Abfindungen aus aufgelösten aufgelösten Arbeitsverhältnissen müssen grundsätzlich versteuert werden.

Das Wichtigste in Kürze:
Abfindungen aus aufgelösten aufgelösten Arbeitsverhältnissen müssen grundsätzlich versteuert werden.
Freiwillig Krankenversicherte müssen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nach Erhalt der Abfindung nachzahlen.
Sie können eine Steuerermäßigung durch Fünftelregelung beantragen, wenn die Abfindung auf einmal ausgezahlt wird. Ausnahme: Ist die Abfindung vertraglich geregelt, können Sie die Fünftelregelung nicht beantragen.

1. Begriff

Abfindungen sind Leistungen, die der ArbN als Ausgleich für die mit der Auflösung des Dienstverhältnisses verbundenen Nachteilen, insbes. für den Verlust des Arbeitsplatzes, erhält (sachlicher Zusammenhang). So sind Vorruhestandsgelder, die aufgrund eines Manteltarifvertrages vereinbart werden, Teil der Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes (BFH Urteil vom 16.6.2004, XI R 55/03, BStBl II 2004, 1055).

Zahlungen an einen von der Arbeit freigestellten ArbN, die aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses geleistet werden, sind keine Abfindungen; vgl. BFH vom 27.4.1994, XI R 41/93, BStBl II 1994, 653.

Zahlt der ArbG seinem ArbN eine Abfindung, weil dieser seine Wochenarbeitszeit aufgrund eines Vertrags zur Änderung des Arbeitsverhältnisses unbefristet reduziert, so kann darin eine begünstigt zu besteuernde Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG liegen. So entschied der BFH durch Urteil vom 25.8.2009 (IX R 3/09, BStBl II 2010, 1030; s.a. Anmerkung vom 1.1.2010, LEXinform 0408469) in einem Fall, in dem der (klagende) ArbN auf die halbe Wochenstundenzahl ging und dafür von seinem ArbG 17 000 € erhielt. FA und FG hatten eine steuerbegünstigte Entschädigung v.a. deshalb abgelehnt, weil das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden sei. Diese Argumentation ließ der BFH nicht gelten. Eine Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG wird als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt. Das Gesetz verlangt nicht, das Arbeitsverhältnis müsse gänzlich beendet werden. Es setzt lediglich voraus, dass Einnahmen wegfallen und dass dafür Ersatz geleistet wird. So verhält es sich, wenn eine Vollzeitbeschäftigung in eine Teilzeitbeschäftigung überführt und der ArbN dafür abgefunden wird (s.a. BMF vom 1.11.2013, BStBl I 2013, 1326, Rz. 2).

Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Zufluss der Abfindung und der Beendigung des Dienstverhältnisses ist daneben nicht erforderlich; ein erhebliches zeitliches Auseinanderfallen der beiden Ereignisse kann jedoch den sachlichen Zusammenhang in Frage stellen. Eine Abfindung kann als Geldzahlung oder als Sachzuwendung erbracht werden.

Scheidet ein ArbN auf Veranlassung des ArbG vorzeitig aus einem Dienstverhältnis aus, so können ihm folgende Leistungen des ArbG zufließen, die wegen ihrer unterschiedlichen steuerlichen Auswirkung gegeneinander abzugrenzen sind:

  • normal zu besteuernder Arbeitslohn nach § 19 EStG, ggf. i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG,
  • steuerbegünstigte Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 und 2 EStG,
  • steuerbegünstigte Leistungen für eine mehrjährige Tätigkeit i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.

Eine Entschädigung setzt voraus, dass an Stelle der bisher geschuldeten Leistung eine andere tritt. Diese andere Leistung muss auf einem anderen, eigenständigen Rechtsgrund beruhen. Ein solcher Rechtsgrund wird regelmäßig Bestandteil der Auflösungsvereinbarung sein; er kann aber auch bereits bei Abschluss des Dienstvertrags oder im Verlauf des Dienstverhältnisses für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens vereinbart werden. Eine Leistung in Erfüllung eines bereits vor dem Ausscheiden begründeten Anspruchs des Empfängers ist keine Entschädigung, auch wenn dieser Anspruch in einer der geänderten Situation angepassten Weise erfüllt wird (Modifizierung). Der Entschädigungsanspruch darf – auch wenn er bereits früher vereinbart worden ist – erst als Folge einer vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses entstehen (s.a. BFH Urteil vom 14.5.2003, XI R 16/02, BStBl II 2003, 881 und BMF vom 1.11.2013, BStBl I 2013, 1326, Rz. 2).

Eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, die aus Anlass einer Entlassung aus dem Dienstverhältnis vereinbart wird (→ Entlassungsentschädigungen), setzt den Verlust von Einnahmen voraus, mit denen der ArbN rechnen konnte. Weder Abfindung noch Entschädigung sind Zahlungen des ArbG, die bereits erdiente Ansprüche abgelten, wie z.B. rückständiger Arbeitslohn, anteiliges Urlaubsgeld, Urlaubsabgeltung, Weihnachtsgeld, Gratifikationen, Tantiemen oder bei rückwirkender Beendigung des Dienstverhältnisses bis zum steuerlich anzuerkennenden Zeitpunkt der Auflösung noch zustehende Gehaltsansprüche. Das gilt auch für freiwillige Leistungen, wenn sie in gleicher Weise den verbleibenden ArbN tatsächlich zugewendet werden (BMF vom 1.11.2013, BStBl I 2013, 1326, Rz. 3). Es reicht nicht aus, wenn die bisherige vertragliche Basis bestehen geblieben ist und sich nur Zahlungsmodalitäten geändert haben (BFH Urteil vom 11.1.2005, IX R 67/02, BFH/NV 2005, 1044).

Eine Abfindung erfüllt die Voraussetzungen des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als → Entschädigungszahlung, wenn sie als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt wird. Die Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG setzt weiterhin eine gewisse Zwangssituation des Stpfl. voraus (BFH Urteil vom 29.2.2012, IX R 28/11, BStBl II 2012, 569). Gibt der ArbN mit seinem Interesse an einer Weiterführung der ursprünglichen Vereinbarung auf Arbeitnehmererfindervergütung im Konflikt mit seinem ArbG nach und nimmt dessen Abfindungsangebot an, so entspricht es dem Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Merkmals der Zwangssituation, nicht schon wegen dieser gütlichen Einigung in konfligierender Interessenlage einen tatsächlichen Druck in Frage zu stellen.

Nach der Entscheidung des FG Münster vom 17.3.2017 (1 K 3037/14, EFG 2017, 1096, LEXinform 5020223, Revision eingelegt, Az. BFH: IX R 16/17, LEXinform 0951346) ist eine gem. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG begünstigt zu besteuernde Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG auch gegeben, wenn der ArbN zur Beendigung eines auch vom ArbG verursachten Konflikts auf diesen zugeht und den Abschluss eines Auflösungsvertrages mit Abfindungsregelung fordert (s.a. Mitteilung des FG Münster vom 16.6.2017, LEXinform 0446636). Das FG hat die Revision zugelassen, weil nicht abschließend geklärt ist, welche Anforderungen an eine Konfliktlage, die als »besonderes Ereignis« i.S.d. Rechtsprechung des BFH zur Annahme einer Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG führt, zu stellen sind, insbesondere, ob hierfür das Bestehen einer gegensätzlichen Interessenlage zwischen ArbG und ArbN, zu deren Entstehung beide Konfliktparteien beigetragen haben und die im Konsens gelöst wird, ausreicht, ohne dass es auf das Gewicht und den Zeitpunkt der jeweiligen Verursachungsbeiträge für die Entstehung der Konfliktlage ankommt (Gommers, NWB 45/2017, 3410). In der anschließenden Revision entschied der BFH, Urteil vom 13.3.2018, IX R 16/17, BStBl II 2018, 709 wie folgt: Zahlt der ArbG einem ArbN im Zuge der (einvernehmlichen) Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, sind tatsächliche Feststellungen zu der Frage, ob der ArbeitN dabei unter tatsächlichem Druck stand, regelmäßig entbehrlich. Der BFH folgt mit diesem Urteil der Vorinstanz. Das FA wird demnach nachweisen müssen, dass der Stpfl. nicht unter tatsächlichem Druck gestanden, sondern das Arbeitsverhältnis von sich aus auflösen wollte und gleichwohl eine Abfindung erhalten hat.

Abfindungszahlungen zur Auflösung eines Mietverhältnisses, die als Entgelt für die Räumung und Rückgabe des Mietgegenstandes gezahlt werden, sind nicht als tarifbegünstigte Entschädigungszahlungen zu qualifizieren (→ Entschädigungszahlung). Etwas anderes gilt dann, wenn die Entschädigungszahlungen nach den getroffenen Vereinbarungen als Ausgleich für den entgangenen Gewinn in den Folgejahren geleistet werden (FG Hessen Urteil vom 1.8.2012, 10 K 761/08, LEXinform 5014067, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. BFH: VIII B 129/12; s.a. Pressemitteilung des Hessischen FG vom 6.9.2012, LEXinform 0438375).

Wird eine Entschädigung während eines laufenden befristeten Dienstverhältnisses vereinbart und dafür geleistet, dass das Dienstverhältnis vertragsgemäß ausläuft und nicht verlängert wird, ist die Zahlung nicht als tarifbegünstigte → Entschädigungszahlung anzusehen (BFH Urteile vom 10.7.2008, IX R 84/07, BFH/NV 2009, 130 und vom 12.7.2016, IX R 33/15, BStBl II 2017, 158, Rz. 21).

2. Zufluss der Abfindungszahlungen

Zur steuerwirksamen Gestaltung des Zuflusses von Abfindungszahlungen hat der BFH mit Urteilen vom 11.11.2009 (IX R 1/09, BStBl II 2010, 746 und IX R 14/09, BFH/NV 2010, 1089, LEXinform 0179762) Folgendes entschieden: ArbG und ArbN können den Zeitpunkt des Zuflusses einer Abfindung oder eines Teilbetrags einer solchen beim ArbN in der Weise steuerwirksam gestalten, dass sie deren ursprünglich vorgesehene Fälligkeit vor ihrem Eintritt auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.

Grundsätzlich können Gläubiger und Schuldner einer Geldforderung im Rahmen der zivilrechtlichen Gestaltung des Erfüllungszeitpunkts auch die steuerrechtliche Zuordnung der Erfüllung zu einem VZ gestalten. Ist es den Beteiligten etwa möglich, von vornherein die Zahlung einer Abfindung für die Auflösung eines Dienstverhältnisses auf einen anderen Zeitpunkt als den der Auflösung des Dienstverhältnisses zu terminieren, der für sie steuerlich günstiger scheint, so kann es ihnen auch nicht verwehrt sein, die vorherige Vereinbarung – jedenfalls vor der ursprünglich vereinbarten Fälligkeit – im Einvernehmen und beiderseitigem Interesse wieder zu ändern. Rechtsmissbrauch (§ 42 AO) kommt in derartigen Fällen regelmäßig nicht in Betracht.

Gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kj. bezogen, in dem sie dem Stpfl. zugeflossen sind. Nicht laufend gezahlter Arbeitslohn ist in dem Kj. bezogen, in dem er dem ArbN zugeflossen ist. Der Zufluss ist zu bejahen, sobald der Stpfl. über den Arbeitslohn wirtschaftlich verfügen kann. Die Fälligkeit eines Anspruchs allein – vor seiner Erfüllung – führt noch nicht zu einem gegenwärtigen Zufluss. Entscheidend ist allein der uneingeschränkte, volle wirtschaftliche Übergang des geschuldeten Gutes oder das Erlangen der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis darüber. Hierfür genügt es auch vor der Realisation des Leistungserfolgs, dass der Gläubiger ohne weiteres Zutun des Schuldners die Möglichkeit hat, den Leistungserfolg herbeizuführen.

Die Zuflussgestaltung auf einen oder mehrere Veranlagungszeiträume ist insofern von Bedeutung, als die Anwendung der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG für den ArbN nicht immer von Vorteil ist (s.a. Happe, BBK 21/2010, 1000 sowie die Beispiele unter → Außerordentliche Einkünfte).

3. Begünstigte Besteuerung nach § 34 EStG

Abfindungszahlungen sind grundsätzlich ermäßigt zu besteuern, wenn die Voraussetzungen einer Entschädigung nach § 24 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 und 2 EStG erfüllt sind (→ Entschädigungszahlung). Zur Anwendung der §§ 24 Nr. 1 Buchst. a, 34 Abs. 1 und 2 EStG s. BMF vom 1.11.2013 (BStBl I 2013, 1326) sowie die Ergänzung dazu im BMF-Schreiben vom 4.3.2016 (BStBl I 2016, 277). Zur Berechnung des besonderen Steuersatzes siehe → Außerordentliche Einkünfte. Zur Zusammenballung von Einkünften s.a. die Erläuterungen zu → Entlassungsentschädigungen.

Eine steuerbegünstigte Entschädigung setzt voraus, dass an Stelle der bisher geschuldeten Leistung eine andere tritt. Diese andere Leistung muss auf einem anderen, eigenständigen Rechtsgrund beruhen. Ein solcher Rechtsgrund wird regelmäßig Bestandteil der Auflösungsvereinbarung sein; er kann aber auch bereits bei Abschluss des Dienstvertrags oder im Verlauf des Dienstverhältnisses für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens vereinbart werden. Eine Leistung in Erfüllung eines bereits vor dem Ausscheiden begründeten Anspruchs des Empfängers ist keine Entschädigung, auch wenn dieser Anspruch in einer der geänderten Situation angepassten Weise erfüllt wird.

Nach der Entscheidung des BFH vom 16.7.1997 (XI R 13/97, BStBl II 1997, 753) ist eine Entschädigung nur dann tarifbegünstigt, wenn sie zu einer Zusammenballung von Einkünften innerhalb eines VZ führt (s.a. BFH Urteil vom 4.3.1998, XI R 46/97, BStBl II 1998, 787 und BFH Urteil vom 6.9.2000, XI R 19/00, BFH/NV 4/2001, 431). Verteilt sich eine Entschädigungszahlung auf zwei oder mehr Veranlagungszeiträume, ist eine Zusammenballung nicht gegeben (s.a. BFH Urteil vom 14.5.2003, XI R 16/02, BStBl II 2003, 881 zur Auszahlung einer einheitlich zu beurteilenden Entschädigung in zwei Veranlagungszeiträumen; BMF vom 1.11.2013, BStBl I 2013, 1326 und BMF vom 4.3.2016, BStBl I 2016, 277, Rz. 8 und 14). Werden aber zusätzliche Entschädigungsleistungen, die Teil einer einheitlichen Entschädigung sind, aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit in späteren Veranlagungszeiträumen gewährt, sind diese für die Beurteilung der Hauptleistung als einer zusammengeballten Entschädigung unschädlich, wenn sie weniger als 50 % der Hauptleistung betragen. Die Vergleichsrechnung ist hier durch Einnahmenvergleich vorzunehmen (BMF vom 1.11.2013, BStBl I 2013, 1326, Rz. 14 und BFH Urteil vom 14.5.2003, XI R 16/02, BStBl II 2003, 881). Zusatzleistungen aus Gründen der sozialen Fürsorge sind beispielsweise solche Leistungen, die der (frühere) ArbG dem Stpfl. zur Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels oder als Anpassung an eine dauerhafte Berufsaufgabe und Arbeitslosigkeit erbringt. Sie setzen keine Bedürftigkeit des entlassenen ArbN voraus. Soziale Fürsorge ist allgemein i.S.d. Fürsorge des ArbG für seinen früheren ArbN zu verstehen. Ob der ArbG zu der Fürsorge arbeitsrechtlich verpflichtet ist, ist unerheblich. Derartige ergänzende Zusatzleistungen können beispielsweise die befristete Weiterbenutzung des Dienstwagens (BFH Urteil vom 3.7.2002, XI R 80/00, BStBl II 2004, 447), die befristete Übernahme von Versicherungsbeiträgen (BFH Urteil vom 11.12.2002, XI R 54/01, BFH/NV 2003, 607), die befristete Zahlung von Zuschüssen zum Arbeitslosengeld (BFH Urteil vom 24.1.2002, XI R 43/99, BStBl II 2004, 442) und Zahlungen zur Verwendung für die Altersversorgung (BFH Urteil vom 15.10.2003, XI R 17/02, BStBl II 2004, 264) sein. Die aus sozialer Fürsorge erbrachten ergänzenden Zusatzleistungen, die außerhalb des zusammengeballten Zuflusses in späteren Veranlagungsjahren erfolgen, fallen nicht unter die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 1 EStG.

Zur Behandlung der von einer zur Abwicklung eingeschalteten Transfergesellschaft gezahlten Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld s. die Erläuterungen unter → Entschädigungszahlung.

Nach dem BFH-Urteil vom 11.5.2010 (IX R 39/09, BFH/NV 2010, 1801, LEXinform 0179920) sind Entschädigungen, die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, grundsätzlich einheitlich zu beurteilen. Von diesem Grundsatz können die oben dargestellten Zusatzleistungen aus Gründen der sozialen Fürsorge abweichen. Der Grundsatz, dass Entschädigungen, die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gewährt werden, einheitlich zu beurteilen sind, entbindet allerdings nicht von der Prüfung, ob die Entschädigung »als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen« i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gewährt worden ist (BFH Urteil vom 11.7.2017, IX R 28/16, BFH/NV 2018, 95, LEXinform 0951096). So werden z.B. Ersatzleistungen für jede Art von Schadensfolgen nicht von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfasst. Stellt die Entschädigungszahlung z.B. eine Gegenleistung für das Schweigen des Stpfl. dar, gehört die Zahlung zu den Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG.

Es fehlt beispielsweise an einem Ersatz für entgangene Einnahmen aus dem Anstellungsverhältnis, wenn der ArbG dem ArbN einen Schaden ersetzt, den dieser infolge einer Verletzung arbeitsrechtlicher (Fürsorge-)Pflichten oder einer unerlaubten Handlung des ArbG z.B. an einem immateriellen Wirtschaftsgut erlitten hat. Denn damit werden nicht die Dienste des ArbN vergütet, sondern ein vom ArbG verursachter Schaden ausgeglichen (vgl. BFH Urteil vom 20.9.1996, VI R 57/95, BStBl II 1997, 144; vom 24.5.2000, VI R 17/96, BStBl II 2000, 584; BFH-Beschluss vom 26.8.2016, VI B 95/15, BFH/NV 2016, 1726).

An einen Feuerwehrmann gezahlte Beträge für rechtswidrig erbrachte Mehrarbeit stellen Arbeitslohn dar; vgl. FG Münster vom 1.12.2015, 1 K 1387/15 E. In der Steuererklärung für 2012 wurde die fragliche Zahlung (zunächst) als Entschädigung bzw. Arbeitslohn für mehrere Jahre deklariert. Das FA bezog den vorgenannten Betrag antragsgemäß als nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuernden Arbeitslohn für mehrere Jahre in die Veranlagung mit ein. Das FG befand die begünstigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG für zutreffend.

Mit Urteil vom 11.5.2010 (IX R 39/09, BFH/NV 2010, 1801, LEXinform 0179920) bestätigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung (s.a. BMF vom 1.11.2013, BStBl I 2013, 1326, Rz. 14) bezüglich der Gewährung zusätzlicher Entschädigungsleistungen wegen sozialer Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit in späteren Veranlagungszeiträumen. Danach ist eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG ausnahmsweise auch in solchen Fällen geboten, in denen der ArbG oder ein Dritter neben einer Hauptentschädigungsleistung aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit ergänzende Entschädigungszusatzleistungen gewährt. Die zusätzlichen Entschädigungsleistungen dürfen aber betragsmäßig nur einen ergänzenden Zusatz zur Hauptleistung bilden, diese also bei weitem nicht erreichen oder nur geringfügig sein. Im Entscheidungsfall war die ergänzende Abfindung mit 54,68 % betragsmäßig weder als geringfügig noch als ergänzender Zusatz zu beurteilen. Eine ermäßigte Besteuerung kommt nicht in Betracht.

Beispiel 1:

Die Auflösung des Dienstverhältnisses erfolgt im Jahr 18. Der ArbG zahlt im Jahr 18 insgesamt 150 000 € Abfindung und gewährt von Juli 18 bis Juni 19 zur Überbrückung der Arbeitslosigkeit einen Zuschuss zum Arbeitslosengeld von monatlich 2 500 €. Im Jahr 19 fließen keine weiteren Einkünfte zu.

Jahr 18:
Einnahmen i.S.d. § 19 EStG50 000 €
Entschädigung150 000 €
monatlicher Zuschuss (6 × 2 500 €)15 000 €
Entschädigung insgesamt (Hauptleistung)165 000 €
Jahr 19:
monatlicher Zuschuss (6 × 2 500 €)15 000 €

Lösung 1:

Die im Jahre 19 erhaltenen Zahlungen sind zusätzliche Entschädigungsleistungen, die aus sozialer Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit gewährt wurden. Sie betragen 15 000 € = 9,09 % von 165 000 € (Entschädigungshauptleistung) und sind damit unschädlich für die Beurteilung der Hauptleistung als einer zusammengeballten Entschädigung. Die im Jahre 18 erhaltenen Entschädigungsleistungen sind daher nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuern. Die im Jahre 19 erhaltenen Zusatzleistungen fallen nicht unter die Tarifbegünstigung des § 34 EStG. Wegen des vorzunehmenden Vergleichs der Einnahmen bleibt der Arbeitnehmer-Pauschbetrag außer Betracht (s.a. BMF vom 1.11.2013, BStBl I 2013, 1326, Beispiel in Rz. 14).

Erstreckt sich die Zahlung von Vorruhestandsgeldern über mehr als einen VZ, ist mangels Zusammenballung eine begünstigte Besteuerung der Gesamtentschädigung zu versagen (BFH Urteil vom 16.6.2004, XI R 55/03, BStBl II 2004, 1055).

Übersteigt die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Entschädigung die bis zum Ende des VZ entgehenden Einnahmen nicht und bezieht der Stpfl. keine weiteren Einnahmen, die er bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht bezogen hätte, so ist das Merkmal der Zusammenballung von Einkünften nicht erfüllt (→ Entlassungsentschädigungen; s.a. BFH Urteil vom 8.4.2014, IX R 33/13, BFH/NV 2014, 1358, LEXinform 0929828). Dies gilt auch dann, wenn nach Beendigung eines Angestelltenverhältnisses eine selbstständige Tätigkeit ausübt wird.

Erhält der Stpfl. wegen der Körperverletzung durch einen Dritten auf Grund von mehreren gesonderten und unterschiedliche Zeiträume betreffenden Vereinbarungen mit dessen Versicherung Entschädigungen als Ersatz für entgangene und entgehende Einnahmen, so steht der Zufluss der Entschädigungen in verschiedenen Veranlagungszeiträumen der tarifbegünstigten Besteuerung jeder dieser Entschädigungen nicht entgegen (BFH Urteil vom 21.1.2004, XI R 40/02, BStBl II 2004, 716). Entschädigungszahlungen sind nur dann außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 EStG, wenn sie steuerlich in einem VZ zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Einer tarifbegünstigten Besteuerung steht z.B. eine einheitliche Entschädigung entgegen, deren ratenweise Auszahlung in verschiedenen Veranlagungszeiträumen erfolgt.

Das FG Köln macht in seinem Urteil vom 9.3.2010 (8 K 972/08, EFG 2010, 1018, LEXinform 5010039, Revision eingelegt, Az. BFH: IX R 20/10, LEXinform 0927828) deutlich, dass der Zufluss in einem VZ nach dem Wortlaut von § 34 EStG kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal ist. Mit Urteil vom 26.1.2011 (IX R 20/10, BStBl II 2012, 659) hat der BFH die Rechtsauffassung des FG Köln in seinem Urteil vom 9.3.2010 bestätigt. Der BFH lehnt allerdings eine starre Bagatellgrenze ab (→ Entlassungsentschädigungen). Der Zweck des § 34 Abs. 1 EStG wird trotz Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen nicht verfehlt, wenn der Stpfl. nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag ausgezahlt wird. Hielte man in derartigen Fällen ausnahmslos an dem Erfordernis eines zusammengeballten Zuflusses der außerordentlichen Einkünfte in einem VZ fest, würden über den Gesetzeswortlaut des § 34 Abs. 1 EStG hinaus die Voraussetzungen der Tarifermäßigung ohne sachlichen Grund verschärft und die ratio legis (den zu Grunde liegenden Hauptgedanken der Norm) verfehlt. Das FG bejaht im Rahmen des § 34 Abs. 1 EStG eine der ratio legis der Vorschrift und dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung tragende Bagatellgrenze von 5 %, bis zu der eine steuerpflichtige Teilleistung in einem VZ im Verhältnis zur steuerpflichtigen Gesamtleistung für die Steuerbegünstigung der in einem weiteren VZ zufließenden steuerpflichtigen Hauptleistung unbeachtlich ist

Mit Urteil vom 13.10.2015 (IX R 46/14, BStBl II 2016, 214) hat der BFH die Anforderungen an die Geringfügigkeit einer Teilauszahlung in einem anderen Veranlagungszahlung näher konkretisiert. Im Urteilsfall hatte der Stpfl. im Rahmen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Kj. 11 eine betriebliche Abfindung i.H.v. 104 800 € und im Kj. 10 bereits einen Teilbetrag i.H.v. 10 200 € erhalten.

Nach Ansicht des BFH kommt es für die ausnahmsweise Gewährung der Begünstigung bei Teilzahlungen einer Abfindung insbesondere auf die Höhe der jeweiligen Zahlungen im Verhältnis zueinander an, soweit keine besonderen Umstände vorliegen, welche die Teilleistung bedingen oder prägen – z.B. eine soziale Motivation oder eine persönliche Notlage. Eine starre Prozentgrenze in Bezug auf das Verhältnis der Teilleistungen zueinander oder zur Gesamtabfindung gibt es jedoch nicht. Hier kommt es auf die Prüfung im Einzelfall an. Der BFH sieht die Teilauszahlung im Kj. 10 als eine noch geringfügige Nebenleistung zur Gesamtabfindung an. Die Teilauszahlung belief sich im Streitfall auf 8,87 % der Gesamtabfindung oder 9,73 % der Hauptleistung.

Eine unschädliche Geringfügigkeit der Teilleistung liegt laut BFH außerdem vor, wenn die Nebenleistung niedriger ist als die Steuerentlastung der Hauptleistung. Die Teilauszahlung vor Steuern würde ansonsten noch nicht einmal den steuerlichen Nachteil ausgleichen, den sie verursacht hat (s.a. Anmerkung vom 1.12.2015, LEXinform 0652778).

Mit Schreiben vom 4.3.2016 (BStBl I 2016, 277) hat das BMF die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 1.11.2013 (BStBl I 2013, 1326) an die aktuelle Rechtsprechung des BFH-Urteils vom 13.10.2015 (IX R 46/14, BStBl II 2016, 214) angepasst. Die Rz. 8 des BMF-Schreibens wird in allen offenen Fällen neu gefasst. Danach wird es aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet, eine geringfügige Zahlung anzunehmen, wenn diese nicht mehr als 10 % der Hauptleistung beträgt. Darüber hinaus kann eine Zahlung unter Berücksichtigung der konkreten individuellen Steuerbelastung als geringfügig anzusehen sein, wenn sie niedriger ist als die tarifliche Steuerbegünstigung der Hauptleistung (s.a. Anmerkung vom 8.3.2016, LEXinform 0652845).

Hinweis:

Im Urteilsfall IX R 46/14 (BStBl II 2016, 214) ermäßigte sich die ESt bei Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG auf die Hauptleistung i.H.v. 104 800 € im Kj. 11 von 37 273 € um 10 806 € auf 26 467 €. Daraus ergibt sich, dass die Tarifermäßigung im Streitfall anzuwenden ist, denn die vom Stpfl. im Vorjahr (Kj. 10) vereinnahmte Teilzahlung von 10 200 € ist niedriger als die streitige Steuerermäßigung der Hauptleistung (10 806 €).

Siehe auch die Erläuterungen zu → Außerordentliche Einkünfte sowie → Entlassungsentschädigungen.

4. Planwidriger Zufluss in mehreren Veranlagungszeiträumen

Die Anwendung der begünstigten Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG setzt u.a. voraus, dass die Entschädigungsleistungen zusammengeballt, d.h. in einem VZ (z.B. VZ 01) zufließen. Das Interesse der Vertragsparteien ist daher regelmäßig auf den planmäßigen Zufluss in einem VZ gerichtet. Findet ein planwidriger Zufluss in mehreren Veranlagungszeiträumen statt, obwohl die Vereinbarungen eindeutig auf einen einmaligen Zufluss gerichtet waren, ist der Korrekturbetrag eines nachfolgenden VZ (z.B. VZ 02) auf Antrag des Stpfl. in den VZ (z.B. VZ 01) zurückzubeziehen, in dem die – grundsätzlich begünstigte – Hauptentschädigung zugeflossen ist. Stimmt das FA diesem Antrag zu (§ 163 AO), ist der Steuerbescheid (VZ 01) nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern, wobei die begünstigte Besteuerung auf die gesamte Entschädigungsleistung (Hauptentschädigung zzgl. Korrekturbetrag) anzuwenden ist. Wird der Antrag nicht gestellt und ist die Steuerfestsetzung für diesen VZ (z.B. VZ 02) bereits bestandskräftig, so ist der Bescheid (VZ 01) nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern und die begünstigte Steuerberechnung wegen fehlender Zusammenballung zu versagen (BMF vom 1.11.2013, BStBl I 2013, 1326, Rz. 16 ff.).

Ein planwidriger Zufluss ist z.B. auf Grund einer Nachzahlung nach einem Rechtsstreit gegeben (BMF vom 1.11.2013, BStBl I 2013, 1326, Rz. 19).

5. Rückzahlung einer begünstigten Abfindung

Hat der Stpfl. in einem nachfolgenden VZ (z.B. VZ 03) einen Teil der Einmalabfindung zurückzuzahlen, so ist die Rückzahlung auch dann im Jahr des Abflusses zu berücksichtigen, wenn die Abfindung im Zuflussjahr begünstigt besteuert worden ist. Eine Lohnrückzahlung ist regelmäßig kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, das zur Änderung des Einkommensteuerbescheides des Zuflussjahres berechtigt (BMF vom 1.11.2013, BStBl I 2013, 1326, Rz. 17; s.a. Paus, Kurzbeitrag vom 15.3.2007, LEXinform 0861525).

Nach dem BFH Urteil vom 4.5.2006 (VI R 33/03, BStBl II 2006, 911) ist die Rückzahlung einer Abfindung auch dann im Abflussjahr (z.B. VZ 03) zu berücksichtigen, wenn die Abfindung im Zuflussjahr (z.B. VZ 01) begünstigt besteuert worden ist. Das in § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG normierte Abflussprinzip gilt auch für zurückgezahlten Arbeitslohn. Diese Regelung greift auch dann, wenn die Einkünfte besonderen Steuersätzen unterworfen waren. Der BFH hat schon wiederholt entschieden, dass es hinzunehmen sei, wenn es durch das in § 11 EStG normierte Zu- und Abflussprinzip bei einer Zusammenballung von Einnahmen und Ausgaben in einem VZ zu Ergebnissen kommen kann, die als Folge der Einkommensteuerprogression oder fehlender tatsächlicher Ausgleichsmöglichkeiten zu steuerlichen Be- oder Entlastungen führen können (z.B. BFH Urteile vom 2.4.1974, VIII R 76/69, BStBl II 1974, 540; vom 24.9.1985, IX R 2/80, BStBl II 1986, 284; vom 17.4.1996, I R 78/95, BStBl II 1996, 571; bestätigt durch BFH Urteil vom 7.11.2006, VI R 2/05, BStBl II 2007, 315). Eine zeitabschnittsbezogene Steuerermittlung bewirkt typischerweise bei progressiven Steuersätzen Unterschiede der Steuerbelastung zwischen den verschiedenen Abschnitten (BMF vom 1.11.2013, BStBl I 2013,1326, Rz. 17; s.a. Kurzbeitrag vom 16.3.2007, LEXinform 0354153).

Merke:

Bei der Rückzahlung einer tarifbegünstigten Abfindung bleibt die Tarifbegünstigung für die gesamte Abfindung erhalten.

Die tatsächliche Teilrückzahlung der Abfindung an den ArbG ist nicht als rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO schon im früheren VZ einkünftemindernd zu berücksichtigen. Denn ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, also bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, bestimmt sich allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht. Eine ausdrückliche Vorschrift, die ausnahmsweise eine Änderung des steuererheblichen Sachverhalts rückwirkend zulässt, ist nicht ersichtlich. Für die Überschusseinkünfte sind die tatsächlichen Zu- und Abflüsse von Einnahmen und Ausgaben materiell-rechtlich erheblich. Diese tatsächlichen Vorgänge können nicht durch später bewirkte tatsächliche Rückzahlungen ungeschehen gemacht werden (BFH Urteil vom 22.5.2002, VIII R 74/99, BFH/NV 2002, 1430 mit Hinweis auf BFH Beschlüsse vom 26.3.1991, VIII R 55/86, BStBl II 1992, 479 und vom 19.7.1993 GrS 2/92, BStBl II 1993, 897).

6. Anwendung der Fünftelregelung durch den Arbeitgeber

Die Lohnsteuer ist bei einem sonstigen Bezug i.S.d. § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 und 4 EStG in der Weise zu ermäßigen, dass der sonstige Bezug bei der Anwendung des Satz 5 mit einem Fünftel anzusetzen und der Unterschiedsbetrag i.S.d. Satz 8 zu verfünffachen ist; § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG ist sinngemäß anzuwenden. Es besteht somit grds. eine Verpflichtung zur Anwendung der begünstigten Besteuerung, wenn die Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Kann der Arbeitgeber anhand der gezahlten Arbeitslöhne abschätzen, dass die steuerpflichtige Abfindung mit dem übrigen Arbeitslohn zu einer Zusammenballung führt, ist er gesetzlich verpflichtet, die Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren anzuwenden; der ArbN muss keinen Antrag stellen. Ansonsten gilt, dass der ArbN die begünstigte Besteuerung beantragen muss.

7. Literaturhinweise

Michalowski, Voraussichtlicher Jahresarbeitslohn bei Abfindungsentschädigungen, NWB Fach 6, 4593; Happe, Steuergestaltung bei Zahlung einer Abfindung an Arbeitnehmer, BBK 21/2010, 1000; Gommers, Aufhebungsvertrag auf Initiative des Arbeitnehmers: Ein Fall für die Tarifermäßigung des § 34 EStG, NWB 45/2017, 3410.

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Wenn Sie verpflichtet sind, eine Steuererklärung abzugeben, muss die Steuererklärung bis zum 31. Juli des Folgejahres beim Finanzamt eingereicht werden.

  • Wenn Sie verpflichtet sind, eine Steuererklärung abzugeben, muss die Steuererklärung bis zum 31. Juli des Folgejahres beim Finanzamt eingereicht werden.
  • Werden Sie bei der Steuererklärung von einem Steuerberater oder einem Lohnsteuerhilfeverein unterstützt, verlängert sich die Abgabefrist auf den letzten Februartag des übernächsten Jahres.
  • Falls Sie die Frist nicht einhalten können, solltest Sie rechtzeitig einen Antrag auf Fristverlängerung stellen.
  • Versäumen Sie die Frist, müssen Sie mit Sanktionen rechnen. Möglich sind Verspätungszuschlag, Zwangsgeld, Steuerschätzung und Zinsen.
  • Mit den neuen Abgabefristenab gelten auch neue Regeln für den Verspätungszuschlag. Ab 2019 müssen Sie  für jeden verspäteten Monat mindestens 25 Euro Verspätungszuschlag zahlen.

