Mit Abwicklung einer Körperschaft (Auflösung) wird die Körperschaft bereits zivilrechtlich von einer werbenden Gesellschaft zu einer Gesellschaft in Liquidation.

1. Allgemeines

Mit Auflösung einer Körperschaft (→ Auflösung einer Körperschaft (zivilrechtlich)) wird die Körperschaft bereits zivilrechtlich von einer werbenden Gesellschaft zu einer Gesellschaft in Liquidation (i.L.). Dies schlägt sich auch auf die Besteuerung sowohl der Gesellschaft als auch der Gesellschafter nieder. Nach der Reinvermögenszugangstheorie gilt es, bei der Körperschaft die Versteuerung der stillen Reserven im Rahmen einer Schlussbesteuerung zu erfassen.

2. Besteuerung auf der Ebene der Körperschaft

2.1. Ermittlung des zu versteuernden Einkommens für die Körperschaftsteuer – Ermittlung des Liquidationsgewinns gem. § 11 KStG

Auf der Ebene des zu versteuernden Einkommens sorgt § 11 KStG dafür, dass bei einem unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG (→ Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit) der Gewinn, der in dem Zeitraum der Abwicklung erzielt wird, der Besteuerung zugeführt wird (§ 11 Abs. 1 Satz 1 KStG). § 11 Abs. 7 KStG stellt darüber hinaus klar, dass die Grundsätze der Liquidationsbesteuerung auch dann anwendbar sind, wenn die Gesellschaft aufgrund der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufgelöst wird (vgl. hierzu §§ 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG und §§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, → Auflösung einer Körperschaft (zivilrechtlich) und eine Abwicklung demnach unterbleibt (§ 264 Abs. 1 AktG, § 66 Abs. 1 GmbHG).

Hinweis:

Allein durch die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens wird dagegen keine Liquidation begründet, insbes. wenn eine Fortführung des Betriebs angestrebt wird (FG Köln vom 13.11.2014, 10 K 3569/13, EFG 2015, 673).

Die Regeln der Liquidation werden auch entsprechend angewendet, wenn eine Kapitalgesellschaft aus der unbeschränkten Steuerpflicht eines EU- oder EWR-Staats ausscheidet, weil sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einen Drittstaat verlagert hat, § 12 Abs. 3 KStG. Allein der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union führt aber nicht dazu, dass eine Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung dadurch als aus der unbeschränkten Steuerpflicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgeschieden gilt oder als außerhalb der Europäischen Union ansässig anzusehen ist, § 12 Abs. 3 Satz 4 KStG.

2.1.1. Abwicklungszeitraum

Bekanntlich ist bei einer Kapitalgesellschaft (→ Kapitalgesellschaften), da sie gem. § 6 Abs. 1 HGB i.V.m. §§ 238 ff. HGB und §§ 264 ff. HGB nach handelsrechtlichen Vorschriften verpflichtet ist, Bücher zu führen, der Gewinn des jeweiligen Wirtschaftsjahres (Geschäftsjahres, vgl. § 242 Abs. 1 HGB) der Besteuerung zu Grunde zu legen (§ 7 Abs. 4 Satz 1 KStG). Sofern das → Wirtschaftsjahr nicht dem Kalenderjahr entspricht, enthält § 7 Abs. 4 Satz 2 KStG hierfür eine zu § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG parallele Vorschrift. Danach ist der Gewinn in dem Kalenderjahr zu versteuern, in dem das jeweilige Wirtschaftsjahr endet.

Abweichend hiervon ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn eine unbeschränkt stpfl. Körperschaft nach der Auflösung (→ Auflösung einer Körperschaft (zivilrechtlich)) abgewickelt wird. Diese Regelung geht der Regelung des § 7 Abs. 4 KStG vor, wobei der sog. Besteuerungszeitraum nach § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG drei Jahre nicht übersteigen soll. Bei einer Überschreitung des Dreijahreszeitraums darf das Finanzamt nach Ablauf dieses Zeitraums gegenüber der Kapitalgesellschaft einen Körperschaftsteuerbescheid erlassen. Dies gilt selbst dann, wenn für eine Steuerfestsetzung vor Abschluss der Liquidation kein besonderer Anlass besteht (BFH Urteil vom 18.9.2007, I R 44/06, BStBl II 2008, 319). Die danach beginnenden weiteren Besteuerungszeiträume sind gem. R 11 Abs. 1 Satz 7 KStR grundsätzlich jeweils auf ein Jahr begrenzt. Innerhalb eines mehrjährigen Veranlagungszeitraums ist der Sockelbetrag der Mindestbesteuerung von 1 Mio. € nach § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG nur einmalig, also nicht mehrfach für jedes Kalenderjahr des verlängerten Besteuerungszeitraums anzusetzen (BFH Urteil vom 23.1.2013, I R 35/12, BStBl II 2013, 508).

Sofern der Abwicklungszeitraum im Hinblick auf § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG in mehrere Besteuerungszeiträume unterteilt wird, ist die besondere Gewinnermittlung nach § 11 Abs. 2 KStG nur für den letzten Besteuerungszeitraum vorzunehmen. Dabei ist das Abwicklungs-Anfangsvermögen aus der Bilanz zum Schluss des letzten vorangegangenen Besteuerungszeitraums abzuleiten. Für die vorangehenden Besteuerungszeiträume ist die → Gewinnermittlung nach allgemeinen Grundsätzen, also nach §§ 7 ff. KStG durchzuführen. Auf den Schluss jedes Besteuerungszeitraums ist eine Steuerbilanz aufzustellen (vgl. R 11 Abs. 3 KStR). Zwischenveranlagungen, die bei längeren Abwicklungszeiträumen ergehen, sind nicht vorläufiger, sondern wie übrige Veranlagungen endgültiger Rechtsnatur (FG Köln Urteil vom 27.9.2012, 10 K 2838/11, EFG 2013, 78).

Hinweis:

Mit Urteil vom 18.9.2018 (6 K 454/15 K, EFG 2018, 2058) hat das FG Düsseldorf entschieden, dass es sich bei den während einer Liquidation ergangenen Bescheiden um bloße »Zwischenveranlagungen« handele, die nach Abschluss der Abwicklung durch einen Bescheid für den gesamten Abwicklungszeitraum ersetzt werden müssten. Nach Beendigung der Abwicklung einer Kapitalgesellschaft sollen die Gewinne und Verluste für den gesamten Abwicklungszeitraum miteinander zu verrechnen und erfolgte Zwischenveranlagungen aufzuheben sein, ohne dass es zu einer Verlustabzugsbeschränkung nach § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG kommt. Die Sichtweise des BFH bleibt abzuwarten (Revision eingelegt, Aktenzeichen I R 36/18). Siehe hierzu auch OFD Frankfurt vom 27.12.2018, S 2225 A-013-St 213, DStR 2019, 387.

Der Abwicklungszeitraum beginnt nach R 11 Abs. 1 KStR mit dem Zeitpunkt der Auflösung (→ Auflösung einer Körperschaft (zivilrechtlich)) und endet, wenn die Liquidation rechtsgültig abgeschlossen ist (R 11 Abs. 2 Satz 1 KStR). Zum rechtsgültigen Abschluss der Liquidation gehört nicht nur die Schlussverteilung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter, sondern insbesondere im Hinblick auf § 272 Abs. 1 AktG und § 73 GmbHG der Ablauf des Sperrjahres (R 11 Abs. 2 Satz 2 KStR).

Wenn die Auflösung während eines laufenden Geschäftsjahres beginnt, kann nach Auffassung der Finanzverwaltung, entgegen der Rspr. des BFH (BFH Urteil vom 10.6.2009, I R 80/08, BFH/NV 2009, 1835; BFH Urteil vom 17.7.1974, I R 233/71, BStBl II 1974, 692), auf die Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres (→ Wirtschaftsjahr) verzichtet werden (Wahlrecht nach R 11 Abs. 1 Satz 3 KStR, vgl. aber R 7.1 Abs. 8 Satz 3 GewStR). Dieses Wahlrecht besteht jedoch nicht im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (R 11 Abs. 1 Satz 4 KStR). Wird der BFH-Auffassung folgend ein Rumpfgeschäftsjahr gebildet, besteht die Möglichkeit, ein weiteres Rumpfgeschäftsjahr zu bilden, das sich mit dem letzten Rumpfgeschäftsjahr der werbenden Gesellschaft zu einem vollen Kalenderjahr ergänzt (BFH Urteil vom 10.6.2009, I R 80/08, BFH/NV 2009, 1835).

Hinweis:

Da zivilrechtlich im Hinblick auf § 71 Abs. 1 GmbHG und § 270 Abs. 1 AktG zwingend eine Eröffnungsbilanz zu erstellen ist, ist für eine bessere Übersichtlichkeit auch für steuerliche Zwecke die Aufstellung einer Liquidationseröffnungsbilanz und folglich die Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres zu empfehlen.

Beispiel 1:

Am 31.12.01 beschließt die Gesellschafterversammlung der Z-GmbH (abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1.7. bis 30.6.) die Auflösung der Z-GmbH mit Beginn am 1.1.02. Auf den 31.12.01 wird für die Z-GmbH eine (Zwischen-) Bilanz aufgestellt.

Lösung 1:

Die Aufstellung der Bilanz per 31.12.01 führt zur Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres vom 1.7.01 bis zum 31.12.01. Der Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres ist nicht in die Liquidationsbesteuerung einzubeziehen, da der Abwicklungszeitraum (mit Liquidationsbesteuerung) erst am 1.1.02 beginnt.

2.1.2. Abwicklungsgewinn

Der Abwicklungsgewinn ermittelt sich abweichend von § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG und § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG nach § 11 Abs. 2 KStG. Danach ist das Abwicklungsendvermögen dem Abwicklungsanfangsvermögen gegenüberzustellen.

Der Abwicklungsgewinn ermittelt sich daher rechnerisch wie folgt:

Abwicklungs-Endvermögen
./.Abwicklungs-Anfangsvermögen
=Abwicklungsgewinn

Mit diesem speziellen Betriebsvermögensvergleich wird erreicht, dass nicht nur der durch die eigentliche Abwicklung (mittels Auflösung stiller Reserven) erzielte Gewinn besteuert wird, sondern auch der aus der kurzzeitigen Weiterführung des Unternehmens (während des Abwicklungszeitraums) herrührende Erfolg der Besteuerung zugeführt wird.

2.1.3. Endvermögen (§ 11 Abs. 3 KStG)

Abwicklungs-Endvermögen ist gem. § 11 Abs. 3 KStG das zur Verteilung kommende Vermögen, vermindert um die steuerfreien Vermögensmehrungen (→ Steuerfreie Einnahmen nach dem EStG, ABC-Form), die dem Stpfl. im Abwicklungszeitraum zugeflossen sind. Darüber hinaus sind gem. § 11 Abs. 6 KStG die allgemeinen Vorschriften über die Ermittlung des Gewinns (→ Gewinnermittlung) anzuwenden. Diese sind bei der Ermittlung des steuerlichen Abwicklungsgewinns entsprechend zu berücksichtigen. Sofern die einzelnen Wirtschaftsgüter noch nicht verkauft wurden, sind diese mit dem gemeinen Wert nach § 9 BewG anzusetzen (BFH Urteil vom 14.12.1965, I 246/62 U, BStBl III 1966, 152). Maßgeblicher Bewertungsstichtag ist dabei der Tag, an dem das jeweilige Wirtschaftsgut auf den Gesellschafter übertragen wurde.

2.1.4. Anfangsvermögen (§ 11 Abs. 4 KStG)

Abwicklungs-Anfangsvermögen ist gem. § 11 Abs. 4 Satz 1 KStG das → Betriebsvermögen, das am Schluss des der Auflösung (→ Auflösung einer Körperschaft (zivilrechtlich)) vorangegangenen Wirtschaftsjahres (→ Wirtschaftsjahr) der Veranlagung zur Körperschaftsteuer zugrunde gelegt worden ist. Folglich ist für die Liquidationseröffnungsbilanz die Schlussbilanz des letzten Wirtschaftsjahres bzw. die Schlussbilanz des gebildeten Rumpfwirtschaftsjahres der werbenden Gesellschaft maßgeblich. Ist für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum eine Veranlagung nicht durchgeführt worden, ist gem. § 11 Abs. 4 Satz 2 KStG das → Betriebsvermögen anzusetzen, das im Fall einer Veranlagung nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die → Gewinnermittlung auszuweisen gewesen wäre.

Um eine doppelte Besteuerung von Gewinnausschüttungen zu vermeiden, ist gem. § 11 Abs. 4 Satz 3 KStG das Abwicklungs-Anfangsvermögen um den Gewinn eines vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu kürzen, der im Abwicklungszeitraum ausgeschüttet worden ist. War am Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums → Betriebsvermögen nicht vorhanden, gilt gem. § 11 Abs. 5 KStG als Abwicklungs-Anfangsvermögen die Summe der später geleisteten Einlagen (→ Einlage).

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die in Abwicklung befindliche Gesellschaft grundsätzlich eigene Anteile haben kann. Der Gesellschaft stehen aus diesen eigenen Anteilen aber keine Rechte zu (vgl. § 71b AktG). Im Rahmen der Auflösung der jeweiligen Gesellschaft gehen die eigenen Anteile unter. Dieser aus dem Gesellschaftsrecht herrührende Vorgang kann demnach keinen Einfluss auf den Abwicklungsgewinn haben. Aus diesem Grund sind die eigenen Anteile mit dem Buchwert als Berichtigungsposten vom Abwicklungs-Anfangsvermögen in Abzug zu bringen.

2.1.5. Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften (§ 11 Abs. 6 KStG)

Auf die → Gewinnermittlung im Rahmen der Liquidationsbesteuerung sind gem. § 11 Abs. 6 KStG im Übrigen die sonst geltenden Vorschriften anwendbar. Demnach sind über § 11 Abs. 6 KStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG die Vorschriften des EStG (insbesondere §§ 3, 4 ff. EStG) ebenso anzuwenden wie die Vorschriften der §§ 7 bis 10 KStG. Bei der Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, also bei einer verdeckten Gewinnausschüttung (→ Verdeckte Gewinnausschüttung), lässt sich aus dogmatischer Sicht lediglich darum streiten, ob es sich um eine verdeckte »Zuwendung« oder verdeckte »Vermögensverteilung« handelt.

Allein aufgrund der Tatsache, dass im Rahmen der Liquidationsbesteuerung auch die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG (→ Spendenabzug) anwendbar ist, ist auch im Rahmen der Liquidationsbesteuerung die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach § 9 Abs. 2 KStG entsprechend zu berücksichtigen.

2.1.6. Gewinnermittlungsschema

Daraus ergibt sich folgendes Gewinnermittlungsschema:

Abwicklungs-Endvermögen
./.nicht der KSt unterliegende Vermögensmehrrungen bzw. steuerfreie Vermögensmehrungen (z.B. § 3 EStG, §§ 8b Abs. 1, 2 KStG)
+verdeckte Vermögensverteilungen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG i.V.m. R 8.5 KStR)
+nicht abziehbare Ausgaben (z.B. § 4 Abs. 5 bis 7 EStG, § 10 oder § 8b Abs. 5 KStG)
+sämtliche Spenden (Arg. § 9 Abs. 2 KStG)
=steuerliches Abwicklungs-Endvermögen i.S.d. § 11 Abs. 3 KStG
Abwicklungs-Anfangsvermögen
./.Gewinnausschüttungen für Wirtschaftsjahre vor der Auflösung (§ 11 Abs. 4 Satz 3 KStG)
./.Buchwert der eigenen Anteile
=steuerliches Abwicklungs-Anfangsvermögen i.S.d. § 11 Abs. 4 KStG (Buchwert)
steuerliches Abwicklungs-Endvermögen
./.steuerliches Abwicklungs-Anfangsvermögen
=(vorläufiger) Abwicklungsgewinn (-verlust) gem. § 11 Abs. 2 KStG
=Bemessungsgrundlage i.S.d. § 9 Abs. 2 KStG
./.abzugsfähige Spenden (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG)
./.Verlustabzug gem. § 10d EStG
=z.v.E. für den Liquidationsbesteuerungszeitraum

2.2. Ermittlung der Körperschaftsteuerschuld

2.2.1. Allgemeines

Für die Ermittlung der Steuerschuld bestehen grundsätzlich keine Besonderheiten zum allgemeinen Besteuerungsverfahren. So ist der allgemeine Tarif (→ Körperschaftsteuertarif) des § 23 Abs. 1 KStG i.H.v. 15 % (bis einschließlich VZ 2007: 25 %) mit Beendigung der Liquidation, also des Kalenderjahres, in dem der Abwicklungszeitraum endet, anzuwenden. Endete die Liquidation im VZ 2003, war hierauf gem. § 34 Abs. 11a KStG ein Steuersatz in Höhe von 26,5 % anzuwenden.

Beispiel 2:

Die A-GmbH ist durch Beschluss ihres Alleingesellschafters A zum 31.12.01 aufgelöst worden. Die Liquidationseröffnungsbilanz zum 1.1.02 wies ein Betriebsvermögen i.H.v. 160 000 € aus. Die Liquidation war zum 30.9.02 beendet. Die nach den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen aufgestellte Steuerbilanz wies zum 30.9.02 ein Abwicklungs-Endvermögen i.H.v. 180 000 € aus. Hierin enthalten ist die Nachzahlung einer steuerfreien Investitionszulage in Höhe von 10 000 €.

Lösung 2:

Der Abwicklungsgewinn sowie die darauf entfallende Körperschaftsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag sind wie folgt zu ermitteln:

Abwicklungs-Endvermögen180 000 €
./.steuerfreie Einnahme (InvZul)10 000 €
steuerliches Abwicklungs-Endvermögen170 000 €
./.steuerliches Abwicklungs-Anfangsvermögen160 000 €
Abwicklungsgewinn10 000 €
KSt-Tarifbelastung (§ 23 Abs. 1 KStG)1 500 €
Solidaritätszuschlag (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG)82,50 €

Der Abwicklungsgewinn unterliegt daneben noch der Gewerbesteuer (vgl. § 16 GewStDV).

Hinweis:

Hat das Finanzamt einen Körperschaftsteuerbescheid für einen im Zeitpunkt der Anwendbarkeit des Anrechnungsverfahrens endenden Besteuerungszeitraum erlassen und dabei den zu diesem Zeitpunkt geltenden Steuersatz angesetzt, ist der Bescheid nicht allein deshalb rechtswidrig, weil die Liquidation über den 31.12.2000 hinaus andauert und der tarifliche Körperschaftsteuersatz seitdem nur noch 25 % beträgt (BFH Urteil vom 18.9.2007, I R 44/06, BStBl II 2008, 319).

2.2.2. Anwendbarkeit der Übergangsvorschriften gem. § 40 Abs. 4 KStG bis VZ 2007

Berücksichtigt man, dass die Auflösung einer Gesellschaft und deren anschließende Liquidation nichts anderes darstellen als eine → Kapitalherabsetzung auf Null und eine sich (nach Ausgleich der Verbindlichkeiten) anschließende Vollausschüttung (→ Ausschüttungen) an die Gesellschafter, ist es selbstverständlich, dass auch im Rahmen der Liquidation die Übergangsvorschriften der §§ 37, 38 KStG entsprechend anzuwenden waren (§ 40 Abs. 4 Satz 1 KStG a.F.; BMF vom 26.8.2003, IV A 2-S 2760-4/03, BStBl I 2003, 434, Rz. 1; vgl. aber BFH Urteile vom 17.7.2008, I R 12/08, BStBl II 2009, 160 und vom 10.6.2009, I R 80/08, BFH/NV 2009, 1835 zu Gewinnausschüttungen einer in Liquidation befindlichen Kapitalgesellschaft im Jahr 2001 für ein vor dem Beginn der Liquidation im Jahr 2000 endendes Wj.).

Das galt gem. § 40 Abs. 4 Satz 2 KStG a.F. auch insoweit, als das Vermögen bereits vor Schluss der Liquidation verteilt wurde. Die Minderung (→ Körperschaftsteuerminderung) bzw. Erhöhung (→ Körperschaftsteuererhöhung) der Körperschaftsteuer war gem. § 40 Abs. 4 Satz 3 KStG a.F. für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Liquidation bzw. der jeweilige Besteuerungszeitraum endete. § 40 Abs. 4 Sätze 4 und 5 KStG a.F. enthielten zusätzlich Regelungen darüber, wann die Minderung bzw. Erhöhung erstmals bzw. letztmals anzuwenden war (2001 bzw. 2007) und wie insbesondere Liquidationen am Ende der Übergangsvorschriften zu behandeln waren. Von besonderem Interesse war die Außer-Kraft-Setzung des in § 37 Abs. 2a KStG geregelten Moratoriums (§ 40 Abs. 4 Satz 7 KStG a.F.). Auch während des Moratoriumzeitraums (grds. 11.4.2003 bis 31.12.2005) trat eine KSt-Minderung gem. § 37 Abs. 2 KStG und eine KSt-Erhöhung gem. § 38 Abs. 2 Satz 1 und 2 KStG um 30 % des positiven Endbestandes des vormaligen EK 02 ein (= Endbestand i.S.d. § 36 Abs. 7 KStG i.V.m. § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG a.F.).

Durch die Einführung der ausschüttungsunabhängigen ratierlichen Auszahlung des am 31.12.2006 bestehenden Körperschaftsteuerguthabens (§ 37 Abs. 5 KStG) bzw. die letztmalige Ermittlung des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Alt-EK 02 (§ 38 Abs. 4 ff. KStG) konnte es im Fall der Liquidation nicht mehr zur sofortigen Realisierung eines Guthabens, jedoch zur Fälligkeit eines KSt-Erhöhungsbetrages innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des entsprechenden Bescheids kommen. Der Auszahlungsanspruch konnte aber z.B. abgetreten werden, so dass eine Liquidation auch vor Ablauf des zehnjährigen Auszahlungszeitraums abgeschlossen werden konnte.

