, als sich Kostenerstattung, Vorteilsausgleich und Einzugsgebühr, die der Arzt an das Krankenhaus zu entrichten hatte, nach den tatsächlichen Zahlungseingängen richteten. Im Falle eines Forderungsausfalls war der Arzt damit von den Kosten für die Leistungserbringung weitgehend entlastet. Ein Verlust konnte dem Arzt bei seiner wahlärztlichen Tätigkeit folglich grundsätzlich nicht erwachsen.

1.6. Beteiligung des Krankenhauses sowie der nachgeordneten Ärzte an den Bruttohonorareinnahmen

Der Umstand, dass der Arzt im Übrigen von seinen Bruttohonorareinnahmen an das Krankenhaus die dienstvertraglich vereinbarte Kostenerstattung, den Vorteilsausgleich und die Einzugsgebühr zu zahlen hatte, sowie die ihm nachgeordneten Ärzte an den Einnahmen aus dem Liquidationsrecht beteiligen musste, spricht bei der Gesamtabwägung ebenfalls nicht entscheidend gegen die Arbeitnehmerstellung des Arztes. Denn diese Abzugspositionen schränkten lediglich das dem Arzt als Bestandteil des Dienstvertrages eingeräumte Liquidationsrecht ein und können zu → Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit führen.

1.7. Gutachtertätigkeit/-gebühren von Ärzten in Kliniken

Die OFD Frankfurt nimmt mit Schreiben vom 2.5.2013 (S 2332 A – 98 – St 211) zur steuerlichen Behandlung der Einnahmen von Ärzten in Kliniken und Krankenhäusern Stellung und unterscheidet bei der Gutachtertätigkeit zwischen Chefärzten und nachgeordneten Ärzten bzw. Assistenzärzten.

1.7.1. Gutachtertätigkeit eines Chefarztes

Erstellen Chefärzte Gutachten für dem Klinikbetrieb nicht zugehörige Dritte (z.B. Krankenkassen, Berufsgenossenschaften), so ist für die steuerliche Behandlung der Einkünfte anhand der Gesamtumstände zu ermitteln, wie die Ausübung der Tätigkeit im konkreten Einzelfall erfolgt.

Für ein Ausüben der Tätigkeit innerhalb des Dienstverhältnisses und somit für das Vorliegen nichtselbstständiger Arbeit spricht es hierbei z.B., wenn die Gutachteraufträge dem Chefarzt nicht direkt zugehen, sondern über die Klinikleitung an ihn weitergereicht werden und auch die Abrechnung der gutachtlichen Tätigkeit unter Mitwirkung der Klinik erfolgt.

Anhaltspunkte für das Vorliegen selbstständiger Arbeit können hingegen etwa darin gesehen werden, dass der Chefarzt dem Krankenhaus ein Entgelt für die Benutzung der zur Erstellung der Gutachten notwendigen Krankenhauseinrichtungen zahlt. Des Weiteren kann es für eine selbständige Tätigkeit des Chefarztes sprechen, wenn der Chefarzt selbst die Gutachten in seinem Namen und mit eigenem Briefkopf unterschreibt (vgl. BFH Urteil vom 19.4.1956, IV 88/56 U).

1.7.2. Gutachtertätigkeit eines nachgeordneten Arztes

Werden die Gutachten von den Assistenzärzten ohne Mitwirkung eines übergeordneten Arztes/Chefarztes gefertigt, ist die Einordnung der Gutachtertätigkeit als selbstständige oder nichtselbstständige Arbeit anhand der oben beschriebenen Kriterien vorzunehmen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass Tarifverträge oder auch Einzelarbeitsverträge der Ärzte eine Pflicht zur Erstellung von Gutachten beinhalten können. Auf solche Regelungen ist insbesondere bei Universitätskliniken zu achten. Eine derartige Verpflichtung spricht dafür, dass das Erstellen des Gutachtens im Rahmen des Dienstverhältnisses erfolgt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Übernahme der Nebentätigkeit nur in besonders begründeten Ausnahmefällen verweigert werden darf. In diesen Fällen ist für die Frage, ob die Gutachtertätigkeit im Rahmen des Dienstverhältnisses erfolgt, besonders bedeutsam, inwiefern eine Weisungsabhängigkeit der Assistenzärzte besteht. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Zuordnung der Einkünfte der angestellten Assistenzärzte, wenn die Erstellung des Gutachtens im Rahmen einer zugelassenen Nebentätigkeit eines Chefarztes erfolgt, der sich der Hilfe eines Assistenzarztes bedient, wenn tarifvertraglich oder arbeitsvertraglich eine Pflicht der Assistenzärzte zur Gutachtenerstellung besteht und diese Pflicht sich auch auf die Erstellung von Gutachten im Rahmen der Nebentätigkeit des Chefarztes erstreckt. Auch hier ist für die Zuordnung der Tätigkeit zum Dienstverhältnis das Vorliegen einer Weisungsabhängigkeit zu beachten. Der Umstand, dass die nachgeordneten Ärzte eine besondere Vergütung für ihre Gutachtertätigkeit erhalten, ist für die Einordnung der Einkünfte als solche aus nichtselbstständiger Arbeit unschädlich (vgl. BFH Urteil vom 25.11.1971, IV R 126/70).