1. Neuregelung der Steuererklärungsfristen nach § 149 AO ab VZ 2018

1.1. Steuerpflichtige ohne Steuerberater – § 149 Abs. 2 AO n.F.

Die Steuererklärungsfrist nicht beratener Steuerpflichtiger wird nach § 149 Abs. 2 AO n.F. um zwei Monate verlängert bis zum 31.7. des Folgejahres (statt bisher 31.5.).

1.2. Steuerpflichtige mit Steuerberater – § 149 Abs. 3 AO n.F.

In Beraterfällen wird die Steuererklärungsfrist gem. § 149 Abs. 3 AO n.F. um zwei Monate verlängert bis zum 28.2. des Zweitfolgejahres (statt bisher 31.12. des Folgejahres). Dies gilt gem. § 149 Abs. 5 AO n.F. nicht für Umsatzsteuererklärungen für das Kalenderjahr, wenn die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit vor oder mit dem Ablauf des Besteuerungszeitraums endete.

Bisher wurde im Rahmen gleich lautender Ländererlasse über Steuererklärungsfristen (sog. Fristenerlasse) eine auf § 109 AO gestützte, allgemeine Fristverlängerung für steuerlich beratene Steuerpflichtige geregelt. Für Veranlagungszeiträume ab 2018 existiert nunmehr mit § 149 Abs. 3 AO eine gesetzlich bestimmte Steuererklärungsfrist für steuerlich beratene Steuerpflichtige, die Fristenerlasse entbehrlich macht.

Von der Beauftragung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe mit der Erstellung der Erklärung kann in der Regel ausgegangen werden, wenn der Steuerpflichtige steuerlich beraten ist.

1.3. Vorabanforderung durch die Finanzverwaltung – § 149 Abs. 4 AO n.F.

Gem. § 149 Abs. 4 AO n.F. besteht die Möglichkeit einer anlassbezogenen oder zufallsbasierten Vorabanforderung von Steuererklärungen mit einer Erklärungsfrist von vier Monaten.

Eine anlassbezogene Vorabanforderung ist erlaubt, wenn

  1. für den betroffenen Steuerpflichtigen
    1. für den vorangegangenen Besteuerungszeitraum Erklärungen nicht oder verspätet abgegeben wurden,
    2. für den vorangegangenen Besteuerungszeitraum innerhalb von drei Monaten vor Abgabe der Steuererklärung oder innerhalb von drei Monaten vor dem Beginn des Zinslaufs i.S.d. § 233a Abs. 2 Satz 1 AO nachträgliche Vorauszahlungen festgesetzt wurden,
    3. Vorauszahlungen für den Besteuerungszeitraum außerhalb einer Veranlagung herabgesetzt wurden,
    4. die Veranlagung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum zu einer Abschlusszahlung von mindestens 25 % der festgesetzten Steuer oder mehr als 10 000 € geführt hat,
    5. die Steuerfestsetzung auf Grund einer Steuererklärung i.S.d. § 149 Abs. 3 Nr. 1, 2 oder 4 AO voraussichtlich zu einer Abschlusszahlung von mehr als 10 000 € führen wird oder
    6. eine Außenprüfung vorgesehen ist;
  2. der betroffene Steuerpflichtige im Besteuerungszeitraum einen Betrieb eröffnet oder eingestellt hat oder
  3. für Beteiligte an Gesellschaften oder Gemeinschaften Verluste festzustellen sind.

Die Vorabanforderung durch die Finanzverwaltung ist ein Verwaltungsakt, der wie bisher mit dem Einspruch angefochten werden kann. Auch ein Antrag auf Fristverlängerung ist möglich.

1.4. Inkrafttreten

Die umfassenden Neuregelungen für die Steuererklärungsfrist sind ab VZ 2018 anzuwenden (Art. 97 § 10a Abs. 4 EGAO).

2. Verlängerung der Abgabefristen

2.1. Allgemeines

Fristen zur Einreichung von Steuererklärungen können, wie die behördlichen Fristen, gem. § 109 Abs. 1 AO verlängert werden. Die gem. § 149 Abs. 2 AO gesetzlich bestimmte Abgabefrist von Steuererklärungen ist die einzige verlängerbare gesetzliche Frist.

Eine Fristverlängerung für Erklärungen steuerlich beratener Steuerpflichtiger über den 28./29.2. des Zweitfolgejahres hinaus kommt gem. § 109 Abs. 2 AO nur in Ausnahmefällen in Betracht. Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige ohne Verschulden verhindert ist oder war, die Steuererklärung innerhalb der Frist abzugeben. Verschulden wird durch Vorsatz, grobe und leichte Fahrlässigkeit begründet. Insoweit sind dieselben Maßstäbe anzuwenden wie für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO).

Bei Arbeitsüberlastung des steuerlichen Beraters ist in der Regel von einem Verschulden des Beraters auszugehen. Etwas anderes dürfte nur gelten, wenn die Arbeitsüberlastung auf unvorhersehbare Krankheit, Unfall oder ähnliche Umstände zurückzuführen ist. Dies bedingt eine konkrete und genaue Darlegung dieses Ereignisses, der fehlenden Möglichkeit einer Berücksichtigung bei der Arbeits-/Personalplanung sowie des voraussichtlichen Ausfalls an Arbeitsleistung im Hinblick auf die Dauer der beantragten Fristverlängerung.

2.2. Rückwirkende Fristverlängerung

Gem. § 109 Abs. 1 Satz 2 AO können auch bereits abgelaufene Fristen rückwirkend verlängert werden. Damit kann bei einer zunächst verspäteten Abgabe einer Steuererklärung grundsätzlich die Möglichkeit des Finanzamtes, die Festsetzung eines Verspätungszuschlages vorzunehmen, umgangen werden. Nach rückwirkender Fristverlängerung entfällt die von § 152 Abs. 1 Satz 1 AO geforderte Voraussetzung einer nicht fristgemäßen Abgabe der Steuererklärung.

In diesem Fall wäre nur nach Rücknahme bzw. Widerruf (→ Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO) der nachträglichen Fristverlängerung als sonstiger Verwaltungsakt die Festsetzungen eines Verspätungszuschlags zulässig.

2.3. Land- und Forstwirte mit abweichendem Wirtschaftsjahr

Für steuerlich beratene Steuerpflichtige, die ihren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, endet die Frist zur Abgabe ihrer Steuererklärung gem. § 149 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AO am 31.7. des Zweitfolgejahres.

2.4. Ablehnung von Fristverlängungsanträgen

Mit der Ablehnung eines Fristverlängerungsantrags ist dem Antragsteller eine angemessene Nachfrist einzuräumen, sofern der Antrag nicht bereits weit vor Ablauf der Frist abgelehnt wird und sich eine Nachfrist deshalb erübrigt. Die Nachfrist soll vier bis sechs Wochen betragen. In Fällen, in denen für den betreffenden Veranlagungszeitraum bereits eine Fristverlängerung antragsgemäß bewilligt wurde, kann die Nachfrist auch kürzer bemessen werden. Entscheidend sind die Verhältnisse des Einzelfalls sowie die Arbeitslage des Finanzamtes. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Nachfrist keine Fristverlängerung darstellt und die Festsetzung von Verspätungszuschlägen nicht ausschließt. Die Ablehnung eines Fristverlängerungsantrags muss eine einzelfallbezogene Begründung enthalten.

2.5. Fristverlängerung in der Corona-Krise

Informationen hierzu finden sich unter www.bundesfinanzministerium.de unter ->Themen ->Steuern ->FAQ »Corona« (Steuern) vom 28.5.2020.

Für Stpfl., die sich nicht von einem Steuerberater, Lohnsteuerhilfeverein oder einer anderen zur Beratung befugten Person beraten lassen, endet die allgemeine gesetzliche Abgabefrist für Steuerklärungen für das Kj. 2019 am 31.7.2020, für nicht beratene Land- und Forstwirte mit vom Kalenderjahr abweichendem Wj. am 31.1.2021. Sollte aufgrund der Corona-Krise die Frist nicht eingehalten werden können, ist ein Antrag auf Fristverlängerung beim zuständigen FA stellen.

Stpfl., die einen Steuerberater, Lohnsteuerhilfeverein oder eine andere zur Beratung befugte Person mit der Erstellung der Steuererklärungen beauftragt haben, haben die Steuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2019 bis zum Ablauf des Monats Februars 2021 abzugeben (beratene Land- und Forstwirte mit abweichendem Wirtschaftsjahr bis zum Ablauf des Monats Juli 2021).

Konnten die Berater Steuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2018 wegen der Belastungen durch die Corona-Krise unverschuldet nicht pünktlich abgeben, kann rückwirkend ab dem 1.3.2020 Fristverlängerung beantragt werden. Die Fristverlängerungen werden in diesen Fällen bis längstens zum 31.5.2020 gewährt. Wurden in diesen Fällen bereits Verspätungszuschläge festgesetzt, werden diese insoweit erlassen. Es soll im konkreten Einzelfall grundsätzlich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, falls die Nichteinhaltung einer gesetzlichen Frist auf den Folgen der Corona-Krise beruht. Bis auf Weiteres wird grundsätzlich von der Festsetzung von Verspätungszuschlägen abgesehen.

3. Weitere Abgabe- und Antragsfristen im Einzelnen

Im Einzelnen gelten folgende Abgabefristen:

  • § 39a EStG: Zweijährige Gültigkeit von Freibeträgen im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren. Mit BMF-Schreiben vom 21.5.2015 (IV C 5 – S 2365/15/10001, BStBl I 2015, 488) wird als Starttermin für das Verfahren der zweijährigen Gültigkeit von Freibeträgen im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren der 1.10.2015 festgelegt. Ab diesem Zeitpunkt können die Arbeitnehmer den Antrag auf Bildung eines Freibetrags nach § 39a EStG für einen Zeitraum von längstens zwei Kalenderjahren mit Wirkung ab dem 1.1.2016 bei ihrem Wohnsitzfinanzamt stellen.
  • § 41a EStG: Der → Arbeitgeber hat spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums eine → Lohnsteueranmeldung abzugeben.
  • § 43a Abs. 3 EStG: Verluste aus z.B. Aktiengeschäften werden von der Bank verrechnet bzw. auf das nächste Kalenderjahr vorgetragen. Ein Antrag auf Verlustbescheinigung für die Einkommensteuererklärung 2015 muss bis zum 15.12.2015 bei der betroffenen Bank bestellt werden (§ 43a Abs. 3 Satz 5 EStG).
  • § 45a Abs. 1 EStG: Die einbehaltene Kapitalertragsteuer ist dem Finanzamt innerhalb der in § 44 Abs. 1 oder Abs. 7 EStG bestimmten Frist anzumelden.
  • § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG: Der Antrag auf Veranlagung ist bis zum Eintritt der → Festsetzungsverjährung (→ Steuerschuldverhältnis) beim Finanzamt zu stellen. Dabei sind die Fristen des § 169 AO zu beachten. Die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO greift hierbei nicht. Die Vorschrift des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG greift nur dann, wenn der Arbeitnehmer nicht bereits nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG veranlagt werden muss. In diesen Fällen ist die allgemeine Abgabefrist des § 149 Abs. 2 Satz 1 AO von sieben Monaten (ab VZ 2018) zu beachten. Bis zum 31.12.2019 können Arbeitnehmer, die nicht veranlagungspflichtig sind, eine Einkommensteuerveranlagung für 2015 beantragen (sog. Antragsveranlagung).
  • § 48a EStG: Steueranmeldung bei der → Abzugsbesteuerung bei Bauleistungen. Der Leistungsempfänger hat bis zum 10. Tag nach Ablauf des Monats, in dem die Gegenleistung i.S.d. § 48 EStG erbracht wird, eine Anmeldung für den Steuerabzug abzugeben.
  • § 28 BewG: Erklärungen zur Feststellung des Einheitswerts sind auf jeden Hauptfeststellungszeitpunkt (→ Einheitswertfeststellungen) abzugeben.
  • § 31 ErbStG: Das Finanzamt kann von jedem an einem Erbfall, an einer Schenkung oder an einer Zuwendung Beteiligten die Abgabe einer Erklärung verlangen. Das Finanzamt bestimmt die Abgabefrist, die mindestens einen Monat betragen muss (→ Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer). Sind mehrere Erben vorhanden, so sind sie berechtigt, die Steuererklärung gemeinsam abzugeben (§ 31 Abs. 4 ErbStG).
  • § 18 UStG: Der Unternehmer hat bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine → Voranmeldung abzugeben.Hat der Unternehmer seine Tätigkeit im Laufe des Kalenderjahres beendet, hat er die Jahreserklärung binnen einem Monat nach Ablauf des kürzeren Besteuerungszeitraums abzugeben (§ 18 Abs. 3 UStG).Beim → Vorsteuervergütungsverfahren ist der Vergütungsantrag für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kj. zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist (§ 18 Abs. 9 UStG i.V.m. § 61a UStDV). Unternehmer, die im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, haben binnen neun Monaten nach Ablauf des Kj., in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist, die Vergütung zu beantragen (§ 18 Abs. 9 UStG i.V.m. § 61 UStDV).

    Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Vergütungsantrag nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung über das in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu übermitteln (§ 61 UStDV). Der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat die Vergütung grundsätzlich nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck beim BZSt zu beantragen, kann aber abweichend davon die Datenfernübertragung nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung in Anspruch nehmen (§ 61a UStDV).

  • § 18a UStG: Abgabe der Zusammenfassenden Meldung, wenn der Unternehmer während eine Meldezeitraums (Kalendervierteljahr) innergemeinschaftliche Warenlieferungen ausgeführt hat. Die Meldung ist bis zum 10. Tage nach Ablauf des Meldezeitraums beim Bundesamt für Finanzen abzugeben.
  • § 19 GrEStG: Unter bestimmten Voraussetzungen hat der Steuerschuldner über Erwerbsvorgänge eine Anzeigepflicht. Die Anzeige ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung abzugeben.
  • § 8 VersStG: Der Versicherer hat innerhalb von 15 Tagen nach Ablauf des Anmeldungszeitraums (→ Anmeldungszeitraum) eine Steueranmeldung abzugeben.
  • § 8 FeuerschStG: s. § 8 VersStG.
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Die Abgabenordnung (AO) enthält allgemeine Vorschriften und grundsätzliche Regelungen zum Steuer- und Abgabenrecht.

  • Weil sie für alle Steuerarten materielle und verfahrensrechtliche Vorschriften hat, wird sie auch als „Mantelgesetz“ oder „Steuergrundgesetz“ bezeichnet.
  • Die konkreten Bestimmungen zur Berechnung sind nicht in der Abgabenordnung, sondern in den einzelnen Steuergesetzen geregelt.

1. Anwendungsbereich der Abgabenordnung (§ 1 AO)

1.1. Steuern durch Bundesrecht oder EU-Recht geregelt

Die Rechtsnormen der AO finden Anwendung, soweit dies § 1 AO bestimmt oder ein anderes Gesetz dies anordnet (zum Anwendungsbereich s.a. AEAO zu § 1).

Der Anwendungsbereich beschränkt sich auf die Steuern (→ Steuerschuldverhältnis) einschließlich der Steuervergütungen (§ 1 Abs. 1 AO). Die AO gilt auch für Steuererstattungen (→ Erstattungsanspruch); diese sind als Umkehr der Steuerentrichtung bereits durch den Begriff der Steuer in den Anwendungsbereich mit einbezogen (§ 37 Abs. 1 AO).

Für die von den Finanzbehörden verwalteten, durch Bundesrecht geregelten übrigen öffentlich-rechtlichen Abgaben, Prämien und Zulagen wird die Geltung der AO durch die jeweiligen Rechtsvorschriften bestimmt. Dies gilt insbes. für die Wohnungsbauprämien (→ Bausparförderung), Eigenheimzulagen (→ Eigenheimzulage), Arbeitnehmer-Sparzulagen (→ Vermögenswirksame Leistungen) und die Investitionszulagen (→ Investitionszulagengesetz).

Nach § 1 Abs. 2 AO gilt die AO für Realsteuern (→ Grundsteuer, → Gewerbesteuer, → Steuer; s.a. § 3 Abs. 2 AO), soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist, nur eingeschränkt.

Die Vorschriften der AO sind grundsätzlich sinngemäß auch auf die steuerlichen Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO; → Steuerschuldverhältnis) anzuwenden. Ausgenommen sind die Bestimmungen über die Festsetzung, Außenprüfung, Steuerfahndung und Steueraufsicht in besonderen Fällen (§§ 155 bis 217 AO), soweit sie nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt worden sind (§ 155 Abs. 3 Satz 2, § 156 Abs. 2 AO).

Die AO ist auch für die Angelegenheiten anzuwenden, die nicht unmittelbar der Besteuerung dienen, aber aufgrund der Verwaltungskompetenz für diese Steuern in den Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörden fallen (z.B. Erteilung von steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Ausstellung von Einkommensbescheinigungen für nichtsteuerliche Zwecke).

Wegen der Anwendung der AO bei der Leistung von Rechts- oder Amtshilfe wird auf die §§ 111 ff. AO hingewiesen.

1.2. Vorrang völkerrechtlicher Verträge (§ 2 AO)

Verträge mit anderen Staaten über die Besteuerung gehen den Steuergesetzen vor, soweit sie unmittelbar anwendbares Recht geworden sind (§ 2 AO). Diese Vorschrift betrifft hauptsächlich Doppelbesteuerungsabkommen (DBA; → Doppelbesteuerung). § 2 AO bewirkt, dass diese DBA den einfachen Steuergesetzen vorgehen. In DBA ist der Begriff der Geschäftsleitung (→ Örtliche Zuständigkeit) Anknüpfungspunkt für die Ansässigkeit (s. dazu Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA). Das OECD-MA definiert den Begriff der Geschäftsleitung nicht, sondern verweist auf die Begriffsbestimmung nach nationalem Recht, sodass auf § 10 AO abzustellen ist.

Hat danach eine Gesellschaft in beiden Vertragsstaaten den Ort der Geschäftsleitung, bestimmt die Kollisionsregel des Art. 4 Abs. 3 OECD-MA, dass die Gesellschaft nur in dem Vertragsstaat als ansässig gilt, in dem sich der »Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung« befindet. Danach ist entsprechend den Grundsätzen des § 10 AO anhand der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall zu bestimmen, wo sich die tatsächliche Geschäftsleitung befindet.

2. Bedeutung der Abgabenordnung

Wie aus dem Inhalt der AO ersichtlich (s. 3), sind in ihr die Rechtsnormen zusammengefasst, die für alle oder mehrere Steuerarten Anwendung finden. Die AO wird daher auch als das »Steuergrundgesetz« oder »Mantelgesetz« bezeichnet. Während die AO zum allgemeinen Steuerrecht gehört, wird das besondere Steuerrecht von den Einzelsteuergesetzen geregelt. Deren Rechtsnormen gelten nur für das jeweilige Einzelsteuergesetz.

Zu weiteren Stichworten, die die AO betreffen, s. verwandte Lexikonartikel.

3. Inhalt der AO

3.1. Allgemeines

Die AO enthält die grundlegenden Rechtsnormen für das Besteuerungsverfahren. Sie ist in neun Teile gegliedert und systematisch aufgebaut.

3.2. Erster Teil – Einleitende Vorschriften

Der erste Teil (§§ 1 bis 32 AO) enthält einleitende Vorschriften und regelt zunächst den Anwendungsbereich der AO. Danach werden fundamentale steuerliche Begriffe definiert wie z.B.:

Danach folgen die Vorschriften über die Zuständigkeiten der Finanzbehörden (§§ 16 bis 29 AO; → Örtliche Zuständigkeit), das → Steuergeheimnis und die Haftungsbeschränkung für Amtsträger.

3.3. Zweiter Teil – Steuerschuldrecht

Der erste Teil (§§ 33 bis 77 AO) klärt zunächst den Begriff des Steuerpflichtigen (→ Steuerpflicht) und regelt seine Pflichten sowie die Pflichten seiner gesetzlichen Vertreter bzw. der Verfügungsberechtigten. Im Mittelpunkt des zweiten Teils stehen die Regelungen über das → Steuerschuldverhältnis von der Entstehung bis zu seinem Erlöschen (§§ 37 bis 50 AO), die die Grundlage des materiellen Steuerrechts bilden. Geregelt werden u.a.

In einem weiteren Abschnitt werden die steuerbegünstigten Zwecke geregelt. S. dazu → Steuerbegünstigte Zwecke, → Zweckbetrieb, → Verein, → Vermögensverwaltung, → Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, → Spendenabzug.

Der vierte Abschnitt des zweiten Teils enthält die Regelungen über die → Haftung.

3.4. Dritter Teil – Allgemeine Verfahrensvorschriften

Im dritten Teil sind die grundlegendsten Vorschriften über das Steuerverwaltungsverfahren enthalten. Zunächst wird in den §§ 78 bis 81 AO festgelegt, wer die Beteiligten am Verfahren und ob diese Beteiligten auch handlungsfähig sind. Weiterhin geregelt werden die Ausschließung und Ablehnung von Amtsträgern und anderen Personen. In den §§ 85 ff. AO sind die Besteuerungsgrundsätze sowie die Möglichkeiten der Beweiserhebung normiert. Insoweit werden die Ermittlungspflichten der Finanzbehörden einerseits (§§ 85–89 AO) sowie die Mitwirkungspflichten der Beteiligten andererseits (§§ 90–100 AO) sowie die Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte (§§ 101–107 AO) geregelt. Weiterhin geregelt sind die Fristen und Termine mit entsprechenden Verweisen auf die Regelungen des BGB (insbes. §§ 187 ff. BGB) sowie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (→ Fristen und Termine). In den §§ 118 bis 133 AO sind die Vorschriften über Verwaltungsakte – vom Begriff des Verwaltungsaktes bis zur Rückname, Widerruf, Aufhebung und Änderung – enthalten (→ Verwaltungsakt, → Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden) sowie deren Wirksamkeit, Nichtigkeit und die Möglichkeit der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern.

3.5. Vierter Teil – Durchführung der Besteuerung

Im ersten Abschnitt sind die Erfassung der Steuerpflichtigen und hier insbes. die Personenstands- und Betriebsaufnahme, die Anzeigepflichten über die Erwerbstätigkeit sowie die Erteilung einer Identifikationsnummer geregelt (→ Identifikationsmerkmal).

Der zweite Abschnitt legt die Mitwirkungspflichten, insbes. bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen und der Abgabe von Steuererklärungen, fest (→ Buchführungspflicht, → Steuererklärung).

Der dritte Abschnitt regelt

  • die Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid (§ 155 AO; → Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden),
  • Form und Inhalt der Steuerbescheide,
  • die Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern als Voraussetzung für den Betriebsausgabenabzug (§ 160 AO; → Betriebsausgaben),
  • die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO; → Schätzung),
  • die Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO → Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden, → Bestandskraft, → Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO),
  • die vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 AO; → Vorläufige Steuerfestsetzung),
  • das Steueranmeldungsverfahren (§§ 167 und 168 AO; → Steueranmeldung),
  • die Festsetzungsverjährung (§§ 169 bis 171 AO; → Steuerschuldverhältnis),
  • die Bestandskraft (§§ 172 bis 177 AO; (→ Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden, → Bestandskraft, → Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO),
  • die → Kosten bei Inanspruchnahme der Finanzbehörden,
  • die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§§ 179 ff. AO; → Gesonderte Feststellung),
  • die Festsetzung von Steuermessbeträgen (§§ 184 ff. AO; → Grundsteuer, → Gewerbesteuer, → Gewerbeertrag),
  • den Erlass von Haftungsbescheiden (→ Haftung).

Die weiteren Abschnitte regeln die Durchführung der Außenprüfung, der → Steuerfahndung sowie die Steueraufsicht in besonderen Fällen.

3.6. Fünfter Teil – Erhebungsverfahren

Der fünfte Teil regelt, wie der Steueranspruch der Finanzbehörde realisiert wird. Man findet hier u.a. Regelungen über

  • die Fälligkeit (§ 220 AO; → Steuerschuldverhältnis),
  • die Stundung (§ 222 AO; → Steuerschuldverhältnis),
  • den Tag der Zahlung (§ 224 AO; → Steuerschuldverhältnis),
  • die Reihenfolge der Tilgung (§ 225 AO),
  • die → Aufrechnung (§ 226 AO),
  • den → Erlass (§ 227 AO),
  • die Zahlungsverjährung (§ 228 ff. AO; → Steuerschuldverhältnis),
  • die Verzinsung (→ Zinsen),
  • den → Säumniszuschlag sowie
  • die Erbringung von Sicherheitsleistungen (§§ 241 ff. AO).

3.7. Sechster Teil – Vollstreckung

Der sechste Teil bestimmt detailliert, wie die Finanzbehörden Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung oder ein sonstiges Verhalten von Stpfl. gefordert wird, zwangsweise durchsetzen können (§§ 249 ff. AO; → Zwangsvollstreckung; → Zwangsmittel; → Verwaltungsakt).

3.8. Siebenter Teil – Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren

Der siebente Teil normiert als sog. außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren die Rechtsschutzmöglichkeiten des Stpfl., bevor er Klage vor dem Finanzgericht erhebt (→ Einspruchsverfahren).

3.9. Achter Teil – Straf- und Bußgeldvorschriften; Straf- und Bußgeldverfahren

Der achte Teil enthält besondere Verfahrensvorschriften zur Verfolgung der → Steuerstraftaten (s.a. → Schwarzarbeit, → Selbstanzeige, → Steuerfahndung, → Steuerhinterziehung, → Steuerordnungswidrigkeiten).

3.10. Neunter Teil – Schlussvorschriften

In § 413 AO wird geregelt, welche Grundrechte nach Maßgabe der AO eingeschränkt werden. Das Inkrafttreten der AO (§ 415 AO) ergibt sich aus den jeweiligen Änderungsgesetzen. Die ursprüngliche Fassung ist am 1.1.1977 in Kraft getreten.

4. Besteuerungsverfahren

Das allgemeine Besteuerungsverfahren kann grob in drei Bereiche eingeteilt werden.

4.1. Ermittlungsverfahren

Das Finanzamt ermittelt die Besteuerungsgrundlagen i.S.d. § 199 Abs. 1 AO. Als Besteuerungsgrundlagen werden alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zugunsten sowie zuungunsten des Steuerpflichtigen bezeichnet, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind. Insbes. bildet der Inhalt der einzureichenden Steuererklärungen die Basis der Ermittlungen des Finanzamts.

Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhaltes verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbes. dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben (§ 90 AO). Darüber hinaus haben die Beteiligten und andere Personen nach § 93 AO der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Nach § 97 Abs. 1 AO kann die Finanzbehörde von den Beteiligten und anderen Personen die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung verlangen. Die Vorlage soll in der Regel erst dann verlangt werden, wenn der Vorlagepflichtige eine Auskunft nicht erteilt hat, die Auskunft unzureichend ist oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestehen (§ 97 Abs. 2 AO). Nach dem Grundsatz der »Erforderlichkeit« geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 93 AO regelmäßig das weniger belastende Mittel als die Verpflichtung zur Vorlage von Urkunden ist.

Die Finanzbehörde darf von § 97 Abs. 2 AO als Sollvorschrift nur in atypischen Fällen abweichen. Die Vorlage von Urkunden ohne vorheriges Auskunftsersuchen kann gefordert werden, wenn das Vorliegen steuerrelevanter Tatsachen nur durch die Vorlage eines Schriftstückes beweisbar oder eine Auskunft zur Wahrheitsfindung untauglich ist. Da es sich bei der Subsidiaritätsklausel in § 97 Abs. 2 Satz 1 AO um eine Vorschrift im Interesse und zugunsten des Vorlagepflichtigen handelt, berechtigt allein die Tatsache, dass die Vorlage einer Urkunde in der Sache das geeignetste Aufklärungsmittel ist, die Finanzbehörde nicht dazu, von vornherein von einem Auskunftsersuchen abzusehen und sofort die Urkundenvorlage zu verlangen. Die Finanzbehörde muss daher das Vorliegen eines atypischen und das unmittelbare Vorlageverlangen rechtfertigenden Falles darlegen. Bspw. darf die Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren eines Bankkunden von der Bank im Regelfall erst dann die Vorlage von Kontoauszügen als Urkunden i.S.d. § 97 AO verlangen, wenn die Bank eine zuvor geforderte Auskunft über das Konto nach § 93 AO nicht erteilt hat, wenn die Auskunft unzureichend ist oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestehen (BFH Urteil vom 24.2.2010, BStBl II 2011, 5).

4.2. Festsetzungsverfahren

Regelmäßig setzt das Finanzamt die Steuern durch → Steuerbescheid fest. Davon abweichend kann eine Steuerfestsetzung auch durch Vorlage einer → Steueranmeldung erfolgen (§ 168 AO).

4.3. Erhebungsverfahren

Dem Festsetzungsverfahren folgt das Erhebungsverfahren, in dem die festgesetzten Ansprüche verwirklicht werden. Zuständig sind insoweit die Finanzkassen, aber auch die Vollstreckungsstellen des Finanzamts.

5. Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens

Das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.2016 (BGBl I 2016, 1679) schafft in vielen Bereichen einen neuen Organisationsrahmen für die Zusammenarbeit von Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen. Die Änderungen betreffen insbes. folgende Bereiche:

  • → Abgabefristen von Steuererklärungen nach § 149 AO n.F.,
  • → Verspätungszuschlag gem. § 152 AO,
  • Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten i.S.d. § 157 Abs.1 AO n.F. mittels Datenabruf gem. § 122a AO n.F.,
  • Absehen von der Steuerfestsetzung gem. § 156 AO n.F. i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 → Kleinbetragsverordnung n.F.,
  • abweichender Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO n.F.,
  • Wahrung der Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 1 AO n.F. (→ Festsetzungsverjährung),
  • Ablaufhemmung bei Grundlagenbescheiden i.S.d. § 171 Abs. 10 AO n.F. (→ Festsetzungsverjährung),
  • Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 10a AO n.F. bei Datenübermittlung von Dritten i.S.d. § 93c AO n.F.,
  • Korrektur von Schreib- und Rechenfehlern des Steuerpflichtigen gem. § 173a AO n.F. (→ Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden),
  • Korrektur des Steuerbescheids bei falsch übermittelten Daten gem. § 175b AO n.F. (→ Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden).

6. Literaturhinweise

Ax/Große/Melchior/Lotz/Ziegler, Finanz und Steuern Bd. 4, 21. Auflage, Stuttgart 2017; Rätke, Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens – Auswirkungen der AO auf den Steuervollzug, BBK 13/2016, 634; Vetten, Steuermodernisierungsgesetz – ein zweiter Blick, NWB 42/2016, 3187.

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Auf Zinsen, Dividenden oder Gewinne aus Kapitalerträgen wird pauschal 25 Prozent Abgeltungssteuer erhoben.

  • Neben der Abgeltungssteuer werden in der Regel noch ein Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer direkt von Ihrem Kreditinstitut an das Finanzamt abgeführt.

1. Allgemeiner Überblick

Die Änderung der Besteuerung der Kapitaleinkünfte wurde durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) zum 1.1.2009 umgesetzt (§ 52a Abs. 15 EStG). Zu Einzelfragen hinsichtlich der Abgeltungsteuer siehe BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85. Das BMF-Schreiben vom 18.1.2016 wurde zuletzt mit BMF-Schreiben vom 16.9.2019, BStBl I 2019, 889 (LEXinform 5236939) geändert bzw. ergänzt. So wurde in Rz. 8a, in der es um Vollrisikozertifikat geht, klargestellt, dass eine Einlösung ein Veräußerungstatbestand i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG darstellt und die Anschaffungskosten des Zertifikates als Verlust zu berücksichtigen sind (s.a. BFH Urteil vom 20.11.2018, VIII 37/15, BStBl II 2019, 507).

Die konkrete Regelung zur Anwendung der jeweiligen Änderung findet sich in Rz. 324 des überarbeiteten Schreibens.

1.1. Überblick über die Besteuerung im Rahmen des Veranlagungsverfahrens:

Grundsätzlich ist die ESt für Kapitalerträge mit dem Einbehalt der KapESt und des SolZ abgegolten (§ 43 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 SolzG). § 32d EStG enthält Regelungen für eine besondere Besteuerung der Kapitalerträge im Rahmen des Veranlagungsverfahrens:

  • Pflichtveranlagung zum pauschalen Abgeltungsteuersatz nach § 32d Abs. 3 EStG, wenn kein KapESt-Einbehalt vorgenommen wurde, z.B. bei ausländischen Depots (ABC der Kapitalanlagen – Ausländische Kapitalerträge) oder privaten Darlehen (Zeilen 14 bis 19 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 144),
  • Wahlveranlagung zum pauschalen Abgeltungsteuersatz (Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge), zur Berücksichtigung besonderer Umstände (§ 32d Abs. 4 EStG; Zeile 5 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 145 bis 147),
  • Wahlveranlagung zum individuellen Steuersatz (Günstigerprüfung), sofern dieser niedriger als der Abgeltungsteuersatz von 25 % ist (§ 32d Abs. 6 EStG; Zeile 4 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 149 bis 151),
  • Ausnahmen vom Abgeltungsteuersatz zu erfassende Kapitalerträge gem. § 32d Abs. 2 EStG (zwingende Gründe z.B. bei Kapitalüberlassung an nahestehende Personen oder von Anteilseignern nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG aber auch auf Antrag in den Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG, Zeilen 20 bis 24 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 134 bis 143).

Die Abgeltungsteuerregelung gilt ausschließlich für den Bereich der privaten Kapitaleinkünfte. Gehören Kapitaleinkünfte zu anderen Einkunftsarten (§ 20 Abs. 8 EStG), sind sie dort zu erfassen. Der einheitliche Steuersatz ist dann nicht anwendbar, angefallene Werbungskosten sind berücksichtigungsfähig; es gilt das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 EStG: 40 % steuerfrei). Die anzurechnende KapESt, der SolZ und die KiSt sind in den Zeilen 47 bis 56 der Anlage KAP 2016 zu erfassen.

Die KiSt wird bei der Abgeltungsteuer als Zuschlagsteuer erhoben und der Abzug als Sonderausgabe direkt im modifizierten Abgeltungsteuersatz berücksichtigt (§ 32d Abs. 1 EStG; § 43a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG i.V.m. § 51a Abs. 2b bis 2e EStG). Wahlweise kann die Veranlagung der KiSt erfolgen (Zeile 6 der Anlage KAP 2016).

Durch eine Nichtveranlagungsbescheinigung oder einen Freistellungsauftrag kann der Abzug der Abgeltungsteuer vermieden werden (→ Kapitalertragsteuer).

Ab dem VZ 2009 sind die Kapitaleinkünfte zu unterteilen in

  1. Kapitalerträge, für die der Abgeltungsteuersatz des § 32d Abs. 1 EStG gilt und
    1. die dem Steuerabzug unterlegen haben,
    2. die nicht dem Steuerabzug unterlegen haben, sowie
  2. Kapitalerträge, die der tariflichen ESt unterliegen,
  3. Kapitalerträge, für die zur Progressionsbesteuerung optiert werden kann.

Das FG Köln hat mit Urteil vom 17.4.2013 (7 K 244/12, EFG 2013, 1328, LEXinform 5015015,) entschieden, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit Kapitalerträgen, die dem Stpfl. vor dem 1.1.2009 zugeflossen sind, weiterhin unbeschränkt als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden können. Das in einem Revisionsverfahren beim BFH überprüfte Urteil des FG Köln wurde durch denselben aufgehoben (BFH Urteil vom 2.12.2014, VIII R 34/13, BStBl II 2015, 387).

Entscheidungsgründe:

Der BFH führt in seiner Urteilsbegründung aus, dass mit der Einführung der Abgeltungssteuer für private Kapitalerträge ein Abzugsverbot für Werbungskosten angeordnet worden sei (vgl. auch BFH Urteil vom 1.7.2014, VIII R 53/12). Das Abzugsverbot für Werbungskosten solle auch dann gelten, wenn durch die Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG festgestellt werde, dass die Anwendung des individuellen Steuersatzes günstiger als die Abgeltungssteuer sei.