2.3. Gewerbesteuerlicher Hinweis (§ 16 GewStDV und R 7.1 Abs. 8 GewStR)

Kapitalgesellschaften sind nach § 2 Abs. 2 GewStG kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtig. Erhebungszeitraum ist dabei gem. § 14 Satz 2 GewStG das jeweilige Kalenderjahr. Einen besonderen Erhebungszeitraum, wie ihn § 11 KStG vorsieht, kennt das GewStG nicht.

Nach § 16 Abs. 1 GewStDV ist der → Gewerbeertrag, der bei einem in der Abwicklung befindlichen Gewerbebetrieb im Zeitraum der Abwicklung entstanden ist, auf die (Kalender-)Jahre des Abwicklungszeitraums zu verteilen. Entsprechendes gilt gem. § 16 Abs. 2 GewStDV, wenn über das Vermögen des Unternehmens ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

Die Verteilung des in dem Abwicklungszeitraum erzielten Gewerbeertrags auf die einzelnen Jahre erfolgt gem. R 7.1 Abs. 8 Sätze 4 und 5 GewStR im Verhältnis der Anzahl der Kalendermonate, in denen im einzelnen Jahr die Steuerpflicht bestanden hat, zu der Gesamtzahl der Kalendermonate des Abwicklungszeitraums. Dabei ist ein angefangener Monat voll zu rechnen.

3. Besteuerung auf der Ebene des Anteilseigners

3.1. Allgemeines

Auf der Ebene des Anteilseigners kommt es zunächst darauf an, ob er die Beteiligung an der abgewickelten/liquidierten Körperschaft im → Betriebsvermögen oder im Privatvermögen gehalten hat. Des Weiteren ist zu unterscheiden, ob es sich um eine Rückzahlung des Nennkapitals (→ Nennkapital; mit Ausnahme eines sog. Sonderausweises i.S.d. § 28 KStG) bzw. um Rückzahlungen aus dem steuerlichen Einlagekonto (→ Steuerliches Einlagekonto) oder um andere Rückzahlungen des Eigenkapitals handelt (→ Eigenkapital).

3.2. Beteiligung befindet sich im Privatvermögen

Sofern sich die Beteiligung im Privatvermögen befindet, führt die Auszahlung eines Liquidationsüberschusses an die Anteilseigner entweder zu Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG (→ Einkünfte aus Kapitalvermögen) oder insbesondere im Hinblick auf § 17 Abs. 4 EStG zu gewerblichen Einkünften (→ Einkünfte aus Gewerbebetrieb). Sofern die abgewickelte/liquidierte Kapitalgesellschaft (→ Kapitalgesellschaften) aufgrund einer steuerbegünstigten → Umwandlung nach § 20 UmwStG entstanden ist und der Anteilseigner nach § 21 Abs. 1 UmwStG a.F. sog. einbringungsgeborene Anteile hält (hielt), kann (konnte) die Rückzahlung der Liquidationsraten gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 UmwStG a.F. i.V.m. § 21 Abs. 1 UmwStG a.F. auch zu Einkünften aus § 16 EStG führen.

Aufgrund der Regelung des § 17 Abs. 4 Satz 3 EStG bzw. der Parallelvorschrift des § 21 Abs. 2 Nr. 3 letzter Halbsatz UmwStG a.F., wonach – entgegen der allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Dogmatik – vorrangig → Einkünfte aus Kapitalvermögen vorliegen, werden die Einkünfte aus Kapitalvermögen als Überschusseinkünfte hier vor den beiden in Frage kommenden Gewinneinkunftskategorien dargestellt.

3.2.1. Kapitaleinkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG (inkl. § 28 KStG)

Bei im Privatvermögen gehaltenen Anteilen führt die Rückzahlung des Nennkapitals (→ Nennkapital) grundsätzlich nicht zu steuerbaren Einkünften. Insbesondere liegen auch keine Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG vor. Rechtsdogmatisch sorgt vor allem § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG für dieses Ergebnis, wonach im Rahmen einer Auflösung der Gesellschaft (→ Auflösung einer Körperschaft (zivilrechtlich)) das → Nennkapital zunächst in das steuerliche Einlagekonto (→ Steuerliches Einlagekonto) »umzugliedern« ist und erst anschließend an die Anteilseigner ausgeschüttet werden kann.

Auch die Beträge, die der Anteilseigner offen oder verdeckt in die Gesellschaft eingelegt bzw. eingezahlt hat, die jedoch keine Einzahlungen auf das Grundkapital bzw. Stammkapital darstellen, sind – rein wirtschaftlich betrachtet – lediglich Kapitalrückzahlungen an den Anteilseigner. Diese können nicht zu stpfl. Einkünften i.S.d. § 20 EStG führen. Bekanntlich sind Aufgelder zum → Nennkapital (z.B. ein Agio) gem. § 272 Abs. 2 HGB in der Kapitalrücklage zu erfassen. Steuerlich werden diese Einzahlungen (wie auch verdeckte Einlagen) im steuerlichen Einlagekonto i.S.v. § 27 Abs. 1 KStG (→ Steuerliches Einlagekonto) gesondert festgestellt.

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG gehören – der wirtschaftlichen Betrachtungsweise folgend – die → Ausschüttungen bzw. Auszahlungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Demnach führt (grundsätzlich) weder die Rückzahlung von→ Nennkapital noch die Rückzahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto zu Einkünften aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG (vgl. insbesondere § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 1 EStG).

Sofern das → Eigenkapital in der Vergangenheit aufgrund einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln insbesondere gem. §§ 207 bis 220 AktG bzw. gem. § 57c GmbHG erhöht wurde, ist für die steuerliche Behandlung weiter danach zu differenzieren, ob für diese Kapitalerhöhung Kapitalrücklagen (vgl. § 272 Abs. 4 HGB) bzw. genauer das steuerliche Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG mitverwendet wurde. Die bloße Ausgabe der neuen Gesellschaftsanteile (sog. Gratisaktien bzw. Ausgleichsaktien) führt bereits deshalb zu keinen Einkünften, da das vorhandene → Eigenkapital lediglich auf ein höheres Grund- bzw. Stammkapital verteilt wird.

Körperschaftsteuerlich hat eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln jedoch im Hinblick auf § 28 Abs. 1 Satz 1 KStG zur Folge, dass ein positiver Bestand des steuerlichen Einlagekontos (also insbesondere die Kapitalrücklage) vor den übrigen Rücklagen als verwendet gilt. Dies wiederum führt dazu, dass das steuerliche Einlagekonto insoweit wegfällt und »echtes« → Nennkapital gebildet wird. Sofern jedoch auch andere Rücklagen für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet werden, sind diese Beträge für eine weitere steuerliche Nachvollziehbarkeit gem. § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG getrennt auszuweisen und gesondert festzustellen (sog. Sonderausweis; → Sonderausweis der in Nennkapital umgewandelten Rücklage gem. § 28 KStG). Insofern repräsentiert der Sonderausweis des § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG nämlich → Nennkapital, das nicht von den bzw. dem Gesellschafter von außen der Gesellschaft zugeführt wurde. Es handelt sich vielmehr um Nennkapitalanteile, die aus von der Gesellschaft erwirtschafteten Gewinnen stammen. Eine unterschiedliche steuerliche Behandlung der Auskehr von → Nennkapital an den Anteilseigner, das aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (= Kapitalerhöhung aus thesaurierten Gewinnen) stammt, und von »gewöhnlichen« Dividendenzahlungen (→ Dividende) wäre nicht zu rechtfertigen. Aus diesem Grund regelt § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG, dass bei einer Kapitalherabsetzung bzw. bei einer Auflösung der Körperschaft zunächst der Sonderausweis als verwendet gilt und die darüber hinausgehende Rückzahlung des Nennkapitals (→ Nennkapital) zu Einkünften gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt (§ 28 Abs. 2 Satz 2 KStG). Damit wird der Sonderausweis den gewöhnlichen Gewinnrücklagen gleichgestellt. Aus einkommensteuerrechtlicher Sicht wird die Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG durch § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG somit lediglich ergänzt.

Die Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG können demnach im Rahmen der Auflösung der Gesellschaft wie folgt ermittelt werden:

Zahlungen der Körperschaft an den Gesellschafter
./.verwendetes Nennkapital (mit Ausnahme des Sonderausweises nach § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG, vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG)
./.Verwendung des steuerlichen Einlagekontos gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG
=Bezüge gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG

Da es sich um Zahlungen einer Körperschaft handelt, die zu Einkünften aus Kapitalvermögen (→ Einkünfte aus Kapitalvermögen) führen, unterliegen die Bezüge des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG ab dem VZ 2009 der Abgeltungsteuer (vorher: gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. e EStG dem → Halbeinkünfteverfahren). Als Überschusseinkunftsart kommt es für den Zeitpunkt der steuerlichen Erfassung gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG auf den jeweiligen Zufluss beim Anteilseigner an.

3.2.2. Gewerbliche Einkünfte gem. § 17 EStG

Sofern der Anteilseigner an der jeweiligen Kapitalgesellschaft (→ Kapitalgesellschaften) innerhalb der letzten fünf Jahre zu mehr als 1 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt war und die Beteiligung im Privatvermögen gehalten wurde, führt die Rückzahlung des Nennkapitals (→ Nennkapital; wegen § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG als Rückzahlung des steuerlichen Einlagekontos (→ Steuerliches Einlagekonto) mit Ausnahme des Sonderausweises nach § 28 KStG) sowie die Rückzahlung des steuerlichen Einlagekontos zu Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 17 Abs. 1 EStG (§ 17 Abs. 4 EStG). Für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ist in diesen Fällen als Veräußerungspreis gem. § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG der gemeine Wert des dem Stpfl. zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft anzusetzen. Im Hinblick auf die Subsidiarität des § 17 Abs. 4 EStG zu § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG (vgl. § 17 Abs. 4 Satz 4 EStG) wird eine Steuerpflicht aus § 17 EStG dann relevant, wenn der Anteilseigner kein Gründungsgesellschafter war oder aber sich z.B. aufgrund verdeckter Einlagen (→ Verdeckte Einlagen) bzw. nachträglicher Anschaffungskosten (→ Nachträgliche Anschaffungskosten; s.a. BFH Urteil vom 11.7.2017, IX R 36/15, BStBl II 2019, 208; BFH Urteil vom 11.10.2017, IX R 51/15, BFH/NV 2018, 329) steuerliche Besonderheiten ergeben. Sofern die Kapitalgesellschaft aufgrund eines Insolvenzverfahrens aufzulösen ist, führt die Regelung des § 17 Abs. 4 EStG zu einer steuerlichen Verlustberücksichtigung, soweit § 17 Abs. 2 Satz 6 EStG dem nicht entgegensteht. Der Auflösungsgewinn bzw. -verlust i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG entsteht bereits infolge der zivilrechtlichen Auflösung der Gesellschaft. Die Liquidation der Gesellschaft ist dafür keine notwendige Voraussetzung (FG Thüringen Urteil vom 28.9.2016, 3 K 742/15, EFG 2017, 33; BFH Urteil vom 13.3.2018, IX R 38/16, BFH/NV 2018, 721).

Der (fiktive) Veräußerungspreis wird lediglich zur Hälfte bzw. ab VZ 2009 zu 60 % angesetzt, da auch in diesem Zusammenhang das → Halbeinkünfteverfahren bzw. ab VZ 2009 das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG anzuwenden ist. Die → Anschaffungskosten sind dementsprechend nach § 3c Abs. 2 EStG ebenfalls nur zur Hälfte bzw. zu 60 % abzusetzen.

Beispiel 3:

Der Alleingesellschafter A der liquidierten A-GmbH hält/hielt seinen GmbH-Anteil (Anschaffungskosten 25 000 € = Stammkapital der A-GmbH) im Privatvermögen. Ein Jahr nach Gründung legte A ein Grundstück verdeckt in die A-GmbH ein (Wert der verdeckten Einlage: 10 000 €). A erhält im Rahmen der Liquidation eine Ausschüttung i.H.v. insgesamt 80 000 €.

Lösung 3:

Die Liquidationsausschüttung führt bei A zu Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG), soweit keine Rückzahlung von Stammkapital und des steuerlichen Einlagekontos gegeben ist.

Liquidationsausschüttung80 000 €
./.Stammkapital25 000 €
./.steuerliches Einlagekonto (verdeckte Einlage)10 000 €
Einkünfte aus Kapitalvermögen45 000 €
[Abgeltungsteuer (25 %)]
Die Liquidation ist gem. § 17 Abs. 4 EStG im Übrigen wie eine Veräußerung zu behandeln:
Rückzahlung des Stammkapitals25 000 €
+Auskehrung des steuerlichen Einlagekontos10 000 €
»Veräußerungspreis«35 000 €
./.Kaufpreis der Anteile25 000 €
./.nachträgliche Anschaffungskosten (verdeckte Einlage)10 000 €
./.Anschaffungskosten gesamt35 000 €
Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG0 €

Als Gewinneinkunftsart (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) kommt es für den Zeitpunkt der Steuerpflicht nach § 17 EStG nicht auf den jeweiligen Zuflusszeitpunkt, sondern auf das sog. Realisationsprinzip an (vgl. BFH Urteil vom 25.1.2000, VIII R 63/98, BStBl II 2000, 343, OFD Frankfurt am Main vom 21.5.2008, S 2144 A-118-St 210 I, BB 2008, 1927). Nach der Rspr. des BFH (BFH Urteil vom 13.3.2018, IX R 38/16, BFH/NV 2018, 721; BFH Urteil vom 28.10.2008, IX R 100/07, BFH/NV 2009, 561; BFH Urteil vom 27.11.2001, VIII R 36/00, BStBl II 2002, 731; vgl. auch OFD Frankfurt am Main vom 21.5.2008, S 2144 A-118-St 210 I, BB 2008, 1927) kann ein Auflösungsverlust bereits vor Beendigung der Liquidation und vor Löschung im HR dann berücksichtigt werden, wenn

  • im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses bzw. am Bilanzstichtag feststeht, dass mit Zahlungen oder Rückführungen aus dem Gesellschaftsvermögen gem. § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu rechnen ist und
  • feststeht, ob und in welcher Höhe dem Gesellschafter nachträgliche Anschaffungskosten (→ Nachträgliche Anschaffungskosten) oder sonstige Aufwendungen, die nach § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigen sind, entstanden sind bzw. anfallen.

Hinweis:

Damit ergibt sich als frühestmöglicher Zeitpunkt für die Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts der Zeitpunkt der zivilrechtlichen Auflösung (z.B. durch entsprechenden Gesellschafterbeschluss) und als letztmöglicher Zeitpunkt der förmliche Abschluss der Liquidation durch Löschung aus dem HR.

3.3. Beteiligung befindet sich im Betriebsvermögen

Sofern die Beteiligung in einem → Betriebsvermögen gehalten wird, sind Kapitalrückzahlungen, die sonst als Einkünfte aus § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu erfassen wären, aufgrund § 20 Abs. 8 EStG bzw. wegen § 8 Abs. 2 KStG als → Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Ist der Anteilseigner eine natürliche Person, bleiben diese Einnahmen – trotz der Subsidiarität des § 20 Abs. 8 EStG – gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. e EStG zur Hälfte bzw. ab VZ 2009 zu 60 % steuerfrei (vgl. § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG).

Der übersteigende Betrag unterliegt jedoch seinerseits der Regelung des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG und ist daher ebenfalls im Anwendungsbereich des Teileinkünfteverfahrens ab dem VZ 2009 (vorher: des Halbeinkünfteverfahrens, → Halbeinkünfteverfahren). Der bilanzierte Buchwert ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns gem. § 3c Abs. 2 EStG daher nur zur Hälfte bzw. ab VZ 2009 zu 60 % anzusetzen.

Sofern der jeweilige Anteilseigner ein Steuerrechtssubjekt i.S.d. § 1 Abs. 1 KStG ist, bleiben die Bezüge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG gem. § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG grundsätzlich außer Ansatz. Sofern die Rückzahlung des Nennkapitals (ohne Sonderausweis nach § 28 KStG) und des steuerlichen Einlagekontos (→ Steuerliches Einlagekonto) nach Abzug des Buchwertes der Beteiligung zu einem Gewinn führt, ist dieser gem. § 8b Abs. 2 Satz 1 und 3 KStG ebenfalls steuerfrei. In beiden Fällen gelten jedoch 5 % der Bezüge bzw. des Gewinns als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben (§ 8b Abs. 5 bzw. Abs. 3 KStG). Die Steuerfreiheit tritt insoweit nicht ein, als in früheren Jahren eine steuerwirksame Teilwertabschreibung vorgenommen wurde, die zu einem geringeren Buchwertansatz der Beteiligung geführt hat und diese Gewinnminderung nicht bereits durch einen höheren Wert ausgeglichen wurde (§ 8b Abs. 2 Satz 3 KStG). Da gem. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG eine Gewinnminderung aufgrund einer Teilwertabschreibung steuerlich nicht mehr zu berücksichtigen ist, kann es sich bei steuerwirksamen Teilwertabschreibungen i.S.d. § 8b Abs. 2 Satz 3 KStG nur um solche Teilwertabschreibungen handeln, die noch unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens vorgenommen wurden. Nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG werden auch Liquidationsverluste von dem steuerlichen Abzug ausgeschlossen. Des Weiteren tritt die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG nur ein, wenn § 8b Abs. 4 KStG a.F. dem nicht entgegensteht.

3.3.1. Gewerbliche Einkünfte gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Teilbetriebsfiktion)

Aufgrund der Teilbetriebsfiktion des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist auch die Liquidation einer 100 %igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (→ Kapitalgesellschaften), die im → Betriebsvermögen gehalten wird, eine steuerbegünstigte Veräußerung i.S.d. § 16 EStG. Aufgrund des Verweises in § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auf § 17 Abs. 4 Satz 3 EStG erfolgt die Besteuerung demnach grundsätzlich ebenso wie bei dem Verhältnis von § 17 EStG zu § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Aus diesem Grund wird auf obige Ausführungen verwiesen.

Da es sich hierbei um Einkünfte i.S.v. § 16 EStG handelt, gilt hier ab dem VZ 2009 das Teileinkünfteverfahren (vorher: das → Halbeinkünfteverfahren) gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. b EStG i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG. Darüber hinaus ist vom steuerbaren → Veräußerungsgewinn auf Antrag und bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG abzuziehen. Da bereits das → Halbeinkünfteverfahren bzw. das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung kommt, kann eine weitere Tarifermäßigung nicht in Anspruch genommen werden (vgl. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG).

3.3.2. Gewerbliche Einkünfte gem. § 16 EStG i.V.m. § 21 UmwStG a.F.

Sofern die Beteiligung aufgrund einer steuerbegünstigten → Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils unter dem Teilwert nach § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG a.F. entstanden ist, handelt es sich gem. § 21 Abs. 1 UmwStG a.F. um sog. einbringungsgeborene Anteile. Nach § 21 Abs. 1 UmwStG a.F. führt der Verkauf derartiger Anteile zwingend zu Einkünften aus § 16 EStG. Da die Liquidation gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 UmwStG a.F. einer Veräußerung gleichgestellt ist, sind die Liquidationsraten als Veräußerungspreis i.S.d. § 16 Abs. 2 EStG anzusehen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Liquidationsraten den Einkünften i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG zuzuordnen sind. Insoweit ergeben sich auch hier dieselben rechtlichen Erwägungen wie bei § 17 EStG.

Das Halbeinkünfteverfahren/Teileinkünfteverfahren ist für den → Veräußerungsgewinn bzw. für Liquidationsraten einbringungsgeborener Anteile gem. § 3 Nr. 40 Satz 3 EStG a.F. grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, die Rückausnahme des § 3 Nr. 40 Satz 4 EStG a.F. greift ein. Das ist dann der Fall, wenn die siebenjährige Sperrfrist für einbringungsgeborene Anteile abgelaufen ist. Ferner gilt die Rückausnahme, wenn die Anteile durch eine mehrheitsvermittelnde → Einbringung i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG a.F. entstanden sind und die mehrheitsvermittelnden Anteile nicht ihrerseits innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist auf eine Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils mittelbar oder unmittelbar zurückzuführen sind.

3.4. Zusammenfassung der Folgen des EStG

Zusammenfassend lassen sich die Folgen für den Anteilseigner (als natürliche Person) wie folgt darstellen:

  • Zahlungen der Liquidationsraten sind, soweit es sich nicht um Rückzahlungen des Nennkapitals (→ Nennkapital; mit Ausnahme des Sonderausweises) oder um Rückzahlungen des steuerlichen Einlagekontos (→ Steuerliches Einlagekonto) handelt, → Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG), die ab dem VZ 2009 gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. e EStG i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG dem Teileinkünfteverfahren (vorher: dem → Halbeinkünfteverfahren) unterliegen, es sei denn, die Anteile werden im Privatvermögen gehalten, dann kommt ab VZ 2009 die → Abgeltungsteuer zur Anwendung (§ 32d Abs. 1 EStG).
  • Rückzahlungen des Nennkapitals (mit Ausnahme des Sonderausweises) und Rückzahlungen des steuerlichen Einlagekontos können zu folgenden Einkünften führen:
    • zu Einkünften aus § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Teilbetriebsfiktion) i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. b EStG;
    • zu Einkünften aus § 16 EStG i.V.m. § 21 UmwStG a.F., mit der Besonderheit des § 3 Nr. 40 Sätze 3 und 4 EStG a.F. und § 3c Abs. 2 Sätze 3 und 4 EStG a.F.;
    • zu Einkünften aus § 17 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a, c EStG.