Bei Fachärzten ist die Erstellung von Gutachten Bestandteil der Facharztausbildung. Die Vergabe von angeforderten Gutachten an die Facharztkandidaten durch die zuständigen Chefärzte erfolgt regelmäßig im Rahmen des Dienstverhältnisses. Die den Facharztkandidaten aus der Erstellung dieser Gutachten zufließenden Einnahmen gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, da sie im Rahmen des Dienstverhältnisses erzielt werden.

1.8. Zufluss eines Arzthonorars

Zufluss geschieht grundsätzlich mit Zahlung durch die kassenärztliche Vereinigung. Rechnet eine kassenzahnärztliche Vereinigung die Resthonorare der Zahnärzte für ein Quartal jeweils zum Ende des nächsten Quartals ab und zahlt sie diese anschließend entsprechend aus, ist die Anfang Januar des folgenden Jahres für das dritte Quartal eines Kalenderjahres erbrachte Abschlusszahlung als regelmäßig wiederkehrende Einnahme dem abgelaufenen Kalenderjahr zuzurechnen; BFH vom 6.7.1995, IV R 63/94, BStBl II 1996, 266. Honorarzahlungen von Patienten an die privatärztliche Verrechnungsstelle sind dem Arzt mit Zahlung an diese Stelle zugeflossen.

2. Verwaltungsanweisung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Leistungen der Krankenhäuser

Die Vfg. der OFD Karlsruhe vom 13.1.2017 (S 7172) nimmt Stellung zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14b UStG. Hierzu wird u.a. Folgendes erwähnt:

Die Gestellung von Ärzten und von medizinischem Hilfspersonal durch eine Einrichtung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG an eine andere Einrichtung dieser Art gehört zu den eng verbundenen Umsätzen (vgl. Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 6 UStAE).

Als eng verbundene Umsätze gelten auch die entgeltliche Personal- und Sachmittelgestellung z.B. von Röntgenanlagen, OP-Sälen und medizinisch-technischen Großgeräten:

  • an angestellte Ärzte für deren selbstständige Tätigkeit,
  • an Einrichtungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG,
  • an niedergelassene Ärzte zur Mitbenutzung,
  • an angestellte Chefärzte für das Betreiben einer eigenen Praxis im Krankenhaus,
  • an niedergelassene Ärzte für ambulante Operationen ggf. mit kurzzeitiger operativer Nachsorge im überwachten Bett.

3. Verwaltungsanweisung zur Behandlung der Einnahmen aus Wahlleistungen

Die Vfg. der OFD Karlsruhe vom 24.4.2006 (S 236.0/15 – St 131, DStR 2006, 1041) nimmt zur lohnsteuerlichen Behandlung der Einnahmen von Chefärzten aus der Erbringung wahlärztlicher Leistungen im Krankenhaus Stellung.

Für das Vorliegen von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit spricht Folgendes:

  • Die Erbringung der wahlärztlichen Leistungen gehört zu den vertraglich geschuldeten Dienstaufgaben des Arztes gegenüber dem Krankenhaus.
  • Die Verträge über die wahlärztlichen Leistungen werden unmittelbar zwischen den Patienten und dem Krankenhaus geschlossen.
  • Der Arzt unterliegt – mit Ausnahme seiner rein ärztlichen Tätigkeit – den Weisungen des leitenden Arztes des Krankenhauses.
  • Der Arzt erbringt die mit den wahlärztlichen Leistungen zusammenhängenden Behandlungen mit den Einrichtungen und Geräten des Krankenhauses.
  • Neue diagnostische und therapeutische Untersuchungs- und Behandlungsmethoden bzw. Maßnahmen, die wesentliche Mehrkosten verursachen, können grundsätzlich nur im Einvernehmen mit dem Krankenhaus eingeführt werden.
  • Der Dienstvertrag sieht für die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen ausdrücklich vor, dass diese im Verhinderungsfall vom Stellvertreter übernommen werden.
  • Der betroffene Arzt hat nur eine begrenzte Möglichkeit, den Umfang der wahlärztlichen Leistungen zu bestimmen.
  • Sofern wahlärztliche Leistungen vereinbart werden, beziehen sich diese nicht speziell auf die Leistungen des liquidationsberechtigten Arztes, sondern auf die Leistungen aller an der Behandlung beteiligten liquidationsberechtigten Ärzte des Krankenhauses.
  • Der Arzt kann es nicht ablehnen, die mit dem Krankenhaus vereinbarten wahlärztlichen Leistungen zu erbringen.
  • Das Risiko eines Forderungsausfalls, das der liquidationsberechtigte Arzt zu tragen hat, ist gering.
  • Das Krankenhaus rechnet über die wahlärztlichen Leistungen direkt mit den Patienten ab und vereinnahmt auch die geschuldeten Beträge.