Eine Ungleichbehandlung zwischen Einkünften aus Kapitalvermögen zu Einkünften aus den übrigen Einkunftsarten sei durch den Vereinfachungs- und Pauschalierungszweck des § 20 Abs. 9 EStG gerechtfertigt. Der Abzug tatsächlicher Werbungskosten sei bereits durch § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen. Ziel des Gesetzgebers sei es mit der Einführung der Abgeltungsteuer gewesen, die Einkünfte aus Kapitalvermögen mit einem linearen Steuertarif i.H.v. 25 % und nicht mit einem progressiven Steuertarif von bis zu 45 % zu besteuern. Des Weiteren sei zu beachten, dass sich § 20 Abs. 9 EStG nicht auf zufließende Kapitalerträge, sondern auf abfließende Werbungskosten beziehe und durch das Urteil des FG Köln Ungleichbehandlungen und Systembrüche entstehen würden. Aus den genannten Gründen entsteht somit ein definitives Abzugsverbot für nachträglich entstandene Schuldzinsen bei Kapitaleinkünften im Rahmen der Abgeltungsteuer.

Gegensätzlich vertritt der BFH in seinem Urteil vom 27.8.2014 (VIII R 60/13, BStBl II 2015, 255) die Auffassung, dass in 2008 abgeflossene Darlehenszinsen als Werbungskosten berücksichtigt werden können, wenn die Einkünfte aus Kapitalvermögen ein Jahr später (in diesem Fall Zinsen aus einer Festgeldanlage) zufließen. § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG sei erstmalig ab dem VZ 2009 anzuwenden. Nach Auffassung des BFH ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 9 EStG, dass dieser erstmalig auf Kapitalerträge anzuwenden sei, die nach dem 31.12.2008 zufließen würden. Eine mögliche Geltung des § 20 Abs. 8 EStG hinsichtlich Werbungskosten, die mit ab dem 1.1.2009 zufließenden Kapitalerträgen verbunden sind, aber vorher bereits angefallen sind, kann dem Wortlaut nicht entnommen werden. Einkünfte aus Kapitalvermögen sind gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 veranlagungszeitraumbezogen zu ermitteln.

Das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG findet allerdings auch dann Anwendung, wenn Ausgaben, die nach dem 31.12.2008 getätigt wurden, mit Kapitalerträgen zusammenhängen, die bereits vor dem 1.1.2009 zugeflossen sind; vgl. BFH Urteil vom 28.2.2018, VIII R 41/15 (LEXinform 0950603).

1.2. Besteuerung der Erträge aus Investmentfonds ab 1.1.2018

Inländische Fonds behielten bis 31.12.2017 die Steuern bei der Ausschüttung der Erträge von den Anlegern ein. Insbesondere bei thesaurierten Erträgen (s.u.) erfolgte jedoch im Rahmen der Veranlagung zudem eine Besteuerung im Jahr, in dem die Erträge erwirtschaftet wurden. Entsprechend mussten die doppelt erfassten Erträge im Ausschüttungsjahr entsprechend verringert werden, dies hatte ebenfalls personell im Rahmen der Veranlagung zu erfolgen und war sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für das Finanzamt mühselig und fehlerbehaftet. Ab 2018 wurde diese Besteuerung geändert.

Mit dem Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung vom 19.7.2016 (Investmentsteuerreformgesetz, BGBl I 2016, 1730, BStBl I 2016, 731), welches zum 1.1.2018 in Kraft getreten ist, wird ein transparentes durch ein intransparentes Steuersystem abgelöst. Wurden beim bisherigen Transparenzsystem die Fondserträge direkt beim Anleger steuerlich erfasst, werden beim intransparenten Steuersystem die Investmentfonds selbst partiell körperschaftsteuerpflichtig.

Bisher wurden thesaurierte Erträge als sog. ausschüttungsgleiche Erträge besteuert.

Die ausschüttungsgleichen Erträge werden durch das InvStG 2018 durch eine Vorabpauschale ersetzt. Diese wird aus Vereinfachungsgründen pauschal ermittelt.

Die Vorabpauschale gilt am ersten Werktag des Folgejahres als zugeflossen. Da die Vorabpauschale für 2018 somit erst im Jahr 2019 als zugeflossen gilt, enthalten die Vordruckentwürfe für den VZ 2018 hierzu keine Abfragen. Auch entsprechende Erläuterungen werden erst im Rahmen der Veröffentlichung der Vordruckentwürfe für den VZ 2019 erfolgen.

Die in der Steuerbescheinigung auszuweisenden Angaben wurden bereits an die geänderte Rechtslage angepasst (vgl. BMF vom 15.12.2017). Die Investmenterträge sind in der Steuerbescheinigung als Teil der Kapitalerträge enthalten und werden grundsätzlich nicht gesondert ausgewiesen. Die Teilfreistellungsbeträge sind bereits berücksichtigt, so dass nur die Nettobeträge in der Steuerbescheinigung ausgewiesen werden (BMF vom 15.12.2017, Rz. 29). Auf eine zusätzliche Erfassung der Investmenterträge oder der Teilfreistellung nach dem InvStG wurde daher bei Beträgen, die aus der Steuerbescheinigung übernommen werden können, verzichtet.

Für den Gewinn aus der Veräußerung von bestandsgeschützten Alt-Anteilen wird für die Wertveränderungen ab dem 1.1.2018 ein personengebundener Freibetrag von 100 000 € gewährt (§ 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 InvStG). Voraussetzung ist, dass die Alt-Anteile seit der Anschaffung nicht im Betriebsvermögen gehalten wurden.

Der Freibetrag findet beim Steuerabzug keine Anwendung, sondern wird nur im Rahmen der Veranlagung berücksichtigt. Im nachrichtlichen Teil der Steuerbescheinigung werden hierzu jeweils die Summe der Gewinne aus bestandsgeschützten Alt-Anteilen und die Summe der Verluste aus bestandsgeschützten Alt-Anteilen gesondert ausgewiesen. Der am Schluss des Veranlagungszeitraums verbleibende Freibetrag ist bis zu seinem vollständigen Verbrauch jährlich gesondert festzustellen (§ 56 Abs. 6 Satz 2 InvStG). Die Veräußerungsgewinne/-verluste von bestandsgeschützten Alt-Anteilen werden in der Anlage KAP 2018 mit einer neuen Zeile (Zeile 8a) gesondert abgefragt, um den Freibetrag nach § 56 Abs. 6 Nr. 2 InvStG automationstechnisch fortschreiben zu können (»In Zeile 7 enthaltene Veräußerungsgewinne/-verluste aus bestandsgeschützten Alt-Anteilen i.S.d. § 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 InvStG«).

Investmenterträge, die nicht dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben, sind nun in den entsprechenden Zeilen 4 bis 8 und/oder 9 bis 23 der neuen Anlage KAP-INV 2018 zu erklären.

2. Gesonderter Steuertarif nach § 32d EStG

2.1. Abgeltungsteuer

Für Einkünfte aus Kapitalvermögen

  • im Privatvermögen
  • und solche, die nicht unter die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung fallen (Einkünfte, die nicht unter § 20 Abs. 8 EStG fallen)

beträgt der gesonderte Steuertarif nach § 32d EStG 25 % (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 132). Die ESt (Abgeltungsteuer) wird als KapESt nach § 43 EStG (für Veräußerungen i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG nach § 43 Abs. 1 Nr. 9 EStG) an der Quelle erhoben. Nach § 43 Abs. 5 EStG ist für Kapitalerträge i.S.d. § 20 EStG, die der KapESt unterlegen haben, die ESt mit dem Steuerabzug abgegolten (ABC der Kapitalanlagen – Abgeltungswirkung). Die KapESt beträgt nach § 43a Abs. 1 Nr. 1 25 % des Kapitalertrags. Nach § 43a Abs. 2 EStG unterliegen der KapESt die vollen Kapitalerträge ohne jeden Abzug.

Unter den Voraussetzungen des § 44a Abs. 1 Nr. 1 EStG ist vom Steuerabzug in den Fällen Abstand zu nehmen, soweit die Kapitalerträge den Sparer-Pauschbetrag nicht übersteigen (→ Kapitalertragsteuer). Zum Kirchensteuerabzug s. → Kirchensteuer.

Mit der Wirkung der Abgeltungsteuer auf die Einkünfteerzielungsabsicht befasste sich der achte Senat des BFH. Die mit der Abgeltungsteuer als Schedule eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) bedingen eine tatsächliche Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht. Sie gilt auch hinsichtlich von Verlusten aus der Veräußerung einer Lebensversicherung, BFH Urteil vom 14.3.2017, VIII R 38/15 (LEXinform 0950604). Den Verlust machte der Kläger als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG geltend. Der Kläger hat durch die Veräußerung der Ansprüche aus der fondsgebundenen Lebensversicherung die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG erfüllt. Gemäß § 20 Abs. 4 EStG ergibt sich daraus ein Verlust. Im Streitfall fehlen relevante Anhaltspunkte für eine Widerlegung der Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers. Der Verlust war daher anzuerkennen.

Da nach Einführung der Abgeltungsteuer durch das UntStRG 2008 die traditionelle Quellentheorie mit der Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgegeben wurde, fallen Stückzinsen unter den Veräußerungstatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG. Nach der Übergangsvorschrift des § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 werden Stückzinsen auch dann besteuert, wenn die veräußerte Forderung vor dem 1.1.2009, also der Einführung der Abgeltungsteuer, erworben wurde. In zwei Urteilen bestätigte der BFH die Anwendung der Abgeltungsteuer auf diese Stückzinsen. Zwar hat der Gesetzgeber durch § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG i.d.F. des JStG 2010 die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG für Kapitalerträge aus der Veräußerung von Kapitalforderungen, die vor dem 1.1.2009 erworben wurden, grundsätzlich ausgeschlossen. Mit § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 2 EStG hat der Gesetzgeber aber eine Rückausnahme normiert, nach der für die bei der Veräußerung in Rechnung gestellten Stückzinsen § 52a Abs. 10 Satz 6 EStG anzuwenden ist. Danach unterliegen alle nach dem 31.12.2008 zufließenden Stückzinsen der Besteuerung – unabhängig davon, wann die Kapitalforderung erworben wurde. Die Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 2 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (nunmehr § 52 Abs. 28 Satz 16 Halbsatz 2 EStG) führt nicht zu einer echten Rückwirkung hinsichtlich der Besteuerung von Stückzinsen im Veranlagungszeitraum 2009, da sie lediglich die bereits bestehende Rechtslage klarstellt (BFH Urteile vom 7.5.2019, VIII R 31/15, BStBl II 2019, 577 – LEXinform 0950526 u. VIII R 22/15, BStBl II 2019, 576 – LEXinform 0950347).

Auch der Verzicht eines Gesellschafters auf eine Darlehensforderung gegen die Gesellschaft kann nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust bei den Einkünften aus KapVerm führen (BFH vom 6.8.2019, VIII R 18/16, LEXinform 0951011) und s.a. BFH-Pressemitteilung vom 14.11.2019 (LEXinform 0450605).

2.2. Berücksichtigung der Kapitaleinkünfte ohne Kapitalertragsteuerabzug

§ 32d Abs. 3 EStG stellt klar, dass Kapitalerträge, die nicht der KapESt unterlegen haben (z.B. Zinsen aus § 20 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG, private Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, deren Schuldner kein Kreditinstitut i.S.v. § 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b EStG, sondern eine Privatperson ist, Veräußerungsgewinne i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 6 und 7 EStG, Veräußerungsgewinne aus GmbH-Anteilen, ABC der Kapitalanlagen – Grundschuldzinsen – Diskontbeträge – Veräußerungsvorgänge bei Personengesellschaften – Zinsen aus Lebensversicherungen; → Kapitalertragsteuer) in der Veranlagung gem. §§ 25 ff. EStG zu berücksichtigen sind, sodass der Stpfl. diese in seiner ESt-Erklärung anzugeben hat (Zeilen 14 bis 19 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 144). Die tarifliche ESt erhöht sich in diesen Fällen grundsätzlich um 25 % dieser Einkünfte. Nach § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG werden bei der Ermittlung der tariflichen ESt die Kapitalerträge ohne Kapitalertragsteuerabzug nicht berücksichtigt (s.a. § 2 Abs. 5b Satz 1 EStG); deshalb ist nach § 2 Abs. 6 EStG die tarifliche ESt um die nach § 32d Abs. 1 EStG ermittelte ESt zu erhöhen.

2.3. Antrag auf Steuerfestsetzung der Kapitaleinkünfte mit Kapitalertragsteuerabzug

Nach § 32d Abs. 4 EStG hat der Stpfl. die Option, die Kapitaleinkünfte, die der KapESt unterlegen haben, im Rahmen der ESt-Veranlagung zu erklären, um beim KapESt-Abzug nicht berücksichtigte Tatbestände steuermindernd geltend zu machen (Zeile 5 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 145 bis 147). Insbesondere kommen folgende Gründe in Betracht:

  • Der Sparer-Pauschbetrag wurde nicht vollständig ausgeschöpft.
  • Der Verlustvortrag nach § 20 Abs. 6 EStG soll berücksichtigt werden. Zur Verlustverrechnung bei Einkünften aus Kapitalvermögen s. → Einkünfte aus Kapitalvermögen.
  • Beim KapESt-Abzug wurde der steuermindernde Effekt der KiSt-Zahlung noch nicht berücksichtigt.
  • Beim KapESt-Abzug sind Korrekturen vorzunehmen, die nicht von der auszahlenden Stelle durchgeführt werden. Dies muss die auszahlende Stelle nach § 20 Abs. 3a Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) bescheinigen.

Zur Günstigerprüfung s.a. Sikorski, NWB 2011, 1064 (ABC der Kapitalanlagen und -einkünfte – Veranlagungswahlrecht).

2.4. Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 6 EStG

Nach § 32d Abs. 6 EStG kann der Stpfl. auf die Anwendung des § 32d EStG verzichten (s.a. → Kontenabruf). Danach werden die Kapitaleinkünfte den anderen Einkünften des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen ESt unterworfen, wenn diese zu einer niedrigeren ESt führt (Günstigerrechnung; Zeile 4 der Anlage KAP 2016 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 149 bis 151). Damit wird für Stpfl., deren persönlicher Steuersatz niedriger als der Abgeltungsteuersatz ist, die Möglichkeit geschaffen, dass ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen diesem niedrigeren Steuersatz unterworfen werden. Das FA prüft im Rahmen der Günstigerprüfung von Amts wegen, ob die Anwendung der allgemeinen Regelungen (insbesondere unter Berücksichtigung des Grundfreibetrages und des Altersentlastungsbetrages) zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung führt. Sollte dies nicht der Fall sein, gilt der Antrag als nicht gestellt (ABC der Kapitalanlagen und -einkünfte – Veranlagungswahlrecht).

Bei Ansatz der tariflichen ESt ist die KiSt auf Kapitalerträge als Sonderausgabe abzugsfähig (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG; BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 150).

Der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist auch im Rahmen der Günstigerprüfung ausgeschlossen (§ 20 Abs. 9 EStG; BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 150).

Das FG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 17.12.2012 (9 K 1637/10, EFG 2013, 1041, LEXinform 3500058) entschieden, dass der Abzug von Werbungskosten in tatsächlicher Höhe bei den Einkünften aus Kapitalvermögen jedenfalls in den Fällen auf Antrag möglich ist, in denen der tarifliche Einkommensteuersatz bereits unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags unter dem Abgeltungsteuersatz von 25 % liegt. Im Rahmen des Revisionsverfahrens hat der BFH entschieden, dass auch bei der sog. »Günstigerprüfung« § 20 Abs. 9 EStG anwendbar sei. Ein Abzug der tatsächlich angefallenen Werbungskosten zur Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen sei aus diesem Grund nicht möglich (BFH Urteil vom 28.1.2015, VIII R 13/13, BStBl II 2015, 393).

Entscheidungsgründe:

Nach Auffassung des BFH sei die verfassungskonforme Auslegung des FG hinsichtlich § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG, dass die tatsächlich entstandenen Werbungskosten abzugsfähig seien, wenn der individuelle Steuersatz unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags unter 25 % liege, falsch. Bei der durchzuführenden Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG sei die Anwendung des progressiven Regelsteuersatzes und nicht der Abgeltungssteuersatz einschlägig. Dies bedeute, dass auch bei einer durchzuführenden Günstigerprüfung das Verbot des Abzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten gem. § 20 Abs. 9 EStG einschlägig sei. Die Günstigerprüfung sei als »Billigkeitsmaßnahme« zu verstehen; gleichermaßen sollten die Anwender nicht vollständig aus dem System der Abgeltungsteuer ausscheiden.

Der entsprechende Antrag kann bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides gestellt werden bzw. solange eine Änderung nach den Vorschriften der AO (z. B. § 164 Abs. 2 AO) oder den Einzelsteuergesetzen möglich ist. §§ 177 und 351 Abs. 1 AO sind zu beachten (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 145 und 149).

Mit Urteil vom 12.5.2015 hat der BFH (BFH vom 12.5.2015, VIII R 14/13, BStBl II 2015, 806) entschieden, dass:

»1. Der zeitlich unbefristete Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG nach der Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids nur dann zu einer Änderung der Einkommensteuerfestsetzung führen kann, wenn die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift erfüllt sind.

2. Führt die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG insgesamt zu einer niedrigeren Einkommensteuer, kommt eine Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nur dann in Betracht, wenn den Steuerpflichtigen an dem nachträglichen Bekanntwerden der abgegolten besteuerten Kapitaleinkünfte kein grobes Verschulden trifft.

3. Weder der Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG noch die Vorlage einer Steuerbescheinigung sind ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.«

In dem Verfahren VIII R 14/13 stellte die Klägerin nach Ablauf der Einspruchsfrist für ihren Einkommensteuerbescheid einen Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Danach werden auf Antrag des Steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte nicht nach § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25 %, sondern nach dem individuellen Steuersatz des Steuerpflichtigen besteuert, da ihr individueller Steuersatz unter 25 % lag. Finanzamt und Finanzgericht lehnten eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides ab.

Der BFH hatte jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift verneint. Zwar wurde dem FA erst nach der Steuerfestsetzung bekannt, dass die Klägerin Kapitaleinkünfte erzielt hatte, die bei der nach § 32d Abs. 6 EStG angeordneten Gesamtbetrachtung der Besteuerungsgrundlagen zu einer niedrigeren Steuer geführt hätten. Eine Korrekturmöglichkeit für derartige »neue Tatsachen« nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist jedoch nur möglich, wenn den Steuerpflichtigen an dem nachträglichen Bekanntwerden kein Verschulden trifft. Der BFH hat hier ein Verschulden bejaht, da die Klägerin die Steuerbescheinigung über die einbehaltene Kapitalertragsteuer bereits vor der Abgabe der Einkommensteuererklärung erhalten hatte. Anders als bei der früheren Verwaltungsauffassung (z.B. LfSt Bayern mit Vfg. vom 16.2.2012 (S 0351 2.1 – 17/1 St 42, LEXinform 5233824) wird hier vom BFH bei Prüfung der Korrekturvorschrift nicht zwischen Steuerfestsetzung (Erhöhung, daher Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO = grobes Verschulden nicht zu prüfen) und Erhebung (Anrechnung) differenziert. Der BFH schaut auf das Ergebnis und kommt daher hier zu dem Schluss, dass § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO (Änderung zu Gunsten) zu prüfen ist. Diese Vorschrift ist dann jedoch nicht anzuwenden, da die nachträgliche Vorlage der Bescheinigung grob schuldhaft ist. Positiv ist allerdings, dass der BFH nicht fordert, dass der Antrag auf Günstigerprüfung immer bis zum Eintritt der Bestandskraft (Ablauf Rechtsbehelfsfrist) erfolgen muss. Dies hat Bedeutung für Fälle, in denen der Bescheid aus anderen Gründen geändert wird.

Zur Abgeltungsteuer im System der Einkommensbesteuerung s. Gieralka, Steuer & Studium 2009, 539; zur Günstigerprüfung s. Sikorski, NWB 2011, 1064 sowie Hechtner, Panorama, NWB 2011, 1769.

3. Nichtanwendung des Abgeltungsteuersatzes

3.1. Kapitalerträge bei anderen Einkunftsarten

Die Abgeltungsteuer gilt nicht für Kapitalerträge, die zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung gehören (§ 32d Abs. 1 Satz 1 EStG). Werden Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im (Sonder-) Betriebsvermögen gehalten, unterliegen die Erträge ab dem 1.1.2009 dem Teileinkünfteverfahren und nicht der Abgeltungsteuer (§ 3 Nr. 40 Satz 2 EStG). Betriebsausgaben können zu 60 % steuerlich berücksichtigt werden (§ 3c Abs. 2 EStG). Unabhängig davon ist allerdings ein Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 EStG; ABC der Kapitalanlagen – Halbeinkünfteverfahren). Die KapESt, der SolZ und die KiSt sind in den Zeilen 53 bis 55 der Anlage KAP 2016 zu erfassen.

3.2. Besondere Kapitalerträge

3.2.1. Ausschluss der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG

§ 32d Abs. 2 EStG legt als Ausnahme zu § 32d Abs. 1 EStG den Kreis solcher Kapitalerträge fest, die nicht unter den abgeltenden Steuersatz von 25 % fallen, sondern für die gemeinsam mit den Einkünften aus den anderen Einkunftsarten der progressive ESt-Tarif gilt. Durch § 32d Abs. 2 Nr. 1 bis 3 EStG sollen typisierte Missbrauchsfälle unterbunden werden.

Unter die Ausnahmeregelung fallen Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6 Satz 2 und 7 sowie Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 7 EStG, also insbesondere Einkünfte im Zusammenhang mit Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, Darlehensvereinbarungen sowie mit einer Beteiligung als stiller Gesellschafter (Zeilen 20 bis 24 der Anlage KAP 2016).

Beispiel 1:

Stpfl.Nahe stehende PersonStpfl. oder nahe stehende PersonKapitalgesellschaftStpfl.Bank
Darlehensvertrag (betrieblich oder im Zusammenhang mit Vermietung und Verpachtung)Der Stpfl. ist zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt. Gesellschafterdarlehen (betrieblich)Unterhält bei der Bank eine EinlageBank vergibt in gleicher Höhe einen Kredit an den Stpfl.
Zinserträge daraus (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG)Schuldzinsen daraus Betriebsausgaben oder Werbungskosten (Steuerentlastung max. 45 %)Zinserträge daraus (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) an Stpfl. oder nahe stehende PersonSchuldzinsen daraus im betrieblichen BereichBack-to-back-Finanzierung: Die Einkünfte aus der Einlage unterliegen dem progressiven ESt-Tarif, sofern die Bank auf den Stpfl. oder die nahe stehende Person aufgrund eines rechtlichen Anspruchs (z.B. Bürgschaft) oder einer dinglichen Sicherheit wie z.B. Grundschuld zurückgreifen kann.
Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 134 bis 136)Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 137)Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c EStG. Das gilt auch, wenn das überlassene Kapital vom Gläubiger der Kapitalerträge für die Erzielung von Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG eingesetzt wird.
Die Zinserträge unterliegen dem progressiven ESt-Tarif.
3.2.1.1. Darlehen an nahe stehende Personen nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG

Der VIII. Senat des BFH hat mit drei Urteilen vom 29.4.2014 (VIII R 9/13, VIII R 35/13 und VIII R 44/13, BStBl II 2014, 986, 990 und 992) entschieden, dass die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25 % (sog. Abgeltungsteuersatz) nicht schon deshalb nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen ist, weil Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige i.S.d. § 15 der Abgabenordnung sind.

Der BFH ließ damit zu, dass die Kapitalerträge der Darlehensgeber gem. § 32d Abs. 1 EStG nach dem günstigeren Abgeltungssteuersatz besteuert werden können.

Zwar ist nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG der Abgeltungssteuersatz ausgeschlossen, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge »einander nahe stehende Personen« sind. Der gesetzliche Tatbestand sei nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein solches Näheverhältnis nur dann vorliege, wenn auf eine der Vertragsparteien ein beherrschender oder außerhalb der Geschäftsbeziehung liegender Einfluss ausgeübt werden könne oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen bestehe.

Danach ist ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S.d. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu begründen.

Hält der Darlehensvertrag einem Fremdvergleich stand, kann im Übrigen nicht bereits aufgrund des Fehlens einer Besicherung oder einer Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung auf eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des Abgeltungssteuersatzes geschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund des Steuersatzgefälles ein Gesamtbelastungsvorteil entsteht, da Ehe und Familie bei der Einkünfteermittlung keine Vermögensgemeinschaft begründen. Diese Urteile wurden im BStBl veröffentlicht und sind allgemein anzuwenden. Soweit der Darlehensnehmer die gezahlten Schuldzinsen nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzieht, war auch schon bisher die Anwendung des günstigeren Abgeltungssteuersatzes möglich.

Mit Schreiben vom 9.12.2014 (BStBl I 2014, 1608) hat das BMF diese Grundsätze übernommen und die Rz. 136 des mittlerweile neu veröffentlichten BMF-Schreibens vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85) wie folgt ergänzt:

»Von einem solchen Beherrschungsverhältnis ist auszugehen, wenn der beherrschten Person auf Grund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt (BFH Urteile vom 29. April 2014, VIII R 9/13, VIII R 35/13, VIII R 44/13, BStBl 2014 II S. 986, 990 und 992).«

Beispiel 2:

Der Vater (V) gewährt seiner Tochter (T) im Jahr 2013 ein Darlehen über 100 000 €. Das Geld nutzt die Tochter zum Erwerb (Anschaffungskosten 300 000 €) eines zu 70 % zu eigenen Wohnzwecken und zu 30 % zu fremden Wohnzwecken vermieteten ZFH.

Der Darlehensvertrag ist steuerlich anzuerkennen. Zins (4 % p.a.) und Tilgung werden vertragsgemäß gezahlt.

Die Abgrenzung, wann ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann, ist im Einzelfall sehr schwierig. Problematisch dürfte das Näheverhältnis zu minderjährigen Kindern und Ehegatten sein.

Siehe auch BFH vom 28.01.2015, VIII R 8/14.

Leitsätze:

1. Gewährt der Steuerpflichtige seinem Ehegatten ein Darlehen zur Anschaffung einer fremdvermieteten Immobilie und erzielt er hieraus Kapitalerträge, ist die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige auf den von ihm finanziell abhängigen Ehegatten bei der Gewährung des Darlehens einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.

2. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG, da er nicht an das persönliche Näheverhältnis der Ehegatten anknüpft, sondern auf der finanziellen Abhängigkeit des Darlehensnehmers vom Darlehensgeber beruht.

Entscheidungsgründe:

Im entschiedenen Urteilsfall verblieb der Klägerin (Ehefrau) hinsichtlich der Finanzierung kein eigener Entscheidungsspielraum, da ein fremder Dritter den Erwerb und die Renovierung des (Vermietungs-)Objekts durch die Klägerin nicht zu 100 % finanziert hätte. Danach war die Klägerin bei der Aufnahme der Darlehen von dem Kläger (Ehemann) als Darlehensgeber (absolut) finanziell abhängig, sodass ein Beherrschungsverhältnis vorliegt, das gem. § 32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG zum Ausschluss der Anwendung des gesonderten Tarifs für Kapitaleinkünfte führt.

3.2.1.2. Darlehnszinsen von einer Kapitalgesellschaft § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG

Der BFH entschied in seinem Urteil (BFH vom 29.4.2014, VIII R 9/13), dass die Privilegierung von Einkünften aus Kapitalvermögen (Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG) gegenüber anderen Einkunftsarten verfassungsgemäß sei. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes gem. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 2 Abs. 1 GG, da bei einer Begünstigung einer Gesellschafterfremdfinanzierung das wirtschaftspolitische Lenkungsziel des Gesetzgebers, durch die Einführung eines Abgeltungsteuersatzes die Standortattraktivität Deutschlands im internationalen Wettbewerb für private Anleger zu erhöhen, verfehlt würde. Die Beteiligungsgrenze von mindestens 10 % an der Schuldnerin der Kapitaleinkünfte verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da sie jedenfalls nicht willkürlich ist. Die gegen dieses Urteil erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG vom 7.4.2016, 2 BvR 2325/14.

Beispiel 3:

X ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH. X hat der GmbH zusätzlich neben seinen im Privatvermögen gehaltenen Anteilen ein (steuerlich anzuerkennendes) Darlehen über 100 000 € gewährt. Neben den jährlichen Zinsen i.H.v. 5 000 € (Zahlung 1.12.) erhält X durch Beschluss vom 15.7. eine Ausschüttung i.H.v. 1 000 € (brutto).

Mit BFH-Urteil vom 20.10.2016 (VIII R 27/15) entschied der BFH, dass der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG bei einer Darlehensgewährung an eine Kapitalgesellschaft allerdings nicht schon deshalb nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG ausgeschlossen ist, weil der Gläubiger der Kapitalerträge mittelbar zu mindestens 10 % an der Schuldnerin beteiligt ist (entgegen BMF-Schreiben vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Tz 137). Sind jedoch Anteilseignerin und Schuldnerin (Enkelgesellschaft) der Kapitalerträge jeweils Kapitalgesellschaften, kann der Steuerpflichtige als Gläubiger der Kapitalerträge jedenfalls dann eine der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft nahe stehende Person i.S.d. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG sein, wenn er aufgrund seiner Beteiligung über die Mehrheit der Stimmrechte in deren Gesellschafterversammlung verfügt. Im Urteilsfall hatten die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann ein Grundstück an eine Kapitalgesellschaft veräußert. An dieser Kapitalgesellschaft (Enkelgesellschaft) waren sie nicht unmittelbar beteiligt. Die Kaufpreisforderung wurde schließlich in ein verzinsliches Darlehen umgewandelt. Die Klägerin war jedoch mit 10,86 % und später 22,80 % des Stammkapitals an einer weiteren Kapitalgesellschaft (Muttergesellschaft) beteiligt, diese wiederum hielt 94 % der Anteile an der Enkelgesellschaft. Da die Klägerin jedoch zu keinem Zeitpunkt über eine Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Muttergesellschaft verfügte, war sie im Verhältnis zur Enkelgesellschaft demnach keine nahe stehende Person gem. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG.

Dass es auf die Mehrheit der Stimmrechte in deren Gesellschafterversammlung ankommt, bestätigte der BFH mit Urteil X R 9/17 vom 9.7.2019 (LEXinform 0951501). In diesem Fall ging es auch aufgrund eines beträchtlichen Kreditvolumens um die Abgrenzung von einer gewerblichen Darlehenshingabe zur noch vorliegenden privaten Vermögensverwaltung. Insbes. die bloßen Darlehensgewährungen führen zu keiner sachlichen Verflechtung und begründen keine Betriebsaufspaltung.

3.2.2. Ausnahme i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG

Leistungen aus Lebensversicherungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG fallen ebenfalls nicht unter den Abgeltungstarif von 25 %. Betroffen sind nach dem 31.12.2004 abgeschlossene Lebensversicherungen, bei denen die Versicherungsleistung nach Vollendung des 60. Lebensjahres und nach Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsabschluss ausgezahlt wird. Bei diesen Leistungen beträgt der steuerpflichtige Ertrag die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen der Versicherungsleistung und den geleisteten Beiträgen. Sinn und Zweck ist, dass bei Anwendung des Abgeltungstarifs wegen der hälftigen Steuerbefreiung insgesamt nur 12,5 % Einkommensteuer fällig wären. Zur Vermeidung dieser (zusätzlichen) Begünstigung gilt der Abgeltungstarif nicht.

Trotzdem wird auch bei den betreffenden Lebensversicherungen ein Kapitalertragsteuerabzug von 25 % der gesamten Erträge vorgenommen. Die Besteuerung erfolgt zwingend im Rahmen der ESt-Veranlagung zum persönlichen Steuertarif. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer wird gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG angerechnet. § 20 Abs. 6 EStG ist hierbei nicht anzuwenden, es gelten somit keine Verlustausgleichsbeschränkungen, § 32d Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG. § 20 Abs. 9 EStG ist jedoch anzuwenden, d.h. als WK ist der Sparer-PB abzuziehen, der Abzug tatsächlicher höherer WK ist nicht möglich.

3.2.3. Optionsrecht i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG

Durch das JStG 2008 vom 20.12.2007 (BGBl I 2007, 3150) wird die Optionsmöglichkeit des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG bei typischerweise unternehmerischen Beteiligungen neu eingefügt (Zeilen 23 und 24 der Anlage KAP 2018 sowie BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 138 bis 143). Die Optionsmöglichkeit besteht für Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG, wenn der Stpfl.

  • zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Es ist ausreichend, dass eine mindestens 25 %ige (unmittelbare oder mittelbare) Beteiligung zu irgendeinem Zeitpunkt in dem VZ, für den der Antrag erstmals gestellt wird, vorliegt (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 139);oder
  • zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig ist.Mit Wirkung ab VZ 2017 steht die Optionsmöglichkeit nur dann zur Verfügung, wenn der Stpfl. zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist und durch eine berufliche Tätigkeit für diese maßgeblichen unternehmerischen Einfluss auf deren wirtschaftliche Tätigkeit nehmen kann.

    Unter den Begriff der beruflichen Tätigkeit fallen sowohl selbstständig als auch nichtselbstständig ausgeübte Tätigkeiten. Ob es sich bei der beruflichen Tätigkeit um eine gewerbliche, freiberufliche oder um eine andere unter die Gewinneinkünfte fallende Tätigkeit handelt, ist unerheblich. Nicht ausreichend ist eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, 953, Rz. 138). Da diese Einschränkung bislang nicht gesetzlich verankert war, stellte – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – der BFH mit Urteil vom 25.8.2015, VIII R 3/14 (BStBl II 2015, 892) klar, dass die Norm § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG (i.d.F bis VZ 2016) weder Anforderungen »qualitativer noch quantitativer Art« an die geforderte berufliche Tätigkeit für die Kapitalgesellschaft stelle.

Die erforderliche berufliche Tätigkeit »für« eine Kapitalgesellschaft setzt nach der bis Ende des VZ 2016 geltenden Fassung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG nicht voraus, dass der Gesellschafter unmittelbar für diejenige Kapitalgesellschaft tätig wird, für deren Kapitalerträge er den Antrag stellt. BFH Urteil vom 27.3.2018, VIII R 1/15 (LEXinform 0950205). Vielmehr reicht auch eine mittelbare Tätigkeit – wie im Entscheidungsfall »nur« als Geschäftsführer für die Tochtergesellschaft im Rahmen einer Organschaft – aus, um den Antrag auf Anwendung der tariflichen Einkommensteuer gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG im Zusammenhang mit den Kapitaleinkünften aus der Beteiligung an der Muttergesellschaft (Organträger) mit einer Beteiligungsquote von mehr als 5 % zu stellen.

Das abstrakte Vorliegen von Kapitalerträgen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG ermöglicht dem Stpfl. die Ausübung der Option auch dann, wenn in dem jeweiligen VZ Erträge tatsächlich nicht vorhanden sind und die Option nur dazu dient, die tatsächlich entstandenen Werbungskosten zu 60 % im Rahmen der Veranlagung zu berücksichtigen (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 143).

Nach dem BFH-Urteil vom 16.3.2010 (VIII R 20/08, BStBl II 2010, 787) können private Gesellschafter ihre → Schuldzinsen, die für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG anfallen, unter den gleichen Voraussetzungen wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehen, wenn sie auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen. Danach können Schuldzinsen nach der Veräußerung der GmbH-Anteile als Werbungskosten berücksichtigt werden, soweit der Verkaufspreis nicht zur Darlehenstilgung ausreicht.

Hinweis:

Ab dem VZ 2009 ist der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten grundsätzlich ausgeschlossen. Stattdessen wird bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen als Werbungskosten ein Betrag von 801 € bzw. 1 602 € abgezogen (Sparerpauschbetrag).