4. Hinweis zur Kapitalertragsteuer und zum Solidaritätszuschlag

Führen die Zahlungen beim Anteilseigner zu Einkünften gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG, hat die Kapitalgesellschaft (→ Kapitalgesellschaften) gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 EStG → Kapitalertragsteuer einzubehalten. Dabei sind die Vorschriften des § 3 Nr. 40 EStG bzw. des § 8b KStG gem. § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht zu berücksichtigen. Die → Kapitalertragsteuer beträgt gem. § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich 20 % bzw. ab dem VZ 2009 25 %, es sei denn, die Kapitalgesellschaft übernimmt die Kapitalertragsteuer. In diesem Fall beträgt die Kapitalertragsteuer 25 % bzw. ab VZ 2009 33 1/3 % des ausgezahlten Betrages.

Die Pflicht zum Einbehalt des Solidaritätszuschlags (→ Solidaritätszuschlag) ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG.

5. Literaturhinweise

Neu, Die Liquidationsbesteuerung der GmbH, GmbHR 2000, 57; Beste, Die Auflösung der GmbH durch Gesellschafterbeschluss, StuB 2002, 692; Brinkmeier, Die Liquidationsbesteuerung der GmbH, GmbH-StB 2003, 289; Semmler, Liquidation von Körperschaften und Personenvereinigungen, NWB 2003, Fach 4, 4755; Dötsch/Pung, Die Auflösung und Abwicklung von Körperschaften: Das Einführungsschreiben des BMF vom 26.8.2003, DB 2003, 1922; Lohmann/Bascopé, Liquidationsbesteuerung von Körperschaften: Ermittlung des Abwicklungsgewinns bei Vornahme von Zwischenveranlagungen, GmbHR 2006, 1313; Semmler/Zimmermann, Ausgewählte Zweifelsfragen zur erstmaligen Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens bei der Liquidation von Kapitalgesellschaften, DB 2006, 1804; Gold, Liquidationsbesteuerung und zeitlicher Übergang ins Halbeinkünfteverfahren, GmbHR 2007, 682; Peetz, Entstehung des Auflösungsverlustes gemäß § 17 EStG, GmbHR 2007, 1022; Früchtl/Prokscha, Die einkommensteuerliche Behandlung von Erlösen aus der Liquidation von Kapitalgesellschaften nach dem SEStEG, BB 2007, 2147; Michel, Anwendungsbereich des § 42 AO bei einer Anteilsveräußerung vor Liquidation einer Kapitalgesellschaft, FR 2008, 448; Wohltmann, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer in der Liquidation, NWB 2009, 950; Wälzholz, Steuerliche Probleme der GmbH in der Liquidation, GmbH-StB 2011, 117; Pflüger, Der richtige Fahrplan für die Liquidation einer GmbH, GStB 2011, 190; Pröpper, Liquidation der GmbH, GmbH-StB 2013, 258; Bergmann, Liquidation: Kein mehrfacher »Sockelbetrag« von 1 Mio. Euro gemäß § 10d Abs. 2 EStG im mehrjährigen Besteuerungszeitraum nach § 11 Abs. 1 KStG, GmbHR 2013, 489; Weppner, Erfolgswirksame Auflösung eines nicht werthaltigen Gesellschafterdarlehens in der Liquidationsschlussbilanz, GWR 2014, 271; Betzinger, Verbindlichkeiten in der Liquidation, DStR 2014, 1573; Rogge, Ertragsteuerliche Konsequenzen bei Liquidation einer Kapitalgesellschaft mit bestehenden Gesellschafterdarlehensverbindlichkeiten, DB 2015, 2837; Kahlert, Liquidationsbesteuerung der GmbH: Keine Auflösung einer nicht befriedigten Verbindlichkeit, DStR 2016, 2262; Becker/Schwarz/Mühlhausen, Steuerfolgen des identitätswahrenden Wegzugs einer Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat, IStR 2017, 45; Mayer/Wagner, Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt in der Liquidationsschlussbilanz – Finanzverwaltung schafft doppelt Klarheit, DStR 2017, 2025; Arens, Die Löschung der GmbH: zivil- und steuerrechtliche Folgen im Lichte der aktuellen Rechtsprechung, DB 2017, 2913; Lampe/Breuer/Hotze, Erfahrungen mit § 3a EStG im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens unter Einholung einer verbindlichen Auskunft, DStR 2018, 173; Schulze-Osterloh, Disquotale Zuzahlungen der Gesellschafter in das Eigenkapital einer Kapitalgesellschaft und ihre Folgen für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 17 Absatz 2 und 4 EStG, BB 2018, 427; Deutschländer, Realisierung eines Auflösungsverlusts nach § 17 Abs. 4 EStG, NWB 2018, 634; Zimmermann, Keine Mindestbesteuerung gem. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG bei der endgültigen Abwicklungsbesteuerung, FR 2019, 78; Jordan, Das BREXIT-Steuerbegleitgesetz: Steuerliche Vorsorge des deutschen Gesetzgebers, Ein Überblick der Gesetzesinhalte und zugleich kritische Anmerkungen, StuB 2019, 324; Rutemöller, Gesellschaften in der Liquidation – steuerrechtliche Folgen und Problembereiche, DStZ 2019, 832.

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Für Bauleistungen, welche nach dem 31.12.2001 erbracht wurden, ist nach § 48 EStG ein Steuerabzug von 15 % der Gegenleistung – Abzugsbesteuerung – vorzunehmen.

1. Ertragsteuerrechtliche Behandlung

1.1. Allgemeines

Für Bauleistungen (→ Bauleistungen in der Umsatzsteuer), die nach dem 31.12.2001 erbracht werden (§ 52 Abs. 56 EStG), ist nach § 48 EStG ein Steuerabzug von 15 % der Gegenleistung vorzunehmen (Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe vom 30.8.2001 BGBl I 2001, 2267, BStBl I 2001, 602). Zum Steuerabzug von Vergütungen für im Inland erbrachte Bauleistungen (§§ 48 ff. ESt) nimmt das BMF mit Schreiben vom 27.12.2002 (BStBl I 2002, 1399) Stellung.

Mit Beschluss vom 8.7.2008 (13 V 9389/07, LEXinform 5006934) gelangte das FG Berlin-Brandenburg zu der Ansicht, dass eine ausreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die §§ 48 ff. EStG eine nach Art. 49 und Art. 50 EG-Vertrag verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen und die Bauabzugsteuer demnach EU-rechtswidrig sein könnte.

Mit Beschluss vom 29.10.2008 (I B 160/08, BFH/NV 2009, 377, LEXinform 5904773) widerspricht der BFH der Rechtsauffassung des FG. Das in §§ 48 ff. EStG angeordnete Steuerabzugsverfahren ist in systematischer Hinsicht mit demjenigen vergleichbar, das § 50a Abs. 4 EStG und § 50d EStG im Zusammenhang mit der Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler vorsehen. Dazu hat der BFH entschieden, dass die Vereinbarkeit jener Regelungen mit dem Gemeinschaftsrecht nach den im Jahr 2007 gegebenen Verhältnissen nicht i.S.d. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft ist (BFH Beschluss vom 29.11.2007, I B 181/07, BStBl II 2008, 195). Das FG zieht die Richtigkeit dieser Entscheidung zwar in Zweifel. Der BFH hält aber die dort angestellten Überlegungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, weiterhin für tragfähig.

Im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Vorschriften kommt hinzu, dass §§ 48 ff. EStG nicht danach unterscheiden, ob die Bauleistung durch einen inländischen oder einen ausländischen Unternehmer erbracht wird. Die mit dem Steuerabzug verbundenen Verpflichtungen des Leistungsempfängers knüpfen vielmehr ausschließlich an die in § 48 EStG genannten Merkmale an, zu denen die Ansässigkeit des leistenden Unternehmers nicht gehört. Darin unterscheiden sich die maßgeblichen Regelungen namentlich von denjenigen des belgischen Rechts, die der EuGH für mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar erachtet hat (EuGH Urteil vom 9.11.2006, C-433/04, DStRE 2007, 655); jene Entscheidung kann daher auf den Streitfall nicht übertragen werden. Die Erstreckung der Abzugsregelungen auf alle Leistenden schließt eine dem Gemeinschaftsrecht widerstreitende Diskriminierung ausländischer Unternehmer im Grundsatz aus. Im Bereich der Bauabzugsteuer besteht jedenfalls kein Anlass, die Vereinbarkeit der gesetzlichen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht für ernstlich zweifelhaft zu halten.

Für Unternehmen des Baugewerbes, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Ausland haben, gilt eine zentrale örtliche Zuständigkeit von Finanzämtern im Bundesgebiet (vgl. § 20a AO). Demnach ist für die Besteuerung von Unternehmen das Finanzamt zuständig, das für die Besteuerung der entsprechenden Umsätze nach § 21 Abs. 1 AO zuständig ist, wenn der Unternehmer seinen Wohnsitz oder das Unternehmen seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes hat.

Ziel der Vorschrift ist vor allem ist die Bekämpfung der illegalen Betätigung im Baugewerbe sowie die Sicherung von Einkommen-, Körperschaft- und Lohnsteuer, die aus im Inland erbrachten Bauleistungen resultieren. Das Steuerabzugsverfahren dient jedoch nicht der Sicherung von Umsatzsteuer.

1.2. Bauleistungen

Bauleistungen i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 2 EStG sind alle Leistungen, die der

  • Herstellung,
  • Instandsetzung,
  • Änderung oder
  • Beseitigung

von Bauwerken dienen. Die maßgeblichen Bauleistungen ergeben sich aus § 1 Abs. 2 der Baubetriebe-Verordnung (BMF vom 27.12.2002, BStBl I 2002, 1399, Rz. 5–14). S.a. Abschn. 13b.2 Abs. 5 ff. UStAE.

Darunter zählen insbesondere:

  • Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit;
  • Aptierungs- und Drainierungsarbeiten, wie z.B. das Entwässern von Grundstücken und urbar zu machenden Bodenflächen, einschließlich der Grabenräumungs- und Faschinierungsarbeiten, des Verlegens von Drainagerohrleitungen sowie des Herstellens von Vorflut- und Schleusenanlagen;
  • Asbestsanierungsarbeiten an Bauwerken und Bauwerksteilen;
  • Bautrocknungsarbeiten, das sind Arbeiten, die unter Einwirkung auf das Gefüge des Mauerwerks der Entfeuchtung dienen, auch unter Verwendung von Kunststoffen oder chemischen Mitteln sowie durch Einbau von Kondensatoren;
  • Beton- und Stahlbetonarbeiten einschließlich Betonschutz- und Betonsanierungsarbeiten sowie Armierungsarbeiten;
  • Bohrarbeiten;
  • Brunnenbauarbeiten;
  • chemische Bodenverfestigungen;
  • Dämm-(Isolier-)Arbeiten (das sind z.B. Wärme-, Kälte-, Schallschutz-, Schallschluck-, Schallverbesserungs-, Schallveredelungsarbeiten) einschließlich Anbringung von Unterkonstruktionen sowie technischen Dämm-(Isolier-)Arbeiten, insbes. an technischen Anlagen und auf Land-, Luft- und Wasserfahrzeugen.

Ob das eingebaute Wirtschaftsgut als Betriebsvorrichtung oder Gebäudebestandteil anzusehen ist, ist für die Annahme einer Bauleistung ohne Bedeutung (z.B. Installation einer Photovoltaikanlage); vgl. BayLSt, Vfg. vom 16.9.2015, S 2272.1.1-3/8 St 32: Die Installation einer Photovoltaikanlage an oder auf einem Gebäude stellt eine Bauleistung i.S.d. § 48 EStG dar. Die Aufstellung einer Freiland-Photovoltaikanlage kann ebenfalls den Bauleistungsbegriff des § 48 EStG erfüllen. An der bisher anders lautenden Auffassung, dass Photovoltaikanlagen als Betriebsvorrichtungen nicht den Begriff des Bauwerks erfüllen, wird nicht mehr festgehalten.

Folgende Leistungen fallen nicht unter den Steuerabzug:

  • bloße Reinigungstätigkeiten, wie das Reinigen von Fenstern und Räumlichkeiten ohne Eingriff in die Bausubstanz; eine Veränderung der Oberfläche, z.B. beim Sandabstrahlen einer Fassade, führt nicht zu einer Bauleistung. Ebenso das Aufstellen von Baugerüsten sowie reine Wartungsarbeiten an Bauwerken,
  • Materiallieferungen (z.B. durch Baustoffhändler oder Baumärkte),
  • Anliefern von Beton (demgegenüber stellt das Anliefern und das anschließende fachgerechte Verarbeiten des Betons durch den Anliefernden eine Bauleistung dar),
  • gem. BGH Urteil vom 7.7.2005, VII ZR 430/02, gehören Planungs- und Bauaufsichtsleistungen von Architekten und Ingenieuren nicht zu den Bauleistungen i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG,
  • Zurverfügungstellen von Betonpumpen,
  • planerische Leistungen (z.B. von Architekten, Statikern),
  • Zurverfügungstellen von anderen Baugeräten,
  • Aufstellen von Material- und Bürocontainern, mobilen Toilettenhäusern,
  • Entsorgung von Baumaterialien (Schuttabfuhr durch Abfuhrunternehmer),
  • Aufstellen von Messeständen,
  • Gerüstbau,
  • Anlegen von Bepflanzungen und deren Pflege (z.B. Bäume, Gehölze, Blumen, Rasen),
  • Labordienstleistungen (z.B. chemische Analyse von Baustoffen) oder reine Leistungen zur Bauüberwachung, zur Prüfung von Bauabrechnungen und zur Durchführung von Ausschreibungen und Vergaben,
  • Luftdurchlässigkeitsmessungen an Gebäuden, die für die Erfüllung von § 6 EnEV und Anlage 4 zur EnEV durchgeführt werden, da sich diese Leistungen nicht auf die Substanz eines Gebäudes auswirken,
  • Bebauung von eigenen Grundstücken zum Zweck des Verkaufs; insoweit liegt eine Lieferung und keine Werklieferung vor.

Mit Urteil vom 13.11.2013 (7 K 7001/13) stellt das FG Berlin-Brandenburg klar, dass bei Bauleistungen, die den Einbau oder Aufbau einer Betriebsvorrichtung betreffen, keine Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger übergeht. Das FG verdeutlicht, dass die in § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG bezeichneten Werklieferungen und sonstigen Leistungen, die, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, sich im Ausgangspunkt mit Bauleistungen i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG gleichsetzen lassen. Sie erstrecken sich auch auf Reparatur-, Reinigungs-, Wartungs-, Umbau- und Abbrucharbeiten im Zusammenhang mit einem Grundstück. Die umgekehrte Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers erfasse nur solche Bauleistungen, die sich unmittelbar auf die Substanz eines Bauwerks i.S. einer Substanzveränderung in Form der Erweiterung, Verbesserung oder Beseitigung desselben auswirken. Sie scheide daher aus, wenn die Leistungen den Einbau bzw. Aufbau einer sog. Betriebsvorrichtung betreffen.

Das FG Düsseldorf hat mit Urteil vom 10.10.2017, 10 K 1513/14 E, entschieden, dass die Lieferung und Montage von Photovoltaikanlagen in Form von Aufdach-Anlagen eine Bauleistung darstellt, welche nach § 48 EStG dem Steuerabzug bei Bauleistungen unterliegt. Ebenso hat das Hessische FG mit Urteil vom 16.5.2017, 4 K 63/17, die Errichtung einer Freiland-Photovoltaikanlage als Bauleistung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG eingestuft.

In dem Revisionsverfahren zum Hessischen Finanzgericht entschied der BFH mit Urteil vom 7.11.2019, I R 46/17, dass Bauabzugsteuer i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Errichtung von Freiland-Photovoltaikanlagen anfallen kann, da die Begriffe Bauwerk und Bauleistung normspezifisch auszulegen sind. Die der Bauabzugsteuer unterliegenden Bauwerke sind insbesondere nicht auf Gebäude oder unbewegliche Wirtschaftsgüter beschränkt, sondern kommen auch bei Scheinbestandteilen, Betriebsvorrichtungen und technischen Anlagen in Betracht. Ob die Einkünfte des Leistenden in Deutschland stpfl. sind, spielt für die Bauabzugsteuer grds. keine Rolle.

Zum Begriff der Bauleistungen s. die ausführlichen Erläuterungen unter → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers sowie → Bauleistungen in der Umsatzsteuer.

1.3. Gegenleistung

Gegenleistung i.S.d. § 48 Abs. 3 EStG ist das Entgelt zzgl. USt (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers). Dabei unterliegen auch Abschlagszahlungen auf die vereinbarte Gegenleistung dem Abzugsverfahren. Maßgeblich für die Anmeldung des Steuerabzugs durch den Leistungsempfänger ist gem. § 48a EStG die »Erbringung« der Gegenleistung; somit die Zahlung des Entgelts zzgl. USt. Entgelte Dritter (z.B. Versicherungen) sind einzubeziehen; hierbei muss der Leistungsempfänger Sorge tragen, dass die Bauabzugsteuer einbehalten und abgeführt wird.

1.4. Abzugsverpflichtung

Der Leistungsempfänger ist abzugsverpflichtet, wenn es sich hierbei

  • um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder
  • um einen Unternehmer i.S.d. § 2 UStG handelt. Darunter fallen auch Tätigkeiten, die einkommensteuerrechtlich eine → Liebhaberei darstellen. Die Abzugsverpflichtung besteht auch für → Kleinunternehmer, pauschalversteuernde Land- und Forstwirte und Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen (BMF vom 27.12.2002, BStBl I 2002, 1399, Rz. 15). Die Abzugsverpflichtung besteht demzufolge auch für Kleinunternehmer (§ 19 UStG), pauschalversteuernde Land- und Forstwirte (§ 24 UStG) und Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen. Dazu gehören auch die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, von Gebäuden und Gebäudeteilen. Im Falle des Nießbrauchs ist der Nießbrauchsberechtigte Unternehmer. Der Gebäudeeigentümer (Nießbrauchsverpflichteter) ist nur bei entgeltlich bestelltem Nießbrauch Unternehmer (nachhaltige Duldungsleistung). Bei unentgeltlich bestelltem Nießbrauch (z.B. Vorbehalts-, Zuwendungsnießbrauch) fehlt es zur Unternehmereigenschaft an der Einnahmeerzielungsabsicht. Die Abzugsverpflichtung betrifft nur den unternehmerischen Bereich des Auftraggebers. Wird eine Bauleistung ausschließlich für den nichtunternehmerischen Bereich eines Unternehmers erbracht, findet der Steuerabzug nicht statt. Bei der umsatzsteuerlichen Organschaft ist der Organträger der Unternehmer.

Die Abzugsverpflichtung betrifft nur Bauleistungen für den unternehmerischen Bereich. Wird die Bauleistung für ein Bauwerk erbracht, das nur teilweise unternehmerischen Zwecken dient, kommt es darauf an, ob die Bauleistung dem unternehmerisch oder nichtunternehmerisch genutzten Teil des Bauwerks zugeordnet werden kann. Bauleistungen, die einem Teil des Bauwerks nicht eindeutig zugeordnet werden können, sind dem Zweck zuzuordnen, der überwiegt. Der überwiegende Zweck ist anhand des Wohn-/Nutzflächenverhältnisses oder anderer sachgerechter Maßstäbe festzustellen. Zur Behandlung von Bauleistungen für ein Bauwerk, das nur teilweise unternehmerischen Zwecken dient, s. BMF vom 27.12.2002, BStBl I 2002, 1399, Rz. 16.

Der Steuerabzug ist vom Leistungsempfänger unabhängig davon durchzuführen, ob der Leistende im Inland oder im Ausland ansässig ist.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 4 EStG gilt als Leistender auch derjenige, der über eine Bauleistung abrechnet, ohne sie erbracht zu haben. Mit dieser Regelung soll insbes. sichergestellt werden, dass Generalunternehmer gegenüber ihrem Auftraggeber auch für solche Bauleistungen dem Steuerabzug unterliegen, die sie von einem Subunternehmen erbringen lassen.

Bei Wohnungseigentümergemeinschaften ist zwischen dem Sondereigentum und dem Gemeinschaftseigentum zu unterscheiden. Bei Bauleistungen für das Sondereigentum ist der jeweilige Sondereigentümer als Leistungsempfänger zur Durchführung des Steuerabzugs verpflichtet, sofern er die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 EStG erfüllt. Bei Bauleistungen für das Gemeinschaftseigentum ist die Wohnungseigentümergemeinschaft als Leistungsempfängerin zur Durchführung des Steuerabzugs verpflichtet. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist Unternehmerin i.S.d. § 2 UStG, denn sie erbringt Leistungen gegenüber den Eigentümern. Dazu gehört auch die Instandhaltung des Bauwerks.

1.5. Befreiung von der Abzugsverpflichtung

Der Steuerabzug muss nicht vorgenommen werden, wenn

  • der Leistende dem Leistungsempfänger eine im Zeitpunkt der Gegenleistung gültige Freistellungsbescheinigung vorlegt; dies ist in der Praxis die Regel;
  • der Leistungsempfänger nicht mehr als zwei Wohnungen vermietet (§ 48 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001); die Regelung wurde eingeführt, um private Vermieter zu schützen;
  • der Leistungsempfänger ausschließlich steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 12 UStG ausführt und die Gegenleistung im laufenden Kj. für denselben Leistungsempfänger voraussichtlich 15 000 € nicht übersteigt;
  • der Leistungsempfänger nicht ausschließlich steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 12 UStG ausführt und die Gegenleistung im laufenden Kj. für denselben Leistungsempfänger voraussichtlich 5 000 € nicht übersteigt.