Demgegenüber sprechen folgende Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit:

  • Die Erbringung der wahlärztlichen Leistung wird nicht gegenüber dem Krankenhaus geschuldet.
  • Der liquidationsberechtigte Arzt vereinbart die zu erbringende wahlärztliche Leistung direkt mit den Patienten und wird hierdurch unmittelbar verpflichtet.
  • Nur der liquidationsberechtigte Arzt haftet für die von ihm vorgenommenen wahlärztlichen Behandlungen.
  • Der liquidationsberechtigte Arzt rechnet direkt mit den Patienten ab und vereinnahmt auch selbst die geschuldeten Beträge.

Nach dem Urteil des FG München vom 28.3.2017, 2 K 1783/14, kann ein Chefarzt eines Krankenhauses wahlärztliche Leistungen selbstständig oder unselbstständig erbringen. Ob das eine oder das andere im Einzelfall zutrifft, beurteilt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse; insbesondere danach, ob wahlärztliche Leistungen innerhalb oder außerhalb des Dienstverhältnisses erbracht werden. Die Erbringung wahlärztlicher Leistungen gegenüber stationär aufgenommenen Patienten haben im Streitfall zu den Dienstaufgaben des Klägers gehört.

Nach den aufgezeigten Abgrenzungsmerkmalen liegen jedenfalls in folgenden Fällen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit vor:

  • Der Vertrag für die Erbringung der wahlärztlichen Leistungen wird zwischen dem Krankenhaus und den Patienten geschlossen. Die Liquidation erfolgt ebenfalls durch das Krankenhaus.
  • Der Vertrag für die Erbringung der wahlärztlichen Leistungen wird zwischen dem Krankenhaus und den Patienten geschlossen. Die Liquidation erfolgt aber durch den Arzt auf ein von ihm geführtes persönliches Konto.Der Krankenhausträger hat hier den Lohnsteuerabzug vorzunehmen. Dabei ist es nach Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zulässig, die Lohnsteuer von dem Betrag zu berechnen, der dem Arzt nach Abzug der gesetzlich oder vertraglich geschuldeten und aus den »Bruttoliquidationserlösen« zu bestreitenden Zahlungen verbleibt. Werden die Zahlungen regelmäßig geleistet (z.B. vierteljährlich) und liegt ihnen der gleiche Abrechnungszeitraum zugrunde, handelt es sich um laufenden Arbeitslohn. Dass die Zahlungen in der Höhe Schwankungen unterliegen, führt allein noch nicht zu sonstigen Bezügen.

4. Aufwendungen eines Arztes

Ein Zahnarzt, der einen Gastprofessorentitel an einer ungarischen Universität erwirbt, kann die Erwerbskosten nicht als Betriebsausgaben abziehen; vgl. FG Münster Urteil vom 13.10.2017, 4 K 1891/14 F. Die Aufwendungen für die Vermittlung der Gastprofessur seien zwar durch die freiberufliche Tätigkeit des Klägers veranlasst, denn das Führen eines Professorentitels entfalte einen positiven Werbeeffekt. So werde der Professorentitel in Fachkreisen und Öffentlichkeit als Ausdruck einer herausragenden fachlichen Kompetenz verstanden. Neben dieser freiberuflichen Veranlassung seien die Vermittlungsaufwendungen allerdings auch in nicht unerheblichem Umfang der Privatsphäre des Klägers zuzuordnen. Diese private Mitveranlassung stünde dem Abzug als Betriebsausgaben entgegen.

Aufwendungen zur Vermittlung einer nebenberuflichen außerplanmäßigen Professur an einer Universität im europäischen Ausland können als Sonderbetriebsausgaben qualifiziert werden, wenn das die Aufwendungen auslösende Moment der betrieblichen Sphäre des Steuerpflichtigen zuzuordnen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es um eine auch nach deutschem Hochschulrecht zulässige Titelführung, die auf einer entsprechenden wissenschaftlichen Vorbildung des Stpfl. (hier: Habilitation) beruht, geht. Der Betriebsausgabenabzug ist nicht gem. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ausgeschlossen, wenn die Nebentätigkeit vor allem der außenwirksamen Darstellung einer besonderen wissenschaftlichen Kompetenz und der entsprechenden Positionierung des Berufsträgers im Wettbewerb mit konkurrierenden Freiberuflern dient; vgl. FG Schleswig-Holstein vom 6.3.2019, 4 K 48/18.

5. Literaturhinweise

Hagen, Liquidationseinnahmen der Chefärzte und deren Mitarbeiter, NWB Fach 6, 4693.

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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