Der Gesetzgeber hat aber mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG eine Option zur Anwendung der tariflichen ESt eingeräumt. Nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG findet das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG in diesen Fällen keine Anwendung.

Wurde die Beteiligung, für die die Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ausgeübt worden ist, nach dem 31.12.2008 beendet, gelten die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG letztmalig für den VZ der Beendigung als erfüllt. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG dient lediglich der Verwaltungsvereinfachung in Form eines erleichterten Nachweises der Tatbestandsvoraussetzungen und ersetzt nicht das Vorliegen einer Beteiligung nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG. Sinkt die Beteiligung unter die Grenzen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG, ist auch innerhalb der Frist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen (s.a. BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 139).

Beispiel 4:

A hielt als Alleingesellschafter 100 % der Anteile an der der A-GmbH. Der Erwerb der Beteiligung wurde fremdfinanziert. Im Rahmen der ESt-Erklärung 2009 übte A sein Optionsrecht nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für die Beteiligung an der A-GmbH aus und beantragte den Abzug der angefallenen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Am 15.12.2010 veräußerte A die Beteiligung. Dabei verblieb ein Schuldüberhang. Im Rahmen seiner ESt-Erklärung 2011 macht A nachträgliche Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.

Lösung 4:

Da die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG im VZ 2011 zu keinem Zeitpunkt erfüllt waren, kommt ein Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht mehr in Betracht.

Die Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG kann somit letztmalig für den VZ Wirkung entfalten, in dem die Beteiligung dem Stpfl. noch als Einkunftsquelle zuzurechnen ist. Dies ist das Jahr der Veräußerung oder in Auflösungsfällen das Jahr, in dem der Veräußerungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG realisiert worden ist. Der Veräußerungsverlust nach § 17 EStG entsteht grundsätzlich im Zeitpunkt der Beendigung der Liquidation; auf das Jahr der Auflösung der Kapitalgesellschaft (z.B. durch Liquidationsbeschluss oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens) kommt es regelmäßig nicht an (s.a. Anmerkung vom 3.1.2013, LEXinform 0652019).

Trotz Einführung der Abgeltungsteuer sind nachträgliche Werbungskosten im Zusammenhang mit Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG grundsätzlich abzugsfähig (BHF Urteil vom 16.3.2010, BStBl II 2010, 787), sodass auch Zinsen im Zusammenhang mit eigenkapitalersetzenden Gesellschafterbürgschaften grundsätzlich abzugsfähig sind. Der Abzug tatsächlich angefallener Werbungskosten ist jedoch durch § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG ab dem VZ 2009 ausgeschlossen. Der vom FG Düsseldorf (Urteil vom 4.10.2012, 12 K 993/12 E, EFG 2013, 122, LEXinform 20144289) zugelassene Abzug von Werbungskosten aufgrund der Optionsmöglichkeit des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG sei ab dem VZ 2009 nicht mehr einschlägig, da zwar eine Beteiligung noch zu bejahen sei, aber durch den Kläger keine Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt werden und eine Erzielung zukünftiger Kapitalerträge ausgeschlossen sei. Aus diesem Grund können die vom Kläger im Rahmen des TEV zu 60 % geltend gemachten Zinsen nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend gemacht werden.

Sowohl die Unkenntnis des Antragsrechts gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG als auch die Unkenntnis, einen solchen Antrag neben einem Antrag auf Günstigerprüfung stellen zu können bzw. zu müssen, können bei einem nicht fachkundig beratenen Steuerpflichtigen unverschuldet sein und zur Wiedereinsetzung in die Antragsfrist gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG berechtigen (BFH Urteil vom 29.8.2017, VIII R 33/15, LEXinform 0950534). Im Streitfall hat der Kläger mit der Angabe der Beteiligungserträge aus der GmbH in Zeile 7 der Anlage KAP bei den »Kapitalerträgen, die dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben«, und dem Antrag auf Günstigerprüfung zutreffende und zulässige Angaben gemacht. Er durfte davon ausgehen, mit diesen Eintragungen alle notwendigen Angaben gemacht zu haben, um das für ihn günstigste Besteuerungsergebnis zu erreichen. Ein Anlass für weitere Eintragungen in Bezug auf die Beteiligungserträge – insbesondere in Zeile 24 und 25 Anlage Kap 2010 – ergab sich daher nicht für den Kläger.

Beachte:

Zur Günstigerprüfung enthielt die amtliche Anleitung zur Anlage KAP 2010 die – in dieser Absolutheit unvollständige und damit irreführende – Aussage, aufgrund des Antrags werde »das Finanzamt prüfen, ob sich eine niedrigere Besteuerung Ihrer Kapitalerträge ergibt«. In der Anleitung fehlt zudem ein Hinweis auf die Möglichkeit, kumulative Anträge gem. § 32d Abs. 6 EStG und gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG stellen zu können sowie zu den Rechtsfolgen, die sich bei einer Kombination der Anträge ergeben. Auch die vollständige Lektüre der Anleitung hätte dem Kläger daher nicht mit hinreichender Sicherheit vermittelt, dass er im Streitfall sowohl einen Antrag gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG als auch einen Antrag gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG hätte stellen müssen, um eine niedrigere Besteuerung als mit einem isolierten Antrag auf Günstigerprüfung zu erreichen (BFH Urteil vom 29.8.2017, VIII R 33/15, LEXinform 0950534). Der Inhalt der Anleitung zur Anlage KAP hat sich in den Jahren nicht verändert, so finden sich in der Anleitung zur Anlage KAP 2016 die gleichen Aussagen, die der BFH für unvollständig und irreführend befunden hat.

3.2.4. Ausschluss der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG

Durch das JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) wird die Nichtanwendung der Abgeltungsteuer i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG für Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 9 EStG neu eingefügt. Voraussetzung ist, dass die Gewinnausschüttungen das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben. Eine verdeckte Gewinnausschüttung mindert einerseits nicht das Einkommen der Körperschaft (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Beim Empfänger führt sie zu Einkünften aus Kapitalvermögen und ist ab 2009 dem Teileinkünfteverfahren bzw. der Abgeltungsteuer zu unterwerfen. § 8b Abs. 1 Satz 2 ff. KStG und § 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG stellen dabei sicher, dass das Teileinkünfteverfahren dem Gesellschafter nur gewährt wird, soweit die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert hat (materiell-rechtliche Korrespondenz). Der Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung ist dann auf der Ebene der Körperschaft mit KSt (Steuersatz derzeit 15 %) und auf der Ebene des Gesellschafters mit ESt (ab 2009 regelmäßig in Form der Abgeltungsteuer) belastet. Im Rahmen der Abgeltungsteuer bestand bisher keine solche materielle Korrespondenz zwischen der Abgeltungsteuer und der steuerlichen Behandlung bei der leistenden Körperschaft. Diese stellt die Neuregelung in § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG her. Durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.6.2013, BGBl I 2013, 1809) wird § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG mit Wirkung ab 1.1.2014 geringfügig geändert.

3.3. Folgen der Nichtanwendung des Abgeltungsteuersatzes

Für Kapitalerträge, die nach § 32d Abs. 2 EStG unter den allgemeinen ESt-Tarif fallen, gelten abweichend von § 20 Abs. 6 EStG die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Verlustverrechnungs- und Verlustausgleichsregeln. Außerdem sind in den Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 und 3 EStG die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen zum Werbungskostenabzug zu beachten, sodass die Regelungen des Sparer-Pauschbetrages gem. § 20 Abs. 9 EStG nicht anzuwenden sind. Zur Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrages s. BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 129.

3.4. Verrechnung zwischen regelbesteuerten Einkünften aus Kapitalvermögen und der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen

Mit Urteil vom 30.11.2016 (BFH Urteil vom 30.11.2016, VIII R 11/14, BStBl II 2017, 443) stellte der achte Senat des BFH fest, dass auf Grundlage eines gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG gestellten Antrags eine horizontale Verlustverrechnung zwischen den dem gesonderten Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden negativen Einkünften und den dem Steuertarif des § 32a EStG unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen vorzunehmen ist. Der Regelung des § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG ist nicht zu entnehmen, dass die nach § 20 EStG zu ermittelnden und den übrigen Einkünften hinzuzurechnenden Einkünfte aus Kapitalvermögen positiv sein müssen. Der Sinn und Zweck des § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG schließt es – vorbehaltlich § 20 Abs. 6 EStG – ebenfalls nicht aus, dass auch negative Kapitaleinkünfte den übrigen Einkünften i.S.d. § 2 EStG hinzugerechnet werden können. Zwar ist die Regelung in erster Linie auf nach § 20 EStG ermittelte positive Einkünfte aus Kapitalvermögen zugeschnitten, die dem abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug gem. §§ 32d Abs. 1, 43 Abs. 1 EStG unterlegen haben. Werden solche Einkünfte erzielt, kann gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG nicht der für die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich anzuwendende gesonderte Steuertarif von 25 % (§ 32d Abs. 1 Satz 1 EStG), sondern aufgrund der Hinzurechnung der Kapitaleinkünfte zu den übrigen Einkünften i.S.d. § 2 EStG der progressive Regelsteuersatz (§ 32a EStG) zur Anwendung kommen. Durch die Antragstellung können Steuerpflichtige, deren Belastung mit der tariflichen Einkommensteuer auf Kapitaleinkünfte niedriger als der gesonderte Steuertarif in Höhe von 25 % ist, erreichen, dass ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen mit den übrigen Einkünften diesem niedrigeren Steuersatz unterworfen werden (s. BMF vom 22.12.2009, IV C 1-S 2252/08/10004, BStBl I 2010, 94, Rz. 149 f.; BStBl I 2016, 85, Rz. 149; BFH Urteil vom 28.1.2015, VIII R 13/13, BStBl II 2015, 393, Rz. 13). § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG ermöglicht jedoch keine uneingeschränkte Hinzurechnung negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen zu den übrigen Einkünften gem. § 2 EStG. Eine generelle (vertikale) Verlustverrechnung negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten im Wege der Günstigerprüfung ist gem. § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG ausgeschlossen.

§ 20 Abs. 6 Satz 2 EStG verbietet eine vertikale (inner- und überperiodische) Verrechnung negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Abgeltungsteuer unterlegen haben, mit positiven tariflich besteuerten Einkünften aus anderen Einkunftsarten; die negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen sind nach § 2 Abs. 5b EStG weder in die Einkünfte noch in die Summe der (regelbesteuerten) Einkünfte und den Gesamtbetrag der (regelbesteuerten) Einkünfte einzubeziehen. § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG enthält nach seinem eindeutigen Wortlaut aber keine Beschränkung für einen horizontalen Verlustausgleich innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen und schließt damit auch die Verrechnung zwischen regelbesteuerten Einkünften aus Kapitalvermögen und der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen nicht aus.

Dies bedeutet im Ergebnis, dass der Steuerpflichtige einen Antrag gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG stellen und die gem. § 20 EStG ermittelten negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, mit gem. § 32a EStG tariflich zu besteuernden positiven Einkünften aus Kapitalvermögen im Wege des horizontalen Verlustausgleichs verrechnen kann, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer führt. Über den Antrag gem. § 32d Abs. 6 EStG werden die nach § 20 EStG ermittelten (negativen) Kapitaleinkünfte i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG im ersten Schritt unter Verdrängung des § 32d Abs. 1, 3 und 4 EStG zu Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 2 bis 5 EStG, die dem Tarif des § 32a EStG unterliegen (Baumgärtel/Lange in HHR, § 32d EStG, Rz. 82). Sie fallen nicht mehr unter die Beschränkungen des § 2 Abs. 5b EStG. Im zweiten Schritt können sie, da das Verrechnungsverbot gem. § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG insoweit nicht eingreift, mit den tariflich zu besteuernden Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung des BMF im Schreiben in BStBl I 2016, 85, Rz. 119a.

Zu beachten ist dabei jedoch, dass ein Abzug des Sparer-Pauschbetrags gem. § 20 Abs. 9 EStG von Einkünften aus Kapitalvermögen, die gem. § 32d Abs. 2 EStG tariflich besteuert werden, ausgeschlossen ist. Gem. § 20 Abs. 9 Satz 4 EStG darf der Sparer-Pauschbetrag nicht höher als die nach Maßgabe des § 20 Abs. 6 EStG verrechneten Kapitalerträge sein. Er ist somit erst nach Vornahme einer Verrechnung gem. § 20 Abs. 6 EStG und nur insoweit abziehbar, wie nach der Verrechnung noch positive Einkünfte aus Kapitalvermögen vorhanden sind, die dem gesonderten Tarif gem. § 32d Abs. 1 EStG unterliegen. Durch den Abzug des Sparer-Pauschbetrags können negative Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem gesonderten Steuertarif gem. § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, weder entstehen (BFH Urteil vom 1.7.2014, VIII R 53/12, BStBl II 2014, 975, Rz. 22) noch sich erhöhen. Dies gilt auch, wenn wie im Streitfall ein Antrag auf Günstigerprüfung gestellt wird und die Hinzurechnung vorzunehmen ist (BFH Urteil, BStBl II 2015, 393, Rz. 21 ff.), da die Regelung des § 20 Abs. 9 EStG auch im Rahmen der Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG anzuwenden ist, weil nur die »nach § 20« zu ermittelnden Kapitaleinkünfte i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG den tariflich belasteten Einkünften gem. § 2 EStG hinzugerechnet werden können.

Eine anderweitige – allgemeine – Berechtigung zur horizontalen Verlustverrechnung außerhalb einer Antragstellung und Hinzurechnung gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG auf Grundlage des § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG zwischen tariflich zu besteuernden Einkünften aus Kapitalvermögen und dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung hält auch der achte Senat des BFH für ausgeschlossen (BFH Urteil vom 30.11.2016, VIII R 11/14, BStBl II 2017, 443 unter II., 3., b – Rz. 47 und 48).

In einem weiteren Verfahren bekräftigt der 8. Senat des BFH die Voraussetzung eines Antrages auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG für die Verrechnung zwischen den dem gesonderten Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden positiven Einkünften aus Kapitalvermögen und den dem Steuertarif des § 32a EStG unterliegenden Altverlusten aus Kapitalvermögen (BFH Urteil vom 29.8.2017, VIII R 5/15, LEXinform 0950235). Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 30.11.2016, VIII R 11/14, BFHE 256, 455, BStBl II 2017, 443 Rz. 48) entschieden hat, ist eine allgemeine Berechtigung zur Verrechnung von Verlusten aus tariflich besteuerten Einkünften und positiven Kapitaleinkünften, die dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – nach § 10d EStG festgestellte Altverluste aus Kapitalvermögen vorliegen. Denn auch in diesem Fall ist erforderlich, dass die der Abgeltungsteuer unterliegenden positiven Kapitaleinkünfte im ersten Schritt unter Verdrängung des § 32d Abs. 1, 3 und 4 EStG zu Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 2 bis 5 EStG werden, die dem Tarif des § 32a EStG unterliegen. Sie fallen dann nicht mehr unter die Beschränkungen des § 2 Abs. 5b EStG. Im zweiten Schritt können sie, da das Verrechnungsverbot des § 20 Abs. 6 EStG insoweit nicht eingreift, mit den tariflich zu besteuernden Altverlusten aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Eine direkte Verrechnung der gem. § 10d EStG festgestellten Altverluste mit den im Streitjahr erzielten und der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen innerhalb der Schedule scheidet danach aus. Entgegen der Auffassung der Kläger kann eine direkte Verrechnung der dem Abgeltungsteuersatz des § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden positiven Kapitaleinkünfte mit den nach § 10d EStG festgestellten Altverlusten auch nicht aufgrund eines Antrags auf Überprüfung des Steuereinbehalts gem. § 32d Abs. 4 EStG erfolgen. Der Antrag führt nur dazu, dass Kapitalerträge, die der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, in die Veranlagung mit einbezogen werden. Dabei bleibt der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen des § 32d Abs. 1 EStG weiter anwendbar. Erforderlich für eine Verrechnung von Kapitaleinkünften, die dem gesonderten Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, mit tariflich besteuerten negativen Einkünften ist jedoch, dass die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte selbst der tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden (s.o.). Diese Rechtsfolge kann nur durch einen Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG erreicht werden. Im Urteilsfall (BFH Urteil vom 29.8.2017, VIII R 5/15, LEXinform 0950235) handelte es sich ursprünglich um negative Einkünfte i.S.d. § 20 EStG und nicht um Altverluste aus Kapitalvermögen i.S.d. § 23 EStG a.F. Hierzu befand der BFH, dass die Ungleichbehandlung der Verrechnung von Altverlusten aus Kapitalvermögen gegenüber den Altverlusten i.S.d. § 23 EStG a.F. nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Die Ungleichbehandlung, dass gem. § 20 Abs. 6 Satz 1, § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG a.F. ohne einen Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG direkt mit Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG ausgeglichen werden können, ist sachlich gerechtfertigt. Nachdem der Gesetzgeber mit der Einführung der Abgeltungsteuer einen grundlegenden Systemwechsel vollzogen hat und Einkünfte aus der Veräußerung von Wertpapieren nicht mehr als private Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 23 EStG, sondern als Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG qualifiziert hat, können Altverluste aus Wertpapiergeschäften nur noch aufgrund der Übergangsregelung des § 23 Abs. 3 EStG mit Kapitaleinkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG und Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden. Dagegen unterliegen die Altverluste aus § 20 EStG a.F. keiner Verlustverrechnungsbeschränkung. Sie können auch nach der Einführung der Abgeltungsteuer mit Einkünften aller anderen Einkunftsarten verrechnet werden. Bereits diese Einschränkung der Verlustverrechnung für Altverluste nach § 23 EStG a.F. rechtfertigt die vom Gesetzgeber in § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG direkt angeordnete Verrechnung mit den der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitaleinkünften. Zudem können Altverluste aus § 23 EStG a.F. aufgrund der Übergangsregelung des § 52a Abs. 11 Satz 11 EStG nur innerhalb von fünf Jahren nach Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 mit Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG ausgeglichen werden. Der BFH hat dies in seinem Urteil vom 6.12.2016, IX R 48/15, BFHE 256, 136, BStBl II 2017, 313) als verfassungsgemäß angesehen. Die zeitliche Verlustverrechnungsbeschränkung, die für Altverluste i.S.d. § 20 EStG a.F. nicht besteht, rechtfertigt es, dass Altverluste i.S.d. § 23 EStG a.F. auch ohne einen Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG direkt mit Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG verrechnet werden. Denn dadurch wird sichergestellt, dass die Altverluste aus § 23 EStG a.F. innerhalb der Fünfjahresfrist umfassend zur Verrechnung mit Kapitaleinkünften genutzt werden.

4. Abgeltungsteuer und Altersentlastungsbetrag

Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG, die von der Abgeltungsteuer erfasst werden, sind in die Berechnung des Altersentlastungsbetrags nicht einzubeziehen (FG Münster Urteil vom 24.3.2012, 11 K 3383/11 E, EFG 2012, 1464, LEXinform 5013505, rkr.).

Gem. § 24a EStG ist Stpfl. unter bestimmten Voraussetzungen ein → Altersentlastungsbetrag zu gewähren. Die Vorschrift bezweckt, Altersbezüge, die nicht in Leibrenten oder Versorgungsbezügen bestehen, in abgemilderter Form zu besteuern. So sollen Einkünfte, die anders als Leibrenten und Versorgungsbezüge keiner ermäßigten Besteuerung unterliegen, ebenfalls eine altersbedingte Ermäßigung erfahren. § 24a EStG sieht zwei selbstständige Bemessungsgrundlagen für den Altersentlastungsbetrag vor. Neben dem Arbeitslohn aus aktiver Arbeitstätigkeit ist dies die positive Summe der Einkünfte, die nicht zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören. Gem. § 2 Abs. 5b Satz 1 EStG sind, soweit Rechtsnormen des EStG an die Begriffe Einkünfte, Summe der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte anknüpfen, Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG, die von der Abgeltungsteuer erfasst werden, nicht einzubeziehen. Hiernach kann im Streitfall kein Altersentlastungsbetrag gem. § 24a EStG berücksichtigt werden. Der Kläger hat Kapitalerträge erzielt, die im Streitjahr unstreitig dem Steuerabzug nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG (= Abgeltungsteuer) unterlegen haben. Auf diese Erträge ist die Vorschrift des § 24a EStG, soweit sie an den Begriff der »Einkünfte« anknüpft, gem. § 2 Abs. 5b Satz 1 EStG nicht anzuwenden. Zwar schließt der Wortlaut des § 24a EStG die Berücksichtigung von Einkünften aus Kapitalvermögen nicht ausdrücklich aus. Jedoch ergibt sich ein Ausschluss von dem Steuerabzug gem. § 32d Abs. 1 und 43 Abs. 5 EStG unterliegenden Kapitalerträgen aus der – ebenso klaren und eindeutigen – Regelung des § 2 Abs. 5b Satz 1 EStG. Die Nichtberücksichtigung der dem Steuerabzug unterliegenden Kapitalerträge bei der Ermittlung des Altersentlastungsbetrages ist mit Blick auf die den Kläger bereits begünstigende Besteuerung der Kapitalerträge gem. § 32d Abs. 1 EStG folgerichtig.

5. Literaturhinweise

Hensel, Das BMF-Anwendungsschreiben vom 22.12.2009 zur Abgeltungsteuer, NWB 2010, 966; Reislhuber u.a., Weitere ausgewählte Aspekte des neuen BMF-Anwendungsschreibens zur Abgeltungsteuer, DStR 2010, 684; Paukstadt u.a., Der neue Anwendungserlass zur Abgeltungsteuer, DStR 2010, 678; Ronig, Anlage KAP 2009, NWB 2010, 1618; Worgulla, Stille Gesellschaften, partiarische Darlehen und Unterbeteiligungen – Abgrenzung und steuerliche Besonderheiten im Regime der Abgeltungsteuer –, NWB 2010, 3182; Dellner, Abgeltungsteuer und Bausparzinsen bei Eigennutzung, NWB 2010, 2444; Kühling u.a., Kein Progressionsvorbehalt für Kapitaleinkünfte ab Veranlagungszeitraum 2009, NWB 2011, 226; Eggers, Werbungskostenabzugsverbot bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, NWB 2011, 646; Hechtner u.a., Besteuerung von Stückzinsen nach den Änderungen durch das JStG 2010 – Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 16.12.2010, NWB 2011, 518; Sikorski, Keine nachträgliche Ausübung von Wahlrechten bei der Abgeltungsteuer? – Verfahrensrechtliche Probleme bei der nachträglichen Erklärung von Kapitaleinkünften –, NWB 2011, 1064; Haisch u.a., Überschusserzielungsabsicht bei der Kapitalanlage unter der Abgeltungsteuer, DStR 2011, 2178; Ronig, Praxisprobleme im Zusammenhang mit der Anlage KAP, NWB 2011, 4260; Hänsch, Die Abgeltungsteuer im System der Einkommensteuer, Steuer & Studium 2012, 275; Schäfer u.a., Offene Fragen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Abgeltungsteuer, DStR 2012, 1885; Ronig, Aktualisiertes Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer – Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 9.10.2012 –, NWB 2012, 3770; Rehr/Maciejewski, Streubesitzdividenden bei inländische Kapitalgesellschaften (leider) voll steuerpflichtig, DStR 2015, 1481; Zöller/Gläser, Abgeltungsteuer bei Angehörigen-Darlehen: Begriff der absoluten finanziellen Abhängigkeit, BB 2015, 1632; Werth, Erste BFH-Rechtsprechung zur Abgeltungsteuer, DStR 2015, 1343Zöller/Gläser, Der Begriff der nahestehenden Person i.S.d. § 32d EStG, DStR 2015, 497; Meinert, Nachträgliche Werbungskosten beim Systemwechsel zur Abgeltungsteuer, DB 2015, 890; Levedag, Finanzierung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer, GmbHR 2015, 57.

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Einkünfte aus Abgeordnetenbezügen sind steuerpflichtig und zählen zu den sonstigen Einkünften.

  • Dies gilt nach dem Abgeordnetenstatut des Europäischen Parlaments auch für die Abgeordnete und ehemalige Abgeordnete sowie ihre Hinterbliebenen, die Einkünfte aus dem Haushalt der EU beziehen.
  • Werden an den Abgeordneten pauschale Aufwandsentschädigungen gezahlt, ist der Abzug von Werbungskosten daneben ausgeschlossen, auch soweit die Aufwendungen die Aufwandsentschädigungen übersteigen.
  • Der Abzug von Wahlkampfkosten als Werbungskosten ist ausgeschlossen, soweit es um die Wahl zum Bundestag, zum Europäischen Parlament oder zu einem Landesparlament geht.
  • Wahlkampfkosten zu einem Kommunalparlament sind aber Werbungskosten. Werbungskosten liegen auch vor, wenn ein Bewerber seiner Partei die auf seine Kandidatur entfallenden Wahlkampfkosten erstattet.

1. Abgrenzung zwischen § 22 Nr. 4 und § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG

Die Abgeordnetenbezüge stellen sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 4 EStG dar. Mit der Einbeziehung der Bezüge aus einer Abgeordnetentätigkeit in die ESt-Pflicht wurde dem sog. Diäten-Urteil des BVerfG (BVerfG Urteil vom 5.11.1975, 2 BvR 193/74, BVerfGE 40, 296) Rechnung getragen, wonach aus den Abgeordnetendiäten, die früher steuerfreie Aufwandsentschädigungen i.S.d. § 3 Nr. 12 EStG waren, eine Alimentation des Abgeordneten und seiner Familie aus der Staatskasse geworden ist. Die Diäten sind heute Entgelt für die Inanspruchnahme durch das zur Hauptbeschäftigung gewordene Mandat, dessen Besteuerung nach Art. 3 Abs. 1 GG geboten ist.

Unter die Abgeordnetenbezüge i.S.d. § 22 Nr. 4 EStG fallen nur solche Leistungen, die aufgrund des Abgeordnetengesetzes, des Europaabgeordnetengesetzes oder der entsprechenden Gesetze der Länder gewährt werden. Leistungen die außerhalb dieser Gesetze erbracht werden, z.B. Zahlungen der Fraktionen, unterliegen hingegen den allgemeinen Grundsätzen steuerlicher Beurteilung. Gesondert gezahlte Tage- oder Sitzungsgelder sind nur dann nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei, wenn sie nach bundes- oder landesrechtlicher Regelung als → Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 12 und 13 EStG gezahlt werden (R 22.9 EStR).

Die OFD Niedersachsen nimmt mit Vfg. vom 15.4.2010 (S 2257a – 4 – St 236, LEXinform 5232660) zur steuerlichen Behandlung der Bezüge von Abgeordneten Stellung.

Nicht unter § 22 Nr. 4, sondern unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG fallen ehrenamtliche Stadtrats-, Gemeinderats-, Kreistagsmitglieder. Zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung der Entschädigungen an ehrenamtliche Mitglieder kommunaler Vertretungen und an ehrenamtliche Ortsvorsteher s. die Erlasse des FinMin Baden Württemberg vom 21.1.2014 (3 – S 2337/3), vom 11.3.2014 (3 – S 2337/61, LEXinform 5234691) und vom 20.3.2014 (3 – S 2337/5) unter → Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 12 und 13 EStG.

Mit Urteil vom 8.10.2008 (VIII R 58/06, BStBl II 2009, 405) bestätigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung (BFH Urteil vom 3.12.1987, IV R 41/85, BStBl II 1988, 266), nach dem die Tätigkeit als Kreistagsabgeordneter zu Einkünften aus sonstiger selbstständiger Arbeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG führt.

2. Grundentschädigung und weitere steuerpflichtige Leistungen

2.1. Grundentschädigung

Nach dem Abgeordnetengesetz (AbgG) sind die Grundentschädigungen der Bundestagsabgeordneten, Landtagsabgeordneten und Abgeordneten des Europäischen Parlaments nach § 22 Nr. 4 EStG zu versteuern. Die monatliche Entschädigung eines Mitglieds des Deutschen Bundestages orientiert sich an den Bezügen eines Richters an einem obersten Gerichtshof des Bundes (Besoldungsgruppe R 6 gemäß der Anlage IV des Bundesbesoldungsgesetzes mit Zulage für Richter und Staatsanwälte bei obersten Gerichtshöfen des Bundes). Die Abgeordnetenentschädigung beträgt 8 667 € mit Wirkung vom 1.7.2014 und 9 082 € vom 1.1.2015. Die monatliche Entschädigung wird jährlich zum 1.7., erstmals zum 1.7.2016, angepasst. Grundlage ist die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Nominallohnindex, den der Präsident des Statistischen Bundesamtes jährlich bis zum 31.3. an den Präsidenten des Deutschen Bundestages übermittelt. Dieser veröffentlicht den angepassten Betrag der Entschädigung in einer Bundestagsdrucksache (§ 11 Abs. 4 AbgG). Die Abgeordnetenentschädigung beträgt seit dem 1.7.2016 monatlich 9 327,21 € (BT-Drucks. 18/8110: Bekanntmachung der Anpassung der Abgeordnetenentschädigung nach § 11 Abs. 1 AbgG und der fiktiven Bemessungssätze nach § 35a Abs. 2 Satz 4 und § 35b Abs. 2 Satz 2 AbgG zum 1.7.2016).

Der Präsident erhält eine monatliche Amtszulage in Höhe eines Monatsbetrages, seine Stellvertreter i.H.d. Hälfte eines Monatsbetrages (§ 11 Abs. 2 AbgG).

2.2. Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung

Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung sind steuerpflichtige Einnahmen, soweit keine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 EStG eingreift (§ 27 Abs. 2 AbgG; § 22 Nr. 4 Satz 4 Buchst. a EStG). Werden anstelle der Zuschüsse Beihilfeleistungen nach § 27 Abs. 1 AbgG in Anspruch genommen, so bleiben die entsprechenden Zahlungen nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei (R 3.11 Abs. 1 Nr. 1 LStR).

2.3. Übergangsgelder

Übergangsgelder nach dem Ausscheiden aus dem Parlament (§ 18 AbgG) sind steuerpflichtige Einnahmen. Wird das Übergangsgeld in einer Summe ausgezahlt (§ 18 Abs. 3 AbgG), ist § 34 Abs. 1 EStG anzuwenden (§ 22 Nr. 4 Satz 4 Buchst. c EStG → Außerordentliche Einkünfte).

2.4. Sterbegelder

Sterbegelder (§ 24 AbgG) sind → Versorgungsbezüge i.S.d. § 19 Abs. 2 EStG.

2.5. Altersentschädigungen

Hinsichtlich der Altersentschädigungen (§§ 19–22 AbgG) handelt es sich um Versorgungsbezüge, für die der Versorgungsfreibetrag gem. § 19 Abs. 2 EStG zu gewähren ist (§ 22 Nr. 4 Satz 4 Buchst. b EStG). Der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag ist dagegen nicht zu gewähren.

2.6. Versorgungsabfindungen

Versorgungsabfindungen (§ 23 AbgG) stellen steuerpflichtige Einnahmen dar, sofern beim Ausscheiden ein Anspruch auf Altersentschädigung nicht besteht. § 34 Abs. 1 EStG ist anwendbar (§ 22 Nr. 4 Satz 4 Buchst. c EStG). Ein Versorgungsfreibetrag ist nicht zu gewähren.

2.7. Überlassung eines Dienstwagens

Die unentgeltliche Überlassung eines Dienstwagens für private Fahrten, die durch außerhalb des Mandats stehende Zwecke veranlasst sind, wie z.B. Urlaubsfahrten, stellen steuerpflichtige Einnahmen dar. Als mandatsbedingte Fahrten werden dabei alle mit der Parteiarbeit zusammenhängenden Fahrten angesehen (dabei spielt es keine Rolle, ob die Fahrten innerhalb oder außerhalb des Wahlkreises oder der Landesgrenzen erfolgen), sowie Fahrten zwischen dem Wahlkreis und dem Sitz des Landtags, die mit dem Abgeordnetenmandat oder der Parteiarbeit im Zusammenhang stehen.

3. Aufwandsentschädigung

3.1. Behandlung der Aufwandsentschädigung des Mandatsträgers

Der Erhalt einer Aufwandsentschädigung zur Abgeltung von durch das Mandat veranlassten Aufwendungen schließt nach § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG den Abzug jeglicher mandatsbedingter Aufwendungen, auch von Sonderbeiträgen an eine Partei, als Werbungskosten aus (s. KN, DStZ/E 1988, 159; Stübe, FR 1991, 385).

Auch die nach einer öffentlich-rechtlichen Satzung geleistete pauschale Reisekostenvergütung an politische Mandatsträger im Kreistag kann auch ohne Einzelnachweis gegenüber dem FA nach § 3 Nr. 13 EStG steuerbefreit sein, sofern die Pauschale die tatsächlich entstandenen Reiseaufwendungen nicht ersichtlich übersteigt (BFH Urteil vom 8.10.2008, VIII R 58/06, BStBl II 2009, 405).

3.2. Verfassungswidrigkeit der steuerfreien Kostenpauschale?

Zur Begünstigung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages bzw. der Landtage durch eine steuerfreie Kostenpauschale hat der BFH mit Urteilen vom 11.9.2008 (VI R 13/06, BStBl II 2008, 928, VI R 63/04, BFH/NV 2008, 2018, LEXinform 0585990) entschieden. Die Vorlagepflicht an das BVerfG wurde verneint. Die von den Klägern eingelegte Verfassungsbeschwerden wurden zurückgewiesen (s. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26.7.2010, 2 BvR 2227/08, 2 BvR 2228/08, FR 2010, 992; Pressemitteilung des BVerfG Nr. 62/2010 vom 12.8.2010, LEXinform 0435602; BMF vom 29.10.2010, BStBl I 2010, 1202).

Die Kläger haben den EuGH für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg angerufen (Beschwerde Nr. EGMR 7258/11 und 7227/11). Sie rügen mit ihrer Beschwerde einen Verstoß gegen das »Recht auf ein faires Verfahrens« (Art. 6 EMRK) sowie einen Verstoß gegen den »Schutz des Eigentums« (Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK) i.V.m. einem Verstoß gegen das »Diskriminierungsverbot« (Art. 14 EMRK) durch Teile der vollziehenden Staatsgewalt (Finanzverwaltung) sowie durch Teile der rechtsprechenden Staatsgewalt, zuletzt durch das BVerfG im Zusammenhang mit einer Diskriminierung der Nichtabgeordneten durch eine willkürliche gesetzliche Privilegierung (Selbstbegünstigung) der Abgeordneten des Deutschen Bundestages.

Mit Erklärung vom 21.3.2014 des EGMR werden die Verfahren Az. 7258/11 und 7227/11 für unzulässig erklärt (LEXinform 0928297). Es erfolgt somit keine Anwendung der Abgeordnetenpauschale des § 3 Nr. 12 EStG auf Stpfl. mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit (s.a. Mitteilung des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. vom 10.7.2014, LEXinform 0442087).

Zur Bedeutung der Kostenpauschale nimmt der BFH u.a. wie folgt Stellung: Der Zweck der steuerfreien Kostenpauschale der Bundestagsabgeordneten besteht darin, die den Abgeordneten typischerweise entstehenden Aufwendungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des verfassungsrechtlich geregelten Abgeordnetenstatus zu erstatten. Die mandatsbedingten Aufwendungen der Abgeordneten sind im Lichte des verfassungsrechtlich definierten Abgeordnetenstatus zu bestimmen. Der Abgeordnete ist Inhaber eines öffentlichen Amtes und Träger eines freien Mandats. Grundlage des freien Mandats ist Art. 38 Abs. 1 GG, der den Bestand und die Ausübung des Mandats schützt. Gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sind die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Die Abgeordneten sind bei der Ausübung ihres freien Mandats unabhängig. Sie bestimmen in eigener Verantwortung, wie sie ihr Amt ausüben, wo sie den Schwerpunkt ihrer Arbeit sehen und welche Kosten sie dabei auf sich nehmen.