1.6. Zusammenfassende Übersicht

Unter folgenden Voraussetzungen ist der Leistungsempfänger verpflichtet bzw. nicht verpflichtet, den Steuerabzug vorzunehmen:

leistungsempfaenger steuerabzug

Abb.: Anwendung der Bauabzugsteuer

1.7. Höhe des Steuerabzugs

Der Steuerabzug beträgt 15 % der Gegenleistung. Der Steuerabzug knüpft an die Erbringung der Gegenleistung, nicht an die Erbringung der Leistung selbst an. Somit können Subunternehmerleistungen bei einer entsprechenden Leistungskette mehrmals dem Steuerabzug unterliegen. Dem Steuerabzug unterliegen auch Entgelte Dritter (z.B. bei direkter Zahlung durch eine Versicherung). In diesem Fall muss der Leistungsempfänger Sorge tragen, dass der Dritte nur 85 % des Bruttorechnungsbetrags an den Leistenden auszahlt und er den Steuerabzug von 15 % erhält und beim zuständigen Finanzamt anmeldet und abführt. Bei einer nachträglichen Erhöhung der Gegenleistung ist nur der Differenzbetrag zu der vorherigen Anmeldung in dem Anmeldungszeitraum, in dem der erhöhte Betrag erbracht wurde, anzumelden (§ 48a Abs. 1 EStG). Bei einer Minderung der Gegenleistung ist keine Berichtigung vorzunehmen.

Beispiel 1:

Ein Generalunternehmer ist verpflichtet, dem Auftraggeber (Bauherrn) die gesamte Leistung zu erbringen. Der Generalunternehmer vergibt seinerseits Teilaufträge an andere Unternehmer, die als Subunternehmer bezeichnet werden. Diese Subunternehmer stehen nur mit dem Generalunternehmer in Vertrag und nicht mit dem Auftraggeber des Gesamtauftrages. Daher erbringen sie ihre Leistungen auch an den Generalunternehmer, gegen den sie auch einen Anspruch auf Zahlung des Leistungspreises haben.

Lösung 1:

aufgraggeber generalunternehmer

Der Steuerabzug beträgt insgesamt 135 000 €. Bezogen auf das Auftragsvolumen zwischen Auftraggeber und Generalunternehmer i.H.v. 500 000 € entspricht der gesamte Steuerabzug i.H.v. 135 000 € 27 %. Erbringt ein ausländischer Unternehmer eine Bauleistung, ist gem. § 13b UStG der Auftraggeber (Leistungsempfänger) Schuldner der USt. Diese USt ist somit nicht Teil des Entgelts. Aufgrund der ausdrücklichen Regelung im § 48 Abs. 3 EStG ist sie aber Teil der Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug.

Beispiel 2:

Bauunternehmer A beauftragt im Februar 2017 die belgische B-B.A. den Rohbau eines Bürogebäudes zu erstellen. Der Rechnungsbetrag lautet über 100 000 €. Eine Freistellungsbescheinigung wurde dem A weder in Kopie noch im Original vorgelegt.

Lösung 2:

A schuldet gem. § 13b UStG für diese Leistungsbeziehung eine USt i.H.v. 19 000 €. Die Abzugsteuer ermittelt sich mit 15 % von (100 000 € + 19 000 €) und beträgt somit 17 850 €.

Versteuert der leistende Unternehmer seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG), ist die Versteuerung in dem Voranmeldungszeitraum vorzunehmen, in dem das Entgelt bzw. Teilentgelt vereinnahmt wird. Hierbei ist es unerheblich, dass der Leistungsempfänger den Steuerabzug gem. § 48a Abs. 1 EStG (15 %) erst am 10. des Folgemonats an das FA entrichtet.

1.8. Anmeldung und Abführung des Abzugsbetrages

Ähnlich des LSt-Anmeldungsverfahrens in § 41a EStG hat der Leistungsempfänger bis zum 10. Tag nach Ablauf des Monats, in dem die Gegenleistung i.S.d. § 48 EStG erbracht wird, eine Anmeldung abzugeben, in der er den Steuerabzug für den Anmeldungszeitraum selbst zu berechnen hat. Die Verpflichtung zum Steuerabzug entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Gegenleistung beim Leistungsempfänger i.S.v. § 11 EStG abfließt (§ 48a Abs. 2 Nr. 2 EStG). Fließt die Gegenleistung nur in Teilen ab, etwa aufgrund von An- oder Abschlagszahlungen oder bei Minderung wegen Mängeln, unterliegt dem Steuerabzug nur der tatsächlich geleistete Teilbetrag. Der Abzugsbetrag ist am zehnten Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraums fällig. Der Steuerabzug wird durch den Leistungsempfänger für Rechnung des Leistenden an das für den Leistenden im Inland zuständige FA abgeführt. Erlischt die Gegenleistung infolge einer Aufrechnung, tritt die wirksame Aufrechnungserklärung an die Stelle der Zahlung. In diesem Zeitpunkt hat der Leistungsempfänger (= Auftraggeber und Schuldner der Gegenleistung) den Steuerabzug für Rechnung des Leistenden (Auftragnehmers) vorzunehmen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dazu muss er den Steuerabzugsbetrag von der Gegenleistung einbehalten. Eine Stundung des Steuerabzugsbetrags ist nach § 222 AO ausgeschlossen.

Bei einer nachträglichen Erhöhung der Gegenleistung ist nur der Differenzbetrag zu der vorherigen Anmeldung in dem Anmeldungszeitraum, in dem der erhöhte Betrag erbracht wurde, anzumelden (§ 48a Abs. 1 EStG). Bei einer Minderung der Gegenleistung ist keine Berichtigung vorzunehmen.

Der Leistungsempfänger hat mit dem Leistenden unter Angabe

  1. des Namens und der Anschrift des Leistenden,
  2. des Rechnungsbetrages, des Rechnungsdatums und des Zahlungstags,
  3. der Höhe des Steuerabzugs und
  4. des FA, bei dem der Abzugsbetrag angemeldet worden ist,

über den Steuerabzug abzurechnen (§ 48a Abs. 2 EStG).

Es reicht aus, wenn der Leistungsempfänger dem Leistenden zum Zwecke der Abrechnung den dafür vorgesehenen Durchschlag der Steueranmeldung überlässt.

Die Abführung des Abzugsbetrages hat für den Leistungsempfänger und den Leistenden folgende Konsequenzen:

steuerabzug nach 48 estg

Abb.: Anrechnung des Abzugsbetrages

Darüber hinaus ist der Leistungsempfänger verpflichtet, über den einbehaltenen Steuerabzug ebenfalls bis zum 10. des Folgemonats eine Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck gegenüber dem für den Leistenden zuständigen Finanzamt abzugeben, in der er den Steuerabzug für den Anmeldezeitraum (Kalendermonat) selbst berechnet. Die Regelung in Nr. 7 des AEAO zu § 152 über das grundsätzliche Absehen von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei einer bis zu fünf Tage verspäteten Abgabe einer Steueranmeldung (Abgabe-Schonfrist) gilt nur für die dort genannten Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Lohnsteuer-Anmeldungen, nicht aber für die Anmeldung des Steuerabzugs bei Bauleistungen. Der Leistungsempfänger hat für jeden Leistenden eine eigene Anmeldung abzugeben, auch wenn mehrere Leistende bei einem FA geführt werden. Die Anmeldung muss vom Leistungsempfänger oder von einem zu seiner Vertretung Berechtigten unterschrieben sein. Sie steht einer Steueranmeldung (§§ 167, 168 AO) gleich. In der Anmeldung ist die zugrundeliegende Bauleistung anzugeben (Art der Tätigkeit und Projekt); nur die Angabe einer Auftrags- oder Rechnungsnummer ist nicht ausreichend.

1.9. Haftung

Zur → Haftung des Leistungsempfängers bei Vorliegen einer Freistellungsbescheinigung nimmt die Vfg. der OFD Münster vom 25.2.2002 (S 2303 – 2 – St 13 – 31, DStR 2002, 453, LEXinform 0576464) Stellung.

Die Verpflichtung zum Einbehalten des Steuerabzugs entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Gegenleistung beim Leistungsempfänger abfließt (§ 11 EStG). Dies gilt auch bei Verrechnungen und Zahlungen in Teilbeträgen (Vorschüsse, Abschlagszahlungen, Zahlung gestundeter Beträge). Die rechtswirksame Aufrechnung gilt als Zahlung. Bei einer Gegenleistung von 100 € sind 15 % = 15 € einzubehalten, sodass noch eine Zahlung von 85 € an den Leistenden erfolgt. 15 € sind 17,65 % bezogen auf die Zahlung (netto) von 85 €. Demnach kann der Abzugsbetrag mit einem Prozentsatz von 17,65 aus der Nettozahlung ermittelt werden. Dieser Prozentsatz ist insbes. in den Fällen der Aufrechnung, die einer Zahlung gleichsteht, zu beachten, da die Hauptforderung i.H.d. Aufrechnungsbetrages und des abzuführenden Abzugsbetrages erlischt.

Nach § 48a Abs. 3 EStG haftet der Leistungsempfänger für einen nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Der Leistungsempfänger haftet nicht, wenn ihm im Zeitpunkt der Gegenleistung eine Freistellungsbescheinigung (§ 48b EStG) vorgelegen hat, auf deren Rechtmäßigkeit er vertrauen konnte (BMF vom 27.12.2002, BStBl I 2002, 1399, Rz. 72 ff.). Über die Inanspruchnahme des Leistungsempfängers als Haftungsschuldner entscheidet das FA im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens. Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit nach den Umständen des Einzelfalls Steueransprüche bestehen oder entstehen können (BMF vom 27.12.2002, BStBl I 2002, 1399, Rz. 73).

Die Leistungsempfänger können die Gültigkeit der Freistellungsbescheinigungen durch eine Abfrage im Internet auf der Homepage des BZSt (http://eibe.bff-online.de/eibe/) überprüfen. Bestätigt das Bundeszentralamt für Steuern die Gültigkeit nicht oder kann der Leistungsempfänger die elektronische Abfrage nicht durchführen, kann sich der Leistungsempfänger auch durch eine Nachfrage bei dem auf der Freistellungsbescheinigung angegebenen Finanzamt Gewissheit verschaffen. Das Unterlassen einer elektronischen Abfrage beim Bundesamt für Finanzen oder einer Anfrage beim Finanzamt begründet für sich allein keine grobe Fahrlässigkeit. Anfragen an die Finanzämter zur Bestätigung der Gültigkeit der Freistellungsbescheinigungen werden mündlich oder fernmündlich beantwortet. Eine schriftliche Bestätigung erfolgt grundsätzlich nicht.

Eine Inanspruchnahme des Leistungsempfängers soll auch dann unterbleiben, wenn ihm zum Zeitpunkt der Erbringung der Gegenleistung keine Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat, er aber gleichwohl den Steuerabzug nicht vorgenommen hat und ihm im Nachhinein eine bereits im Zeitpunkt der Zahlung gültige Freistellungsbescheinigung nachgereicht wird. Schützenswertes Vertrauen liegt nicht vor, wenn die Freistellungsbescheinigung durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt wurde und dem Leistungsempfänger dies bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war (§ 48a Abs. 3 Satz 3 EStG). Dies gilt auch, wenn dem Leistungsempfänger eine gefälschte Freistellungsbescheinigung vorgelegt wurde und der Leistungsempfänger dies erkannte oder hätte erkennen müssen.

Zur Haftungsinanspruchnahme nach § 48a Abs. 3 EStG hat das FG München mit Urteil vom 24.9.2009 (7 K 1238/08, LEXinform 5009180) entschieden, dass dann, wenn offene Steueransprüche gegen den Leistenden i.H.d. Haftungsbetrages bestehen, eine ermessensfehlerfreie Entscheidung im Rahmen der Haftungsinanspruchnahme nach § 48a Abs. 3 EStG gegeben ist. Der Leistende kann dabei sowohl Steuern schulden, die in § 48c Abs. 1 EStG genannt sind, als auch andere Steuern.

Der Haftungstatbestand nach § 48a Abs. 3 EStG ist nicht streng akzessorisch i.S.v. § 191 Abs. 5 AO in Bezug auf einen Steueranspruch gegenüber dem Leistenden. Dies ergibt sich daraus, dass eine Verknüpfung mit einem bestimmten Steuertatbestand auf Seiten des Leistenden fehlt und die Bauabzugsteuer vielmehr ein Sicherungsinstrument für ein Konglomerat von Abgaben, die allgemein aus Bauleistungen resultieren können, darstellt. Eine Akzessorietät besteht lediglich zu dem der Haftung unmittelbar zu Grunde liegenden Bausteueranspruch nach § 48 EStG. Ob Steueransprüche gegenüber dem Leistenden bestehen, ist jedoch im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen.

Nach dem BFH-Beschluss vom 29.10.2008 (I B 160/08, BFH/NV 2009, 377, LEXinform 5904773) ist es nicht ernstlich zweifelhaft i.S.d. § 69 FGO, dass die Regelungen über den Steuerabzug bei Bauleistungen gem. §§ 48 ff. EStG mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Ernstlich zweifelhaft ist auch nicht, dass im Bereich der Bauabzugsteuer ein »strukturelles Vollzugsdefizit« und deshalb ein verfassungswidriger Zustand nicht besteht. Es ist jedoch ernstlich zweifelhaft, ob die Haftung des Leistungsempfängers nach § 48a Abs. 3 EStG der Höhe nach durch die zu sichernde Steuerforderung gegenüber dem Leistenden begrenzt ist und ob als »zu sichernde Steuerforderung« ggf. die Gesamtheit aller Steuerbeträge i.S.d. § 48c Abs. 1 Satz 1 EStG anzusehen oder ob ein bestimmter Zusammenhang mit der die Abzugspflicht begründenden Leistung zu fordern ist.

Das FG Münster nimmt im Urteil vom 12.7.2012 (13 K 2592/08) Stellung zur Haftung für nicht abgeführte Bauabzugsteuer. Im zu entscheidenden Fall wurde der Kl. für nicht angemeldete und abgeführte Bauabzugssteuer in Haftung genommen. Er berief sich auf die europäischen Grundfreiheiten und machte geltend, dass die Haftungsregelung des § 48 Abs. 3 EStG eine Haftung für eine originär eigene Schuld des Leistungsempfängers anordne. Das FG Münster stellte hingegen klar, dass das Finanzamt ein Wahlrecht zwischen dem Erlass eines Nachforderungsbescheids und eines Haftungsbescheids gegen den Leistungsempfänger hat. Außerdem hafte der Kl. nicht nur für eine eigene Schuld, sondern auch für eine Schuld des Leistenden, denn der Steuerabzug sei dem Grunde nach unlösbar mit Abgabeansprüchen des Finanzamtes gegen den Leistenden verknüpft.

Das Sächsisches FG entschied mit Urteil vom 15.6.2016, 8 K 1685/16, wie folgt: Einbehaltene, angemeldete und abgeführte Bauabzugssteuer kann zum einen zeitlich unbegrenzt nach § 48c Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 4 EStG auf Lohn- bzw. Bauabzugssteuer und damit auch auf erst zukünftig entstehende Lohn- bzw. Bauabzugssteuer angerechnet und zum anderen mit jedwedem auch nicht vom Sicherungszweck der Bauabzugssteuer erfassten Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis aufgerechnet werden. Die Inhaftungnahme eines Empfängers von Bauleistungen, der trotz Nichtvorlage einer Freistellungsbescheinigung des Leistenden keinen Steuerabzug vorgenommen hat, kann der Höhe nach nur insoweit ermessensfehlerfrei erfolgen, als im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung gegenüber dem Leistenden offene Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.v. § 48c Abs. 1 EStG vorhanden sind und/oder aufgrund bestehender offener Ansprüche wegen Lohn- bzw. Bauabzugssteuer zumindest Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Leistende auch zukünftig seiner Verpflichtung zur Abführung von Lohn- bzw. Bauabzugssteuer nicht ordnungsgemäß nachkommen wird.

1.10. Freistellung durch Freistellungsbescheinigung

Der Anspruch auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung besteht nach § 48b Abs. 1 EStG dann, wenn nach der Einschätzung des FA der Leistende seine steuerlichen Pflichten zuverlässig erfüllt und Sicherungsmaßnahmen deshalb überflüssig sind. Zur Erteilung einer Freistellungsbescheinigung s. BMF vom 27.12.2002, BStBl I 2002, 1399, Rz. 29 bis 40.

Liegen keine Versagungsgründe vor, erteilt das für den Leistenden zuständige FA die Freistellungsbescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck. Die Freistellungsbescheinigung kann dabei auf bestimmte Zeit, längstens jedoch für einen Zeitraum von drei Jahren, oder bezogen auf einen bestimmten Auftrag erteilt werden. Insbesondere der Finanzverwaltung erstmals bekannt werdenden Unternehmern kann eine Freistellungsbescheinigung mit einer kürzeren Laufzeit als drei Jahre ausgestellt werden. Die Freistellungsbescheinigung gilt ab dem Tag der Ausstellung. Ist dem Unternehmer eine Freistellungsbescheinigung auf eine bestimmte Zeit erteilt worden, werden ihm zusätzlich keine auftragsbezogenen Freistellungsbescheinigungen erteilt (BMF vom 27.12.2002, BStBl I 2002, 1399, Rz. 36). Wenn in der Person und dem steuerlichen Verhalten des Leistenden keine Gründe für eine Begrenzung einer Freistellungsbescheinigung auf einen bestimmten Auftrag oder einen kürzeren Zeitraum vorliegen, ist eine auf drei Jahre befristete Freistellungsbescheinigung zu erteilen. Neben der befristeten können keine auftragsbezogenen Freistellungsbescheinigungen erteilt werden. Die Einstellung eines Betriebes ist kein Grund eine Freistellungsbescheinigung zu widerrufen (Ausnahme: Fälle der Gewerbeuntersagung). Grundsätzlich kann auch einem Insolvenzverwalter eine Freistellungsbescheinigung erteilt werden.

Das BMF-Schreiben vom 20.9.2004 (BStBl I 2004, 862) nimmt zur Neuausgabe der Freistellungsbescheinigungen als Folgebescheinigung Stellung.

Eine Freistellungsbescheinigung wird nur erteilt, wenn der Steueranspruch nicht gefährdet erscheint. Eine Gefährdung sieht das Gesetz insbes. dann als gegeben, wenn ein Leistender seine Anzeigepflichten nach § 138 AO nicht erfüllt (§ 48b Abs. 1 Nr. 1 EStG). Gemeint sind hier insbes. Steuerpflichtige, die keine Gewerbeanmeldung bei der zuständigen Gemeinde abgegeben haben oder (ggf. im Ausland ansässige) Unternehmen, die die Begründung einer inländischen Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO nicht angemeldet haben. Wird die Anzeige nachgeholt, ist zu prüfen, ob die Nichtanzeige den Steueranspruch gefährdet hat oder ob ein bloßes Versehen oder eine falsche rechtliche Würdigung des Betriebsstättenbegriffs vorlag. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann nach der Nachholung der Anzeige eine Freistellungsbescheinigung erteilt werden. Hat ein ausländisches Unternehmen zu Recht keine Anzeige nach § 138 Abs. 1 AO abgegeben, da aufgrund einer nur kurzfristigen Bautätigkeit (unter sechs Monate) im Inland keine Betriebsstätte begründet wurde, ist nach § 48b Abs. 2 EStG zu prüfen, ob keine zu sichernden Ansprüche in Deutschland bestehen.

Die Befreiung von der Steuerabzugverpflichtung des § 48b EStG ist eine Ausnahmeregelung für steuerlich zuverlässige Unternehmen, die in einem besonderen Maße die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs verlangt, wenn sich nach Aktenlage Zweifel an der steuerlichen Zuverlässigkeit des Stpfl. ergeben. Rückständige Steuerschulden und die Nichterfüllung von Steuererklärungspflichten lassen auf die steuerliche Unzuverlässigkeit des Stpfl. schließen und rechtfertigen die Versagung der Freistellungsbescheinigung; vgl. FG Hessen vom 22.3.2002.

Nach § 48b Abs. 6 EStG erteilt das BZSt dem Leistungsempfänger im Wege einer elektronischen Abfrage Auskunft über die gespeicherten Freistellungsbescheinigungen.

1.11. Steuerabzugsbeträge im Insolvenzverfahren

Steuerabzugsbeträge, die auf Bauleistungen beruhen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführt wurden und vor der Insolvenzeröffnung durch den Leistungsempfänger an das FA gezahlt wurden, sind auf Steuern anzurechnen, die vor Eröffnung des Verfahrens begründet wurden (Insolvenzforderungen nach § 38 InsO). Bei der Anrechnung ist die Reihenfolge des § 48c Abs. 1 EStG zu beachten. Sofern sich danach keine Anrechnungsmöglichkeiten ergeben, sind die verbliebenen Beträge mit anderen Insolvenzforderungen aufzurechnen (§ 94 InsO).

Steuerabzugsbeträge, die auf Bauleistungen beruhen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführt wurden und nach der Insolvenzeröffnung durch den Leistungsempfänger an das FA gezahlt wurden, sind an die Insolvenzmasse auszukehren (BFH Beschluss vom 13.11.2002, I B 147/02, BStBl II 2003, 716; BMF vom 27.12.2002, BStBl I 2002, 1399, Rz. 88).

Wie das FG München mit Urteil vom 24.9.2009 (7 K 1238/08, LEXinform 5009180) feststellt, entfällt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Leistenden weder die Verpflichtung des Leistungsempfängers zur Vornahme des Steuerabzugs nach § 48 EStG noch die Befugnis des FA, einen Haftungsbescheid nach § 48a Abs. 3 EStG zu erlassen. Ob das FA den Abzugsbetrag behalten darf oder an den Insolvenzverwalter auskehren muss, ist für die Frage der Befugnis zum Erlass eines Haftungsbescheids unerheblich.