Die Kostenpauschale wird den Bundestagsabgeordneten gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 AbgG insbesondere für

  • den Ausgleich von Bürokosten,
  • Mehraufwendungen am Sitz des Bundestages und bei Reisen,
  • Fahrtkosten für Fahrten in Ausübung des Mandats sowie
  • sonstigen mandatsbedingten Kosten wie Aufwendungen für Repräsentation und Wahlkreisbetreuung

gewährt. Sie erfasst damit Aufwendungen, die den Bundestagsabgeordneten auf Grund ihres Abgeordnetenstatus typischerweise entstehen (vgl. BT-Drs. 7/5903, 12). Mit der Kostenpauschale werden die genannten Aufwendungen der Abgeordneten unabhängig davon abgegolten, in welcher Höhe sie tatsächlich anfallen. Die pauschale Erstattung dieser Aufwendungen soll der Verwaltungsvereinfachung dienen (BFH Urteil vom 29.3.1983, VIII R 97/82, BStBl II 1983, 601) und zudem Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden, die beim Einzelnachweis mandatsbedingter Aufwendungen dadurch auftreten, dass die Aufgaben eines Abgeordneten auf Grund der Besonderheiten des Abgeordnetenstatus nicht in abschließender Form bestimmt werden. Darüber hinaus wird teilweise auch vorgebracht, dass die Kostenpauschale Chancen- und Statusgleichheit der Abgeordneten gewährleiste und der Verzicht auf eine Einzelabrechnung Rückschlüsse auf das »politische Bewegungsprofil« (Inhalt und Umfang der politischen Betätigung) des Abgeordneten verhindere.

Bei der Kostenpauschale der Bundestagsabgeordneten handelt es sich um eine Gesamtpauschale, mit der die in § 12 Abs. 2 Satz 1 AbgG aufgezählten Kosten zusammengefasst werden. Die Gesamtpauschale sollte nach dem Willen des Gesetzgebers der Tatsache Rechnung tragen, dass die von der Pauschalierung erfassten Aufwendungen bei den einzelnen Abgeordneten in unterschiedlicher Zusammensetzung anfallen (BT-Drs. 7/5903, 12). Mit der Schaffung der Gesamtpauschale hat der Gesetzgeber bewusst von der zunächst vorgesehenen Aufteilung in drei Einzelpauschalen für die Kosten des Wahlkreisbüros und der Wahlkreisbetreuung, für die Kosten der Zweitwohnung und Verpflegung sowie für Reisekosten Abstand genommen (vgl. zur Aufteilung BT-Drs. 7/5531, 22). Die Kostenpauschale kann daher im Hinblick auf die von ihr erfassten mandatsbedingten Aufwendungen nur als Ganzes beurteilt werden.

Wie die Kostenpauschale selbst dient auch ihre Steuerfreiheit der Vereinfachung und der Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten, da die Besteuerung der Kostenpauschale und die Geltendmachung der mandatsbezogenen Aufwendungen als Werbungskosten entfallen.

Die Pauschale wird jährlich zum 1.1. an die Lebenshaltungskosten angepasst und beträgt derzeit 4 305,46 € monatlich. Kosten, die darüber hinausgehen, können nicht steuerlich abgesetzt werden, denn es gibt für den Abgeordneten keine »Werbungskosten«. Der Gesetzgeber hat sich für die Kostenpauschale entschieden, da diese dem in der Verfassung verankerten Grundsatz des freien Mandats am ehesten gerecht wird. Zudem ist eine Pauschale, die sich am Durchschnittsaufwand orientiert, im Verhältnis aller Abgeordneten untereinander am gerechtesten und stellt die kostengünstigste Lösung dar. Denn im Falle von Einzelnachweisen würde sich der Verwaltungsaufwand für den Deutschen Bundestag enorm erhöhen. Ferner können durch die Gewährung einer Pauschale die Kosten im Haushalt von Anfang an – anhand der Zahl der Abgeordneten – genau berechnet werden (Homepage des Deutschen Bundestages unter www.bundestag.de dort unter Abgeordnete/Entschädigung/Kostenpauschale).

Der BFH kommt insgesamt zu folgender Entscheidung: Rügt ein Stpfl., der nicht zu den Abgeordneten des Deutschen Bundestages gehört, im finanzgerichtlichen Verfahren eine gleichheitswidrige Begünstigung der Abgeordneten auf Grund der diesen gewährten steuerfreien Kostenpauschale, so kommt eine Vorlage an das BVerfG zur Überprüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit mangels Entscheidungserheblichkeit nicht in Betracht.

Nach den Ausführungen des BVerfG im Nichtannahmebeschluss vom 26.7.2010 (2 BvR 2227/08, 2 BvR 2228/08, FR 2010, 992) ist es nicht grundsätzlich verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass Abgeordnete im Gegensatz zu anderen Stpfl. zur Abgeltung der mandatsbezogenen Aufwendungen eine steuerfreie pauschalierte Aufwandsentschädigung erhalten. Die darin liegende Ungleichbehandlung findet ihre Rechtfertigung in der besonderen Stellung des Abgeordneten, der über die Art und Weise der Wahrnehmung seines Mandats grundsätzlich frei und in ausschließlicher Verantwortung gegenüber dem Wähler entscheidet. Dies betrifft auch die Frage, welche Kosten er dabei auf sich nimmt. Deren pauschale Erstattung soll Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden, die beim Einzelnachweis mandatsbedingter Aufwendungen dadurch aufträten, dass die Aufgaben eines Abgeordneten aufgrund der Besonderheiten des Abgeordnetenstatus nicht in abschließender Form bestimmt werden könnten. Die Abgeordnetenpauschale entspricht weniger einer Werbungskostenpauschale als eher einem pauschalierten Auslagenersatz für Kosten, deren tatsächlicher Anfall vermutet wird. Wie der BFH zutreffend ausgeführt hat, dient auch deren Steuerfreiheit der Vereinfachung und der Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten, da die Besteuerung der Kostenpauschale und die Geltendmachung der mandatsbezogenen Aufwendungen als Werbungskosten entfallen. Es ist auch nicht offensichtlich, dass die Abgeordnetenentschädigung bereits im Kern nicht tatsächlich entstandenen Aufwand ausgleicht.

4. Erfolglose Wahlkampfkosten

Kosten eines erfolglosen Wahlkampfes dürfen nach § 22 Nr. 4 Satz 3 EStG nicht als Werbungskosten abgezogen werden (H 22.9 [Werbungskosten] EStH).

Die Aufwendungen für ein Wahlprüfungsverfahren zum Erhalt eines Abgeordnetenmandats stehen nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang i.S.v. § 3c Abs. 1 EStG mit steuerfreien Einnahmen in Form einer Kostenpauschale zur Abgeltung von Kosten für Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrtkosten. Sie sind deshalb in vollem Umfang bei den sonstigen Einkünften als Abgeordneter abzugsfähig (FG Berlin-Brandenburg vom 13.6.2012, 12 K 12096/09, EFG 2012, 1725 Nr. 18).

5. Vorsorgeaufwendungen

Für Altersvorsorgeaufwendungen (→ Vorsorgeaufwendungen/Altersvorsorgeaufwendungen) wird der Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 EStG gekürzt.

6. Versorgungsbezüge

Für Versorgungsbezüge gilt § 19 Abs. 2 EStG entsprechend, allerdings nur für den Versorgungsfreibetrag. Im Veranlagungszeitraum bleibt höchstens ein Betrag i.H.d. Versorgungsfreibetrages steuerfrei (§ 22 Nr. 4 Satz 4 Buchst. b EStG).

7. Fraktionszahlungen

§ 22 Nr. 4 EStG umfasst nur solche Leistungen, die auf Grund des Abgeordnetengesetzes, des Europaabgeordnetengesetzes oder der entsprechenden Gesetze der Länder gewährt werden. Leistungen, die außerhalb dieser Gesetze erbracht werden, z.B. Zahlungen der Fraktionen, unterliegen hingegen den allgemeinen Grundsätzen steuerlicher Beurteilung (R 22.9 EStR).

Bezüge von Abgeordneten aus Kassen der Fraktionen, die für regelmäßige Tätigkeiten im Auftrag der Fraktionen gezahlt werden, stellen wiederkehrende Bezüge i.S.d. § 22 Nr. 1 EStG dar. Bei Fraktionskassen handelt es sich nicht um »andere öffentliche Kassen«, deren Zahlungen nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei sind (Urteil FG Berlin vom 27.5.2002, 8 K 8658/99, EFG 2002, 1228, LEXinform 0574943, rkr.). Wie das FG feststellt, handelt es sich nicht um Einkünfte aus selbstständiger Arbeit i.S.v. § 18 EStG, da der/die Fraktionsvorsitzende nicht in einem der Katalogberufe des § 18 EStG und auch nicht in einem vergleichbaren Beruf tätig geworden ist. Sonstige selbstständige Arbeit ist in dem vorliegenden Zusammenhang ebenso wenig gegeben wie – mangels eines entsprechenden Dienstverhältnisses – nichtselbstständige Arbeit i.S.v. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Nach dem Erlass des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 14.9.1994 (32 – S 2337 – 128/5 – 2 279, LEXinform 0124229) besteht die Tätigkeit der Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktionen/Gruppen im Wesentlichen in einer intensiveren Wahrnehmung ihrer sich aus dem Abgeordnetenmandat ergebenden politischen Aufgaben. Bezüge, die für diese Tätigkeit von den Fraktionen/Gruppen gezahlt werden, gehören zu den sonstigen Einkünften i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG.

Die Frage, ob die Tätigkeit der Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen/Gruppen und der Vorsitzenden der Arbeitskreise selbstständig oder nichtselbstständig ausgeübt wird, hängt von der Art der Tätigkeit ab. Die Bezüge sind

  1. Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.S.d. § 19 Abs. 1 EStG, wenn überwiegend typisch verwaltende Tätigkeiten ausgeübt werden, wie z.B. Personalführung, Abschluss von Einstellungs- und Beschaffungsverträgen, Prüfung und Zeichnung von Buchungsbelegen, Genehmigung von Reiseanträgen;
  2. sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG, wenn überwiegend Aufgaben wahrgenommen werden, die Ausfluss des Abgeordnetenmandats sind, z.B. die Mitwirkung im Ältestenrat des Deutschen Bundestages.

Die Fraktion oder Gruppe muss die Zuordnung der Bezüge nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalles durchführen. Liegen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit vor, ist die Fraktion/Gruppe als ArbG zum Lohnsteuerabzug verpflichtet (§ 38 EStG).

Die oben bezeichneten Bezüge sind weder ganz noch teilweise Aufwandsentschädigungen i.S.d. § 3 Nr. 12 EStG; sie sind deshalb nicht steuerfrei. Aufwendungen, die durch die oben bezeichneten Tätigkeiten veranlasst sind, dürfen als Werbungskosten abgezogen werden. Das Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG ist insoweit nicht anzuwenden. Die Anerkennung von Werbungskosten setzt ihren Nachweis bzw. ihre Glaubhaftmachung voraus. Ein pauschaler Werbungskostenabzug kommt nicht in Betracht. Es ist jedoch bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1 000 € und bei sonstigen Einkünften ein Pauschbetrag von 102 € zu berücksichtigen. Die Werbungskosten brauchen deshalb nur nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht zu werden, wenn sie – ggf. zusammen mit Werbungskosten aus einer anderen nichtselbstständigen Tätigkeit – 1 000 € bzw. 102 € übersteigen (s.a. Wolf, in Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwörter »Abgeordnete« und »Bundestagsfraktionen«, Stand: 25.5.2016).

8. Literaturhinweise

KN, Sonderbeiträge eines Abgeordneten an seine Partei sind keine Werbungskosten, DStZ/E 1988, 159; Stübe, Die einkommensteuerliche Behandlung von Wahlkampfkosten anlässlich der Kandidatur für ein politisches Amt, FR 1991, 385; Lohr, Die Besteuerung von Politikern, DStR 1997, 1230; Drysch, DStR 2008, 1217.

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Die Ablaufleistung ist der Auszahlungsbetrag, den der Kunde bei Ablauf des Versicherungsvertrages erhält.

Die Ablaufleistung setzt sich aus Versicherungssumme, Überschussanteilen und ggf. einem Schlussbonus zusammen. Im Verhältnis zu den eingezahlten Prämien betrachtet, gibt die Ablaufleistung Auskunft über die Rentabilität einer Kapitallebensversicherung. Die Ablaufleistung kann nur vorausgeschätzt werden. Den größten Einfluss auf die Höhe der Ablaufleistung hat die Verzinsung des angelegten Kapitals. Unter www.zinsen-berechnen.de/Vorsorge/Lebensversicherung kann eine Berechnung der Rentabilität der abgeschlossenen Kapitallebensversicherung unter Zugrundelegung diverser Parameter durchgeführt werden.

1.2. Versicherungssumme

Die Versicherungssumme ist in der Lebensversicherung der vertraglich festgelegte Betrag, den der Versicherungsnehmer zum Ablauf oder die Bezugsberechtigten im Todesfall des Versicherten erhalten.

In der Kapitallebensversicherung bildet die Versicherungssumme zusammen mit den Überschüssen die Ablaufleistung. Die Versicherungssumme ist eine garantierte Leistung.

1.3. Überschussanteile

Überschussanteile sind die vom Versicherungsunternehmen erwirtschafteten Gewinne. Man unterscheidet zwischen Zins- und Risikoüberschüssen.

Zinsüberschüsse werden durch Gewinn bringende Anlagen der Beiträge erzielt.

Risikoüberschüsse sind Restbestände aus der Kalkulation der Beiträge (z.B. wenn weniger Todesfälle als erwartet auftreten).

1.4. Schlussbonus

Der Schlussbonus ist ein zusätzlicher Gewinnanteil einer Kapital bildenden Versicherung, der bei Ablauf der Vertragslaufzeit in voller Höhe, bei Eintritt eines Versicherungsfalles oder beim Rückkauf nur zum Teil ausgeschüttet wird. Der Schlussbonus ist nicht garantiert.

1.5. Kapitallebensversicherung

Eine Kapitallebensversicherung (→ Lebensversicherung) verbindet die Risikoabsicherung eines vorzeitigen Todesfalls mit einem Sparvorgang. Sie ist ein Baustein der privaten Altersvorsorge und gilt als sichere Anlageform. Bei Ablauf des Versicherungsvertrages wird die vereinbarte Versicherungssumme einschließlich der Überschussanteile ausgezahlt (Ablaufleistung).

1.6. Versicherungsnehmer

Der Versicherungsnehmer ist der Vertragspartner des Versicherers. Er ist Träger aller Rechte des Vertrages, d.h. er hat das Recht zu kündigen, den Vertrag zu ändern, Begünstigungen zu erteilen, den Vertrag abzutreten oder zu verpfänden. Er ist gleichzeitig Träger aller Pflichten, z.B. der Pflicht zur Prämienzahlung und der Einhaltung der Obliegenheiten.

1.7. Versicherer

Der Versicherer ist der Vertragspartner des Versicherungsnehmers. Er hat ein Recht auf die fällige Prämienzahlung und ist zur Leistung im Versicherungsfall verpflichtet.

2. Ertragsteuerrechtliche Behandlung der Ablaufleistungen

2.1. Abschluss des Versicherungsvertrages vor dem 1.1.2005

Zur Besteuerung der Erträge aus nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerpflichtigen Versicherungen hat das BMF ein umfangreiches Schreiben herausgegeben (BMF vom 22.12.2005, BStBl I 2006, 92). Dieses wurde jedoch mittlerweile durch das BMF-Schreiben vom 1.10.2009, BStBl I 2010, 1172 aufgehoben, erweitert durch das BMF-Schreiben vom 6.3.2012, BStBl I 2012, 238. Für Verträge, die vor dem 1.1.2005 geschlossen wurden, findet daher das BMF-Schreiben vom 15.6.2000, BStBl I 2000, 1118 Anwendung.

Erträge aus den Altversicherungen gehören unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 2 ff. EStG nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG alte Fassung (§ 52 Abs. 36 Satz 5 EStG) ist lediglich auf den Vertragsabschluss abzustellen. Wird der Vertrag vor dem 1.1.2005 abgeschlossen, der erste Versicherungsbeitrag jedoch erst nach dem 31.12.2004 gezahlt, können die Beiträge nicht als sonstige Vorsorgeaufwendungen (→ Vorsorgeaufwendungen/Altersvorsorgeaufwendungen) nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG berücksichtigt werden, obschon für die Besteuerung der Versicherungsleistung § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG alte Fassung anzuwenden ist, d.h. ggf. eine steuerfreie Kapitalauszahlung erfolgen kann. Zinsen aus einer Kapitallebensversicherung, die nach Ablauf eines Zeitraums von mehr als zwölf Jahren nach Vertragsabschluss bei Weiterführung des Versicherungsvertrages gezahlt werden, sind in entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. steuerfrei (BFH-Urteil vom 12.10.2005, VIII R 87/03, BStBl II 2006, 251).

Die Steuerbefreiung in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG für Zinsen aus Lebensversicherungen (→Lebensversicherung) ist nicht an die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs für die Versicherungsbeiträge geknüpft (→ Vorsorgeaufwendungen/Altersvorsorgeaufwendungen). § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG nimmt lediglich Bezug auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, nicht aber auch auf § 10 Abs. 2 EStG. Für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG kommt es deshalb lediglich darauf an, ob der betreffende Versicherungsvertrag generell zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG begünstigten Vertragstypen gehört (→ Lebensversicherung). Es ist daher unschädlich, wenn der ausländischen Lebensversicherungsgesellschaft die Erlaubnis zum Betrieb eines nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG begünstigten Versicherungszweigs im Inland nicht erteilt worden ist (BFH Urteil vom 1.3.2005, VIII R 47/01, BStBl II 2006, 365).

Schädlich für die Steuerfreiheit ist jedoch, wenn die Leistungen aus diesen Verträgen zur Absicherung eines Darlehens verwendet werden (vgl. BMF vom 15.6.2000, BStBl I 2000, 1118, Tz. 1 ff.).

2.2. Abschluss des Versicherungsvertrages nach dem 31.12.2004

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG i.d.F. des AltEinkG vom 5.7.2004 sind Erträge aus Kapitallebensversicherungen, deren Verträge nach dem 31.12.2004 abgeschlossen werden, steuerpflichtig. Nach dem BMF-Schreiben vom 1.10.2009, BStBl I 2009, 1172 unterliegen der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG:

  • Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht, soweit nicht die Rentenzahlung gewählt wird,
  • Kapitalversicherungen mit Sparanteil.

Der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG unterliegen nur der Erlebensfall oder der Rückkauf. Die Versicherungsleistung bei Eintritt des mit der Versicherung untrennbar verbundenen charakteristischen Hauptrisikos (Tod, Unfall) rechnet nicht zu den Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG. Eine die Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG ausschließende Rentenzahlung setzt voraus, dass gleich bleibende oder steigende wiederkehrende Bezüge zeitlich unbeschränkt für die Lebenszeit der versicherten Person vereinbart werden. Abgekürzte Leibrenten und Zeitrenten sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu versteuern (→ Renten). Verlängerte Leibrenten sind nur dann nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu versteuern, wenn die Rentengarantiezeit über die auf volle Jahre aufgerundete verbleibende mittlere Lebenserwartung der versicherten Person bei Rentenbeginn hinausgeht.

Zu den nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerpflichtigen Renten- und Kapitalversicherungen zählen nur solche, die einen Sparanteil enthalten.

Der Versicherungsbeitrag (Versicherungsprämie) setzt sich zusammen aus

  • dem Kostenanteil (Beitragsteil insbesondere für Verwaltungsaufgaben des Unternehmens, Abschlusskosten, Inkassokosten),
  • dem Risikoanteil (Beitragsanteil für Leistungen bei Eintritt eines charakteristischen Hauptrisikos: Tod bei Lebensversicherungen, Unfall oder Beitragsrückzahlung im Todesfall bei Unfallversicherungen mit garantierter Beitragsrückzahlung) und
  • dem Sparanteil (Beitragsanteil, der für die Finanzierung einer Erlebensfall-Leistung verwendet wird).

Die Todesfall-Leistung einer Rentenversicherung gehört nicht zu den Einnahmen aus § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Bei einer Rentenzahlung kann sich jedoch eine Besteuerung aus anderen Vorschriften (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG; → Renten) ergeben. Gleichermaßen führt die Leistung aus einer reinen Risikoversicherung (Absicherung des Todesfalls) nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG.

Die Ermittlung des Ertrags nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist nur anzuwenden, wenn der Stpfl. die Versicherung im Privatvermögen hält. Gehört der Versicherungsvertrag zu dem Betriebsvermögen des Stpfl., sind die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften anzuwenden. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören der Unterschiedsbetrag zwischen der Ablaufleistung (Versicherungsleistung) und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge im Erlebensfall.

Versicherungsleistung (Ablaufleistung) ist grundsätzlich der Gesamtbetrag der zugeflossenen Geldleistungen. In der Versicherungsleistung enthalten sind

  • die angesammelten Sparanteile,
  • die garantierte Verzinsung der Sparanteile und
  • Überschüsse aus dem Kapitalanlage-, Risiko- und Kostenergebnis.

Die Summe der entrichteten Beiträge sind die Geldleistungen (Prämien), die aufgrund des Versicherungsvertrages erbracht wurden. Hierzu gehören auch

  • die Ausfertigungsgebühr,
  • die Abschlussgebühr und
  • die Versicherungssteuer.

Die im Beitrag enthaltenen Anteile zur Absicherung des charakteristischen Hauptrisikos (Todesfallrisiko bei einer Lebensversicherung, Unfallrisiko sowie das Risiko der Beitragsrückzahlung im Todesfall bei einer Unfallversicherung mit Beitragsrückzahlung) mindern den steuerpflichtigen Ertrag. Für die Berechnung des Unterschiedsbetrags ist es grundsätzlich unerheblich, wer die Versicherungsbeiträge aufgewendet hat. Auch Beiträge, die nicht der Stpfl. aufgewendet hat, mindern den steuerpflichtigen Ertrag.

Der Unterschiedsbetrag ist Bemessungsgrundlage für den Kapitalertragsteuerabzug nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG.

Für Erträge aus Lebensversicherungen, die nach dem 31.12.2008 zufließen, findet die → Abgeltungsteuer Anwendung (§ 43 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG; → Kapitalertragsteuer). Die KapESt beträgt nach § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG 25 % des Kapitalertrags. Nach § 43 Abs. 5 EStG ist die ESt mit dem KapESt-Abzug abgegolten.

Im Fall des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG tritt allerdings eine Ausnahmeregelung ein. Wird die Versicherungsleistung nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Stpfl. und nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt, ist die Hälfte des Unterschiedsbetrags als steuerpflichtiger Ertrag anzusetzen. Nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG bleibt der hälftige Unterschiedsbetrag für Zwecke der KapESt unberücksichtigt (→ Lebensversicherung).

Weiterhin bestimmt § 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG, dass die Leistungen aus Lebensversicherungen, bei denen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG nur die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen der Versicherungsleistung und den geleisteten Beiträgen als Ertrag anzusetzen ist, nicht unter den abgeltenden Steuersatz von 25 % fallen, sondern gemeinsam mit den Einkünften aus den anderen Einkunftsarten der progressive ESt-Tarif gilt. Dies gilt in den Fällen, in denen die Versicherungsleistung nach Vollendung des 60. Lebensjahres und nach Ablauf von zwölf Jahren nach Vertragsabschluss ausgezahlt wird (→ Lebensversicherung). Die Ausnahme ist zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen gerechtfertigt, da der Wertzuwachs – bei Anwendung des Abgeltungsteuersatzes – bei diesen Leistungen lediglich i.H.v. höchstens 12,5 % besteuert würde. Damit würde ohne sachlichen Grund eine steuerrechtliche Begünstigung von Lebensversicherungsleistungen gegenüber anderen Anlageprodukten erfolgen.

Für Kapitalerträge, die nach § 32d Abs. 2 EStG unter den allgemeinen ESt-Tarif fallen, gelten abweichend von § 20 Abs. 6 EStG die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Verlustverrechnungs- und Verlustausgleichsregeln.

Zur Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG siehe § 52 Abs. 36 EStG.

2.3. Neuregelungen durch das JStG 2009

Kapitalerträge, die innerhalb eines Versicherungsvertrags i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG anfallen, unterliegen der Besteuerung erst bei Leistung im Erlebensfall oder bei Rückkauf (Kündigung) des Vertrages. Das heißt, dass die dem Versicherungsunternehmen zugeflossenen laufenden Erträge wie Zinsen und Dividenden sowie die bei Veräußerung von Vermögensgegenständen erzielten Erträge – im Gegensatz zur Direktanlage, teilweise auch im Vergleich zur Anlage in Investmentfonds – während der Laufzeit unversteuert bleiben. Außerdem sind die Erträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG nur zur Hälfte zu versteuern, wenn die Versicherungsleistung nach Ablauf von zwölf Jahren und bei Vollendung des 60. Lebensjahres des Stpfl. ausgezahlt wird.

Diese steuerlichen Privilegien sind vor dem Hintergrund der Einführung einer Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 neu zu bewerten, denn diese Reform dient neben einer Steuervereinfachung auch der Schaffung möglichst einheitlicher Wettbewerbsbedingungen für die Anbieter verschiedener Kapitalanlageprodukte. Am Markt ist gerade im Vorfeld der Einführung der Abgeltungsteuer zunehmend zu beobachten, dass Lebensversicherungsverträge mit einem minimalistisch ausgestatteten Versicherungsschutz angeboten werden. Beispielsweise gibt es Verträge, bei denen im Todesfall nur 1 % über dem zu diesem Zeitpunkt angesammelten Vermögen gezahlt wird. Außerdem werden zunehmend als »Lebensversicherungen« deklarierte Verträge mit individueller Vermögensverwaltung abgeschlossen. Diese Verträge unterscheiden sich von konventionellen Lebensversicherungen zum einen dadurch, dass für den Erlebensfall keine Versicherungsleistung garantiert wird, zum anderen bestimmt der Anleger als Herr des Geschehens die Auswahl der konkreten Kapitalanlagen und deren Rückübereignung oder die Wiederanlage. Typischerweise bieten diese Verträge ein Höchstmaß an Flexibilität hinsichtlich der Beitragsleistung und der Möglichkeit, die Versicherungsleistung abzurufen. Häufig ist es sogar möglich, ein bereits existierendes Depot als Versicherungsbeitrag zu erbringen. In der Regel erfolgt die Kapitalanlage auf einem Konto oder Depot bei einem vom Kunden frei wählbaren Kreditinstitut. Ähnlich einem Treuhandvertrag wird das Versicherungsunternehmen Eigentümer bzw. Inhaber der auf dem Konto oder Depot verwalteten Anlagegüter. Der Kunde kann unmittelbar selbst oder mittelbar über einen Verwalter über die Vermögensgegenstände disponieren.

Weitere Erläuterungen zu § 20 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 5 und 6 i.d.F. des JStG 2009 s. → Lebensversicherung.

2.4. Zeitpunkt

Stpfl. Versicherungsleistungen unterliegen dem Zuflussgebot des § 11 EStG.

3. Literaturhinweise

Paus, Neue steuerliche Behandlung von Lebens- und Rentenversicherungen, NWB Fach 3, 14047.

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Zu den abnutzbaren Wirtschaftsgütern gehören bewegliche Wirtschaftsgüter, immaterielle Wirtschaftsgüter, unbewegliche Wirtschaftsgüter

1. Übersicht
Abnutzbare Wirtschaftsgüter (WG) lassen sich unterteilen in

  1. bewegliche WG, d.h. Sachen, Tiere und Scheinbestandteile (R 7.1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStR);
  2. immaterielle Wirtschaftsgüter (→ Immaterielle Wirtschaftsgüter) (R 7.1 Abs. 1 Nr. 2 EStR; → Firmenwert);
  3. unbewegliche WG, die keine Gebäude (→ Gebäude, Begriff) oder Gebäudeteile sind (R 7.1 Abs. 1 Nr. 3 EStR);
  4. Gebäude und Gebäudeteile (R 7.1 Abs. 1 Nr. 4 EStR; → Gemischt genutzte Gebäude in der Einkommen- und Umsatzsteuer),

soweit sie zur Erzielung von Einkünften verwendet werden und einer wirtschaftlichen oder technischen Abnutzung unterliegen.

Abnutzbare WG des Anlagevermögens sind mit den Anschaffungs- oder → Herstellungskosten, vermindert um die planmäßige → Abschreibung nach § 7 EStG zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Eine → Teilwertabschreibung ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nur bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung zulässig.

2. Planmäßige Abschreibung (ohne Gebäude)

2.1. Einführung (Zweigleisigkeit der AfA)

Die Grundlage für die planmäßige → Abschreibung liefert das Handelsrecht. Gem. § 253 Abs. 3 Satz 1 HGB müssen bei Wirtschaftsgütern (WG) bzw. Vermögensgegenständen (VG), deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, sog. planmäßige Abschreibungen vorgenommen werden.

Der für die Ermittlung der planmäßigen Abschreibungen aufzustellende Plan muss die Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Geschäftsjahre verteilen, in denen der VG voraussichtlich genutzt werden kann. Zulässig ist handelsrechtlich jede Abschreibungsmethode, die den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) entspricht. Das bedeutet, dass die Abschreibungsmethode zu einer sinnvollen Verteilung der Anschaffungs- oder → Herstellungskosten führen muss, die durch die wirtschaftlichen Gegebenheiten gerechtfertigt ist, und bei der keine willkürlichen stillen Reserven gebildet werden.

Steuerlich wiederholen § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG und § 4 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. §§ 7 ff. EStG das gleiche Thema (Abschreibungspflicht bei abnutzbaren WG des Anlagevermögens), allerdings mit einer anderen Begrifflichkeit: Absetzungen für Abnutzung (AfA) und für Substanzverringerung.

Bei der Bewertung des abnutzbaren Anlagevermögens in der Steuerbilanz ist ausschließlich die Absetzung für Abnutzung bzw. für Substanzverringerung gem. § 7 EStG zulässig. Eine Abweichung von den in § 7 EStG geregelten Absetzungsmethoden ist nicht zulässig.

Die steuerlichen AfA-Regelungen gelten für alle Einkunftsarten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG) gleich.

2.2. Die planmäßige Absetzung für Abnutzung im Steuerrecht – Überblick

§ 7 EStG kennt vier reguläre AfA-Methoden:

  1. die lineare Abschreibung (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG) für alle abnutzbaren Wirtschaftsgüter (auch → Immaterielle Wirtschaftsgüter),
  2. die Leistungs-AfA (§ 7 Abs. 1 Satz 6 EStG) nur für bestimmte bewegliche Anlagegüter (die tatsächliche Leistung muss messbar sein),
  3. die Absetzung für Substanzverringerung (AfS) gem. § 7 Abs. 1 Satz 6 EStG. Die AfS kommt nur bei Bodenschätzen (Bergbauunternehmen, Steinbrüchen, etc.) in Betracht; sie wird linear oder nach Maßgabe des Substanzverzehrs vorgenommen und
  4. die → Degressive Abschreibung (§ 7 Abs. 2 EStG) für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz).

2.3. Die Leistungs-AfA gemäß § 7 Abs. 1 Satz 6 EStG

Die selten praktizierte Leistungs-AfA bei beweglichen WG setzt einen entsprechenden Leistungsnachweis über eine schwankende Nutzung voraus (R 7.4 Abs. 5 EStR). Für die Ermittlung der jährlichen AfA-Sätze bzw. AfA-Werte wird eine voraussichtliche Gesamtleistung benötigt. Diese lässt sich, soweit vorhanden, ggf. aus den Daten des Vorgänger-WG ermitteln.

Beispiel 1:

Die voraussichtliche Gesamt-Fahrleistung eines Lkw beläuft sich auf 200 000 km. Die → Anschaffungskosten des Fahrzeugs betragen 80 000 €. Die tatsächliche Jahresfahrleistung des Lkw wird nach dem km-Zähler im

  • 1. → Wirtschaftsjahr mit 90 000 km (= 45 % der Gesamtleistung),
  • 2. Wirtschaftsjahr mit 40 000 km (= 20 % der Gesamtleistung),
  • 3. Wirtschaftsjahr mit 70 000 km (= 35 % der Gesamtleistung) festgestellt.

Lösung 1:

Die Leistungs-AfA beträgt:

  • im 1. Wirtschaftsjahr 36 000 € (45 % der → Anschaffungskosten),
  • im 2. Wirtschaftsjahr 16 000 € (20 % der Anschaffungskosten) und
  • im 3. Wirtschaftsjahr 28 000 € (35 % der Anschaffungskosten).

2.4. Die Ausnahme: Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (§ 7 Abs. 1 Satz 7 EStG)

Diese Absetzung ist für alle WG, aber nicht neben der degressiven AfA zulässig (§ 7 Abs. 2 Satz 4 EStG). Sie ist in ihren Voraussetzungen mit der Teilwertabschreibung vergleichbar, setzt aber im Unterschied zu dieser eine dauernde Nutzungsbeeinträchtigung voraus. Die Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) tritt neben die normale AfA.

Beispiel 2:

→ Unternehmer U verunglückt mit einem gebrauchten Pkw (→ Anschaffungskosten in 01: 20 T€) auf einer Dienstfahrt (01). Für den Pkw war eine ND von vier Jahren angesetzt. Er lässt den Pkw zunächst nicht reparieren, wodurch sich eine Verkürzung der ND auf zwei Jahre ergibt. In 02 erfolgt die Reparatur (Kosten 3 000 €); der Pkw ist »wiederhergestellt«.

Lösung 2:

Der durch den Unfall verursachte Schaden beeinflusst die ND des Pkw und stellt damit eine außergewöhnliche technische Abnutzung i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG dar.

Zusätzlich zur normalen AfA von 5 T€ kann U in 01 als AfaA 3 T€ absetzen. Damit reduziert sich auch die AfA-Bemessungsgrundlage für die nächsten Jahre.

Gem. § 7 Abs. 1 Satz 7 Halbsatz 2 EStG führt der Wegfall der AfaA in 02 zu einer Zuschreibung der Reparaturkosten auf die fortgeführten → Anschaffungskosten. Die Reparaturkosten selbst sind in 02 als Betriebsausgabe absetzbar.

2.5. Die degressive AfA gem. § 7 Abs. 2 EStG

Mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz wird eine degressive AfA i.H.v. 25 %, höchstens das 2,5-Fache der linearen AfA, für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die in den Jahren 2020 und 2021 angeschafft oder hergestellt werden, eingeführt.

3. Bewertung der abnutzbaren Wirtschaftsgüter

3.1. Handelsrechtliche Bewertung des abnutzbaren Anlagevermögens

Die handelsrechtliche Bewertung der Positionen des Anlagevermögens ist wie folgt vorzunehmen:

  • Ausgangswert

    → Anschaffungskosten/→ Herstellungskosten, vermindert um planmäßige Abschreibungen gem. § 253 Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB i.V.m. § 255 Abs. 1 und 2 HGB.

  • Wertminderungen
    • Voraussichtlich dauernde Wertminderung: Niedrigerer Stichtagswert, zwingend gem. § 253 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 HGB.
    • Voraussichtlich vorübergehende Wertminderung: Verbot der außerplanmäßigen Abschreibung gem. § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB.

      Ausnahme: Wahlrecht bei Finanzanlagen gem. § 253 Abs. 3 Satz 4 HGB

  • Werterhöhungen

    Bei Wegfall der Voraussetzungen ist Wertaufholung (Obergrenze Anschaffungs-/→ Herstellungskosten, vermindert um planmäßige Abschreibungen gem. § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB) geboten gem. § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB. Ein Wertaufholungsverbot besteht hingegen bei einem entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder → Firmenwert.

Beispiel 3:

A hat am 2.1.01 für 30 000 € eine Maschine mit einer betriebsgewöhnlichen ND von zehn Jahren erworben. Nach einem Jahr Nutzung stellte sich heraus, dass die elektronische Steuerung der Maschine anfällig war. Wegen ständiger Unterbrechungen in der Betriebsbereitschaft konnte die Maschine im Jahr 02 nur zu 80 % ihrer normalen Auslastung genutzt werden. Am 31.12.03 beträgt der beizulegende Wert der Maschine 21 000 €, nachdem durch eine kleine Reparatur, nach dem Motto »gewusst wie«, die Störanfälligkeit auf Dauer beseitigt worden war.

Lösung 3:

Anschaffungskosten 0130 000 €
./. planmäßige Abschreibung 01 und 02./. 6 000 €
Zwischensumme24 000 €
./. außerplanmäßige Abschreibung (20 %)./. 4 800 €
Buchwert am 31.12.0219 200 €
+ Zuschreibung 03 (4 800 € nach Reparatur)+ 4 800 €
./. planmäßige Abschreibung 03./. 3 000 €
Buchwert am 31.12.0321 000 €

Hinweis:

Wenn es sich um eine voraussichtlich dauernde Wertminderung handelt, muss die außerplanmäßige Abschreibung vorgenommen werden (§ 253 Abs. 3 Satz 3, letzter Halbsatz HGB). Die planmäßigen Abschreibungsbeträge hätten sich dann auf 2 400 € (19 200 €/8) bezogen auf die Restnutzungsdauer reduziert.

Nach der Reparatur mit endgültiger Mängelbeseitigung im Jahr 03 muss eine Zuschreibung auf 21 000 € (= 19 200 € + 4 800 € ./. 3 000 €) vorgenommen werden gem. § 253 Abs. 5 HGB.

3.2. Steuerrechtliche Bewertung des abnutzbaren Anlagevermögens

Die steuerrechtliche Bewertung der Positionen des Anlagevermögens ist wie folgt vorzunehmen:

  • Ausgangswert

    → Anschaffungskosten /→ Herstellungskosten, vermindert um die Absetzung für Abnutzung (AfA) gem. § 7 und § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG;

  • Wertminderungen
    • Voraussichtlich dauernde Wertminderung: Niedrigerer Teilwert, Wahlrecht gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG;
    • Niedrigerer Ansatz wegen Vornahme einer AfaA (§ 7 Abs. 1 Satz 7 EStG).
    • Minderung aus der Übertragung von steuerfreien Rücklagen, → Sonderabschreibungen, erhöhte Absetzungen bei Ausübung des Wahlrechts gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG;
  • Weitere Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung sind nicht zulässig.
  • Werterhöhungen
    • Bei Wegfall der Voraussetzungen ist Wertaufholung auf den Regelwert geboten,

      Höchstwert: fortgeschriebene Anschaffungs- oder → Herstellungskosten bzw. fortgeschriebener Einlagewert (= Regelwert); es sei denn, der Teilwert ist niedriger (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG bzw. § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG).

    • Nach vorheriger Minderung aus der Übertragung von steuerfreien Rücklagen, Sonderabschreibungen oder erhöhten Absetzungen ist die Wertaufholung zwingend.

Beispiel 4:

Der Sachverhalt entspricht dem vorherigen Beispiel.

Lösung 4:

Eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert darf am 31.12.02 nur vorgenommen werden, wenn die Wertminderung voraussichtlich von Dauer sein wird. Die den Mangel voll beseitigende Reparatur im Jahr 03 führt zu dem Ergebnis, dass die Wertminderung nicht von Dauer ist. Eine Teilwertabschreibung auf den 31.12.02 ist deshalb nicht zulässig. Aus diesem Grund stellt sich die Frage nach der im Steuerrecht zwingenden Wertaufholung in diesem Fall nicht. Die Maschine ist in der Steuerbilanz am 31.12.02 mit 24 000 € und am 31.12.03 mit 21 000 € anzusetzen.

4. Teilwertabschreibung und Wertaufholung bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern

4.1. Gesetzliche Vorschriften

Teilwertabschreibungen (→ Teilwertabschreibung) in der Steuerbilanz sind nur zulässig, wenn die Wertminderung voraussichtlich von Dauer ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).

Wirtschaftsgüter (WG), die bereits am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zum abnutzbaren → Anlagevermögen des Unternehmers gehört haben, sind mit den um die AfA geminderten → Anschaffungskosten oder → Herstellungskosten anzusetzen (= Regelwert), es sei denn, der Teilwert ist aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG).

4.2. Anweisungen der Finanzverwaltung

Im BMF-Schreiben vom 2.9.2016 (BStBl I 2016, 995) hat die Finanzverwaltung dazu Stellung genommen, wie die voraussichtlich dauernde Wertminderung i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG bei einer → Teilwertabschreibung zu beurteilen ist. Ferner wird in dem Schreiben die zwingende Wertaufholung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und Nr. 2 Satz 3 sowie § 7 Abs. 1 Satz 6 EStG erläutert.

Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung bedeutet danach ein voraussichtlich nachhaltiges Absinken des dem Wirtschaftsgut innewohnenden Wertes unter den maßgeblichen Buchwert; eine nur vorübergehende Wertminderung reicht für eine Teilwertabschreibung nicht aus. Die Definition der voraussichtlich dauernden Wertminderung ist dem Handelsrecht entlehnt, sodass insoweit von einer Zusammenführung des Handels- und Steuerrechts gesprochen werden kann.

Die Wertminderung ist voraussichtlich nachhaltig, wenn der Steuerpflichtige mit dieser aus der Sicht des Bilanzstichtags aufgrund objektiver Anzeichen ernsthaft zu rechnen hat. Aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns müssen mehr Gründe für als gegen eine Nachhaltigkeit sprechen. Grundsätzlich ist von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen, wenn der Wert des WG am Bilanzstichtag die Bewertungsobergrenze während eines erheblichen Teils der voraussichtlichen Verweildauer im Unternehmen nicht erreichen wird. Wertminderungen aus besonderem Anlass (z.B. Katastrophen oder technischer Fortschritt) sind regelmäßig von Dauer. Zusätzliche Erkenntnisse bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Steuerbilanz sind zu berücksichtigen.

Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung ist somit anzunehmen, wenn der jeweilige beizulegende Wert an den Bilanzstichtagen während eines erheblichen Teils der Nutzungsdauer (ND) unter dem planmäßigen Buchwert liegt. Nach den Vorstellungen der Verwaltung ist eine dauernde Wertminderung beim → Anlagevermögen gegeben, wenn der jeweilige Stichtagswert mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert liegt. Die verbleibende Restnutzungsdauer ist für bewegliche Wirtschaftsgüter nach den amtlichen AfA-Tabellen zu bestimmen (vgl. Tz. 8 des BMF-Schreibens vom 2.9.2016, BStBl I 2016, 995).

Beispiel 5:

Der Steuerpflichtige ist Eigentümer eines Bürogebäudes, das auf fremdem Grund und Boden errichtet ist. Zum 31.12.01 betragen die fortgeführten → Anschaffungskosten 200 000 €. Die Restnutzungsdauer liegt bei 25 Jahren, der jährliche AfA-Betrag beträgt 8 000 €. Aufgrund eines Überangebots an Büroraum ist der Teilwert zum 31.12.01 gem. einem entsprechenden steuerlich anzuerkennenden Gutachten auf 150 000 € gesunken. Bis zur Bilanzaufstellung Ende Mai 02 hat sich die Lage am Markt nicht entspannt.

Lösung 5:

Eine Teilwertabschreibung ist nicht zulässig. Die Minderung ist voraussichtlich nicht von Dauer, da der niedrigere Stichtagswert bei planmäßiger → Abschreibung schon nach etwa sieben Jahren, d.h. schon vor Ablauf von 50 % der Restnutzungsdauer, erreicht wird. Handelsrechtlich wäre aufgrund des gemilderten Niederstwertprinzips eine Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert jedoch zulässig. Es könnte somit zu einer abweichenden Bilanzierung in Handels- und Steuerbilanz kommen.

4.3. Fazit

Der Ansatz des niedrigeren Teilwerts ist nur bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung zulässig. Eine dauerhafte Wertminderung wird dabei als ein nachhaltiges Absinken des Wertes unter den Buchwert definiert.

Damit kann eine Teilwertabschreibung erst dann in Betracht kommen, wenn der Teilwert niedriger als der planmäßige Restbuchwert ist.

Eine Teilwertabschreibung ist bei einer nur vorübergehenden Wertminderung nicht möglich.

Dem Steuerpflichtigen wird bei dem Begehren des Ansatzes eines niedrigeren Teilwertes die Feststellungslast auferlegt.

Eine Beibehaltung des niedrigeren Teilwertes für folgende Bilanzstichtage ist nur dann vorgesehen, wenn auch an diesen Stichtagen die dauernde Wertminderung vorliegt; ansonsten ist eine Zuschreibung zu den fortgeführten → Anschaffungskosten (= Regelwert) zwingend vorgeschrieben.

4.4. Wertaufholung beim abnutzbaren Anlagevermögen

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und § 7 Abs. 1 Satz 6 Halbsatz 2 EStG ist eine zwingende Wertaufholung vorzunehmen, wenn der Steuerpflichtige nicht nachweisen kann, dass der Teilwert niedriger ist als der fortgeführte Buchwert (= → Anschaffungskosten abzgl. AfA; = Regelwert). Die Feststellungslast wird dabei dem Steuerpflichtigen aufgebürdet.

Für die Frage der Wertaufholung kommt es nach Ansicht der Verwaltung (Tz. 27 des BMF-Schreibens vom 2.9.2016, BStBl I 2016, 995) nicht darauf an, ob die konkreten Gründe für die vorherige Teilwertabschreibung weggefallen sind. Auch die Erhöhung des Teilwertes aus anderen Gründen führt zu einer Korrektur des Bilanzansatzes.

Mit der Regelung von § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und § 7 Abs. 1 Satz 6 Halbsatz 2 EStG gilt ein striktes Wertaufholungsgebot. Dieses gilt abweichend vom Handelsrecht rechtsformunabhängig.

Der Bilanzansatz ergibt sich für jeden Bilanzstichtag aus dem Vergleich der um die zulässigen Abzüge geminderten Anschaffungs-/→ Herstellungskosten oder dem an diese Stelle tretenden Wert als Bewertungsobergrenze (= Regelwert) und dem niedrigeren Teilwert als Untergrenze.

Beispiel 6:

Der Unternehmer hat am 2.1.02 eine Maschine mit einer betriebsgewöhnlichen ND von zehn Jahren erworben. Die → Anschaffungskosten betrugen 30 000 €. Nach einem Jahr Nutzung stellte sich heraus, dass die elektronische Steuerung der Maschine anfällig war. Wegen ständiger Unterbrechung der Betriebsbereitschaft konnte die Maschine im Jahr 02 nur zu 80 % ihrer betriebsnormalen Auslastung genutzt werden. Der → Unternehmer nahm deshalb am 31.12.02 neben der linearen AfA von 10 % eine Teilwertabschreibung von 20 % auf den Buchwert vor und bilanzierte die Maschine am 31.12.02 mit 21 600 €.

Im Jahr 03 gelang es dem Techniker des Kundendienstes, die Steuerung der Maschine so zu reparieren, dass die Maschine von nun an störungsfrei arbeitete und voll eingesetzt werden konnte.

Lösung 6:

Da die Voraussetzungen für die Teilwertabschreibung am 31.12.03 weggefallen sind, muss zu diesem Stichtag eine Wertaufholung vorgenommen werden. Der Buchwert am 31.12.03 ist wie folgt zu ermitteln:

Anschaffungskosten30 000 €
./. AfA für die Jahre 02 und 03./. 6 000 €
Buchwert am 31.12.0324 000 €

5. Literaturhinweise

Schoor, Teilwertabschreibung und Wertaufholung, NWB 25/2015, 1865; Ronig, Zur Zulässigkeit von Teilwertabschreibungen, BBK 4/2015; Cremer, Außerplanmäßige Abschreibungen: Teilwert und beizulegender Wert – Bewertung des Vorratsvermögens nach der Subtraktions- und Formelmethode, NWB 13/2016, 13.

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Einen Abrechnungsbescheid erlässt i.d.R. die Finanzbehörde bei Streitfragen gegenüber eines Steuerpflichtigen.

 

  • Gibt es Streitfragen über Steueransprüche seitens des Steuerpflichtigen, erlässt die Finanzbehörde einen sogenannten Abrechnungsbescheid.
  • Dieser wird in der Regel vom Steuerpflichtigen beantragt.
  • Bei Streitigkeiten über Steuerabzugsbeiträge oder -vorauszahlungen entscheidet die Finanzbehörde über den Abrechnungsbescheid.
  • Der Bescheid stellt fest, inwiefern Zahlungsentrichtungen aus Ihrem Steuerbescheid erloschen sind.
  • Gegen diesen können Sie Einspruch einlegen.

1. Allgemeines

Gem. § 218 AO entscheidet das Finanzamt im Bedarfsfall per Abrechnungsbescheid bei Streitigkeiten über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis. Es handelt sich um eine Entscheidung innerhalb des Erhebungsverfahrens (→ Abgabenordnung). Für die Erteilung eines Abrechnungsbescheides ist regelmäßig ein Antrag erforderlich.

2. Anwendungsbereich

Im Abrechnungsbescheid wird darüber entschieden, ob und in welcher Höhe der Anspruch gegenüber dem Stpfl. besteht oder bereits beglichen worden ist. Jeder Stpfl., der vom Finanzamt auf Zahlung in Anspruch genommen wird oder ein Erstattungsguthaben beansprucht, ist antragsberechtigt. Zwischen dem Beteiligten und dem Finanzamt muss strittig sein, ob der betroffene Anspruch erfüllt worden ist. Der Antragsteller muss konkrete Argumente gegen den jeweiligen Bestand des Steueranspruchs erbringen. Die Erteilung eines Abrechnungsbescheides kommt daher u.a. in folgenden strittigen Fällen in Betracht:

  • Rückerstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 AO bei Überzahlungen (→ Erstattungsanspruch).
  • Erlöschen des Steueranspruchs durch Zahlung, Aufrechnung oder Zahlungsverjährung (→ Steuerschuldverhältnis).
  • Entstehung von Säumniszuschlägen; macht der Stpfl. geltend, die Säumniszuschläge seien nicht oder nicht in der angeforderten Höhe entstanden, so ist sein Vorbringen – auch wenn es als Erlassantrag bezeichnet ist – als Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides anzusehen, da nur in diesem Verfahren entschieden werden kann, ob und inwieweit Säumniszuschläge entstanden sind (BFH Urteil vom 12.8.1999, VII R 92/98, BStBl II 1999, 751).
  • Aufrechnung gem. § 226 AO.
  • Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen oder Steuervorauszahlungen auf die festgesetzte Steuerschuld. Davon zu unterscheiden ist die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Steuervorauszahlungen als eigenständiger sonstiger Verwaltungsakt (= Anrechnungsverfügung).
  • Abtretung, Verpfändung und Pfändung von Ansprüchen auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und Steuervergütungen.

3. Verfahrensrechtliche Stellung

3.1. Sonstige Verwaltungsakte

Der Abrechnungsbescheid ist ein sonstiger → Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO. Daher muss die Abrechnung gem. § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die Schriftform ist gem. § 119 Abs. 2 Satz 1 AO zunächst nicht zwingend vorgesehen. Im Hinblick auf ein regelmäßig bestehendes berechtigtes Interesse des Betroffenen ist gem. § 119 Abs. 2 Satz 2 AO der Abrechnungsbescheid schriftlich zu bestätigen. Die für Steuerbescheide (→ Steuerbescheid) und denen gleichgestellte Bescheide geltenden engeren Voraussetzungen nach § 157 AO greifen nicht.

Eine Rechtsbehelfsbelehrung gem. § 356 Abs. 1 AO ist als Sollvoraussetzung nicht zwingend vorgesehen, um die Möglichkeit der Einspruchseinlegung innerhalb eines Jahres nach § 356 Abs. 2 AO zu vermeiden, aber erforderlich.

3.2. Aufrechnung

Für die → Aufrechnung gelten nach § 226 Abs. 1 AO sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§§ 387 bis 396 BGB), soweit in § 226 Abs. 2 bis 4 AO nichts anderes bestimmt ist. Das Recht der Aufrechnung steht, falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, sowohl dem Stpfl. als auch dem Steuergläubiger zu.

Mangels hoheitlicher Maßnahme stellt die Aufrechnung keinen → Verwaltungsakt dar. Zwar tritt insoweit die Finanzbehörde gegenüber einem Bürger auf, begründet ihren Anspruch jedoch aus einer zivilrechtlichen Grundlage, wie beispielsweise Werkverträgen oder Kaufverträgen, und stellt damit die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts dar. Will der Erklärungsempfänger dagegen vorgehen, ist ein Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides erforderlich, gegen den dann die Möglichkeit der Einspruchseinlegung besteht.

3.3. Örtliche Zuständigkeit

Zuständig für den Erlass eines Abrechnungsbescheids ist die nach den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen der §§ 16 ff. AO zuständige Finanzbehörde. An seiner mit Urteil vom 12.7.2011 (VII R 69/10, BFHE 234, 114; BFH/NV 2011, 1936) vertretenen Auffassung, dass für Entscheidungen durch Abrechnungsbescheid diejenige Behörde zuständig ist, die den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis festgesetzt hat, um dessen Verwirklichung gestritten wird, hält der BFH nicht mehr fest (BFH Urteil vom 19.3.2019, VII R 27/17, BFH/NV 2019, 721; LEXinform 0951445).

3.4. Rechtsbehelfs- und Korrekturmöglichkeit

Gegen den Abrechnungsbescheid ist der Einspruch gem. § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO, gegen eine hierzu ergehende Einspruchsentscheidung ist die Anfechtungsklage gem. § 40 Abs. 1 FGO gegeben.

Eine Korrektur kommt innerhalb (vgl. § 132 AO) oder außerhalb des Einspruchsverfahrens nach § 129 AO (→ Berichtigung von Schreib-/Rechenfehlern und ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten gem. § 129 AO und § 173a AO) oder nach den §§ 130 und 131 AO (→ Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO) in Betracht. Die Anwendung der §§ 172 ff. AO scheidet aus, da der Abrechnungsbescheid kein Steuerbescheid ist.

4. Bindungswirkung an die Anrechnungsverfügung

Bei der Erstellung des Abrechnungsbescheids muss das Finanzamt von der aktuellen Steuerbescheidlage ausgehen. Dabei ist das Finanzamt an existierende Anrechnungsverfügungen, die selbstständige Verwaltungsakte (→ Verwaltungsakt) darstellen, gebunden. Die Bindungswirkung muss bei Erlass des Abrechnungsbescheides beachtet werden. Eine Korrektur (Berichtigung, Rücknahme oder Widerruf) des Verwaltungsaktes »Steueranrechnung« zugunsten oder zuungunsten des Betroffenen im Zusammenhang mit einem Abrechnungsbescheid ist nur möglich, wenn eine der Voraussetzungen der §§ 129 bis 131 AO gegeben ist.

5. Einfluss des Abrechnungsbescheides auf den Beginn der Zahlungsverjährung

Eine Korrektur der Anrechnungsverfügung ist nur innerhalb der durch die Anrechnungsverfügung in Lauf gebrachten Zahlungsverjährungsfrist zulässig (BFH Urteil vom 12.2.2008, VII R 33/06, BStBl II 2008, 504 und vom 27.10.2009, VII R 51/08, BStBl II 2010, 382). Die Verjährungsfrist des § 228 AO beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres der Bekanntgabe der Steuerfestsetzung und beträgt fünf Jahre. Nach Ablauf der Verjährungsfrist soll Rechtssicherheit darüber einkehren, was der Steuerpflichtige aufgrund der Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung anzurechnender Vorauszahlungen zu zahlen hat und was ihm zu erstatten ist. Umgekehrt kann der Steuerpflichtige nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr verlangen, dass auf die festgesetzte Steuer nachträglich etwas angerechnet oder erstattet wird. Vgl. OFD Niedersachsen vom 26.2.2015, S 0450-49-St 144.

Unterbleibt eine wegen Änderung eines Steuerbescheides erforderliche Berichtigung der Anrechnungsverfügung im Rahmen der Steuerbescheidänderung, kann sie innerhalb der fünfjährigen Zahlungsverjährungsfrist, die durch die Bekanntgabe des Steueränderungsbescheides in Lauf gesetzt wird, mit einem Abrechnungsbescheid i.S.d. § 218 Abs. 2 AO nachgeholt werden. Entsprechendes gilt für die unterbliebene Auswertung eines Feststellungsbescheides (BFH vom 29.10.2013, VII R 68/11, BStBl II 2016, 115).

Soweit die Anrechnungsverfügung keinen Widerrufsvorbehalt enthält, kann eine Korrektur der Anrechnungsverfügung bis zum Eintritt der Zahlungsverjährung nur nach §§ 129–131 AO erfolgen. Die Anrechnungsverfügung entfaltet gegenüber einem späteren Abrechnungsbescheid Bindungswirkung. Diese Bindungswirkung muss deshalb beim Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO beachtet werden (AEAO zu § 218, Nr. 3).

Zur ausführlichen Darstellung der Problematik vgl. → Zahlungsverjährung.

6. Widerstreitende Anrechnungsverfügungen und Abrechnungsbescheide – § 218 Abs. 3 AO i.V.m. § 174 AO

Die Korrektur- und Verjährungsvorschrift des § 218 Abs. 3 AO ermöglicht die Korrektur von widerstreitenden Anrechnungsverfügungen bzw. Abrechnungsbescheiden unter entsprechender Anwendung des § 174 Abs. 4 und 5 AO. Beantragt z.B. ein Ehegatte die Korrektur seiner Anrechnungsverfügung zu seinen Gunsten, ermöglicht es § 218 Abs. 3 AO, eine sich danach ergebende widerstreitende Anrechnung beim anderen Ehegatten zu korrigieren. Der zugrunde liegende einheitliche Lebenssachverhalt ist bei allen Beteiligten übereinstimmend zu beurteilen.

Gegenüber einer Person, die im Ausgangsverfahren nicht Antragsteller war, ist eine für sie nachteilige Korrektur ihrer Anrechnungsverfügung oder ihres Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 3 AO nur dann möglich, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung der fehlerhaften Anrechnungsverfügung bzw. des fehlerhaften Abrechnungsbescheids geführt hat, in entsprechender Anwendung des § 174 Abs. 5 AO beteiligt wurde. Für eine wirksame Beteiligung dieser Person muss ihr auch der Verwaltungsakt bzw. im Einspruchsverfahren die Einspruchsentscheidung bekannt gegeben werden (vgl. BFH Urteile vom 11.4.1991, V R 40/86, BStBl II 1991, 605, und vom 5.5.1993, X R 111/91, BStBl II 1993, 817). Die Beiladung nach § 218 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO ist bereits dann gerechtfertigt, wenn wegen eines der in § 218 Abs. 3 Satz 1 AO genannten Verfahren die Möglichkeit einer Folgeänderung besteht und das FA die Beiladung beantragt oder veranlasst hat (vgl BFH Beschluss vom 29.5.2018, VII B 112/17, BFH/NV 2018, 972).

Hinsichtlich des Antragstellers oder Rechtsbehelfsführers wird die Zahlungsverjährung nach § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrochen. Die Zahlungsverjährungsfrist gegenüber einer Person, die im Ausgangsverfahren nicht Rechtsbehelfsführer/Antragsteller war, wird in entsprechender Anwendung des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unterbrochen, wenn sie vor Eintritt der ihr gegenüber geltenden Zahlungsverjährung beteiligt wurde (vgl. AEAO zu § 218, Nr. 4.2) und ihr gegenüber die entsprechenden steuerlichen Folgen innerhalb eines Jahres nach Korrektur der Anrechnungsverfügung oder des Abrechnungsbescheids im Ausgangsverfahren gezogen werden (vgl. AEAO zu § 218, Nr. 4.5).

Rechtsbehelfe können nur gegen den im Ausgangsverfahren erlassenen Verwaltungsakt eingelegt werden.

Wurde die Korrektur einer Anrechnungsverfügung zu Gunsten nicht auf Antrag des Steuerpflichtigen durchgeführt (Änderung von Amts wegen), ist § 218 Abs. 3 AO nicht anwendbar.

7. Literaturhinweise

Ripken, Abrechnungsbescheid als Mittel der Steuerschlichtung, NWB Fach 2, 8181.

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Abschreibungen werden im Einkommensteuergesetz Absetzung für Abnutzung (AfA) genannt.

  • Ab einem bestimmten Wert dürfen Anschaffungskosten für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, nicht sofort im Jahr der Anschaffung vollständig steuerwirksam geltend gemacht werden, sondern müssen auf ihren Nutzungszeitraum verteilt abgeschrieben werden.Abschreibungen können als Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden.

1. Abschreibungen nach Handelsrecht

Das Handelsrecht versteht unter Abschreibungen den Werteverzehr von Vermögensgegenständen und verfolgt damit den Zweck der Darstellung der Vermögenslage sowie des Jahresüberschusses. Im Vordergrund stehen die periodengerechte Verteilung der Anschaffungs- und Herstellungskosten von Anlagegütern sowie die Bewertung von Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens. Die Abschreibungen erfassen planmäßige oder außerplanmäßige Wertminderungen dieser Vermögensgegenstände. Handelsrechtlich sind die Abschreibungen in § 253 Abs. 3 bis 5 HGB geregelt. Nach dem Handelsrecht sind folgende Abschreibungen vorzunehmen:

  • planmäßige Abschreibungen gem. § 253 Abs. 3 Sätze 1 und 2 HGB,
  • außerplanmäßige Abschreibungen gem. § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB, um die Vermögensgegenstände mit dem niedrigeren Wert anzusetzen; bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung besteht dazu eine Verpflichtung (→ Abnutzbare Wirtschaftsgüter),
  • Abschreibungen gem. § 253 Abs. 4 Satz 1 HGB bei WG des Umlaufvermögens (→ Umlaufvermögen) auf den niedrigeren Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag,
  • Abschreibungen gem. § 253 Abs. 4 Satz 2 HGB bei WG des Umlaufvermögens auf den niedrigeren beizulegenden Wert,
  • Abschreibungen gem. § 253 Abs. 4 Satz 3 HGB bei WG des Umlaufvermögens wegen zukünftiger Wertschwankungen,
  • Abschreibungen gem. § 253 Abs. 5 HGB bei WG des Anlage- und Umlaufvermögens im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung,

Bei dem in der Handelsbilanz auszuweisenden Anlagevermögen nach § 266 Abs. 2 HGB sind nicht abnutzbar:

  • geleistete Anzahlungen auf immaterielle Vermögensgegenstände,
  • Grund und Boden von Grundstücken,
  • geleistete Anzahlungen auf Sachanlagen und
  • Finanzanlagen.

Diese Vermögensgegenstände können nicht planmäßig abgeschrieben werden.

2. Abschreibungen nach Steuerrecht

2.1. Überblick

Die von § 7 EStG umfassten linearen, degressiven Absetzungen für Abnutzung (AfA) fallen unter den Begriff der planmäßigen AfA i.S.d. § 253 HGB und sind handelsrechtlich daher erlaubt. Sofern das Steuerrecht eigene AfA-Methoden vorsieht (z.B. § 7g EStG), die von denen des Handelsrechts abweichen, sind die steuerlichen Regelungen für die Steuerbilanz maßgeblich. Handelt es sich um steuerliche Wahlrechte, dürfen diese auch unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden.

Das Steuerrecht regelt in § 7 EStG:

  • die AfA in gleichen Jahresbeträgen bei beweglichen WG (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG);
  • die AfA von WG, die vor → Einlage in ein Betriebsvermögen im Privatvermögen der Einkunftserzielung dienten. Eine AfA kann nur insoweit vorgenommen werden, als sich nach Berücksichtigung der im Privatvermögen vorgenommenen AfA von den tatsächlichen angefallenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten noch ein Restwert ergibt (§ 7 Abs. 1 Satz 5 EStG).

    Die AfA-Bemessungsgrundlage bemisst sich nach geltender Rechtslage abweichend vom Einlagewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, wenn die WG vor der Einlage zur Einkunftserzielung im Privatvermögen genutzt worden sind. Um in diesen Fällen eine doppelte Inanspruchnahme von Abschreibungsvolumen zu vermeiden, ist die weitere Absetzung für Abnutzung nach dem Gesetzeswortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG von den um die bisher geltend gemachten Absetzungen für Abnutzung geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzunehmen. Der BFH hat in den Urteilen vom 18.8.2009 (X R 40/06, BStBl II 2009, 961) und vom 28.10.2009 (VIII R 46/07, BStBl II 2009, 964) entschieden, dass allerdings auch kein Abschreibungsvolumen vernichtet werden soll. Die bisherigen AfA-Beträge sind deshalb vom Einlagewert und nicht von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen. Die gesetzliche Regelung nimmt diesen Aspekt auf. Ferner soll in dem Fall, in dem der Einlagewert die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten (= ursprüngliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten vermindert um die bisher im Privatvermögen tatsächlich in Anspruch genommenen AfA-Beträge) unterschreitet, nur dieser als weitere AfA-Bemessungsgrundlage herangezogen werden. Die Regelung ist nach § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG erstmals für Einlagen anzuwenden, die nach dem 31.12 2010 vorgenommen werden.

    Das BMF nimmt mit Schreiben vom 27.10.2010 (BStBl I 2010, 1204) zur Bemessungsgrundlage für die AfA nach Einlage von zuvor zur Erzielung von Überschusseinkünften genutzten WG Stellung: Einlagewert ist grundsätzlich der Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG). Bei der Einlage eines abnutzbaren WG in ein Betriebsvermögen innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung oder Herstellung (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. a i.V.m. Satz 2 EStG) ermittelt sich der Einlagewert nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich der AfA nach § 7 EStG, den erhöhten Absetzungen (außerplanmäßige AfA) sowie etwaigen Sonderabschreibungen, die auf den Zeitraum zwischen der Anschaffung oder Herstellung des WG und der Einlage entfallen, unabhängig davon, ob das WG vor der Einlage zur Einkunftserzielung genutzt worden ist (R 6.12 Abs. 1 EStR). Danach ist eine vom Einlagewert abweichende AfA-BMG zu ermitteln:

Einlagewert ≥ historische AK/HK: AfA ab Einlage: Einlagewert ./. AfA = AfA-Bemessungsgrundlage.

Beispiel 1 (aus Bayerisches Landesamt für Steuern vom 3.12.2010):

A erwarb im Jahr 01 ein Grundstück mit aufstehendem Gebäude (Anschaffungskosten 800 000 €, davon entfallen 700 000 € auf das Gebäude). Er vermietete das Grundstück an eine Versicherung und machte im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Gebäude AfA geltend. Nach Beendigung des Mietverhältnisses im Jahr 25 legt er das Grundstück mit aufstehendem Gebäude zu Beginn des Jahres 26 in das Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens ein. Das Gebäude wird nicht zu Wohnzwecken verwendet. Der Teilwert des Gebäudes beträgt zu diesem Zeitpunkt 1 000 000 €. Bis zur Einlage des Gebäudes hat A insgesamt 350 000 € als AfA in Anspruch genommen.

Lösung 1:

Die Bemessungsgrundlage für die Afa des Gebäudes im Betriebsvermögen beträgt 650 000 €. Sie wird nach dem Einlagewert (1 000 000 €) abzüglich der bis dahin in Anspruch genommenen AfA (350 000 €) ermittelt, denn der Einlagewert (1 000 000 €) ist höher als die historischen Anschaffungskosten (700 000 €).

Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG ist von der nach § 7 Abs. 1 Satz 5 ermittelten Bemessungsgrundlage das Gebäude nach der Einlage jährlich mit einem Betrag von 19 500 € (= 3 % von 650 000 €) abzusetzen. Der nach Ablauf von 33 Jahren verbleibende Restwert von 6 500 € ist im Folgejahr abzusetzen. Von dem danach verbleibenden Restbuchwert i.H.v. 350 000 € darf keine AfA vorgenommen werden. Bei einer Veräußerung ist dieser Restbuchwert gewinnmindernd zu berücksichtigen. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG bleiben unberührt.

Beispiel 2:

Die Anschaffungskosten eines Gebäudes betrugen 700 000 €. Das Gebäude wurde zur Erzielung von Einkünften nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG genutzt. Die AfA bis zur Einlage betrug 350 000 €; der Teilwert im Zeitpunkt der Einlage betrug 1 Mio. €. Die Einlage erfolgte nicht innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung.

Lösung 2:

Der Einlagewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG beträgt 1 Mio. €. Da der Einlagewert von 1 Mio. € höher ist als die historischen Anschaffungskosten von 700 000 € beträgt die AfA-Bemessungsgrundlage nach der Einlage 650 000 € (1 Mio. € abzgl. in Anspruch genommener AfA von 350 000 € = 650 000 €). Dieser Wert darf abgeschrieben werden. Vom Einlagewert 1 Mio. € bleibt danach ein nicht abschreibbarer Restwert i.H.v. 350 000 €. Dieser Wert entspricht der vor der Einlage in Anspruch genommenen AfA. Mit diesem Restbuchwert bleibt das Gebäude bis zum Abgang aus dem Betriebsvermögen in der Bilanz stehen.

Einlagewert fortgeführte AK/HK: AfA ab Einlage: fortgeführte AK/HK = AfA-Bemessungsgrundlage.

Beispiel 3:

Die Anschaffungskosten eines Gebäudes betrugen 700 000 €. Das Gebäude wurde zur Erzielung von Einkünften nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG genutzt. Die AfA bis zur Einlage betrug 350 000 €; der Teilwert im Zeitpunkt der Einlage betrug 400 000 €. Die Einlage erfolgte nicht innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung.

Lösung 3:

Der Einlagewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG beträgt 400 000 €. Da der Einlagewert von 400 000 € nicht höher ist als die historischen Anschaffungskosten von 700 000 €, aber höher als die fortgeführten Anschaffungskosten von 350 000 € beträgt die AfA-Bemessungsgrundlage nach der Einlage 350 000 €. Dieser Wert darf abgeschrieben werden. Vom Einlagewert 400 000 € bleibt danach ein nicht abschreibbarer Restwert i.H.v. 50 000 €. Mit diesem Restbuchwert bleibt das Gebäude bis zum Abgang aus dem Betriebsvermögen in der Bilanz stehen.

Einlagewert

Beispiel 4:

Die Anschaffungskosten eines Gebäudes betrugen 700 000 €. Das Gebäude wurde zur Erzielung von Einkünften nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG genutzt. Die AfA bis zur Einlage betrug 350 000 €; der Teilwert im Zeitpunkt der Einlage betrug 100 000 €. Die Einlage erfolgte nicht innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung.

Lösung 4:

Der Einlagewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG beträgt 100 000 €. Da der Einlagewert von 100 000 € nicht höher ist als die fortgeführten Anschaffungskosten von 350 000 €, beträgt die AfA-Bemessungsgrundlage nach der Einlage 100 000 € (Einlagewert). Dieser Wert darf abgeschrieben werden. Vom Einlagewert 100 000 € bleibt danach kein Restwert mehr. Abgeschrieben wurden insgesamt 350 000 € im Privatbereich und 100 000 € im betrieblichen Bereich, insgesamt somit 450 000 €. Von den gesamten AK des Gebäudes i.H.v. 700 000 € können somit 250 000 € nicht abgeschrieben werden. Es handelt sich dabei um einen steuerrechtlich unbeachtlichen Wertverlust im Privatvermögen.