2. Ausländische Bauleistungsunternehmer

Zur örtlichen Zuständigkeit ausländischer Bauleistungsunternehmer und von ausländischen ArbN dieser Bauleistungsunternehmer s. → Örtliche Zuständigkeit. Für Unternehmen des Baugewerbes, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Ausland haben, gilt eine zentrale örtliche Zuständigkeit von Finanzämtern im Bundesgebiet (vgl. § 20a AO). Demnach ist für die Besteuerung von Unternehmen das Finanzamt zuständig, das für die Besteuerung der entsprechenden Umsätze nach § 21 Abs. 1 AO zuständig ist, wenn der Unternehmer seinen Wohnsitz oder das Unternehmen seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes hat.

Gem. § 48 Abs. 3 EStG ist Bemessungsgrundlage für die Abzugssteuer das Entgelt zuzüglich der USt. Erbringt ein ausländischer Unternehmer eine Bauleistung, ist gem. § 13b UStG der Auftraggeber (Leistungsempfänger) Schuldner der USt. Diese USt ist somit nicht Teil des Entgelts. Aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 48 Abs. 3 EStG ist sie aber Teil der Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug.

Beispiel 3:

Bauunternehmer X beauftragt im Januar 2014 die niederländische B-B.V., den Rohbau eines Bürogebäudes zu erstellen. Der Rechnungsbetrag lautet über 100 000 €. Eine Freistellungsbescheinigung wurde dem X weder in Kopie noch im Original vorgelegt.

Lösung 3:

X schuldet gem. § 13b UStG für diese Leistungsbeziehung eine USt i.H.v. 19 000 €. Die Abzugssteuer ermittelt sich mit 15 % von 119 000 € (100 000 € + 19 000 €) und beträgt somit 17 850 €.

3. Umsatzsteuerrechtliche Behandlung

3.1. Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 1UStG

Für steuerbare und steuerpflichtige Bauleistungen ausländischer Unternehmer schuldet der Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG die USt (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers). Der ausländische Unternehmer ist nicht berechtigt, eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis zu erteilen (§ 14a Abs. 5 UStG). Der Leistungsempfänger muss Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts sein. Die Steuerschuldnerschaft tritt auch dann ein, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird. Weitere Informationen enthält der Abschn. 13b.1 UStAE. S.a. das ausführliche Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft – Stand: Oktober 2009 – (BMF vom 12.10.2009, BStBl I 2009, 1292).

3.2. Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UStG

Der Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG setzt nach Abs. 5 Satz 2 UStG voraus, dass der Leistungsempfänger selbst auch die in § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG genannten Bauleistungen erbringt. Im Baubereich verlagert sich die Steuerschuld insbesondere dann auf den Leistungsempfänger, wenn ein Subunternehmer für den Leistungsempfänger tätig wird (Abschn. 13b.3 Abs. 8 UStAE). Mit Schreiben vom 16.10.2009 (BStBl I 2009, 1298) nimmt das BMF zur Anwendung der Steuerschuldnerschaft eines Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG, der selbst Bauleistungen erbringt, ausführlich Stellung. Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 ausgeführt werden. Für Umsätze, die nach dem 31.12.2009 ausgeführt worden sind, für die aber Entgeltzahlungen, Zahlungen von Teilentgelten oder Anzahlungen vor dem 1.1.2010 geleistet worden sind, und bei denen auf Grund der Regelungen des BMF-Schreibens vom 16.10.2009 (BStBl I 2009, 1298) der Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UStG wird, sind Übergangsregelungen zu beachten. Erläuterungen dazu s. unter → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers.

Erfüllt der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG, ist er auch dann Steuerschuldner, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird (§ 13b Abs. 5 Satz 6 UStG).

Erbringt ein Unternehmer eine Leistung, die keine Bauleistung i.S.v. § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG ist (Abschn. 13b.3 Abs. 13 UStAE), und bezeichnet er sie dennoch in der Rechnung als Bauleistung, ist der Leistungsempfänger für diesen Umsatz nicht Steuerschuldner. Mit Schreiben vom 23.1.2006 (UR 2006, 367; Abschn. 13b. 2 Abs. 7 Nr. 15 UStAE) teilt das BMF mit, dass Wartungsleistungen an Bauwerken oder Teilen von Bauwerken, die einen Nettowert von 500 € übersteigen, nur dann als Bauleistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UStG zu behandeln sind, wenn Teile verändert, bearbeitet oder ausgetauscht werden.

Ausgenommen sind nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG ausdrücklich Planungs- und Überwachungsleistungen. Hierunter fallen planerische Leistungen (z.B. von Statikern, Architekten, Garten- und Innenarchitekten, Vermessungs-, Prüf- und Bauingenieuren), Labordienstleistungen (z.B. chemische Analyse von Baustoffen) oder reine Leistungen zur Bauüberwachung, zur Prüfung von Bauabrechnungen und zur Durchführung von Ausschreibungen und Vergaben.

Weiterhin fallen folgende Leistungen nicht unter die in § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG genannten Umsätze: Materiallieferungen (z.B. durch Baustoffhändler oder Baumärkte), auch wenn der liefernde Unternehmer den Gegenstand der Lieferung im Auftrag des Leistungsempfängers herstellt, nicht aber selbst in ein Bauwerk einbaut; Lieferungen einzelner Maschinen, die vom liefernden Unternehmer im Auftrag des Abnehmers auf ein Fundament gestellt werden. Stellt der liefernde Unternehmer das Fundament oder die Befestigungsvorrichtung allerdings vor Ort selbst her, ist nach den Grundsätzen in Abs. 4 zu entscheiden, ob es sich um eine Bauleistung handelt.

Zur Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b UStG) auf bestimmte Bauleistungen nimmt das BMF-Schreiben vom 2.12.2004 (BStBl I 2004, 1129) ausführlich Stellung. Die OFD Hannover hat mit Vfg. vom 7.3.2007 (S 7279 – 4 – StO 183, LEXinform 5230655) ein ausführliches Merkblatt zur Erweiterung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG auf Bauleistungen herausgegeben.

Mit Schreiben vom 5.2.2014 (BStBl I 2014, 233) nimmt das BMF Stellung zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen nach § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG und Gebäudereinigungsleistungen: Der BFH hat mit Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) die Regelungen zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen nach § 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG ausgelegt. Nach seiner Entscheidung sind die Regelungen einschränkend dahingehend auszulegen, dass es für die Entstehung der Steuerschuld darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Auf den Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten bauwerksbezogenen Werklieferungen oder sonstigen Leistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG an den insgesamt von ihm erbrachten steuerbaren Umsätzen komme es entgegen Abschn. 13b.3 Abs. 2 UStAE nicht an. Im Übrigen sei es entgegen der Vereinfachungsregelung in Abschn. 13b.8 UStAE nicht entscheidungserheblich, ob sich die Beteiligten über die Handhabung der Steuerschuldnerschaft ursprünglich einig waren oder nicht. Die Entscheidung des BFH hat mittelbar auch Auswirkungen auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei der Reinigung von Gebäuden und Gebäudeteilen (§ 13b Abs. 5 Satz 5 i.V.m. Abs. 2 Nr. 8 UStG).

4. Auswirkung des Steuerabzugs nach § 48 EStG auf die Höhe der Umsatzsteuer

4.1. Allgemeine Verwaltungsanweisungen

Zur Auswirkung des Steuerabzugs auf die Höhe der USt und des Vorsteuerabzugs sowie zur Auswirkung der USt auf die Höhe des Steuerabzugs s. Vfg. der OFD Cottbus vom 12.12.2001 (S 7200-0041-St 244, UR 2002, 187).

4.2. Bauleistungen inländischer Unternehmer

Der Steuerabzug hat umsatzsteuerrechtlich keinen Einfluss auf die Bemessungsgrundlage. Obwohl der Leistungsempfänger gem. § 48 Abs. 1 EStG zur Einbehaltung des 15 %igen Steuerabzugs verpflichtet ist, gehört der Steuerabzug zum Entgelt, weil er für Rechnung des Leistenden gezahlt wird und demnach ausschließlich im wirtschaftlichen Interesse des leistenden Unternehmers steht (Abschn. 10.1 Abs. 7 Satz 1 UStAE).

Beispiel 4:

Der Leistende erteilt dem Leistungsempfänger (Unternehmer, der nicht selbst Bauleistungen durchführt) für erbrachte Bauleistungen folgende Rechnung:

Auftragssumme netto100 000 €
USt 19 %19 000 €
Bruttobetrag119 000 €

Lösung 4:

Der Leistungsempfänger überweist dem Leistenden 101 150 €. Die einbehaltene 15 %ige Abzugsteuer von 17 850 € überweist der Leistungsempfänger an das für den Leistenden zuständige FA. Der Leistende hat gem. § 10 Abs. 1 UStG den vollen Betrag von 100 000 € der USt zu unterwerfen.

4.3. Bauleistungen ausländischer Unternehmer

Auch in diesen Fällen hat der 15 %ige Steuerabzug gem. § 48 EStG keinen Einfluss auf die Höhe der USt-Schuld gem. § 13b UStG. Bemessungsgrundlage für die Steuer gem. § 48 EStG ist das Entgelt zzgl. der USt, die gem. § 13b UStG vom Leistungsempfänger geschuldet wird.

Beispiel 5:

Der ausländische Bauunternehmer erteilt dem inländischen Leistungsempfänger für erbrachte Bauleistungen folgende Rechnung:

Auftragssumme 100 000 €. In der Rechnung wird auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG hingewiesen.

Lösung 5:

Nach § 13b UStG schuldet der Leistungsempfänger eine USt von 19 000 €. Die Steuer gem. § 48 EStG beträgt 15 % von 119 000 € = 17 850 €.

4.4. Istbesteuerung gem. § 20 UStG

In Fällen der lstbesteuerung gem. § 20 UStG ist die Versteuerung des Gesamtentgelts ausschließlich in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der Leistende die Gegenleistung (85 % der Auftragssumme) vereinnahmt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 UStG). Hierbei ist es unerheblich, dass der Leistungsempfänger die 15 %ige Abzugsteuer erst am 10. des Folgemonats gem. § 48a Abs. 1 EStG an das FA entrichtet.

Beispiel 6:

Der Leistende erteilt dem Leistungsempfänger für erbrachte Bauleistungen folgende Rechnung:

Auftragssumme netto100 000 €
USt 19 %19 000 €
Bruttobetrag119 000 €

Der Leistungsempfänger überweist dem Leistenden 101 150 € im Monat 03/10. Die einbehaltene 15 %ige Abzugsteuer von 17 400 € überweist der Leistungsempfänger an das für den Leistenden zuständige FA im Monat 04/10.

Lösung 6:

Der Leistende hat 100 000 € gem. § 10 Abs. 1 UStG im Monat 03/10 der USt zu unterwerfen.

Entsprechendes gilt, wenn der Gesamtbetrag in mehreren Teilbeträgen (Abschlagszahlungen) gezahlt wird.

Beispiel 7:

Der Leistende erteilt dem Leistungsempfänger für erbrachte Bauleistungen folgende Rechnung:

Auftragssumme netto100 000 €
USt 19 %19 000 €
Bruttobetrag119 000 €

Der Leistungsempfänger überweist dem Leistenden einen Teilbetrag von 50 575 € im Monat 03/10 (59 500 € abzgl. 15 % Steuerabzug) und den restlichen Betrag von 50 575 € (59 500 € abzüglich 15 % Steuerabzug) im Monat 05/10.

Lösung 7:

Der Leistende hat gem. § 10 Abs. 1 UStG im Monat 03/10 einen Teilbetrag von 50 000 € und den Restbetrag von 50 000 € im Monat 05/10 der USt zu unterwerfen.

4.5. Berechnungsmethode

Die Umsatzsteuer kann aus dem vereinnahmten Betrag durch Anwendung eines Faktors wie folgt ermittelt werden:

erhaltene Zahlung × Faktor
100

Der Faktor beträgt bei einem Steuersatz von 19 %= 18,783984. Der Faktor wird wie folgt ermittelt:

Bei einem Brutto-Rechnungsbetrag von 119 000 € beträgt der Steuerabzug von 15 % = 17 850 €, so dass der Leistende 101 150 € (= 85 % von 119 000 €) erhält.

101 150 € × 100 × 19= 19 000 €
85 × 119
100 × 19= 0,18783984
85 × 119

Beispiel 8:

Erhaltene Zahlung 101 150 €, Steuersatz 19 %.

101 150 € × 18,783984= 19 000 €
100

Das Entgelt (Nettobemessungsgrundlage) kann durch Anwendung der folgenden Formel berechnet werden:

Erhaltene Zahlung × Faktor
19

Der Faktor beträgt bei einem Steuersatz von 19 % = 18,783984

Beispiel 9:

Erhaltene Zahlung 101 150 €, Steuersatz 19 %.

101 150 € × 18,783984= 100 000 €
19

4.6. Pflichtwidrige Nichtzahlung des Steuerabzugs

In Fällen, in denen der Leistungsempfänger an den Leistenden nur 85 % der Bausumme zahlt, jedoch der Leistungsempfänger pflichtwidrig die 15 %ige Abzugsteuer nicht an das FA des Leistenden abführt, liegt keine Entgeltsminderung gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vor. Die Bemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 1 UStG für die ausgeführte Bauleistung bleibt insoweit unberührt. Dies gilt auch dann, wenn das FA, die Anrechnung gem. § 48c Abs. 3 EStG ablehnt.

Für die Anrechnung ist zum Schutz des Leistenden grundsätzlich nicht Voraussetzung, dass der angemeldete Betrag auch abgeführt wurde. Im Hinblick auf § 48c Abs. 3 EStG hat das FA vor der Anrechnung jedoch festzustellen, ob der Leistungsempfänger den angemeldeten Abzugsbetrag abgeführt hat. Ist dies nicht der Fall, ist vom FA durch weitere Sachverhaltsermittlungen zu klären, ob Anhaltspunkte für einen Missbrauch des Abzugsverfahrens gegeben sind.

Ist ein Abzugsbetrag vom Leistungsempfänger einbehalten, aber nicht angemeldet und abgeführt worden, wird der Abzugsbetrag beim Leistenden angerechnet, wenn der Leistende seinem FA die entsprechende Abrechnung i.S.d. § 48a Abs. 2 EStG vorlegt und der Leistungsempfänger durch Haftungsbescheid oder eine Steuerfestsetzung nach § 167 Abs. 1 AO in Anspruch genommen worden ist. Bis dahin ist eine Stundung der dem Steuerabzugsverfahren unterliegenden fälligen Steuern des Leistenden nach § 222 AO nicht möglich. Ggf. kommt die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung gem. § 258 AO in Betracht (BMF vom 27.12.2002, BStBl I 2002, 1399, Rz. 88).

5. Steuerabzug nach § 48 EStG und Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG

Nicht jede Steuerabzugsverpflichtung i.S.d. § 48 EStG führt zur Steuerschuldnerschaft i.S.d. § 13b UStG und umgekehrt.

leistende unternehmer inland

Abb.: Die Anwendung des § 48 EStG und des § 13b UStG im Überblick

Durch das Steueränderungsgesetz 2015 wurde mit Wirkung vom 6.11.2015 der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers von Bauleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 5 UStG) klarstellend überarbeitet (s.a. BMF vom 10.8.2016, BStBl I 2016, 820). Danach unterliegen den Reverse-Charge-Verfahren »Bauleistungen einschließlich Werklieferungen und sonstige Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen«. Als Grundstücke gelten insbes. auch Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.

Die Abzugsverpflichtung i.S.d. § 48 EStG betrifft nur den unternehmerischen Bereich des Auftraggebers. Wird eine Bauleistung ausschließlich für den nichtunternehmerischen Bereich eines Unternehmers erbracht, findet der Steuerabzug nicht statt.

Wird die Bauleistung für ein Bauwerk erbracht, das nur teilweise unternehmerischen Zwecken dient, kommt es darauf an, ob die Bauleistung dem unternehmerisch oder nichtunternehmerisch genutzten Teil des Bauwerks zugeordnet werden kann. Bauleistungen, die einem Teil des Bauwerks nicht eindeutig zugeordnet werden können, sind dem Zweck zuzuordnen, der überwiegt. Der überwiegende Zweck ist anhand des Wohn-/Nutzflächenverhältnisses oder anderer sachgerechter Maßstäbe festzustellen.

Nach § 13b Abs. 5 UStG gilt auch in den Fällen der Bauleistungen, dass der Leistungsempfänger auch dann die Steuer schuldet, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich erbracht wird. In allen Fällen des § 13b UStG ist es unerheblich, ob die Leistung für unternehmerische oder private Zwecke bezogen wird.

Beispiel 10:

Ein Bäcker B lässt im Verkaufsraum seiner Bäckerei eine neue Ladeneinrichtung installieren. Ausführender der Bauleistung ist ein

  1. im Inland bzw.
  2. im Ausland

ansässiger Unternehmer.

Lösung 10:

Die Vergütung unterliegt in den Fällen a) und b) dem Steuerabzug nach § 48 EStG.

Im Fall a) wird B als Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner gem. § 13b Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 UStG, da er nicht selbst Bauleistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG ausführt.

Im Fall b) wird B als Leistungsempfänger Steuerschuldner i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 und 7 UStG, da der Ausführende ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist.

Beispiel 11:

Ein freiberuflich tätiger Journalist J lässt die Fliesen im Badezimmer seiner zu eigenen Wohnzwecken genutzten Eigentumswohnung erneuern. Ausführender der Bauleistung ist ein

  1. im Inland bzw.
  2. im Ausland

ansässiger Unternehmer.

Lösung 11:

Die Vergütung unterliegt nicht dem Steuerabzug, obwohl es sich beim Leistungsempfänger um einen Unternehmer handelt, denn die Bauleistung wurde in dessen Privatwohnung vorgenommen.

Im Fall a) wird J als Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner gem. § 13b Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 UStG, da er nicht selbst Bauleistungen i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG ausführt.

Im Fall b) wird J als Leistungsempfänger Steuerschuldner i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 und 7 UStG, da der Ausführende ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist. Die Steuerschuldnerschaft erstreckt sich sowohl auf die Umsätze für den unternehmerischen als auch auf die Umsätze für den nichtunternehmerischen Bereich des Leistungsempfängers (§ 13b Abs. 5 UStG, BMF vom 5.12.2001, BStBl I 2001, 1013, Rz. 1).

Ein Vorsteuerabzug ist nicht möglich, da die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG (für sein Unternehmen) nicht vorliegen.

Beispiel 12:

Ein Eigentümer lässt in einem Vierfamilienhaus, in dem er eine Wohnung selbst bewohnt und die übrigen Wohnungen vermietet, Verbundglasfenster einbauen.

Lösung 12:

Da es sich bei dem Eigentümer hinsichtlich seiner Vermietungstätigkeit um einen Unternehmer handelt, unterliegt die Vergütung insoweit dem Steuerabzug, als sie sich auf den Einbau von Fenstern in den vermieteten Wohnungen bezieht. Fenster in Gemeinschaftsräumen (z.B. Flure, Treppenhäuser) sind der überwiegenden Nutzung zuzuordnen. Da in dem Beispiel die größere Zahl der Wohnungen vermietet ist, ist von der Gegenleistung für diese Fenster der Steuerabzug vorzunehmen. Unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 EStG ist kein Steuerabzug vorzunehmen.

Zur umsatzsteuerrechtlichen Lösung s. Beispiel 10 und 11.

Die Vorsteuer ist nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG abziehbar, aber nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht abzugsfähig.

Beispiel 13:

Ein Arbeitnehmer S ist nebenberuflich als Schriftsteller (kein Kleinunternehmer) tätig und lässt das Dach seines selbstgenutzten Eigenheims durch einen belgischen Unternehmer neu eindecken. Im Eigenheim befindet sich das häusliche Arbeitszimmer (15 qm = 10 % der gesamten Wohn- und Nutzfläche von 150 qm), das ausschließlich für die schriftstellerische Tätigkeit genutzt wird. Das Haus ist insgesamt Unternehmensvermögen. Als Werklohn ist ein Betrag von 15 000 € vereinbart worden.

Lösung 13:

Der Arbeitnehmer ist zwar hinsichtlich seiner Nebentätigkeit Unternehmer; ein Steuerabzug unterbleibt jedoch, weil die Bauleistung dem unternehmerischen Zweck nicht unmittelbar zugeordnet werden kann und die Wohnnutzung überwiegt.

Die Steuerschuldnerschaft für die im Inland ausgeführte Werkleistung (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG bzw. ab 1.1.2010 § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG) des in Belgien ansässigen Unternehmers geht auf S über (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 UStG). S ist Unternehmer und die Leistung wird auch für seinen unternehmerischen Bereich ausgeführt. Der Bezug für den unternehmerischen Bereich ist allerdings nicht Voraussetzung für den Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger (§ 13b Abs. 5 Satz 6 UStG). S führt 19 % von 15 000 € = 2 850 € an das FA ab.

Die auf den Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 UStG übergegangene Steuer ist als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG abziehbar, wenn der Leistungsempfänger die nach § 13b Abs. 2 UStG an ihn ausgeführten Umsätze für sein Unternehmen empfangen hat. Die Vorsteuer ist abzugsfähig, wenn die an ihn ausgeführten Umsätze zur Ausführung von Abzugsumsätzen verwendet werden.