Einlagewert = fortgeführte AK/HK: AfA ab Einlage: fortgeführte AK/HK nach § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG (s.a. Hilbertz, NWB 2/2011, 108):

  • die AfA nach der Leistung bei beweglichen WG (§ 7 Abs. 1 Satz 6 EStG), welche in der Praxis selten zur Anwendung kommt und nur für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gilt, nicht für Gebäude und immaterielle Wirtschaftsgüter. Sie kann vorgenommen werden, wenn deren Leistung in der Regel erheblich schwankt und deren Verschleiß dementsprechend wesentliche Unterschiede aufweist. Voraussetzung für AfA nach Maßgabe der Leistung ist, dass der auf das einzelne Wirtschaftsjahr entfallende Umfang der Leistung nachgewiesen wird. Der Nachweis kann z.B. bei einer Maschine durch ein die Anzahl der Arbeitsvorgänge registrierendes Zählwerk, einen Betriebsstundenzähler oder bei einem Kraftfahrzeug durch den Kilometerzähler geführt werden. Üblicherweise kommt diese Methode in Betracht, wenn Maschinen z.B. nicht ganzjährig eingesetzt werden (Erntefahrzeuge in der Landwirtschaft);

    Für die Frage der Abnutzbarkeit immaterieller Wirtschaftsgüter kommt es maßgeblich darauf an, ob sich deren Wert in einer bestimmten oder bestimmbaren Zeit erschöpft. Da der Inhaber eine ihm unbefristet erteilte Vertragsarztzulassung, solange er sie innehat, gleichbleibend in Anspruch nehmen und den aus ihr resultierenden wirtschaftlichen Vorteil im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens gem. § 103 SGB V durch eine Übertragung bzw. Überleitung der Zulassung auf einen Nachfolger verwerten kann, erschöpft sich der Wert des immateriellen Wirtschaftsgutes des wirtschaftlichen Vorteils aus der Vertragsarztzulassung – unabhängig von einer Altersgrenze für Vertragsärzte – nicht in einer bestimmten bzw. bestimmbaren Zeit; vgl. BFH vom 21.2.2017, VIII R 56/14.

  • die AfA für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (§ 7 Abs. 1 Satz 7 EStG, AfaA). Soweit der Grund hierfür in späteren Wj. entfällt, ist in den Fällen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG eine entsprechende Zuschreibung vorzunehmen. Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung setzen entweder eine Substanzeinbuße eines bestehenden WG (technische Abnutzung) oder eine Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeit (wirtschaftliche Abnutzung) voraus. Die außergewöhnliche »Abnutzung« geschieht durch Einwirkungen auf das WG im Zusammenhang mit dessen steuerbarer Nutzung. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn der Stpfl. ein bereits mit Mängeln behaftetes WG erwirbt. Maßstab für die Nutzbarkeit ist das bestehende WG in dem Zustand, in dem es sich bei Erwerb befindet. Der Mangel ist aber in dessen Maßstab mit eingegangen und kann ihn deshalb nicht ändern und in seiner Nutzbarkeit mindern (BFH Urteil vom 14.1.2004, IX R 30/02, BStBl II 2004, 592).

    Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) setzen entweder eine Substanzeinbuße eines bestehenden WG (technische Abnutzung) oder eine Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeit (wirtschaftliche Abnutzung) voraus. Die außergewöhnliche »Abnutzung« geschieht durch Einwirken auf das WG (hier Gebäude) im Zusammenhang mit seiner steuerbaren Nutzung. So verhält es sich z.B., wenn bei Beendigung eines Mietverhältnisses erkennbar wird, dass das Gebäude wegen einer auf den bisherigen Mieter ausgerichteten Gestaltung nicht oder nur eingeschränkt an Dritte vermietbar ist. Nicht ausreichend ist hingegen eine bloße Wertminderung. Die Voraussetzungen einer AfaA sind demgegenüber nicht gegeben, wenn der Stpfl. ein bereits mit Mängeln behaftetes Gebäude erwirbt. Maßstab für die Nutzbarkeit ist das bestehende WG in dem Zustand, in dem es sich bei Erwerb befindet. Ist aber ein Mangel in diesen Maßstabszustand mit eingegangen, so kann er ihn nicht ändern und das WG nicht in seiner Nutzbarkeit mindern. Eine AfaA kommt nicht in Betracht, wenn die Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit eines Gebäudes in Gestalt deutlich geminderter Mieterlöse nicht überwiegend auf eine auf die bisherige Hauptmieterin zugeschnittene Ausgestaltung des Objekts, sondern primär auf andere Umstände zurückzuführen ist; vgl. BFH vom 8.4.2014, IX R 7/13.

    Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung aus wirtschaftlichen Gründen können als Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (→ Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) abgezogen werden, wenn sich nach der Kündigung des Mietverhältnisses herausstellt, dass das auf die Bedürfnisse des Mieters ausgerichtete Gebäude nicht mehr oder nur noch eingeschränkt nutzbar ist und auch durch eine (nicht steuerbare) Veräußerung nicht mehr sinnvoll verwendet werden kann (BFH Urteil vom 17.9.2008, IX R 64/07, BFH/NV 2009, 442, LEXinform 0588480).

    Ob Absetzungen für außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung einer Mietwohnung aufgrund von Mietrückgängen berücksichtigt werden können, ist zurzeit umstritten. Das FG Schleswig-Holstein hat mit Urteil vom 4.6.2009 (1 K 61/08, EFG 2009, 1453, LEXinform 5008523) die Abzugsmöglichkeit verneint. Denn der Ansatz einer AfawA setzt voraus, dass das betreffende Wirtschaftsgut in seiner wirtschaftlichen Nutzungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Die wirtschaftliche Nutzungsfähigkeit eines im Privatvermögen gehaltenen Mietwohngrundstücks besteht in seiner objektiven Eignung, mit ihm (positive) Vermietungseinkünfte zu erzielen. Hinsichtlich der Mietwohnungen des Klägers lässt sich eine Beeinträchtigung dieser Eignung für das Streitjahr aber nicht feststellen.

    Eine AfaA aus wirtschaftlichen Gründen kann abgezogen werden, wenn sich nach der Kündigung des Mietverhältnisses herausstellt, dass das auf die Bedürfnisse des Mieters ausgerichtete Gebäude nicht mehr oder nur noch eingeschränkt nutzbar ist und auch durch eine (nicht steuerbare) Veräußerung nicht mehr sinnvoll verwendet werden kann (BFH Urteil vom 17.9.2008, BStBl II 2009, 301).

  • die AfA bei immateriellen WG (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 EStG). Zur Behandlung eines entgeltlich erworbenen immateriellen WG »Vertreterrecht« eines Handelsvertreters s. BFH Urteil vom 12.7.2007 (X R 5/05, BStBl II 2007, 959). Danach findet die zwingende typisierende Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts keine Anwendung. Die auf das Vertreterrecht vorzunehmende AfA bemisst sich nach der im Schätzungswege für den konkreten Einzelfall zu bestimmenden betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer;
  • die AfA bei unbeweglichen WG, die keine Gebäude oder Gebäudeteile sind (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG). Es handelt sich dabei um Außenanlagen, Hof- und Platzbefestigungen, Straßenzufahrten und Umzäunungen bei Betriebsgrundstücken, um sonstige → Mietereinbauten und Mieterumbauten (H 7.1 [Unbewegliche WG, die keine Gebäude oder Gebäudeteile sind] EStH);
  • die außergewöhnliche technische und wirtschaftliche Abschreibung (AfaA) in § 7 Abs. 1 Satz 7 und Abs. 4 Satz 3 EStG;
  • die degressive Abschreibung bei beweglichen WG (§ 7 Abs. 2 EStG); die AfaA ist hier nicht zulässig (→ Degressive Abschreibung). S.a. den Überblick über die Anwendung des § 7 Abs. 2 EStG unter → Degressive Abschreibung;

    Durch das zweite Corona-Steuerhilfegesetz wird die degressive Abschreibung wieder eingeführt: Um die Wirtschaft zu stabilisieren und den Akteuren auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite wieder mehr Zuversicht zu geben, ergreift die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen, die sich in ihrer Wirkung ergänzen. Dazu gehören auch steuerliche Entlastungen für Unternehmen. So wird für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die in den Jahren 2020 und 2021 angeschafft oder hergestellt werden, anstelle der linearen Abschreibung die Inanspruchnahme einer degressiven Abschreibung i.H.v. bis zu 25 %, höchstens dem Zweieinhalbfachen der linearen Abschreibung, ermöglicht. Abschreibungen wirken sich zwar grundsätzlich erst im Rahmen der Steuerveranlagung aus, d.h. nach Abschluss des Veranlagungszeitraumes der maßgeblichen Investition. Allerdings kann die Tatsache, dass für eine Investition die degressive Abschreibung anstelle der linearen Abschreibung in Anspruch genommen werden kann, bereits unterjährig bei der Festsetzung der Vorauszahlungen berücksichtigt werden. Es ist davon auszugehen, dass Unternehmen Möglichkeiten zur Minderung ihrer Steuervorauszahlungen und damit zur Erzielung von Liquiditätsvorteilen auch zügig nutzen. Die degressive Abschreibung fördert damit die schnellere Refinanzierung und schafft über diesen Mechanismus bereits im noch laufenden Veranlagungszeitraum unternehmerische Vorteile und Investitionsanreize, die für die nötige Stabilisierung der Wirtschaft sorgen. Soweit für ein bewegliches Wirtschaftsgut auch die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen z.B. nach § 7g Abs. 5 EStG vorliegen, können diese neben der degressiven Abschreibung in Anspruch genommen werden. Damit können mit der Einführung einer degressiven Abschreibung zusätzliche Steuerentlastungen ermöglicht werden, ohne bereits bestehende steuerliche Förderungen zu konterkarieren. Die Regelung des § 7 Abs. 2 EStG ist nach der allgemeinen Anwendungsregelung in § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2020 anzuwenden.

  • die lineare AfA für Gebäude und Gebäudeteile (→ Gebäudeabschreibung; § 7 Abs. 4 EStG);
  • die degressive AfA für Gebäude und Gebäudeteile (§ 7 Abs. 5 EStG; → Gebäudeabschreibung). Durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22.12.2005 (BGBl I 2005, 3682) wird § 7 Abs. 5 Nr. 3 Buchst. c EStG ab 1.1.2006 auf Gebäude beschränkt, die auf Grund eines vor dem 1.1.2006 gestellten Bauantrages hergestellt oder auf Grund eines vor dem 1.1.2006 rechtswirksam abgeschlossenen Vertrags angeschafft worden sind;
  • die AfA auf Gebäudeteile, die selbstständige unbewegliche WG sind, sowie auf Eigentumswohnungen und auf im Teileigentum stehende Räume (§ 7 Abs. 5a EStG). Hierbei ist § 7 Abs. 4 und 5 EStG entsprechend anzuwenden. Hierzu rechnen auch insbesondere Ladeneinbauten (R 7.1 Abs. 6 EStR), wie z.B. Schaufensteranlagen; Aufwendungen für die vollständige Erneuerung einer Einbauküche (Spüle, Herd, Einbaumöbel und Elektrogeräte) in einem vermieteten Immobilienobjekt sind nicht – als sog. Erhaltungsaufwand – sofort als WK bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar (Änderung der Rspr.). Bei einer Einbauküche mit ihren einzelnen Elementen handelt es sich um ein einheitliches WG, das auf zehn Jahre abzuschreiben ist (Änderung der Rspr.); vgl. BFH vom 3.8.2016, IX R 14/15, BStBl II 2017, 437.
  • die Absetzung für Substanzverringerung (AfS) bei Bergbauunternehmen, Steinbrüchen und anderen Betrieben, die einen Verbrauch der Substanz mit sich bringen (§ 7 Abs. 6 EStG). Hier ist wahlweise die AfA nach § 7 Abs. 1 EStG oder die AfS zulässig. Die Höhe der AfS bestimmt sich nach dem Verhältnis der im Jahr geförderten Menge zur gesamten geschätzten Abbaumenge (s.a. R 7.5 EStR). Bei Bodenschätzen, die der Stpfl. auf einem ihm gehörenden Grundstück entdeckt hat, sind Absetzungen für Substanzverringerungen nicht zulässig (§ 11d Abs. 2 EStDV). Bei Bodenschätzen, die ein Stpfl. auf einem ihm gehörenden Grundstück im Privatvermögen entdeckt und in sein (Sonder-)Betriebsvermögen einlegt, sind AfS nicht zulässig (BFH vom 4.12.2006, BStBl II 2007, 508).

Zur Anwendung der verschiedenen AfA-Methoden s. R 7.1 Abs. 1 EStR.

2.2. Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens

Bei WG des Anlagevermögens (→ Abnutzbare Wirtschaftsgüter) kann statt der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten abzüglich vorzunehmender Abschreibung auch ein niedrigerer Teilwert angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG), wenn eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegt.

2.3. Abschreibungen im Werbungskostenbereich

Im Werbungskostenbereich sind die gesetzlichen Bestimmungen der Abschreibung ebenfalls zu beachten. In § 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG wird beim Abzug der Werbungskosten auf § 7 EStG verwiesen. Abschreibungen sind daher nicht nur bei den Gewinneinkunftsarten, sondern auch bei den Überschusseinkünften vorzunehmen.

2.4. AfA-Berechtigung

Mit Urteil vom 28.3.1995 (IX R 126/89, BStBl II 1997, 121) hat der BFH wie folgt entschieden:

Zur Vornahme von AfA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG ist grundsätzlich befugt, wer den Tatbestand der Vermietung nach § 21 Abs. 1 EStG verwirklicht und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes getragen hat. Es ist nicht erforderlich, dass der Stpfl. bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer ist (BFH Urteile vom 23.10.1984, IX R 48/80, BStBl II 1985, 453; vom 24.4.1990, IX R 9/86, BStBl II 1990, 888; vom 15.5.1990, IX R 21/86, BStBl II 1992, 67).

Nach der Entscheidung des Großen Senats vom 30.1.1995 (GrS 4/92, BStBl II 1995, 281) folgt aus dem allen Einkunftsarten zugrunde liegenden Nettoprinzip, dass ein Stpfl. zur eigenen Einkunftserzielung getätigte Aufwendungen auch dann abziehen kann, wenn und soweit er diese Aufwendungen für in fremdem Eigentum stehende WG leistet. Dies gilt auch hinsichtlich noch nicht verbrauchten eigenen Aufwands, wenn der Stpfl. das WG, auf welches er die Aufwendungen getätigt hatte, zwar auf einen Dritten übertragen hatte, er aber dieses WG weiterhin für Zwecke der eigenen Einkunftserzielung nutzen darf.

Wird eine den Eheleuten je zur Hälfte gehörende Eigentumswohnung vom Ehemann ohne Entgelt für berufliche Zwecke genutzt, so können die auf den Miteigentumsanteil der Ehefrau entfallenden AfA weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abgezogen werden. AfA kommen nur in Betracht, soweit der Ehemann ein abschreibbares Nutzungsrecht erworben hat; vgl. BFH vom 31.10.1978, VIII R 196/77.

Die Inanspruchnahme von AfA setzt u.a. voraus, dass der Stpfl. Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein WG selbst aufgewendet hat (BFH Urteil vom 19.12.2007, IX R 50/06, BStBl II 2008, 480). § 7 EStG dient nicht dem Ausgleich eines eingetretenen Wertverzehrs ohne Aufwand, sondern ist nach seinem Wortlaut und Zweck dazu bestimmt, Aufwendungen des Stpfl. in Gestalt von Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das jeweilige WG typisierend periodengerecht zu verteilen. Es kommt nicht darauf an, ob der Stpfl. die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Zeitpunkt der Vornahme der AfA bereits gezahlt hat. Anschaffungskosten trägt auch, wer den Kaufpreis noch nicht beglichen hat, sondern ganz oder teilweise schuldet. Die zur Inanspruchnahme von AfA notwendige Belastung mit Anschaffungskosten ist in dem Jahr, in dem der Anschaffungsvorgang in vollem Umfang rückgängig gemacht worden ist, nicht mehr gegeben.

Abschreibungen nach § 7 Abs. 4 Nr. 2a EStG können nur bei Begründung wirtschaftlichen Eigentums an dem Objekt geltend gemacht werden; vgl. FG Berlin vom 15.12.2005, 1 K 1526/02. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 19.12.2007, IX R 50/06, dass die zur Inanspruchnahme von AfA notwendige Belastung mit AK in dem Jahr, in dem der Anschaffungsvorgang in vollem Umfang rückgängig gemacht worden ist, nicht (mehr) gegeben ist.

Woher die Mittel für das Abschreibungsobjekt stammen, ist unerheblich, sofern es sich um eigene, selbst getragene Aufwendungen des Eigentümers handelt. Nach dem BFH-Urteil vom 26.4.2006 (IX R 24/04) kann der Gewinner eines von einem Unternehmen im eigenen betrieblichen (Werbe-)Interesse verlosten Fertighauses mangels eigener Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung des Fertighauses keine Absetzungen für Abnutzung in Anspruch nehmen.

2.5. Beginn der AfA

Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des HBeglG 2004 ist für WG, die nach dem 31.12.2003 angeschafft oder hergestellt werden, die AfA zeitanteilig vorzunehmen (§ 52 Abs. 21 EStG).

Der Beginn der Abschreibung ist für jedes Wirtschaftsgut einer Windkraftanlage eigenständig zu prüfen. Die Abschreibung der Windkraftanlage kann zwar schon vor deren Inbetriebnahme beginnen. Im Fall der Anschaffung ist es allerdings erforderlich, dass Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergehen und dieser damit das wirtschaftliche Eigentum an der Windkraftanlage erlangt. Sind am Bilanzstichtag nicht alle Einzelkriterien erfüllt, bedarf es einer wertenden Beurteilung anhand der Verteilung von Chancen und Risiken, die aus dem zu bilanzierenden Vermögensgegenstand erwachsen. Danach setzt die Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums aber jedenfalls dann den Übergang der Gefahr des zufälligen Untergangs voraus, wenn der Verkäufer eine technische Anlage zu übereignen hat, die vom Erwerber erst nach erfolgreichem Abschluss eines Probebetriebs abgenommen werden soll. Eine Kaufpreisvorauszahlung vor Übergang des wirtschaftlichen Eigentums berechtigt nicht zur Annahme einer vorzeitigen Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut (vgl. BFH Urteil vom 1.2.2012, I R 57/10).

Nach dem Urteil des FG Niedersachsen vom 20.11.2013, 4 K 124/13 hat ein Erwerber i.d.R. erst dann die wirtschaftliche Verfügungsmacht über ein WG, wenn er als dessen wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist. Das erfordert i.d.R. den Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten. Sind am Bilanzstichtag nicht alle vorbezeichneten Merkmale erfüllt, bedarf es einer wertenden Beurteilung anhand der Verteilung der mit dem zu bilanzierenden Vermögensgegenstand verbundenen Chancen und Risiken. Gegen den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums spricht es insbesondere, wenn die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung des WG noch nicht auf den Erwerber übergegangen ist. Maßgeblich für den Zeitpunkt des Gefahrübergangs sind in erster Linie die zwischen den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarungen.

2.6. Ende der AfA

Die AfA endet, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgesetzt sind oder wenn die Wirtschaftsgüter aus dem Betrieb ausscheiden (R 7.4 Abs. 8 EStR).

Beginn der AfAEnde der AfA
§ 7 Abs. 1 EStGzeitanteiligzeitanteilig
§ 7 Abs. 2 EStGzeitanteiligzeitanteilig
§ 7 Abs. 4 EStGzeitanteiligzeitanteilig
§ 7 Abs. 5 EStGJahres-AfAzeitanteilig

Abb.: Beginn und Ende der AfA

2.7. Wechsel der AfA-Methode

Nach § 7 Abs. 3 EStG ist bei beweglichen WG des Anlagevermögens der Wechsel von der degressiven AfA (§ 7 Abs. 2 EStG) zur linearen AfA (§ 7 Abs. 1 EStG) möglich. Bei Gebäuden ist ein Wechsel von der degressiven (§ 7 Abs. 5 EStG) zur linearen AfA (§ 7 Abs. 4 EStG) oder umgekehrt nicht möglich (H 7.4 [Wechsel der AfA-Methode bei Gebäuden] EStH). Nach § 7 Abs. 3 EStG ist ein Wechsel von der degressiven zur linearen AfA zulässig (s.o.).

Ein Wechsel von der in Anspruch genommenen degressiven AfA gem. § 7 Abs. 5 EStG zur AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer gem. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht möglich (BFH vom 29.5.2018, IX R 33/16; veröffentlicht am 11.7.2018). § 7 Abs. 5 EStG typisiert die Nutzungsdauer eines Gebäudes und dient damit der Rechtsvereinfachung. Bei Wahl der degressiven AfA nach § 7 Abs. 5 EStG erübrigt sich die Feststellung der tatsächlichen Nutzungsdauer des Gebäudes. Der Stpfl. entscheidet sich bei Wahl der degressiven AfA bewusst dafür, die HK des Gebäudes in 50 der Höhe nach festgelegten Jahresbeträgen geltend zu machen. Die Vereinfachung tritt nur ein, wenn die Wahl über die gesamte Dauer der Abschreibung bindend ist. Die Wahl der degressiven AfA ist deshalb im Grundsatz unabänderlich.

2.8. Keine Fehlerberichtigung in späteren Jahren

Sind Aufwendungen auf ein WG nicht als → Betriebsausgaben bzw. → Werbungskosten abgezogen, sondern zu Unrecht als Herstellungskosten erfasst worden, kann bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 bzw. nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG der Abzug nicht in späteren Veranlagungszeiträumen nachgeholt werden (BFH Urteil vom 21.6.2006, XI R 49/05, BStBl II 2006, 712). § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG ordnet ausdrücklich an, dass jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen ist, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt. Damit wird eine Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten angeordnet. Eine Fehlerberichtigung in der Weise, dass zu hoch angesetzte Werte zu korrigieren sind, ist nicht vorgesehen.

Die Berichtigung zu hoch vorgenommener und verfahrensrechtlich nicht mehr änderbarer AfA ist bei Gebäuden im Privatvermögen in der Weise vorzunehmen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Abschreibungssätze auf die bisherige Bemessungsgrundlage bis zur vollen Absetzung des noch vorhandenen Restbuchwerts angewendet werden (BFH Urteil vom 21.11.2013, BStBl II 2014, 563).

3. Erhöhte Abschreibungen und Sonderabschreibungen

3.1. Überblick

Neben den o.g. Abschreibungen sind nach dem EStG noch erhöhte Abschreibungen und Sonderabschreibungen zulässig. Dabei ist § 7a EStG zu beachten. Erhöhte Abschreibungen treten an die Stelle der normalen AfA, während Sonderabschreibungen neben der normalen AfA vorgenommen werden können. Die degressive AfA ist keine erhöhte AfA.

3.2. Erhöhte Abschreibungen

Erhöhte Absetzungen können vorgenommen werden:

  • für Baumaßnahmen an Gebäuden zur Schaffung neuer Mietwohnungen nach § 7c EStG. § 7c EStG begünstigt Wohnungen, für die der Bauantrag nach dem 2.10.1989 gestellt und die vor dem 1.1.1996 fertig gestellt worden sind (§ 7c Abs. 2 Nr. 1 und 2 EStG);
  • für WG, die dem Umweltschutz dienen nach § 7d EStG. § 7d EStG gilt für WG, die in der Zeit nach dem 31.12.1974 und vor dem 1.1.1987 angeschafft oder hergestellt worden sind;
  • bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen nach § 7h EStG. Für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die nach dem 31.12.2003 begonnen werden (§ 52 Abs. 23a EStG i.d.F. des HBeglG 2004) kann der Stpfl. abweichend von § 7 Abs. 4 und 5 EStG im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils 9 % (vorher zehn Jahre lang 10 %) und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 % der Herstellungskosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S.d. § 177 BauGB absetzen. Die erhöhten Abschreibungen können jedoch nur in Anspruch genommen werden, wenn der Stpfl. die Voraussetzungen für das Gebäude und die Maßnahmen durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist. In einem Finanzgerichtsverfahren (FG Hessen Urteil vom 12.12.2011, 8 K 1754/08) haben Hauseigentümer Steuervergünstigungen nach § 7h EStG einklagen wollen, da das Finanzamt diese ablehnten, obwohl die Kläger eine entsprechende Bescheinigung der Stadt vorgelegt hatten. Das Hessische FG verneinte den Abzug der Steuervergünstigungen, da die Kläger die Modernisierungsmaßnahmen nicht an einer bereits bestehenden Wohnung durchgeführt hätten. Vielmehr hätten die Kläger eine neue Wohneinheit errichtet, was die Förderung ausschließe. Auch die Bescheinigung der Stadt enthalte insoweit keine das Finanzamt bindende Entscheidung. Die Bescheinigung nach § 7 Abs. 2 EStG sei zwar ein Grundlagenbescheid. Die verbindlichen Feststellungen der Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG seien auf die anhand der Satzung der jeweiligen Gemeinde zu treffenden Feststellungen beschränkt. Die Bindungswirkung erstrecke sich nicht darauf, ob auch Modernisierung und Instandsetzungsmaßnahmen i.S.d. § 177 BauGB oder solche Maßnahmen i.S.d. Satzes 2 durchgeführt worden sind, die zur Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes i.S.d. Satzes 1 dienen. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt (BFH, Az. X R 4/12);
  • bei Baudenkmälern (→ Baudenkmal) nach § 7i EStG,
  • für Wohnungen mit Sozialbindung nach § 7k EStG. § 7k EStG gilt für Wohnungen mit Sozialbindung, für die u.a. der Bauantrag nach dem 28.2.1989 gestellt und die vor dem 1.1.1996 fertig gestellt worden sind;
  • für bestimmte Baumaßnahmen i.S.d. Bundesbaugesetzes und des Städtebauförderungsgesetzes nach § 82g EStDV,
  • bei Baudenkmälern nach § 82i EStDV.
  • Nach dem Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus soll in Gebieten mit angespannter Wohnungslage eine auf drei Jahre befristete Sonderabschreibung gem. § 7b EStG-Entwurf eingeführt werden, die neben der Abschreibung gem. § 7 Abs. 4 EStG in Anspruch genommen werden kann. Danach sind Investitionen von Wohnraum in Fördergebieten mit mindestens zehnjähriger Vermietung begünstigt. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten dürfen 3 000 €/qm nicht übersteigen. Die Höhe der Sonderabschreibung beträgt 10 % in den ersten zwei Jahren und 9 % im dritten Jahr. Die Bemessungsgrundlage ist auf 2 000 €/qm begrenzt. Die Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen wird durch § 52 Satz 15a – neu – EStG zeitlich begrenzt auf im Jahr 2026 endende Wirtschafts- oder Kalenderjahre. Ab dem Veranlagungszeitraum 2027 sind Sonderabschreibungen auch dann nicht mehr möglich, wenn der vorgesehene Abschreibungszeitraum noch nicht abgelaufen ist. Die mit der Regelung bezweckte zügige Schaffung von Mietwohnraum soll hierdurch forciert werden.:

    https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2016/02/2016-02-03-Mietwohnungsneubau.html.

3.3. Sonderabschreibungen

→ Sonderabschreibungen können vorgenommen werden:

  • Für abnutzbare WG des Anlagevermögens privater Krankenhäuser nach § 7f EStG. Begünstigt sind WG, die vor dem 1.1.1996 bestellt oder die der Stpfl. vor dem 1.1.1996 herzustellen begonnen hat.
  • zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe nach § 7g EStG (→ Ansparrücklage, → Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG). Im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 (Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007, BGBl I 2007, 1912) werden die bisherigen Regelungen zu den Ansparabschreibungen umgestaltet und vereinfacht. Im Rahmen dieser Umgestaltung wird auf die Existenzgründerrücklage verzichtet. Stpfl. können für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines WG einen den Gewinn mindernden Investitionsabzugsbetrag abziehen. Die Berücksichtigung erfolgt außerbilanziell. Die bisherige buchungsmäßige Bildung von Rücklagen entfällt. Der Investitionsabzugsbetrag kann erstmals für Wj. beansprucht werden, die nach Verkündung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 am 17.8.2007 enden (§ 52 Abs. 23 Satz 1 EStG). Bei Stpfl., bei denen das Wj. dem Kj. entspricht, ist der Investitionsabzugsbetrag erstmals zum 31.12.2007 anzuwenden,
  • für bestimmte WG des Anlagevermögens im Kohle- und Erzbergbau nach § 81 EStDV,
  • für Handelsschiffe, für Schiffe, die der Seefischerei dienen, und für Luftfahrzeuge nach § 82f EStDV.

    Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w EStG sind Vorschriften durch Rechtsverordnung zu erlassen über Sonderabschreibungen bei Handelsschiffen, die aufgrund eines vor dem 25.4.1996 abgeschlossenen Schiffbauvertrags hergestellt, in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen und vor dem 1.1.1999 vom Stpfl. angeschafft oder hergestellt worden sind, die den Gewinn nach § 5 EStG ermitteln. Im Fall der Anschaffung eines Handelsschiffes ist weitere Voraussetzung, dass das Schiff vor dem 1.1.1996 in ungebrauchtem Zustand vom Hersteller oder nach dem 31.12.1995 aufgrund eines vor dem 25.4.1996 abgeschlossenen Kaufvertrags bis zum Ablauf des vierten auf das Jahr der Fertigstellung folgenden Jahres erworben worden ist. Bei Stpfl., die in eine Gesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG nach Abschluss des Schiffbauvertrags (Unterzeichnung des Hauptvertrags) eingetreten sind, dürfen Sonderabschreibungen nur zugelassen werden, wenn sie der Gesellschaft vor dem 1.1.1999 beitreten. Die Sonderabschreibungen können im Wj. der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Wj. bis zu insgesamt 40 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden. Sie können bereits für Anzahlungen auf Anschaffungskosten und für Teilherstellungskosten zugelassen werden. Die Sonderabschreibungen sind nur unter der Bedingung zuzulassen, dass die Handelsschiffe innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren nach ihrer Anschaffung oder Herstellung nicht veräußert werden; für Anteile an einem Handelsschiff gilt dies entsprechend. Die Sätze 1 bis 6 gelten für Schiffe, die der Seefischerei dienen, entsprechend. Für Luftfahrzeuge, die vom Stpfl. hergestellt oder in ungebrauchtem Zustand vom Hersteller erworben worden sind und die zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen im internationalen Luftverkehr oder zur Verwendung zu sonstigen gewerblichen Zwecken im Ausland bestimmt sind, gelten die Sätze 1 bis 4 und 6 mit der Maßgabe entsprechend, dass an die Stelle der Eintragung in ein inländisches Seeschiffsregister die Eintragung in die deutsche Luftfahrzeugrolle, an die Stelle des Höchstsatzes von 40 % ein Höchstsatz von 30 % und bei der Vorschrift des Satzes 6 an die Stelle des Zeitraums von acht Jahren ein Zeitraum von sechs Jahren treten.

Für zu Unrecht als Herstellungskosten erfasste Vorsteuer kann keine »Sonderabschreibung« vorgenommen werden (BFH Urteil vom 21.6.2006, XI R 49/05, BStBl II 2006, 712).

Nach § 7a Abs. 4 EStG sind bei beweglichen WG, bei denen Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden, die AfA nach § 7 Abs. 1 EStG vorzunehmen. Bei Gebäuden ist die AfA nach § 7 Abs. 4 EStG anzuwenden. Grundsätzlich kann eine Sonderabschreibung nicht zusätzlich zu einer degressiven AfA i.S.d. § 7 Abs. 2 EStG berücksichtigt werden. Das bedeutet aber nicht, dass eine Sonderabschreibung immer dann ausscheidet, wenn das betreffende WG in früheren Jahren nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 EStG abgeschrieben worden ist. Eine solche Auslegung ist weder dem Wortlaut des § 7a Abs. 4 EStG zu entnehmen noch aus dessen Zweck oder Entstehungsgeschichte abzuleiten (BFH-Urteil vom 14.3.2006, I R 83/05, BStBl II 2006, 799). § 7 Abs. 3 EStG lässt den Übergang von der degressiven zur linearen AfA ausdrücklich zu. Die Entscheidung darüber obliegt allein dem Stpfl. Im Anschluss an einen Übergang von der degressiven zur linearen AfA ist die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen für das betreffende WG durch § 7a Abs. 4 EStG nicht ausgeschlossen. Der Normtext des § 7a Abs. 4 EStG bezieht sich nur auf die kumulative Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen und degressiver AfA in ein und demselben Veranlagungszeitraum.

Beispiel 5:

Der Stpfl. hat im Kj. 10 für die geplante Anschaffung einer Maschine mit einer Nutzungsdauer von 5 Jahren einen Investitionsabzugsbetrag von 40 000 € (40 % von 100 000 €) nach § 7g Abs. 1 EStG geltend gemacht. Im Mai 11 wird die Maschine angeschafft.

Lösung 5:

Nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG ist im Jahr der Anschaffung (Kj. 11) des begünstigten WG der für dieses WG in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag i.H.v. 40 % der Anschaffungskosten gewinnerhöhend (außerbilanziell) hinzuzurechnen. Gleichzeitig können die Anschaffungskosten der Maschine von 100 000 € im Jahr der Anschaffung um bis zu 40 %, maximal i.H.d. außerbilanziell hinzugerechneten Investitionsabzugsbetrages gewinnmindernd herabgesetzt werden (§ 7g Abs. 2 Satz 2 EStG). Die AfA-Bemessungsgrundlage verringert sich dadurch von 100 000 € auf 60 000 €.

Bei einer Anschaffung im Kj. 11 ist die degressive AfA nicht mehr möglich. Bei einer Nutzungsdauer von 5 Jahren beträgt die lineare AfA 20 % der AfA-Bemessungsgrundlage von 60 000 €; dies ergibt einen Jahresbetrag von 12 000 €. Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG ist die AfA zeitanteilig vorzunehmen. Bei einer Anschaffung im Mai beträgt die AfA 8/12 von 12 000 € = 8 000 €. Durch die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages sinkt das Abschreibungsvolumen des angeschafften WG.

Nach § 7g Abs. 5 und 6 EStG kann bei neuen oder gebrauchten beweglichen WG des Anlagevermögens unter bestimmten Voraussetzungen im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und den vier darauf folgenden Jahren zusätzlich zur normalen Abschreibung eine Sonderabschreibung i.H.v. insgesamt 20 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten geltend gemacht werden. Der Stpfl. kann wählen, auf welches Jahr oder welche Jahre er die Sonderabschreibung verteilt. Er kann die Sonderabschreibung bereits im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe (nicht zeitanteilig) vornehmen. Die AfA-Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibung beträgt im Beispielsfall 60 000 €. Die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG beträgt im Kj. 11 20 % von 60 000 € = 12 000 €.

Die Anschaffungskosten von 100 000 € werden im Jahr der Anschaffung im Kj. 11 um insgesamt 60 000 € gemindert. Zu beachten ist aber, dass der Investitionsabzugsbetrag von 40 000 € außerhalb der Bilanz gewinnerhöhend hinzugerechnet wird.

4. Abschreibungen beim unentgeltlichen Erwerb

Zur Abschreibung beim unentgeltlichen Erwerb s. unter den Stichwörtern → Unentgeltlicher Erwerb und → Nießbrauch.

5. Nachholung der Abschreibung

Bisher unterlassene Abschreibungen können jedenfalls dann nicht nachgeholt werden, wenn ein WG des notwendigen Betriebsvermögens erstmals bilanziert wird (BFH Urteil vom 24.10.2001, X R 153/97, BStBl II 2002, 75; → Betriebsvermögen).

Der BFH hat mit Urteil vom 22.6.2010 (VIII R 3/08, BStBl II 2010, 1035) entschieden, dass die gleichmäßig von der Bemessungsgrundlage eines betrieblichen WG vorzunehmende normale AfA nicht nachgeholt werden kann, wenn sie deshalb versäumt wurde, weil das WG fälschlich nicht als betrieblich erfasst war.