S nutzt das Arbeitszimmer zur Ausführung der steuerpflichtigen schriftstellerischen Tätigkeit. Durch die Verwendung der seinem Unternehmen zugeordneten Wohnräume erbringt S steuerpflichtige Umsätze nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 Satz 1 UStG. Die mit Beschluss des BFH vom 25.5.2000 (V R 39/99, UR 2000, 325) dem EuGH vorgelegte Frage wurde durch das EuGH-Urteil vom 8.5.2003 (C-269/00, DStR 2003, 873) beantwortet. In der Nachfolgeentscheidung hat der BFH wie folgt entschieden (BFH Urteil vom 24.7.2003, V R 39/99, BStBl II 2004, 371): Ein Unternehmer, der ein Gebäude errichtet, das er teilweise unternehmerisch und teilweise nichtunternehmerisch (zu eigenen Wohnzwecken) nutzt, darf das Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die auf das gesamte Gebäude – einschließlich des nichtunternehmerisch genutzten Teils – entfallenden Vorsteuerbeträge nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 UStG abziehen. Die (teilweise) Verwendung des dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes für den privaten Bedarf des Unternehmers ist keine steuerfreie Grundstücksvermietung i.S.d. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG und schließt deshalb den Vorsteuerabzug nicht gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG aus. Die nichtunternehmerische Verwendung des Gebäudes unterliegt als steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG der Umsatzbesteuerung. Für die Anwendung dieser Grundsätze ist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG eine unternehmerische Nutzung von mindestens 10 % erforderlich. Da S somit das gesamte Grundstück zur Ausführung von Abzugsumsätzen verwendet, ist die Vorsteuer i.H.v. 2 400 € nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG abziehbar und in voller Höhe auch abzugsfähig.

Beachte: Durch das JStG 2010 wurde § 15 Abs. 1b UStG eingeführt. Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Die Vorsteuer ist somit, soweit sie auf den privat genutzten Bereich entfällt, nicht abziehbar.

6. Steuerabzug bei Bauleistungen im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen

Das Bayerische Landesamt für Steuern nimmt im Schreiben vom 16.9.2015, S 2272. 1.1-3/8 St32, Stellung zur Bauabzugsteuer im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen:

Vergütungen für Bauleistungen, die im Inland gegenüber einem Unternehmer i.S.d. § 2 UStG oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht werden, unterliegen dem Steuerabzug (§ 48 Abs. 1 Satz 1 EStG). Der Leistungsempfänger ist verpflichtet, vom Rechnungsbetrag 15 % einzubehalten, anzumelden und an das Finanzamt abzuführen, es sei denn im Zeitpunkt der Gegenleistung liegt eine gültige Freistellungsbescheinigung (§ 48b EStG) vor oder die gesamte Gegenleistung im laufenden Kalenderjahr übersteigt voraussichtlich nicht die Freigrenze von 5 000 € bzw. 15 000 € (§ 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG). Die Verpflichtung zum Steuerabzug entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Gegenleistung erbracht wird, d. h. beim Leistungsempfänger selbst oder bei einem Dritten, der für den Leistungsempfänger zahlt, abfließt (§ 11 EStG). Unter Bauleistung sind alle Leistungen zu verstehen, die der Herstellung, Instandsetzung oder Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (§ 48 Abs. 1 Satz 3 EStG). Im Gesetz findet sich keine Erläuterung, was unter Bauwerken zu verstehen ist. Gemäß dem BMF-Schreiben vom 27.12.2002 (BStBl I 2002, 1399) ist der Begriff weit auszulegen:

Zur Beurteilung der Frage, inwieweit eine Bauleistung i.S.d. § 48 Abs. 1 EStG vorliegt, spielt es keine Rolle, ob das fest in das Gebäude eingebaute Wirtschaftsgut als Betriebsvorrichtung oder Gebäudebestandteil anzusehen ist. Die Installation einer Photovoltaikanlage an oder auf einem Gebäude stellt eine Bauleistung i.S.d. § 48 EStG dar. Die Aufstellung einer Freilandphotovoltaikanlage kann ebenfalls den Bauleistungsbegriff des § 48 EStG erfüllen. An der bisher anders lautenden Auffassung, dass Photovoltaikanlagen als Betriebsvorrichtungen nicht den Begriff des Bauwerks erfüllen, wird nicht mehr festgehalten.

Die nunmehr geltende Rechtsauffassung ist grundsätzlich in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Fälle bis zum 31.12.2015 (Zeitpunkt der Entstehung der Bauabzugsteuer) ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn ein Abzug der Bauabzugsteuer oder das Anfordern einer Freistellungsbescheinigung unterbleibt.

7. Leistungen in der Bauwirtschaft

Ergänzend zu den Abschn. R 13b.1 bis R 13b.3 UStAE hat das BMF ein Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft herausgegeben (BMF vom 12.10.2009, BStBl I 2009, 1292 s.a. OFD Frankfurt vom 12.4.2010, S 7270 A – 11 – St 113, UR 2010, 831, LEXinform 5232700 sowie OFD Karlsruhe vom 28.2.2012, S 7270, LEXinform 5234023). Näheres s. unter → Bauleistungen in der Umsatzsteuer, → Werklieferung und → Werkleistung sowie → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers.

8. Verpflichtung zur Rechnungserteilung

Gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der leistende Unternehmer, soweit er eine steuerpflichtige Werklieferung oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück ausführt, verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Dies gilt auch, wenn die Bauleistung an eine Privatperson ausgeführt wird. Da die Rechnung von der Privatperson zwei Jahre lang aufzubewahren ist (§ 14b Abs. 1 Satz 5 UStG), muss die Rechnung einen Hinweis auf die zweijährige Aufbewahrungspflicht enthalten (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 UStG). Bei Nichteinhaltung der Rechnungsausstellungsverpflichtung kann das FA ein Bußgeld festsetzen (§ 26a Abs. 1 Nr. 1 UStG). Zur Rechnungsausstellung und zu den Aufbewahrungspflichten s. BMF vom 24.11.2004 (BStBl I 2004, 1122; → Rechnung).

Gem. § 14 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 bis 4 UStG ist der Unternehmer berechtigt und ggf. verpflichtet, über das vor der Ausführung der umsatzsteuerpflichtigen Leistungen vereinnahmte Entgelt eine Rechnung mit gesondert ausgewiesener USt zu erteilen. Aus der Rechnung muss hervorgehen, dass damit Voraus- oder Abschlagszahlungen abgerechnet werden.

9. Literaturhinweise

Seifert, Die Abzugsbesteuerung bei Bauleistungen im Überblick, INF 2001, 577; Ebling, Das neue BMF-Schreiben vom 27.12.2002 zum Steuerabzug von Vergütungen für im Inland erbrachte Bauleistungen, DStR 2003, 402; Diebold, Der Verwaltungserlass zum Bausteuerabzug, DB 2003, 1134; Völkel u.a., ABC-Führer Umsatzsteuer, Stichwort: Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (Loseblatt); Beer und Goy, Erfassung der Bauabzugsteuer nach §§ 48 bis 48d EStG, BBK 2017, 547.

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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Für beschränkt Steuerpflichtige enthält § 50a EStG Regelungen zur Durchführung des Steuerabzugs bei beschränkt steuerpflichtigen inländischen Einkünften i.S.d. § 49 EStG, um das Besteuerungsverfahren abzuwickeln.

1. Grundsätzliches

Der Steuerabzug nach § 50a EStG hat – mit Ausnahme des § 50a Abs. 7 EStG, der durch die Finanzbehörde zur Sicherung des Steueranspruches angeordnet worden ist – abgeltende Wirkung. Der Solidaritätszuschlag, der auf die Einkommensteuer entfällt, ist dabei zusätzlich einzubehalten gem. § 3 Abs. 1 Nr. 6, §§ 4, 5 SolzG, § 51a EStG. Die Einkommensteuer wird bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs gem. § 50a Abs. 1 EStG wie folgt erhoben:

  • Nr. 1: bei Einkünften durch im Inland ausgeübte künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen, einschließlich aus damit usw. zusammenhängenden Leistungen (§ 49 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 und Nr. 9 EStG), unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen und soweit es sich nicht um Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die dem Lohnsteuerabzug unterliegen, handelt.
  • Nr. 2 bei Einkünften aus der inländischen Verwertung der vorstehenden Darbietungen (§ 49 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 und 6 EStG).
  • Nr. 3 bei Einkünften aus Vergütungen für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechte, insbes. von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten, von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten, z.B. Plänen, Mustern, Verfahren (§ 49 Abs. 1 Nrn. 2, 3, 6 und 9 EStG).

    Das BMF hat hierzu mit Schreiben vom 27.10.2017 ausführlich Stellung genommen. Hervorzuheben ist, dass ein im Ausland ansässiger Anbieter von Software zur Nutzung im Inland mit diesen Einkünften i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f oder Nr. 6 EStG erzielt und somit der beschränkten Steuerpflicht unterliegt, sofern er nicht ohnehin unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG mit einer inländischen Betriebsstätte oder mit einem ständigen Vertreter der beschränkten Steuerpflicht unterliegt und die Rechteüberlassung dieser inländischen Betriebsstätte oder diesem ständigen Vertreter zuzurechnen ist (Rn. 1).

    Eine Steuerabzugsverpflichtung nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG besteht auch dann, wenn der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger dem Vergütungsschuldner ein umfassendes Nutzungsrecht an einem urheberrechtlich geschützten Werk i.S.e. »total buy out« gegen eine einmalige Pauschalvergütung einräumt (BFH Urteil vom 24.10.2018, I R 69/16, BFH/NV 2019, 611).

    Um Einkünfte aus der Überlassung von Rechten i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa und Nr. 6 EStG handelt es sich in Fällen der grenzüberschreitenden Softwareüberlassung nur, wenn dem Nutzer umfassende Nutzungsrechte an der Software zur wirtschaftlichen Weiterverwertung (siehe Rn. 6) eingeräumt werden. Das können insbes. Vervielfältigungs-, Bearbeitungs-, Verbreitungs- oder Veröffentlichungsrechte sein. Allein das Recht zum Vertrieb einzelner Programmkopien ohne weitergehende Nutzungs- und Verwertungsrechte (z.B. Vervielfältigungs- oder Bearbeitungsrechte) an der Software selbst ist nicht ausreichend. Die steuerrechtliche Beurteilung ist unabhängig davon, ob die Softwareüberlassung auf Datenträgern oder internetbasiert erfolgt (Download, Nutzung auf fremdem Server).

    Einkünfte aus der Überlassung von Rechten i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa und Nr. 6 EStG liegen nicht vor, wenn die Überlassung der Funktionalität einer Software im Vordergrund des Vertrages steht. Das ist der Fall, wenn lediglich der bestimmungsgemäße Gebrauch einer Software Vertragsgegenstand ist. Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehören insbes. die Software-Installation, das Herunterladen in den Arbeitsspeicher, die Anwendung der Software und ggf. notwendige Bearbeitungs- oder Vervielfältigungshandlungen, um die Softwareanwendung zu ermöglichen (z.B. Anpassungen/Integrationsarbeiten an die eigene IT-Umgebung). Die Überlassung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch von Software stellt demnach für sich genommen keine Überlassung von umfassenden Nutzungsrechten zur Verwertung i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f und Nr. 6 EStG dar.

  • Nr. 4 bei Einkünften, die Mitgliedern des Aufsichtsrats, Verwaltungsrats, Grubenvorstands und anderen mit der Überwachung der Geschäftsführung von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen beauftragten Personen sowie von anderen inländischen Personenvereinigungen des privaten und öffentlichen Rechts, bei denen die Gesellschafter nicht als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind, für die Überwachung der Geschäftsführung gewährt werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG).

1.1. Wegfall bzw. Erweiterung von Tatbeständen ab VZ 2009

Dem Steuerabzug unterliegen auch weiterhin Einkünfte aus im Inland ausgeübten, sportlichen, artistischen oder ähnlichen Darbietungen. Allerdings wurde in § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG auch das Merkmal »unterhaltende« Tätigkeit aufgenommen, um hier den Steuerabzug mit den einschlägigen DBA-Regelungen möglichst konform gehen zu lassen. Nach den DBA kommt es nämlich weniger auf den Status als Künstler, Sportler oder Artist der auftretenden Person an, als auf den unterhaltenden Charakter der Darbietung. Entsprechend wurde auch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d und Nr. 9 EStG angepasst, um diese Tatbestände auch der beschränkten Steuerpflicht zu unterwerfen. Die Einkünfte sog. werkschaffender Künstler unterliegen nicht mehr dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG. Dies waren Künstler, die keine Darbietung im Inland erbracht haben, aber z.B. ein Bild/eine Statue ins Inland verkauft haben. Zukünftig wird – vorbehaltlich § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG – der Steuerabzug nur noch auf die Verwertung inländischer Tätigkeiten beschränkt. § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG enthält keine Ausweitung mehr auf die selbstständigen Einkünfte, da bereits § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG ohne Beschränkung auf die (gewerbliche) Einkunftsart abgefasst ist. Die Veräußerung von Rechten, die ab VZ 2007 durch eine Änderung in § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG a.F. dem Steuerabzug unterlegen hatte, ist ab VZ 2009 wieder aus dem Gesetz gestrichen worden (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG). Auch hier hat Deutschland aufgrund der abgeschlossenen DBA grundsätzlich kein Besteuerungsrecht, was zu einem hohen administrativen Aufwand geführt hat (entweder Erteilung einer Freistellungsbescheinigung oder aber Erstattung der Steuern durch das Bundeszentralamt für Steuern). Die zeitlich befristete Überlassung von Rechten unterliegt dagegen grundsätzlich weiterhin dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG, da für derartige Einkünfte Deutschland häufig in den DBA ein Quellensteuereinbehalt zugestanden wird. Der Steuerabzug bei Einkünften aus Aufsichtsratsvergütungen bleibt unverändert erhalten (§ 50a Abs. 1 Nr. 4 EStG).

1.2. Änderungen beim Steuersatz (§ 50a Abs. 2 EStG)

Der Steuersatz für Einkünfte, die dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 EStG unterliegen, beträgt künftig 15 % der gesamten Einnahmen. Die Absenkung berücksichtigt, dass ein Abzug von Betriebsausgaben/Werbungskosten auch weiterhin nicht möglich ist (§ 50a Abs. 2 EStG). Nicht zu den Einnahmen gehören die tatsächlichen Übernachtungskosten sowie Kosten i.H.d. abzugsfähigen Verpflegungsmehraufwandspauschalen i.S.v. § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG. Höhere Beträge zählen aber zu den Einnahmen, die dem Steuerabzug unterliegen. Bei Einkünften, die dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG unterliegen, wird auf den Steuerabzug verzichtet, wenn die Einnahmen aus der einzelnen Darbietung 250 € nicht übersteigen. Für Einkünfte aus Aufsichtsratsvergütungen beträgt der Steuersatz unverändert 30 % der Einnahmen.

1.3. Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug (§ 50a Abs. 3 EStG)

Wenn der Vergütungsgläubiger Angehöriger eines EU-/EWR-Staates ist und auch in einem EU-/EWR-Staat seinen Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt unterhält, ist ein Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug zulässig. Bei Einkünften, die dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG unterliegen, kann der Vergütungsschuldner die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben/Werbungskosten abziehen, die der Vergütungsgläubiger in vom Finanzamt nachprüfbarer Form nachweist oder die der Vergütungsschuldner übernimmt. In diesen Fällen beträgt der Steuersatz für Vergütungen an natürliche Personen und Personenvereinigungen 30 % (statt 15 %) bei Körperschaften u.Ä. bleibt es beim Steuersatz von 15 %.

Für Einkünfte aus Lizenzvergütungen usw. ist eine Berücksichtigung von Betriebsausgaben/Werbungskosten bei Vornahme des Steuerabzugs weiterhin ausgeschlossen. Durch die Einführung des § 50a Abs. 3 EStG soll das FKP Scorpio-Urteil des EuGH (EuGH Urteil vom 3.10.2006, C-290/04, »Scorpio«, EuGHE 2006-I, 9461) umgesetzt werden. In den Fällen des § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG können die im unmittelbaren Zusammenhang mit der inländischen Tätigkeit stehenden Betriebsausgaben oder Werbungskosten von der Bemessungsgrundlage des Steuerabzugs ausgenommen werden. Diese Möglichkeit besteht allerdings nur für Vergütungsgläubiger, die Angehörige eines EU- oder EWR-Staates sind (§ 50a Abs. 3 Satz 2 EStG). Soweit vom Vergütungsschuldner Aufwendungen für Reisekosten übernommen worden sind, sind diese nur insoweit abzuziehen, als sie die Pauschalbeträge für Verpflegungsmehraufwand nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG nicht übersteigen. Um Besserstellungen im Vergleich zu unbeschränkt Steuerpflichtigen zu vermeiden, gehören im Übrigen die Zahlungen zu den abzugspflichtigen Einnahmen (§ 50a Abs. 2 Satz 2 EStG).

Der Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten kann nur dann vorgenommen werden, wenn

  • der beschränkt Steuerpflichtige diese »in einer für das Finanzamt nachprüfbaren Form« nachgewiesen hat oder
  • sie vom Schuldner der Vergütung übernommen worden sind (§ 50a Abs. 3 Satz 1 EStG).

Damit weicht der Gesetzgeber von den Vorgaben des EuGH, denen der BFH gefolgt ist, ab, wonach die bloße Mitteilung an den Vergütungsschuldner ausreichen sollte. Dies dürfte aber gerechtfertigt sein, da die verschärfenden Nachweisanforderungen dem System des deutschen Steuerrechts entsprechen. Daraus dürfte auch folgen, dass bei fehlenden Nachweisen bzw. Aufzeichnungen des Vergütungsschuldners (§ 73d EStDV) der Grundsatz des Freibeweises gilt. Danach können alle Beweismittel für den Nachweis genutzt werden (Urkundenbeweis, aber auch Zeugenbeweis, § 90 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Beweislast liegt beim Vergütungsschuldner, da er die Ausgaben steuerabzugsmindernd geltend macht. Dieser Abzug soll allerdings dann ausscheiden, wenn durch einen niedrigeren Steuersatz von 15 % nach § 50a Abs. 2 EStG Aufwendungen bereits in pauschalierter Form berücksichtigt worden sind. Damit erhöht sich der Steuersatz durch den Abzug von tatsächlichen Aufwendungen.

Bei natürlichen Personen soll bei der Nettobesteuerung dann ein Steuersatz von 30 % gelten, der dem durchschnittlichen Steuersatz beschränkt steuerpflichtiger Personen entspricht (Progressionszone zwischen 15 und 45 %). Bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften soll der Steuersatz 15 % der Nettoeinnahmen betragen. Eine Erhöhung findet nicht statt, da der definitive Steuersatz nach § 23 KStG 15 % beträgt. Der Vergütungsschuldner des Steuerabzugs nach § 50a EStG hat ab 2009 die Betriebsausgaben oder Werbungskosten der Höhe und der Art nach gesondert aufzuzeichnen, sofern diese von den Einnahmen abgezogen werden (§ 73d Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStDV). Darüber hinaus hat er diese Aufwendungen wie auch die Staatsangehörigkeit des beschränkt Steuerpflichtigen in einer für das Finanzamt nachprüfbaren Form zu dokumentieren. Soweit der Vergütungsschuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten von den Einnahmen abzieht, hat er nach § 73e EStDV diese Aufwendungen der Art und der Höhe nach mitzuteilen. § 73e EStDV sieht für die Steueranmeldung des Vergütungsschuldners wie bei der Kapitalertragsteuer grundsätzlich die elektronische Übermittlung vor. Dies gilt ab 2010. Lediglich im Fall einer unbilligen Härte z.B. wenn die technischen Voraussetzungen hierfür fehlen, kann auch eine vom Vergütungsschuldner unterschriebene Steuererklärung beim Finanzamt eingereicht werden.

1.4. Änderungen beim Steuerabzug auf der zweiten Stufe (§ 50a Abs. 4 EStG)

Bei Vornahme des Steuerabzugs von der Bruttovergütung entfällt zukünftig die Verpflichtung zur nochmaligen Vornahme des Steuerabzugs auf der zweiten Stufe.

Beispiel 1:

Der inländische Konzertveranstalter A engagiert über eine beschränkt steuerpflichtige Konzertagentur B (Ausland) einen beschränkt steuerpflichtigen Künstler C (Ausland).

Lösung 1:

Der Steuerabzug nach § 50a EStG ist nur noch für die Zahlung von A an B (1. Stufe) vorzunehmen, bei der Zahlung von B an C (2. Stufe) ist kein Steuerabzug mehr vorzunehmen. Der Verzicht auf die Vornahme des Steuerabzugs auf der zweiten Stufe ist gerechtfertigt, um zu hohe Steuerabzugsbeträge zu vermeiden. Der Verzicht auf den Steuerabzug auf der zweiten Stufe ist nicht möglich, wenn bereits bei Vornahme des Steuerabzugs nach § 50a EStG auf der ersten Stufe Betriebsausgaben/Werbungskosten berücksichtigt werden, eine Veranlagung zur beschränkten Steuerpflicht oder eine Erstattung der Abzugsteuer beantragt wird (§ 50a Abs. 4 EStG).

Beispiel 2:

Der inländische Konzertveranstalter A engagiert über eine beschränkt steuerpflichtige Konzertagentur B (Einzelunternehmen mit Sitz im EU-/EWR-Ausland, B hat eine EU-/EWR-Staatsangehörigkeit) einen beschränkt steuerpflichtigen Künstler C (EU-/EWR-Ausland). B macht gegenüber dem A Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der inländischen Tätigkeit geltend.

Lösung 2:

Der Steuerabzug nach § 50a EStG ist nun sowohl für die Zahlung von A an B (1. Stufe) als auch bei der Zahlung von B an C (2. Stufe) vorzunehmen. Der Steuersatz für die Zahlung von A an B erhöht sich auf 30 % (Empfänger der Zahlung = natürliche Person). Wenn C gegenüber B keine Betriebsausgaben geltend macht, beträgt der Steuersatz auf der zweiten Stufe 15 %.