Im konkreten Fall ging es um ein Patent, das in einen Verwertungsbetrieb eingelegt worden war. Einlage, Einlagewert und Restnutzungsdauer des Patents waren Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung, die erst Jahre nach der Einlage zustande kam. In der Zwischenzeit hatte es der Kläger versäumt, AfA auf den Einlagewert vorzunehmen. Daraus ergab sich ein Streit über die Höhe des noch absetzungsfähigen Restbuchwertes.

Das FG gab der Klage statt und berücksichtigte den vollen Einlagewert zum Teil als AfA in einem verfahrensrechtlich noch offenen Veranlagungszeitraum, zum anderen Teil gewinnmindernd bei der Ermittlung des Aufgabegewinns bei der Veräußerung des Patents. Die Revision des FA hatte Erfolg. Wegen des Prinzips der Gesamtgewinngleichheit konnte der Kläger, der seinen Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, keine höheren Beträge absetzen als bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich. Im ersten verfahrensrechtlich noch zugänglichen Veranlagungszeitraum durfte deshalb nur der Restbuchwert zugrunde gelegt werden, mit dem ein bilanzierender Stpfl. das bisher zu Unrecht nicht bilanzierte WG hätte einbuchen müssen, d.h. mit dem Wert, der bei von Anfang an richtiger Bilanzierung anzusetzen gewesen wäre.

Bei der Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns bei einem Freiberufler entschied das FG Düsseldorf mit Urteil vom 20.12.2007, 11 K 679/05 E wie folgt: Bei der Ermittlung des Gewinns aus der Aufgabe einer freiberuflichen Erfindertätigkeit ist der Buchwert eines eingelegten, aber irrtümlich dem Privatvermögen zugeordneten Patents nicht um die in der Überschussrechnung versehentlich unterlassenen AfA-Beträge zu kürzen. Die zutreffende Ermittlung des Totalgewinns anlässlich der Veräußerung oder der Entnahme eines WG hat bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG Vorrang vor dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung.

Bei nachträglich erkannter Betriebsaufspaltung und dementsprechend fehlender Bilanzierung der WG des (Sonder-)Betriebsvermögen sind diese in der Anfangsbilanz auf den Beginn des ersten noch offenen Jahres anzusetzen. Dabei hat die Bewertung in der Anfangsbilanz mit den Werten zu erfolgen, die sich bei ordnungsgemäßer Fortführung einer Eröffnungsbilanz auf den Betriebsbeginn ergeben hätten; vgl. BFH Urteil vom 29.11.2012, IV R 37/10.

6. Falsche AfA-Beträge

Wurde in den Wj. der Zugehörigkeit des WG zum Betriebsvermögen die AfA zu niedrig angesetzt, ist bei einer Veräußerung (oder Entnahme) die bislang tatsächlich vorgenommene AfA von den (richtigen) Anschaffungskosten abzuziehen; der Veräußerungsgewinn wird entsprechend gemindert (BFH Urteil vom 14.11.2007, XI R 37/06, BFH/NV 2008, 356, LEXinform 0587890mit weiteren Nachweisen und → Entnahme).

Beispiel 6:

Die Anschaffungskosten für ein WG betragen 110 000 € im Kj. 01, die AfA beträgt jährlich 3 %. Der Stpfl. hat aber lediglich 100 000 € als AfA-Bemessungsgrundlage berücksichtigt, während er 10 000 € irrtümlich sofort als Betriebsausgaben (Erhaltungsaufwendungen) abgezogen hatte. Im Kj. 05 wird das WG am 31.12.05 für 95 000 € veräußert (entnommen).

Lösung 6:

SteuerpflichtigerFinanzamtkomplett richtig
Anschaffungskosten100 000 €110 000 €110 000 €
Betriebsausgaben (Erhaltungsaufwand)10 000 €0 €0 €
AfA Kj. 01 bis 05: 5 × 3 % = 15 %15 000 €15 000 €16 500 €
Restwert im Zeitpunkt des Ausscheidens des WG85 000 €95 000 €93 500 €
Veräußerungserlös95 000 €95 000 €95 000 €
Veräußerungsgewinn10 000 €0 €1 500 €
Gebuchte Betriebsausgaben insgesamt./. 25 000 €./. 15 000 €./. 16 500 €
Gewinnauswirkung insgesamt./. 15 000 €./. 15 000 €./. 15 000 €

Für den Fall, dass tatsächlich zu hohe AfA in Anspruch genommen wurden, kann nichts anderes gelten. Daraus folgt, dass der Restwert durch Berücksichtigung der tatsächlichen, nämlich der zu hohen AfA niedriger ist als bei zutreffender AfA.

Beispiel 7:

Die Anschaffungskosten für ein WG betragen 100 000 € im Kj. 01, die AfA beträgt jährlich 3 %. Der Stpfl. hat aber tatsächlich 110 000 € als AfA-Bemessungsgrundlage berücksichtigt, da er 10 000 € irrtümlich nicht sofort als Betriebsausgaben (Erhaltungsaufwendungen) abgezogen hatte. Im Kj. 05 wird das WG am 31.12.05 für 95 000 € veräußert (entnommen).

Lösung 7:

SteuerpflichtigerFinanzamtkomplett richtig
Anschaffungskosten110 000 €100 000 €100 000 €
Betriebsausgaben (Erhaltungsaufwand)0 €0 €10 000 €
AfA Kj. 01 bis 05: 5 × 3 % = 15 %16 500 €16 500 €15 000 €
Restwert im Zeitpunkt des Ausscheidens des WG93 500 €83 500 €85 000 €
Veräußerungserlös95 000 €95 000 €95 000 €
Veräußerungsgewinn1 500 €11 500 €10 000 €
Gebuchte Betriebsausgaben insgesamt./. 16 500 €./. 16 500 €./. 25 000 €
Gewinnauswirkung insgesamt./. 15 000 €./. 5 000 €./. 15 000 €

Der im Kj. 01 unterlassene Betriebsausgabenabzug kann nicht im Kj. 05 nachgeholt werden. S. dazu die Ausführungen unter → Betriebsausgaben.

Der Abzug der tatsächlich in Anspruch genommenen AfA führt nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Bestandskraft von Steuerbescheiden. Die Gewinnermittlungen und die Steuerbescheide der Vorjahre bleiben unangetastet.

Nach dem Urteil des FG Hamburg (FG Hamburg vom 26.6.2006, 2 K 135/04) ist der Buchwert eines WG für die Berechnung des Entnahmegewinns unter Ansatz des zutreffenden Wertes zum Zeitpunkt der Einlage unter Abzug derjenigen AfA-Beträge zu ermitteln, die bei korrekter Handhabung von der Zeit der Einlage bis zum Entnahmezeitpunkt anzusetzen gewesen wären, auch wenn der Stpfl. in den bestandskräftig veranlagten Jahren die AfA auf der Grundlage einer überhöhten Bemessungsgrundlage in Anspruch genommen hat.

Wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG vorliegen, ist zwingend eine Afa durchzuführen. Das gilt unabhängig davon, ob tatsächlich ein Wertverzehr beim Wirtschaftsgut stattgefunden hat. Ein Wahlrecht des Stpfl. besteht insofern nicht. Eine Teilwertzuschreibung nach Durchführung der Afa ist nicht zulässig, da hierdurch die zwingenden Afa-Regelungen umgangen würden. Grds. ist jedes abnutzbare WG bis zu einem Erinnerungswert von 1 € abzuschreiben. Nur bei Wirtschaftsgütern mit einem erheblichen Schrottwert besteht die Ausnahme, dass nur bis zum Schrottwert abgeschrieben wird. Ein verkehrsüblicher Pkw hat keinen relevanten Schrottwert. Ein Anhaltewert, der sich insbesondere aus einem höheren Teilwert ergibt, ist nicht zulässig. Das Nachholen der Afa in einem späteren Veranlagungsjahr ist dann nicht möglich, wenn der Stpfl. in den Vorjahren bewusst die Afa unterlassen hat, um steuerliche Vorteile daraus zu ziehen. Das Gleiche gilt, wenn er die Afa unterlassen hat, um steuerliche Nachteile zu vermeiden, die sich z.B. aus der Anwendbarkeit der 1 %-Regelung ergeben. Bei einem Stpfl., der seinen Gewinn gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, gelten die o.a. Grundsätze entsprechend. Dies ergibt sich insbes. aus § 4 Abs. 3 Satz 3 EStG; vgl. FG Hamburg vom 15.6.2006, 2 K 152/05.

Mit Urteil vom 8.4.2008 (VIII R 64/06, BFH/NV 2008, 1660, LEXinform 0587775) hat der BFH erneut zur Abschreibungspflicht und zum Nachholungsverbot unterlassener AfA entscheiden. Bei betrieblich genutzten Pkw besteht die Pflicht zur Vornahme der linearen Normal-AfA entsprechend der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von regelmäßig acht Jahren bis auf einen Erinnerungswert von 1 €. Der am Ende der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer am Markt gegebenenfalls noch realisierbare Wiederverkaufswert mindert nicht die Bemessungsgrundlage für die AfA; er ist auch nicht als »Anhaltewert« oder »Restwert« von der AfA auszunehmen. Die Rechtsprechung zum Schrottwert von Schiffen oder zum Schlachtwert von Milchkühen betrifft einen beträchtlichen verbleibenden Restwert nach dem Ende der eigentlichen betriebsgemäßen Nutzbarkeit des jeweiligen WG und kann deshalb nicht entsprechend auf weiterhin verkehrstaugliche Pkw angewendet werden. Die willentlich und willkürlich unterlassene Normal-AfA kann grundsätzlich nicht in späteren Gewinnermittlungszeiträumen nachgeholt werden.

Beispiel 8:

Die Anschaffungskosten für einen Pkw betragen 100 000 € im Kj. 01, die AfA beträgt jährlich 12,5 %, bei einer Nutzungsdauer von acht Jahren. Der Stpfl. hat tatsächlich in den acht Jahren lediglich 90 000 € als AfA-Betrag berücksichtigt, da er 10 000 € als Restwert bis zur Entnahme des Pkw fortführt. Im Kj. 09 – nach Ablauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer – wird der Pkw entnommen.

Lösung 8:

SteuerpflichtigerFinanzamt
Anschaffungskosten100 000 €100 000 €
AfA Kj. 01 bis 08:90 000 €99 999 €
Restwert im Zeitpunkt des Ausscheidens des WG10 000 €1 €
Entnahmewert im Kj. 0910 000 €10 000 €
Veräußerungsgewinn im Kj. 090 €9 999 €
Gebuchte Betriebsausgaben insgesamt./. 90 000 €./. 99 999 €
Gewinnauswirkung insgesamt./. 90 000 €./. 90 000 €

7. AfA-Tabelle

Das BMF-Schreiben vom 15.12.2000 (BStBl I 2000, 1533) enthält die AfA-Tabelle für alle Anlagegüter, die nach dem 31.12.2000 angeschafft oder hergestellt worden sind. Beachte dazu auch das BMF-Schreiben vom 6.12.2001 (BStBl I 2001, 860). Wegen der aktuellen Anwendung von AfA-Tabellen s.a. BMF vom 9.4.2013, BStBl I 2013, 522. Die AfA-Tabellen dienen als Hilfsmittel zur Schätzung der Nutzungsdauer. Sie berücksichtigen sowohl die technische als auch die wirtschaftliche Nutzungsdauer. Diese Abschreibungstabellen sind zwar weder handels- noch steuerrechtlich verbindlich, da es auf die betriebsindividuellen Verhältnisse ankommt. Die AfA-Tabellen sind jedoch von den Finanzgerichten unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und im Hinblick auf das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur dann nicht zu beachten, wenn ihre Anwendung im Regelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde (BFH Urteil vom 14.4.2011, IV R 46/09, BStBl II 2011, 696).

Die OFD Münster nimmt mit einem Schreiben vom 15.11.2011 zur Anwendung der AfA-Tabellen ausführlich wie folgt Stellung: Der BFH ermöglicht in ständiger Rechtsprechung eine Abweichung von den in den AfA-Tabellen angegebenen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern, soweit objektiv nachprüfbare Gründe für eine kürzere oder längere als die amtlich vorgesehene Nutzungsdauer sprechen (vgl. BFH Urteile vom 8.11.1996, VI R 29/96, BFH/NV 1997, 288 – und vom 5.2.2001, BFH/NV 2001, 1041). Dabei habe derjenige, der eine abweichende Nutzungsdauer geltend macht, die hierfür sprechenden Gründe substantiiert vorzubringen. Einen Ansatz der nach den AfA-Tabellen maßgebenden betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer hat der BFH darüber hinaus abgelehnt, wenn deren Berücksichtigung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt (vgl. BFH Urteile vom 26.7.1991, VI R 82/89, BStBl II 1992, 1000 und vom 11.12.1992, VI R 12/92, BFH/NV 1993, 362). Auch die Urteile des FG Köln vom 27.11.2007 und des FG Münster vom 13.3.2009 (14 K 3638/05 F) enthalten – jeweils im allgemeinen Teil der Urteilsbegründung – entsprechende Einschränkungen (vgl. Rn. 42 des Urteils des FG Köln; Rn. 32 des Urteils des FG Münster).

Die AfA-Tabellen des BMF haben nach dem Urteil des FG Niedersachsen (Urteil vom 9.7.2014, 9 K 98/14) für das Finanzamt den Charakter einer Dienstanweisung. Für den Stpfl. handelt es sich um das Angebot der Verwaltung für eine tatsächliche Verständigung im Rahmen einer Schätzung, das er (z.B. durch die Anwendung der Tabellen bei der Berechnung seiner Einkünfte) annehmen kann, aber nicht muss: Streitig war die Bestimmung des AfA-Satzes für eine Kartoffelhalle. Im Rahmen einer Betriebsprüfung zog das Finanzamt einen zuständigen Bausachverständigen hinzu. Daraufhin wurde eine AfA i.H.v. 4 % berücksichtigt, da die Halle nicht eindeutig der Leichtbauweise bzw. der massiven Bauweise zugeordnet werden konnte. Gegen die entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheide wurde fristgerecht Einspruch eingelegt. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Halle sei in Leichtbauweise errichtet worden. Hierfür sähen die amtlichen AfA-Tabellen eine AfA i.H.v. 6 % vor. Das Finanzgericht entschied hierzu wie folgt: Zu Unrecht ist das Finanzamt im Streitfall von einem AfA-Satz von 3 % für die Kartoffelhalle ausgegangen. Die Kläger haben vielmehr einen Anspruch auf Anwendung eines AfA-Satzes von 6 %, wie er sich aus der amtlichen AfA-Tabelle Landwirtschaft und Tierzucht (BdF vom 19.11.1996, BStBl I 1996, 1416, Tz 2.6.21.2) ergibt. Solange die AfA-Tabelle die Nutzungsdauer eines WG im Einzelfall vertretbar abbildet, ist die Finanzverwaltung an die Erfahrungswerte der Tabelle im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung gebunden.

Für die Prognose, ob der Betrieb einer Photovoltaikanlage zu einem Totalgewinn führen kann, ist ein Prognosezeitraum von 20 Jahren (betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer einer PV-Anlage nach der amtlichen AfA-Tabelle) zugrunde zu legen. Das gilt für eine PV-Anlage in einem Solarpark insbes. dann, wenn auch der abgeschlossene Verwaltervertrag sowie das Darlehen zur Finanzierung der Anlage eine Laufzeit von 20 Jahren haben und auch der Anspruch auf Einspeisevergütung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EEG für die Dauer von 20 Kj. besteht. Dies ergibt sich daraus, dass die PV-Anlagen als wesentliche Grundlagen des klägerischen Gewerbebetriebs eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 20 Jahren haben (BMF vom 15.12.2000, IV D 2-S 1551-188/00, BStBl I 2000, 1532 Tz. 3.1.6). Zwar sind die Tabellen zur Bestimmung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von Anlagegütern (sog. AfA-Tabellen) für die Gerichte nicht bindend. Dennoch haben sie die Vermutung der Richtigkeit für sich. Sie berücksichtigen nämlich sowohl die technische als auch die wirtschaftliche Abnutzung eines unter üblichen Bedingungen arbeitenden Betriebs (BFH vom 9.12.1999, III R 74/97, BFHE 191, 125, BStBl II 2001, 311). Demzufolge ist davon auszugehen, dass die PV-Anlagen unter besonderer Berücksichtigung der betriebstypischen Beanspruchung lediglich eine objektive Nutzbarkeit von 20 Jahren aufweisen; vgl. FG Baden-Württemberg vom 9.2.2017, 1 K 841/15.

8. Abschreibung auf nachträgliche Anschaffungskosten bei einer Beteiligung

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH stellt ein Vorbehaltsnießbrauch keine Gegenleistung für eine Vermögensübertragung dar. Bei Anteilen i.S.d. § 17 EStG hat der Rechtsnachfolger demnach, soweit er wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile wird, die vollen Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers fortzuführen. Leistet er später eine Abstandszahlung für den Verzicht des Rechtsvorgängers auf das Nießbrauchsrecht, die nicht in Zusammenhang mit der vorherigen Übertragung steht, ändert diese nichts an der Unentgeltlichkeit der Übertragung. Die Zahlung für die Ablösung des Nießbrauchs ist als nachträgliche Anschaffungskosten dem Wert der Beteiligung hinzuzurechnen.

In dem Urteil vom 18.11.2014, Az. IX R 49/13, BStBl II 2015, 224 entschied der BFH, dass Zahlungen für die Ablösung eines (Vorbehalts-)Nießbrauchs an einer Beteiligung i.S.v. § 17 EStG im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte nach § 17 EStG nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung darstellen. Eine unentgeltliche Übertragung nach § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG liegt auch bei der Übertragung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft unter Vorbehaltsnießbrauch vor.

9. Literaturhinweise

Eschenbach, Der Wertverzehr langfristig und zwangsläufig genutzter Wirtschaftsgüter als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG – Plädoyer für eine analoge Anwendung der Abschreibungsvorschriften in § 7 EStG als Korrektiv zur Gegenwertslehre des BFH, DStZ 2008, 133; Siegle, Abschreibungsmöglichkeiten beim beweglichen Anlagevermögen – Investitionsabzugsbetrag und geänderte Spielregeln bei geringwertigen Wirtschaftsgütern, NWB 23/2009, 1762 und NWB 24/2009, 1854; Hilbertz, Bemessungsgrundlage für AfA nach Einlage, NWB 2011, 108; Schoor, Abschreibungen, NWB 2011, 1187; Trossen, Berichtigung zu hoch vorgenommener AfA bei Gebäuden, NWB 2014, 1786.

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Abtretung (Zession) ist die Übertragung einer Forderung von dem bisherigen Gläubiger (Zedent) per Vertrag auf einen neuen Gläubiger (Zessionar).

  • Das in Geld zahlbare Arbeitseinkommen kann abgetreten werden, soweit es der Pfändung unterworfen ist.
  • Die Abtretung erfolgt durch Vertrag des Arbeitnehmers mit einem Dritten, dem Neugläubiger.
  • Wirksamkeit erlangt er mit Abschluss auch dann, wenn er dem Arbeitgeber nicht sogleich angezeigt wird.
  • Der Arbeitgeber kann die abgetretenen Teile des fälligen Arbeitseinkommens nicht mehr an den Arbeitnehmer, sondern nur noch an den Neugläubiger zahlen.
  • Ausgeschlossen sein kann die Abtretung von Arbeitseinkommen im Arbeitsvertrag, durch Betriebsvereinbarung oder durch Tarifvertrag; seine Pfändung hindert das nicht.3

1. Allgemeines

Ansprüche auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und auf Steuervergütungen gem. § 46 Abs. 1 AO können abgetreten, verpfändet und gepfändet werden. Eine Abtretung erfolgt nach bürgerlichem Recht durch Abtretungsvertrag i.S.d. § 398 BGB.

2. Wirksamkeit der Abtretung

Bürgerlich-rechtlich wird eine Abtretung nach § 398 Satz 2 BGB mit Abschluss des Abtretungsvertrages wirksam. Nach der Sonderbestimmung in § 46 Abs. 2 AO wird sie jedoch erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach § 46 Abs. 3 AO vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs (→ Steuerschuldverhältnis) anzeigt. Nicht von Bedeutung ist dagegen, ob die Steuer bereits festgesetzt wurde oder nicht.

Eine vor der Entstehung des Anspruchs angezeigte Abtretung oder Verpfändung ist unwirksam. Sie wird auch nicht mit der anschließenden Entstehung des Anspruchs wirksam. So kann der Einkommensteuererstattungsanspruch während des betreffenden Erhebungszeitraums nicht wirksam abgetreten oder verpfändet werden, da er erst mit Ablauf des entsprechenden Jahres entsteht. Dieser Fehler ist folglich nicht heilbar (BFH vom 6.2.1996, BStBl II 1996, 557). Vielmehr muss in diesen Fällen eine neue Abtretungsanzeige eingereicht werden.

Ein auf einem Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 EStG beruhender Erstattungsanspruch ist nur dann wirksam abgetreten, gepfändet oder verpfändet, wenn die Abtretung, Verpfändung oder Pfändung erst nach Ablauf des Verlustentstehungsjahres angezeigt bzw. ausgebracht worden ist (vgl. AEAO zu § 38, Nr. 1 Satz 3). Der Anspruch auf Erstattungszinsen nach § 233a AO entsteht erst, wenn eine Steuerfestsetzung zu einer Steuererstattung führt und die übrigen Voraussetzungen des § 233a AO in diesem Zeitpunkt erfüllt sind. Eine vor der Steuerfestsetzung angezeigte Abtretung des Anspruchs auf Erstattungszinsen ist unwirksam (BFH Urteil vom 14.5.2002, VII R 6/01, BStBl II 2002, 677).

Zulässig ist aber der Abschluss eines Abtretungsvertrages vor der Entstehung des Anspruchs, wenn die Anzeige gegenüber der Finanzbehörde erst nach Entstehung des Anspruchs erfolgt.

Liegen mehrere Abtretungen für einen Erstattungsanspruch vor, entscheidet die Finanzbehörde nach Maßgabe des Eingangsdatums der Anzeige, welche der Abtretungen vorrangig ist. Die zuerst eingegangene Abtretung ist vorrangig, da eine Abtretung erst mit Zugang wirksam wird.

3. Formvoraussetzungen

3.1. Amtlich vorgeschriebener Vordruck

Nach § 46 Abs. 3 AO ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Zessionars sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen (vgl. Anlage zum AEAO zu § 46 AO) und vom Abtretenden (= Zedenten) und Abtretungsempfänger (= Zessionar) zu unterschreiben. Mit BMF-Schreiben vom 22.7.2015 (IV A 3-S 0062/15/10003) wurde der Vordruck für die Abtretungs- bzw. Verpfändungsanzeige (Abtretungsanzeige BMF 7/15) geändert (AEAO zu § 46 Nr. 6).

Fehlt bei der Abtretung von Erstattungsansprüchen aus einer Zusammenveranlagung auf der Abtretungsanzeige die Unterschrift eines Ehegatten, so bleibt die Wirkung der Abtretung des Anspruchs, soweit er auf den Ehegatten entfällt, der die Anzeige unterschrieben hat, unberührt (BFH Urteil vom 13.3.1997, BStBl II 1997, 522).

Die Abtretung wird erst wirksam, wenn der Gläubiger sie in der in § 46 Abs. 3 AO vorgeschriebenen Form der Finanzbehörde anzeigt (§ 46 Abs. 2 AO); die Abtretungsanzeige ist materielle Wirksamkeitsvoraussetzung der Abtretung (BFH in ständiger Rechtsprechung, siehe etwa Urteil vom 6.2.1996, BStBl II 1996, 557).

Die in § 46 Abs. 3 AO vorgeschriebene formalisierte Abtretungsanzeige soll die Abtretenden davor schützen, ihre Erstattungsansprüche unüberlegt, zu unangemessenen Bedingungen oder an unseriöse Zessionare abzutreten. Darüber hinaus soll die einheitliche Gestaltung des amtlichen Vordrucks dem Finanzamt die Bearbeitung der Erstattungsanträge erleichtern (Begründung der Bundesregierung, BT-Drs. 7/2852, 47 und BFH Urteil vom 25.6.1985, BStBl II 1985, 572 m.w.N.). Abtretungsanzeigen, die nicht in allen Einzelheiten der amtlich vorgeschriebenen Form entsprechen oder bei denen der amtliche Vordruck unvollständig oder fehlerhaft ausgefüllt worden ist, machen die Abtretung nicht von vornherein unwirksam. Sie sind vielmehr als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen der Auslegung zugänglich, die sich an den vorstehend dargestellten Schutz- und Bearbeitungszwecken der Anzeige auszurichten hat, deren Erfüllung auch die formelle Wirksamkeit der Abtretungsanzeige bestimmt (vgl. BFH Urteil vom 16.11.1993, VII R 23/93, BFH/NV 1994, 598 m.w.N.).

3.2. Computerausdruck des amtlich vorgeschriebenen Vordrucks

Nach der o.a. Entscheidung können die Grundsätze für die Wirksamkeit der Einkommensteuererklärung entwickelten Formanforderungen auf die Abtretungsanzeige i.S.d. § 46 Abs. 3 AO übertragen werden (BFH Urteil vom 22.5.2006, VI R 15/02, BStBl II 2007, 2).

Auch ein aus zwei einzelnen Seiten bestehender und zusammengehefteter Computerausdruck soll den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und sei damit formwirksam (FG Niedersachsen, Urteil vom 30.11.2009, 9-K-73/07, EFG 2010, 540, vgl. auch Auffassung von Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 46 AO Rz. 22). Die mit den Formanforderungen des § 46 Abs. 3 AO verfolgten Zwecke bleiben nach Ansicht des FG Niedersachsen in diesen Fällen gewahrt. Zunächst entspricht der selbst erstellte Vordruck inhaltlich vollständig dem amtlichen Vordruck. Die schnelle Abwicklung der Erstattungsanträge durch EDV-gerechte Aufbereitung der Buchungsanweisungen (vgl. BT-Drs. 2852, 57) wird allein durch einen Vordruck, der aus zwei Seiten besteht, in keiner Weise erschwert.

Die Warn- und Schutzfunktion des amtlichen Vordrucks ist bei der Verwendung eines aus zwei getrennten Seiten bestehenden Vordrucks nicht beeinträchtigt. Die Unterschriftsleistung des Abtretenden erfolgt auf der zweiten Seite des Vordrucks. Diese Seite enthält alle auf dem Vordruck aufgeführten Warnhinweise, und zwar platziert direkt oberhalb der für die Unterschriftsleistung vorgesehenen Felder. Der Abtretende nimmt diese Hinweise also in gleicher Weise wie bei einem doppelseitig bedruckten Vordruck wahr. In ausreichender Weise kann der Abtretende auch erkennen, dass der Vordruck noch eine Seite 1 enthält (siehe Vermerk auch Seite 2 unten). Ein allein einseitig bedruckter Vordruck ist nicht erforderlich, dem Abtretenden seine Handlung bewusst zu machen. Die Kenntnisnahme des Inhalts der Seite 1 des Vordrucks ist in beiden Fällen allein vom Verhalten des Abtretenden abhängig.

Sind die Schutzzwecke gewahrt, ergibt sich auch aus dem Wortlaut (… auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck …) nicht, dass alleine die Verwendung des Originals eines amtlichen Vordrucks zulässig ist. Ein solches Erfordernis wäre nach Auffassung des FG Niedersachsen eine Überspannung der Formanforderungen, die sich weder exakt aus dem Wortlaut ableiten lässt noch der gängigen Verwaltungspraxis entspricht.

Nach Überzeugung des FG Niedersachsen besteht auch kein erhöhtes Manipulationsrisiko bei der Verwendung eines zweiseitig bedruckten Vordrucks.

Auch die Verwaltung übernimmt diese Rechtsauffassung, dass ein aus zwei getrennten, einseitig bedruckten und zusammengehefteten Blättern bestehender Computerausdruck einer Abtretungsanzeige den gesetzlichen Anforderungen genüge und daher formwirksam sei (Bayerisches Landesamt für Steuern, S-0166 2.1-16/6, St 42, Verf. vom 15.10.2010, LEXinform 5233021).

3.3. Verpflichtende Angaben zum Abtretungsgrund

Die in einer Abtretungsanzeige notwendigen Angaben zum Abtretungsgrund erfordern auch dann eine kurze stichwortartige Kennzeichnung des zugrunde liegenden schuldrechtlichen Lebenssachverhalts, wenn das auf dem amtlichen Vordruck vorgesehene Feld »Sicherungsabtretung« angekreuzt worden ist. Fehlen solche Angaben, leidet die Abtretungsanzeige an einem Formmangel, der zur Unwirksamkeit der Abtretung führt. Dass der Vordruck die gesetzlich geforderten formalen Anforderungen nur unzureichend wiedergibt und zu dem Irrtum verleitet, im Fall einer Sicherungsabtretung seien weitere Angaben zum Abtretungsgrund entbehrlich, ändert daran nichts (BFH vom 28.9.2011, VII R 52/10, BStBl II 2012, 92, LEXinform 0928041). Die vom Gesetz verlangten Angaben zum Abtretungsgrund können nicht durch Beifügung einer Anlage zu der vorgeschriebenen Abtretungsanzeige gemacht werden, wenn es auf dem amtlichen Vordruck an jeder Bezugnahme auf eine solche Unterlage fehlt (BFH vom 28.1.2014, VII R 10/12, BStBl II 2014, 507).

Eine unvollständige Abtretungsanzeige kann nicht deshalb als formwirksam angesehen werden, weil die (inzwischen geänderte) Gestaltung des nach dem Gesetz zu verwendenden amtlichen Vordrucks dazu verleiten kann, nur unzureichende Angaben zum Abtretungsgrund zu machen (BFH vom 28.8.2012, VII R 62/11, BFH/NV 2013, 498).

3.4. Wirksamkeit unterschiedlicher Übermittlungsformen

3.4.1. Übermittlung durch Telefax

Nach dem BFH-Urteil vom 8.6.2010 (VII R 39/09, BStBl II 2010, 839) ist der mit den Formvorschriften des § 46 Abs. 2 und 3 AO bezweckte Schutz ebenfalls gewahrt, wenn die auf einem vollständig ausgefüllten amtlichen Vordruck erklärte und eigenhändig unterschriebene Abtretungsanzeige durch Telefax übersandt wird (vgl. auch AEAO zu § 46 Nr. 7). An der bisherigen Rechtsauffassung (BFH Urteil vom 13.10.1987, VII R 166/84, BFH/NV 1988, 416), wonach die Abtretungsanzeige nur bei Vorlage des eigenhändig unterschriebenen Originals rechtswirksam ist, wird nicht mehr festgehalten.

3.4.2. Übermittlung des eingescannten Vordrucks per E-Mail

Der mit den Formvorschriften des § 46 Abs. 2 und 3 AO bezweckte Schutz ist ebenfalls gewahrt, wenn die auf einem vollständig ausgefüllten amtlichen Vordruck erklärte und eigenhändig unterschriebene Abtretungsanzeige eingescannt per E-Mail übermittelt wird (vgl. auch AEAO zu § 46 Nr. 7). In diesem Fall wird elektronisch eine bildliche Wiedergabe der Anzeige übermittelt, die erkennen lässt, dass Abtretender und Abtretungsempfänger den ausgedruckten amtlichen Vordruck vollständig ausgefüllt und eigenhändig unterschrieben haben.

Die elektronische Übermittlung einer ausschließlich elektronisch erstellten Abtretungsanzeige ist dagegen unwirksam. Daher lassen auch die im Internet abrufbaren Abtretungsanzeigen der Finanzverwaltung eine vollelektronische Bearbeitung in der Form, dass ein Ausfüllen, Unterzeichnen und Versenden möglich wäre, nicht zu.

Die Anzeige der Abtretung wird wirksam, sobald die Kenntnisnahme durch die Finanzbehörde möglich und nach der Verkehrsanschauung zu erwarten ist (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies bedeutet den Eintritt der Wirksamkeit bei Übermittlung

  • während der üblichen Dienststunden der Finanzbehörde im Zeitpunkt der vollständigen Übermittlung;
  • außerhalb der üblichen Dienststunden der Finanzbehörde zum Zeitpunkt des Dienstbeginns am nächsten Arbeitstag (vgl. AEAO zu § 46, Nr. 7).

4. Rechtsstellung des Steuerpflichtigen nach Abtretung oder Verpfändung

Mit der wirksam angezeigten Abtretung oder Verpfändung geht nicht die gesamte Rechtsstellung des Steuerpflichtigen über (BFH Urteile vom 21.3.1975, VI R 238/71, BStBl II 1975, 669, vom 15.5.1975, V R 84/70, BStBl II 1976, 41, vom 25.4.1978, VII R 2/75, BStBl II 1978, 465, und vom 27.1.1993, II S 10/92, BFH/NV 1993, 350). Übertragen wird nur der Zahlungsanspruch. Auch nach einer Abtretung, Pfändung oder Verpfändung ist der Steuerbescheid nur dem Steuerpflichtigen bekannt zu geben. Der neue Gläubiger des Erstattungsanspruchs kann nicht den Steuerbescheid anfechten. Dem neuen Gläubiger des Erstattungsanspruchs muss nur mitgeteilt werden, ob und ggf. in welcher Höhe sich aus der Veranlagung ein Erstattungsanspruch ergeben hat und ob und ggf. in welcher Höhe aufgrund der Abtretung, Pfändung oder Verpfändung an ihn zu leisten ist.

5. Abtretung oder Verpfändung bei Zusammenveranlagung

Fehlt in der Abtretungsanzeige, nach der die Erstattungsansprüche aus der Zusammenveranlagung abgetreten worden sind, die Unterschrift eines Ehegatten oder Lebenspartners, so wird dadurch die Wirksamkeit der Abtretung des Anspruchs, soweit er auf den Ehegatten bzw. Lebenspartner entfällt, der die Anzeige unterschrieben hat, nicht berührt (BFH Urteil vom 13.3.1997, VII R 39/96, BStBl II 1997, 522). Zum Erstattungsanspruch bei zusammenveranlagten Ehegatten oder Lebenspartnern vgl. AEAO zu § 37, Nr. 2.

6. Geschäftsmäßiger Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen

Der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zwecke der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung ist gem. § 46 Abs. 4 AO nicht zulässig. Dies gilt nicht bei Sicherungsabtretungen und ist dabei auch nur Bankunternehmen gestattet (BFH-Urteil vom 23.10.1985, VII R 196/82, BStBl II 1986, 124).

Die Abtretung eines Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs erfolgt nur dann zur bloßen Sicherung, wenn für beide Beteiligten der Sicherungszweck im Vordergrund steht. Eine Sicherungsabtretung ist daher grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, dass der Abtretungsempfänger die Forderung nicht behalten darf. Er soll sie nur vorübergehend für den Abtretenden als Sicherheit für einen Anspruch gegen den Abtretenden innehaben (vgl. AEAO zu § 46 Nr. 2.2). Deshalb kann eine Sicherungsabtretung regelmäßig nur dann vorliegen, wenn der Inhaber des Pfandrechts bei Fälligkeit seines Anspruchs zunächst versuchen muss, Befriedigung aus seinem Anspruch selbst zu suchen. Erst wenn dies nicht gelingt, darf er auf die Sicherheit zurückgreifen. Eine Abtretung zur Sicherung ist dagegen nicht gegeben, wenn der Abtretende seine Einwirkungsmöglichkeiten auf die abgetretene Forderung weitgehend aufgibt (vgl. BFH Urteil vom 3.2.1984, VII R 72/82, BStBl II 1984, 411).

7. Abrechnungsbescheid

Besteht zwischen der Finanzbehörde (= Drittschuldner) und dem Abtretungsempfänger Streit über die Berücksichtigung einer Abtretungsanzeige, entscheidet das Finanzamt mit → Abrechnungsbescheid gem. § 218 Abs. 2 AO.

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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