1.5. Änderungen in § 50 EStG mit Auswirkungen auf den Steuerabzug

Zusätzlich zu den bisherigen Möglichkeiten, eine Freistellung vom Steuerabzug vor Zahlung der Vergütung bzw. eine Erstattung des einbehaltenen Steuerabzugbetrages nach Zahlung der Vergütung zu beantragen, besteht ab VZ 2009 die Möglichkeit, eine Veranlagung zur beschränkten Steuerpflicht zu beantragen. Voraussetzung dafür ist, dass Einkünfte dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 4 EStG unterlegen haben (§ 50 Abs. 2 Nr. 5 EStG) und dass der Vergütungsgläubiger Staatsangehöriger eines EU-/EWR-Staates ist und auch in einem EU-/EWR-Staat seinen Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt hat.

1.6. Abstandnahme vom Steuerabzug nach § 50 Abs. 4 EStG

Die bis VZ 2008 in § 50 Abs. 7 EStG enthaltene Ermächtigung, wonach die obersten Finanzbehörden der Länder mit Zustimmung des BMF aus volkswirtschaftlichen Gründen und, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt, auf die Erhebung der Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen verzichten konnten, wird konkreter formuliert. Ein besonderes öffentliches Interesse ist gegeben

  • im Zusammenhang mit der inländischen Veranstaltung international bedeutsamer kultureller und sportlicher Ereignisse, um deren Ausrichtung ein internationaler Wettbewerb stattfindet, oder
  • im Zusammenhang mit dem inländischen Auftritt einer ausländischen Kulturvereinigung, wenn ihr Auftritt wesentlich aus öffentlichen Mitteln gefördert wird.

1.7. Änderung bei der Inanspruchnahme des Steuerschuldners

Während der Gläubiger der Vergütung (= Steuerschuldner) bisher nur (durch Nachforderungsbescheid) in Anspruch genommen werden konnte, wenn der Schuldner der Vergütung diese nicht vorschriftsmäßig gekürzt oder die einbehaltene Steuer nicht an das Finanzamt abgeführt hat und der Gläubiger, der dies wusste, dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitgeteilt hat, soll Letzteres nach der Neuregelung des § 50a Abs. 5 EStG nicht mehr erforderlich sein. Damit kann das Finanzamt künftig den Vergütungsschuldner und den beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubiger (= Steuerschuldner) in gleicher Weise in Anspruch nehmen, wenn der Steuerabzug nicht vorschriftsmäßig vorgenommen worden ist.

Bei der insoweit erforderlichen Ermessensausübung, die zu begründen ist, dürfte aber auch weiterhin die Kenntnis des Steuerschuldners eine Rolle spielen.

1.8. Durchführung des Besteuerungsverfahrens

Die Abzugsteuer entsteht grundsätzlich in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung dem Gläubiger zugeflossen ist. Dies gilt auch für Vorschüsse, Abschlagszahlungen, Gutschriften oder Verrechnungen gem. § 73 EStDV. Schuldner der Abzugsteuer ist im Regelfall der Vergütungsgläubiger gem. § 50a Abs. 5 Satz 2 EStG. § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG sieht zudem die Inanspruchnahme des Vergütungsgläubigers durch einen Nachforderungsbescheid vor. Vergütungsschuldner ist jeweils derjenige, der zur Zahlung der Vergütung an den Vergütungsgläubiger verpflichtet ist. Somit kann jeder, der als Veranstalter auftritt, unabhängig von seiner zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit, Vergütungsschuldner werden. Abgestellt wird dabei auf die Übernahme der organisatorischen und finanziellen Vorbereitung und Durchführung sowie die Übernahme des Unternehmerrisikos. Eine Befreiung des Vergütungsschuldners von seinen Pflichten durch Abschluss entsprechender zivilrechtlicher Vereinbarungen scheidet gem. BFH Beschluss vom 18.3.2009, I B 210/08, BFH/NV 2009, 1237 aus. Sofern ein Vergütungsschuldner einen Beauftragten i.S.d. § 50a Abs. 6 EStG bzw. § 73f EStDV einschaltet, ist dieser zur Wahrnehmung der Pflichten des Vergütungsschuldners verpflichtet. Hierbei handelt es sich gem. § 50 Abs. 6 EStG nach Rechtsverordnung der Bundesregierung und mit Zustimmung des Bundesrates um bestimmte Personen, an die auf Grund eines Übereinkommens die Vergütungen für den jeweiligen Vergütungsgläubiger geleistet werden. Exemplarisch für solche Personen sind u.a. die GEMA, die VG Wort, die GVL und die Bild-Kunst. Bemessungsgrundlage ist in diesen Fällen die Beträge, die die Verwertungsgesellschaften an die beschränkt Steuerpflichtigen auszahlen.

Beim Zufluss der Vergütung entsteht auf Seiten des Vergütungsschuldners gem. § 50a Abs. 5 Satz 2 EStG die Pflicht den Steuerabzug auf Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers vorzunehmen und für ihn Einkommen-/Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag einzubehalten. Innerhalb eines Kalendervierteljahrs einbehaltene Abzugsteuer ist vom Vergütungsschuldner gem. § 50a Abs. 5 Satz 3 jeweils bis zum 10. des diesem Zeitraum folgenden Monats an das Bundeszentralamt für Steuern abzuführen. Innerhalb der Anmeldung der Abzugsteuer beim Bundeszentralamt sind auch die von der Bemessungsgrundlage abgezogenen BA/WK.

Bei der Anmeldung der Abzugsteuer handelt es sich um eine zeitraumbezogene Anmeldung, mit der die tatsächlich einbehaltene Steuer anzumelden ist. Die Vornahme einer Anmeldung ist dabei grundsätzlich obligatorisch, unabhängig davon, ob gem. § 50a Abs. 2 Satz 3 EStG oder gem. § 50 Abs. 4 Satz 1 EStG oder nach einem DBA kein oder nur ein ermäßigter Steuerabzug vorzunehmen ist. Bei der Anmeldung der Abzugsteuer nach § 50a EStG muss der Vergütungsschuldner besondere Aufzeichnungen gem. § 73 Abs. 1 Satz 1 EStDV führen. Diese Pflicht erstreckt sich ebenfalls auf die nach § 50a Abs. 3 EStG abgezogenen BA/WK, die in einer für das Bundeszentralamt für Steuern in einer nachprüfbaren Form gem. § 73d Abs. 1 Satz 2 EStDV dokumentiert werden müssen. Des Weiteren ist der Vergütungsschuldner dazu verpflichtet, dem beschränkt stpfl. Vergütungsgläubiger auf Verlangen eine Bescheinigung nach § 50a Abs. 5 Satz 6 zu erteilen. Sinn und Zweck dieser Bescheinigung ist der Nachweis in Fällen, in denen ein Steuerabzug keine abgeltende Wirkung besitzt oder zu Unrecht vorgenommen worden ist.

Steueranmeldung und Steuerbescheid können sowohl vom Abzugsverpflichteten als auch aufgrund der Drittwirkung durch den Steuerschuldner durch Einspruch und ggf. Klage angefochten werden. Die Rechtsbehelfsfrist i.S.d. § 355 Abs. 1 Satz 2 AO beginnt ohne eine eigene Rechtsbehelfsbelehrung i.S.d. § 356 AO zu laufen. Nicht durch Einspruch oder Klage anfechtbar ist die Aufforderung zur Abgabe einer Steueranmeldung nach § 50a EStG, da es sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Die Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung gem. § 361 AO oder § 69 FGO kann sowohl durch den Vergütungsschuldner als auch durch den Vergütungsgläubiger beantragt werden.

2. Erstattung von Kapitalertragsteuer an ausländische Aktionäre

Nach dem Urteil des EuGH vom 20.10.2011 (IStR 2011, 840) darf Deutschland Dividenden an beschränkt steuerpflichtige Körperschaften keiner höheren Besteuerung unterwerfen als solchen, die an eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland ausgeschüttet werden. Die inländische Kapitalertragsteuer wird bei einem inländischen Dividendenempfänger unter Inanspruchnahme des körperschaftsteuerlichen Beteiligungsprivilegs nach § 8b Abs. 1 KStG vollständig auf dessen Körperschaftsteuer angerechnet (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Bei einem ausländischen Empfänger wirkt die ggf. durch DBA bzw. § 44a Abs. 9 EStG reduzierte Kapitalertragsteuerbelastung dagegen grundsätzlich abgeltend (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG).

Daraus ergibt sich, dass an ausländische Aktionäre die in Deutschland einbehaltene Kapitalertragsteuer zu erstatten ist (EuGH Urteil vom 20.10.2011, C-284/09, IStR 2011, 840).

Der EuGH beschränkte das Urteil nicht in seiner zeitlichen Anwendung, es gilt damit rückwirkend. Steuerpflichtigen steht somit die Erstattung auch früherer Steuerabzugsbeträge offen. Sie können einen Antrag auf Erstattung stellen. Verfahrensrechtlich ist die Vier-Jahres-Frist nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO zu beachten.

3. Literaturhinweise

Holthaus, Aktuelle Probleme mit der EU-Konformität des Steuerabzugs nach § 50a EStG, IStR 2014, 628; Goebel/Ungemach/Gehrmann, Wesentliches zur Abzugsverpflichtung nach § 50a Abs. 1 EStG, IWB 2015, 793; Demleitner, § 50a Abs. 7 – Unwägbarkeiten durch die Finanzverwaltung, ISR 2015, 238; Maßbaum/Müller, Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Abzugsteuer nach § 50a bei Lizenzzahlungen und Anordnung des Steuerabzugs, BB 2015, 3031; Ackermann, Beschränkte Steuerpflicht bei der grenzüberschreitenden Überlassung von Software, IStR 2016, 258; Gerstenberg, Die Besteuerung grenzüberschreitender Aufsichtsratsvergütungen, IWB 2016, 246; Homuth, Besteuerung ausländischer Künstler im Inland. Der Quellensteuerabzug nach § 50a EStG, IWB 2016, 278; Petersen, Quellensteuer bei Softwareüberlassung, IStR 2016, 975.

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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§ 3c EStG sieht ein Abzugsverbot für Werbungskosten und Betriebsausgaben im Zusammenhang mit steuerfreien Betriebseinnahmen bzw. Einnahmen vor, um die Gewährung eines doppelten Steuervorteils zu vermeiden.

1. Inhalt und Zweck der Vorschrift

§ 3c EStG sieht ein Abzugsverbot für Werbungskosten und Betriebsausgaben im Zusammenhang mit steuerfreien Betriebseinnahmen bzw. Einnahmen vor, um die Gewährung eines doppelten Steuervorteils (steuerfreie Einnahmen und Abzug von Betriebsausgaben/Werbungskosten) zu vermeiden. In § 3c Abs. 2 EStG hat der Grundsatz eine spezielle Ausprägung für das Teileinkünfteverfahren. Gegen diese wurden verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, welche aber von der Rechtsprechung verneint wurden (BFH vom 19.6.2007, VIII R 69/05 BStBl II 2008, 551 und vom 16.12.2007, VIII R 51/06, HFR 2008, 168; BVerfG vom 9.2.2010, 2 BvR 2221/07 und 2 BvR 2659/07 n.v.: nicht zur Entscheidung angenommen; BFH vom 5.2.2009, VIII B 59/08, DStRE 2009, 641). Eine Rechtswidrigkeit des § 3c Abs. 1 EStG ist nicht festzustellen, soweit auf Ebene des Steuerpflichtigen zwischen dem steuerlichen Vorteil (der Steuerfreiheit der Einnahmen) und dem steuerlichen Nachteil (dem Abzugsverbot) ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (EuGH Urteil vom 23.2.2006, C-471-04, BStBl II 2008, 834). Auch eine etwaige Unionsrechtswidrigkeit des § 3c Abs. 2 EStG ist nicht feststellbar. Soweit diese Annahme für Organschaftsfälle vorgebracht wird, ist dies bei den §§ 14 ff. KStG zu heilen. Ein Quellensteuerabzug für Ausschüttungen von inländischen Kapitalgesellschaften an ausländische Anteilseigner ist das Problem (EuGH Urteil vom 20.10.2011, C-284/09, DStR 2011, 2038 und EuGH Urteil vom 13.3.2014, C-375/12, DStRE 2014, 1115).

Das Abzugsverbot des § 3c gilt für Personenunternehmen wie für Kapitalgesellschaften (KapG) (§ 8 Abs. 1 KStG) sowie für unbeschränkte und beschränkt einkommensteuerpflichtige Personen. Bei Letzteren ist zusätzlich noch § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen.

Über § 7 GewStG greift die Nichtabzugsfähigkeit von Aufwendungen gemäß § 3c Abs. 1 EStG auf die Ermittlung des Gewebeertrags über.

Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften erfolgt die Berücksichtigung von § 3 Nr. 40, § 3c EStG und § 8b KStG nicht im Feststellungsverfahren, sondern im Folgebescheid auf Ebene des Gesellschafters (BFH Urteil vom 18.7.2012, X R 28/10, BStBl II 2013, 444). Bezüglich der Bindungswirkung der einheitlichen und gesonderten Feststellungen hat der BFH mit Urteil vom 25.7.2019 (IV R 47/16, BFH/NV 2019, 1367) entschieden, dass bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG anzuwenden sind, sodass die Einkünfte nach Anwendung dieser Vorschriften grundsätzlich netto festzustellen sind. Dabei ist es nach Auffassung des BFH aber auch zulässig, wenn die § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG unterliegenden laufenden Einkünfte oder Veräußerungsgewinne zusätzlich brutto festgestellt werden, wenn sich aus den weiteren Feststellungen für einen verständigen Empfänger erkennen lässt, dass zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte ein weiterer Rechenschritt erforderlich ist. Der BFH spricht sich in diesem Kontext dafür aus, dass im Rahmen einer »modifizierten Bruttomethode« Steuerfreistellungen gem. § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG im Ausgangspunkt zwingend im Feststellungszeitpunkt zu berücksichtigen sind. Diese Regelungen betreffen die Höhe der – festzustellenden – stpfl. Einkünfte der Mitunternehmerschaft i.S.d. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO; die Einkünfte bzw. die diesen zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen sind nach Auffassung des BFH »netto« festzustellen. Unter Verweis auf den zu Zebragesellschaften ergangenen Beschluss des Großen Senats des BFH (BFH vom 11.4.2005, GrS 2/02, BStBl II 2005, 679) bestehen nach Ansicht des BFH jedoch keine rechtlichen Bedenken gegen die vom Finanzamt vorgenommene »Bruttofeststellung«.

Nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind auf Ebene der Mitunternehmerschaft die »steuerpflichtigen Einkünfte« festzustellen. § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG und § 8b KStG stellen Gewinnausschüttungen aus einer betrieblichen Beteiligung an einer in- oder ausländischen Körperschaft sowie Gewinne aus der Veräußerung solcher Anteile (nachfolgend auch betriebliche Beteiligungseinkünfte), die im Gesamtgewinn (Gesamthands- oder Sonderbetriebsgewinn) der Mitunternehmerschaft enthalten sind, beim Mitunternehmer wieder (anteilig) von der Steuer frei. Diese Steuerfreistellungen sind unmittelbar bei Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte der Mitunternehmerschaft zu beachten. Für natürliche Personen als Mitunternehmer ergibt sich dies daraus, dass die Mitunternehmerschaft zwar Einkünfteermittlungssubjekt, die Einkommensteuersubjekte aber die an ihr beteiligten natürlichen Personen sind. Für Körperschaften als Mitunternehmer wird dies ausdrücklich in § 8b Abs. 6 KStG angeordnet. Danach werden die betrieblichen Beteiligungseinkünfte bei Mitunternehmern in der Rechtsform einer natürlichen Person nach § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG im Ergebnis zu 40 %, bei Mitunternehmern in der Rechtsform einer Körperschaft nach § 8b Abs. 1 und Abs. 2 KStG im Ausgangspunkt zu 100 % von der Steuer freigestellt. Es handelt sich um sachliche, nicht persönliche Steuerbefreiungen. Denn diese Normen knüpfen an den Besteuerungsgegenstand »betriebliche Beteiligungseinkünfte«, nicht an das jeweilige Steuersubjekt an. Gleichzeitig wird § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO mit der Verpflichtung »die stpfl. Einkünfte« festzustellen entsprochen, wenn nicht der Nettobetrag, sondern zusätzlich neben dem Nettobetrag innerhalb der festgestellten Einkünfte die unter §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG bzw. unter § 8b KStG fallende Einkünfte »brutto« als »andere Besteuerungsgrundlage« bindend festgestellt werden.

Diese modifizierte Bruttomethode entspricht bei einstöckigen Mitunternehmerschaften, an denen natürliche Personen und/oder KapGes unmittelbar als Mitunternehmer beteiligt sind im Ergebnis der Nettomethode. Im Ergebnis sind innerhalb des Feststellungsbescheids – selbst wenn der Nettobetrag nicht ausdrücklich ausgewiesen wird – alle Faktoren mit Bindungswirkung festgestellt worden, die zur Ermittlung des Nettobetrags erforderlich sind. Die Anwendbarkeit der §§ 3c Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG ergibt sich aus den innerhalb des Feststellungsverfahrens bekannt gewordenen Rechtsform des Mitunternehmers.

2. Allgemeiner Anwendungsbereich (§ 3c Abs. 1 EStG)

Das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG greift bei der Ermittlung der Einkünfte, nicht aber für Ausgaben, die von der Summe oder dem Gesamtbetrag der Einkünfte oder vom Einkommen subtrahiert werden. Somit ist § 3c Abs. 1 EStG nicht für Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen anwendbar. Dasselbe gilt für die Ermittlung ausländischer Einkünfte i.S.d. § 34d EStG oder bei der Ermittlung der Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Mithin sind vom Abzugsverbot grundsätzlich alle Erwerbsaufwendungen betroffen. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um »laufende« WK/BA, um Vorab-Aufwendungen oder um nachträgliche WK/BA handelt.

Voraussetzung für das Abzugsverbot nach § 3c Abs. 1 EStG ist allerdings ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang.

3. Anwendungsvoraussetzungen des § 3c Abs. 1 EStG

Einnahmen i.S.d. § 3c Abs. 1 EStG sind alle Wirtschaftsgüter in Geld oder Geldeswert, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart zufließen. Für die Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG sind die Bruttoeinnahmen anzusetzen; entsprechend sind mit den Einnahmen korrespondierende Ausgaben, Einlagen und Darlehensauszahlungen nicht zu berücksichtigen.

Die Steuerfreiheit der Einnahmen kann entweder aufgrund ausdrücklicher Regelung im EStG oder KStG bestehen, beispielsweise §§ 3, 3b EStG, §§ 5, 8b KStG) oder auf sonstigen Bestimmungen oder aufgrund sog. technischer Steuerbefreiungen gemäß §§ 40, 40a EStG bei pauschalem Steuerabzug.

Korrespondierend mit den Einnahmen umfassen Ausgaben alle tatsächlichen Aufwendungen, die bei der Einkünfteermittlung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten in Betracht gekommen sind oder kommen. Ausgaben können ebenfalls in Geld oder Geldeswert bestehen. Ebenfalls vom Ausgabenbegriff umfasst sind Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerungen, Teilwertabschreibungen und Gemeinkosten. Die Passivierung von Verbindlichkeiten, Rückstellungen oder passiven Rechnungsabgrenzungsposten rechnet ebenfalls zu den Ausgaben. Werden sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Einnahmen erzielt, sind Werbungskostenpauschbeträge und Einkünftefreibeträge bei den steuerpflichtigen Einnahmen anzusetzen (BFH Urteil vom 25.9.2014, III R 61/12, BStBl II 2015, 182).

Die Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG setzt für die Steuerbefreiung der Einnahmen voraus, dass die mit diesen Einnahmen korrespondierende Ausgaben in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dies betrifft Kosten, die nach Entstehung oder gemäß Zweckbindung mit den steuerfreien Einnahmen in einem unlösbaren Zusammenhang stehen. Ein bloßer Veranlassungszusammenhang ist nicht ausreichend. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen steuerfreien Einnahmen und Betriebsausgaben/Werbungskosten ist nicht erforderlich; ebenso wenig ist es erforderlich, dass Zufluss und Abfluss im selben Veranlagungszeitraum (BFH Urteil vom 22.9.2006, I R 59/05, BStBl II 2007, 756) oder innerhalb derselben Einkunftsart anfallen (BFH Urteil vom 18.7.2012, X R 62/09, BStBl II 12, 721). Entsprechend ist § 3c Abs. 1 EStG auf vorweggenommene Werbungskosten und nachträgliche Betriebsausgaben/Werbungskosten anwendbar. Abweichend hiervon verlangt der BFH einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Ausschüttungen und Aufwendungen (BFH Urteil vom 14.7.2004, I R 17/03, BStBl II 2005, 53).

Das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG wird angewendet, wenn der gesetzliche Tatbestand erfüllt ist oder erfüllt werden wird. Ausgaben, welche ausschließlich oder wirtschaftlich vorrangig durch steuerfreie oder nicht steuerbare Einnahmen veranlasst sind, unterliegen vollständig dem Abzugsverbot. Ausgaben, die sowohl mit steuerfreien als auch steuerbaren Einnahmen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, sind entsprechend des Verhältnisses dieser Einnahmen aufzuteilen, objektivierbare zeitliche oder quantitative Kriterien sind gemäß der Rechtsprechung des BFH für die Abgrenzung anzuwenden (BFH Urteil vom 25.1.2015, I R 48/13, BStBl II 2015, 713). Werden Einnahmen bis zu einem bestimmten Betrag steuerfrei belassen, entfällt ein Abzug in gleicher Höhe. Der steuerfreie Ersatz von Ausgaben ist durch die Höhe der Ersatzleistungen begrenzt (BFH Urteil vom 26.3.2002, VI R 26/00. BStBl II 2002, 832). Werden steuerfrei vereinnahmte Einnahmen zurückgezahlt, besteht das Abzugsverbot bis zur Höhe der zurückgezahlten Beträge (anhängig beim BFH unter dem Aktenzeichen VI B 28/15).

4. Anwendungsvoraussetzungen des § 3c Abs. 2 EStG

§ 3c Abs. 2 EStG ist Bestandteil des ab dem VZ 2009 geltenden Teileinkünfteverfahrens, das für natürliche Personen mit Gewinneinkünften sowie für bestimmte Personengesellschaften gilt. Mit der Absenkung der steuerfrei zu vereinnahmenden Gewinnen und Einnahmen auf 40 % ist der Anteil der zu berücksichtigenden steuermindernden Beträge auf 60 % erhöht worden. Die in § 3c Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 aufgeführten BV-Minderungen, Veräußerungskosten und Werbungskosten bestimmen sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Dasselbe gilt für die gemäß § 3c Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG erwähnte Werte des BV oder der Anteile am BV oder an den AK/HK.

Die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG setzt voraus, dass nach den Ermittlungsvorschriften der §§ 4 Abs. 1, 4 und § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG die Aufwendungen und Werbungskosten nach dem Grunde und der Höhe nach steuermindernd zu berücksichtigen sind. Eine anteilige Kürzung ist vorzunehmen, soweit zwischen den Einnahmen und Ausgaben ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Aufwendungen mit den nach § 3 Nr. 40 EStG unter das Teileinkünfteverfahren fallenden BV-Mehrungen, Erträgen und Einnahmen (hierzu zählen u.a. offene und verdeckte Gewinnausschüttungen, Veräußerungserlöse, Kapitalrückzahlungen sowie die Auskehrung von Wirtschaftsgütern bei Liquidation und Insolvenz) ist notwendig.

Dieser wirtschaftliche Zusammenhang besteht veranlassungsabhängig und kann auch mittelbar ausgestaltet sein. Für die Zuordnung der Aufwendungen zu den voll steuerpflichtigen oder teilweise steuerbefreiten Einnahmen ist darauf abzustellen aus welchem Grund die Aufwendungen getätigt worden sind, welche Einnahmeart im Vordergrund steht und wie die Beziehungen zu anderen Einnahmearten verdrängt wird (BFH Urteil vom 28.2.2013, IV R 49/11, BStBl II 2013, 802; BFH Urteil vom 17.7.2013, X R 6/12, BFH/NV 2014, 21. Die durch den Ertrag veranlassten Aufwendungen sind direkt zuzuordnen (BMF vom 12.6.2002, BStBl I 2002, 647).

Insbesondere ist bei den folgenden Fällen von einem Zusammenhang von § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG mit teilweise steuerfreien Einnahmen auszugehen (Aufstellung nach Blümich/Erhard, 142. EL Juni 2018, EStG § 3c Rn. 59):

  • Anschaffungskosten des BV oder eines Anteils daran i.S.v. § 16 Abs. 2, von KapGes i.S.v. § 17 Abs. 1 und Wertpapieren i.S.v. § 23 Abs. 2,
  • Beratungskosten im Zuge der laufenden Verwaltung einer Beteiligung,
  • Buchwerten,
  • BV-Minderungen,
  • Depotkosten (z.B. Bankgebühren und Verwaltungskosten),
  • Einlagewerten,
  • fingierten Aufwendungen bei vGA und Vorteilsgewährung zwischen SchwesterGes,
  • TW-Abschreibungen auf Beteiligungen,
  • Veräußerungskosten (z.B. Bankgebühren, Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Vertragsvereinbarung in Veräußerungsfällen, Gutachterkosten, Maklergebühren, Notargebühren, Registergerichtsgebühren, Rechtsberatungskosten),
  • Verwaltungsaufwendungen (s. dazu BMF vom 12.6.2002, BStBl I 2002, 647) und
  • Zinsaufwand auf zur Finanzierung einer Beteiligung aufgenommenes Fremdkapital.

Werbungskostenpauschbeträge (§ 9a EStG), Freibeträge (§ 13 Abs. 3, 16 Abs. 4, 17 Abs. 3, 20 Abs. 4 EStG) und Freigrenzen (§ 23 Abs. 3 Satz 6 EStG) werden nicht nach § 3c Abs. 2 EStG gemindert.

Mit Einführung des ZollkodexAnpG ist § 3c Abs. 2 EStG weitgehend geändert worden. Gemäß § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG ist Satz 1 auch für Betriebsvermögensminderungen oder Betriebsausgaben im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung oder aus der Inanspruchnahme von Sicherheiten anzuwenden, die für ein Darlehen hingegeben wurden, wenn das Darlehen oder die Sicherheit von einem Steuerpflichtigen gewährt wird, der zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital der Körperschaft, der das Darlehen gewährt wurde, beteiligt ist oder war. Eine Ausnahme vom Teilabzugsverbot schafft Satz 3, der für eine Ausnahme vom Teilabzugsverbot eine nachvollziehbare Fremdüblichkeit verlangt. Hiervon betroffen sind insbesondere natürliche Personen mit Gewinneinkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit sowie Betriebsaufspaltungen und Personengesellschaften als Holdinggesellschaften. Bei der steuerlichen Gewinnermittlung der genannten Personen sind die den § 3c Abs. 2 Satz 2–6 EStG unterfallenden BV-Minderungen oder Betriebsausgaben anzusetzen. Die Beteiligung am Grund- oder Stammkapital der Darlehensschuldnerin bzw. der Nutzerin der WG muss mehr als 25 % betragen. Nicht von § 3c Abs. 2 Satz 2 ff. EStG betroffen sind Gesellschafter mit Anteilen im Privatvermögen i.S.d. § 17 EStG, die zum Teileinkünfteverfahren optiert haben.

4.1. Darlehen und vergleichbare Forderungen (§ 3c Abs. 2 Satz 3 EStG)

§ 3c Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 EStG begrenzt die Anwendung des Satzes 2 auf Fälle, die einem Fremdvergleich bezüglich der Darlehensgewährung nicht standhalten. Vergleichsmaßstab hierfür sind Vertragsgestaltungen, die zwischen Darlehensnehmern und Kreditinstituten üblich sind. Hiernach ist ein Darlehen üblich, wenn ein Dritter das Darlehen gewährt hätte, wenn der Darlehensnehmer im Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages darlehenswürdig gewesen wäre. Dies bestimmt sich nach den verfügbaren finanziellen Mitteln des Schuldners sowie über verfügbare Sicherheiten. Die vorzunehmende Bonitätsprüfung hat nach den allgemein gültigen Kriterien zu erfolgen.

4.2. Wirtschaftlich vergleichbare Leistungen (§ 3c Abs. 2 Satz 4 EStG)

Zu den in § 3c Abs. 2 Satz 4 EStG angesprochenen Leistungen, die einer Darlehensgewährung wirtschaftlich vergleichbar und branchenüblich sind, rechnen insbesondere Stundung, Fälligkeitsvereinbarung, Stehenlassen und stille Beteiligung.

4.3. Behandlung von Teilwertabschreibungen gemäß § 3c Abs. 2 Satz 5 EStG

Bei der Ermittlung des Gewinnes aus der Rückgängigmachung einer Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG bleibt dieser außer Ansatz, soweit auf die in der Vergangenheit vorgenommene Teilwertabschreibung § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG angewendet worden ist. Wenn die Wertaufholung das Volumen der vorgenommenen Teilwertabschreibung übersteigt, ist der übersteigende Betrag der Wertaufholung steuerwirksam.

4.4. Überlassung von Wirtschaftsgütern (§ 3c Abs. 2 Satz 6 EStG)

§ 3c Abs. 2 Satz 6 EStG unterwirft unabhängig eines wirtschaftlichen Zusammenhangs mit § 3 Nr. 40 bzw. § 3 Nr. 40a EStG Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben oder Veräußerungskosten eines wesentlich beteiligten Gesellschafters dem Teilabzugsverbot. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang liegt vor, wenn Wirtschaftsgüter unentgeltlich an die Körperschaft oder teilentgeltlich an die Körperschaft überlassen werden. Bei voll unentgeltlicher Überlassung sind die Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben oder die Veräußerungskosten in voller Höhe nicht abzugsfähig. Bei einer teilentgeltlichen Überlassung ist von dem Anteil auszugehen, der dem Anteil der Unentgeltlichkeit entspricht. Bei Halten des Wirtschaftsguts im Privatvermögen ist § 3c Abs. 2 EStG anwendbar. Des Weiteren muss die Überlassung des Wirtschaftsguts durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein fremder Dritter entweder das Nutzungsverhältnis nicht vereinbart oder auf ein Nutzungsentgelt nicht verzichtet hätte. Hingegen ist Fremdüblichkeit gegeben, wenn trotz einer vereinbarten Besserungsklausel Pachtforderungen nicht aktiviert werden (BFH Urteil vom 17.7.2013, X R 6/12, BFH/NV 2014, 21). Eine Betriebsaufspaltung ist für die Anwendung des Teilabzugsverbots ebenfalls nicht erforderlich.

4.5. Kürzung bei Organbeteiligungen (§ 3c Abs. 2 Satz 8 EStG)

§ 3c Abs. 2 Satz 8 EStG enthält ein Abzugsverbot von Aufwendungen bei einer Organschaft. Soweit der Organträger eine natürliche Person oder eine Personengesellschaft ist, bestimmt § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG die Höhe des steuermindernden Abzugs. Wertminderungen bei Organbeteiligungen werden durch § 3c Abs. 2 Satz 8 EStG anteilig begrenzt, soweit sie nicht auf Gewinnausschüttungen beruhen, die nicht ohne Weiteres zur Teilwertabschreibung berechtigen.

4.6. Sonderregelung für Wertpapierleihe (§ 3c Abs. 2 Satz 9 EStG)

§ 3c Abs. 2 Satz 9 EStG normiert die sinngemäße Geltung von § 8b Abs. 10 KStG zur Begrenzung der Abzugsfähigkeit der Wertpapierleihe. Hierbei können sowohl Personengesellschaften als auch Körperschaften als schädliche Verleiher auftreten. Personengesellschaften unterfallen dieser Regelung, soweit an ihr mindestens eine Körperschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Betroffene Entleiher sind Körperschaften sowie natürliche Personen und Personengesellschaften, auf die § 3c EStG anzuwenden ist. Mithin sind Steuerpflichtige betroffen, die Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielen, das notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen ihres Unternehmens ist.

Die sinngemäße Anwendung des § 8b Abs. 10 KStG bewirkt, dass der Entleiher die an den Verleiher gezahlten Entgelte in Höhe von 60 % nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können.

5. Tragweite und Geltung des § 3c EStG im Körperschaftsteuerrecht

5.1. § 3c EStG im Zusammenspiel mit § 8b Abs. 3 KStG

§ 8b Abs. 3 KStG ist durch das UntStFG neu gefasst worden; nunmehr besteht ein allgemeiner Ausschluss der Abzugsfähigkeit von Gewinnminderungen, die mit dem Anteil an einer KapG in Zusammenhang stehen.

Ab 2004 hat § 3c Abs. 1 EStG in Bezug auf steuerfreie Beteiligungserträge keine Bedeutung mehr (vgl. § 8b Abs. 3 Satz 2 KStG). Es gelten ab diesem Zeitpunkt jeweils 5 % der laufenden Bezüge oder Veräußerungsgewinne als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben.

Beispiel 1:

Eine M-GmbH hält Anteile an einer T-AG. Die Anteile sind zu den AK (500 €) aktiviert. Die M-GmbH veräußert die Anteile in 03 an X zu 350 €.

Lösung 1:

Die M-GmbH erleidet i.H.d. Differenz zwischen Veräußerungspreis und AK einen Verlust, der in der Steuerbilanz zu berücksichtigen ist. Diese Gewinnminderung (150 €) ist außerhalb der Steuerbilanz wieder hinzuzurechnen (§ 8b Abs. 3 KStG).

5.2. § 3c EStG und § 8b Abs. 5 KStG

Die steuerliche Abzugsfähigkeit von BA bestimmt sich i.d.R. nach den einkommensteuerlichen Vorschriften, so dass auch für KapG die Vorschrift des § 4 Abs. 5 EStG Anwendung findet. Eine Korrektur der BA, die gem. § 4 Abs. 5 EStG nicht abziehbar sind, erfolgt außerhalb der Bilanz.

Bis 2003 hatte die Vorschrift des § 3c Abs. 1 EStG eine große Bedeutung. Hiernach konnten BA, die in Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, nicht als BA abgezogen werden. Dies galt insb. für Finanzierungsaufwendungen, die eine KapG auf eine Beteiligung an einer anderen KapG tätigt. Mit Fremdkapital finanzierte Beteiligungen an Tochter-KapG konnten steuerlich suboptimal sein, da die Zinsen insoweit gem. § 3c Abs. 1 EStG nicht als BA abgezogen werden konnten, als sie mit steuerfreien Dividenden in Zusammenhang standen. Ab 2004 können die Finanzierungsaufwendungen in voller Höhe abgezogen werden. Es werden aber 5 % der Bezüge gem. § 8b Abs. 1 KStG (also auch vGA) als nicht abzugsfähige BA behandelt (vgl. § 8b Abs. 5 KStG). Insoweit werden inländische und ausländische Beteiligungserträge in gleicher Weise behandelt. Die Behandlung als nicht abzugsfähige BA kommt jedoch nur insoweit in Betracht, als in dem betreffenden Wj. tatsächlich steuerfreie Dividenden vereinnahmt werden. Sog. Ballooning-Konzepte bleiben – wie bis 2003 – weiterhin möglich. Ein Problem besteht bei Ausschüttungen in mehrstufigen Beteiligungsketten zwischen KapG darin, dass die Behandlung als nicht abzugsfähige BA i.H.v. 5 % der Bezüge auf jeder Stufe außerhalb der Bilanz hinzugerechnet werden müssen. Dies ist bei der Finanzierung eines Konzernaufbaus künftig zu beachten. Insoweit bietet die Organschaft einen Ausweg, als beim Organträger keine Beteiligungserträge gem. § 8b Abs. 1 KStG anfallen (sondern unmittelbare gewerbliche Einkünfte) und daher eine Hinzurechnung gem. § 8b Abs. 5 KStG ausscheidet.

Beispiel 2:

Die M-GmbH ist an der T-GmbH zu 100 % beteiligt. Die AK von 500 € hat die M-GmbH über einen Kredit finanziert. Die Zinsaufwendungen betragen jährlich 50 €. In 02 und 03 werden von der T-GmbH keine Gewinne ausgeschüttet.

Lösung 2:

Es ergeben sich keine Änderungen, da die M-GmbH keine Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG erhalten hat und daher gem. § 8b Abs. 5 KStG eine Hinzurechnung unterbleiben muss.

Beispiel 3:

Die T-GmbH schüttet in 04 eine Dividende von 30 € aus. Die Zinsaufwendungen betragen wiederum 50 €.

Lösung 3:

Gem. § 8b Abs. 5 KStG gelten 5 % der Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG als nicht abzugsfähige BA, die außerhalb der Bilanz wieder hinzugerechnet werden müssen. Es hat insoweit eine außerbilanzielle Korrektur des Steuerbilanzergebnisses zu erfolgen. Wenn die Muttergesellschaft die Beteiligung einer Tochtergesellschaft mit Fremdkapital finanziert hat, führt die Neuregelung zumeist zu einer niedrigeren Steuerbelastung, da die tatsächlich angefallenen Finanzierungsaufwendungen in voller Höhe abgezogen werden können.

Bei Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft galt die beschriebene Rechtslage bereits vor 2004. Es besteht ein Abzugsverbot – unabhängig von der Höhe der tatsächlich angefallenen BA – i.H.v. 5 % der Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG.

Dies bedeutet, dass die angefallenen BA entsprechend der bilanziellen Behandlung weiterhin abzugsfähig bleiben und eine Hinzurechnung i.H.v. 5 % der Dividenden erfolgt, wenn tatsächlich Dividenden geflossen sind. § 8b Abs. 5 KStG findet auch bei vGA Anwendung, da durch das UntStFG der Anwendungsbereich auf alle Bezüge erstreckt worden ist.

Beispiel 4:

Die M-GmbH hält eine Beteiligung an der französischen T-SA. Die Beteiligung (AK betragen 600 €) hat sie mit einem Darlehen finanziert, die Zinsen betragen jährlich 60 €. In 02 schüttet die T-SA eine Dividende von 200 €, in 03 keine Dividende aus.

Lösung 4:

In 02 und 03 bleiben die Zinsen als BA abzugsfähig. Außerhalb der Bilanz werden in 02 nicht abzugsfähige BA in Höhe von 10 € (5 % der Dividenden) hinzugerechnet. In 03 unterbleibt eine Hinzurechnung, da keine Dividende angefallen ist.

Wenn die M-GmbH die ausländische Beteiligung veräußert, ist der Veräußerungsgewinn gem. § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei. Insoweit besteht bis 2003 keine fiktive Hinzurechnung der BA, da sich § 8b Abs. 5 KStG ausdrücklich nur auf Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG bezieht.

6. § 3c EStG im internationalen Steuerrecht

Folgende theoretische Möglichkeiten der Dividendenausschüttung bestehen in Zusammenhang mit ausländischen KapGes.

Dividendenausschüttung von ausländischen Töchtern

Abb.: Möglichkeiten der Dividendenausschüttung

6.1. Inländische Kapitalgesellschaft als Muttergesellschaft

Beispiel 5:

Der Grundfall soll sein, dass die ausschüttende ausländische Tochter T eine Dividende i.H.v. 100 T€ an die inländische S-GmbH ausschüttet.

Die Ausschüttungen, die die S-GmbH von der T erhält, sind nach § 8b Abs. 1 KStG im Inland steuerfrei. Eine Differenzierung, ob die T ihren Sitz in einem DBA-Land hat oder nicht, ist nach der neuen gesetzlichen Regelung nicht mehr notwendig.

Im Zusammenhang mit der Gründung einer ausländischen Tochtergesellschaft fällt i.d.R. aber auch eine Vielzahl von weiteren Kosten an, die zunächst von der Muttergesellschaft getragen werden müssen. Die frühere Prüfung nach dem Vorliegen einer Schachteldividende und ggf. nach Sonderregelungen (Mutter-Tochter-Richtlinie) ist damit weitgehend gegenstandslos geworden.

Fortführung Beispiel 5:

Im Zusammenhang mit der Gründung der T entstehen der S-GmbH Aufwendungen, die zum Teil über Banken fremdfinanziert werden. Die Ausschüttungen der T belegt der Sitzstaat mit Quellensteuer.

Ausgaben im Zusammenhang mit der ausländischen Beteiligung können gem. § 8b Abs. 5 KStG nunmehr pauschal i.H.v. 5 % der Einnahmen aus den Dividenden geltend gemacht werden. Für diese Pauschalierungsregel wird der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben i.S.v. § 3c EStG unterstellt. Im Ergebnis bedeutet dies, dass immer nur 95 % der Einnahmen steuerfrei sind, unabhängig von der Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwendungen. Durch eine langfristige Thesaurierung von Erträgen (sog. »Ballooning«) kann die Anwendung der Pauschalierungsregel bis zur Ausschüttung vermieden werden, wenn sie sich nachteilig auswirken würde.

Im Ergebnis sind (gelten) daher – unabhängig vom tatsächlichen Anfall – immer 5 % der Dividendeneinnahmen von ausländischen Tochtergesellschaften als nicht abzugsfähige Ausgaben.

Lösung 5:

Die S-GmbH kann 95 % der Dividenden, die sie von T erhält, im Inland steuerfrei vereinnahmen. Als steuerliche Belastung bleibt die ausländische Quellensteuer bestehen. Zu beachten ist schließlich noch, dass § 8b Abs. 1 KStG wegen der Maßgeblichkeit des körperschaftsteuerlichen Einkommensbegriffes für die GewSt auch auf letztere durchschlägt. § 9 Nr. 7 und 8 GewStG kommt für freizustellende Beteiligungserträge nach § 8b Abs. 1 KStG keine Bedeutung mehr zu.

Die in der Vergangenheit große Schwierigkeiten bereitende Anrechnungsproblematik der im Ausland erhobenen Quellensteuer besteht nach der Einführung der nationalen Steuerfreistellungsregelung nicht mehr.

Soweit Schuldzinsen mit dem Erwerb von Anteilen an einer KapGes zusammenhängen, mit der in einem späteren Veranlagungszeitraum ein Organschaftsverhältnis begründet wird, unterliegen die Schuldzinsen gem. BFH Urteil vom 25.7.2019, IV R 61/16, BFH/NV 2019, 1418 insoweit anteilig dem Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG, als die KapGes während des Bestehens der Organschaft Gewinne aus vororganschaftlicher Zeit ausschüttet. Der dem Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG unterliegende Teil der Schuldzinsen ergibt sich aus dem Verhältnis der Gewinnausschüttung zu dem in demselben Jahr zugerechneten Organeinkommen. Der BFH begründet in seinem Urteil die anteilig vorgenommene Kürzung der Refinanzierungsaufwendungen damit, dass die dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang ständen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen angefallen sind, bei der Ermittlung der Einkünfte in 2002 nur zur Hälfte abgezogen werden dürfen. Da im vom BFH entschiedenen Streitfall die organschaftliche Gewinnabführung und die Ausschüttung aus vororganschaftlichen Gewinnen zusammengefallen seien, sind nach Auffassung des BFH die Regeln der Dividendenbesteuerung und der Einkommenszurechnung nach § 14 KStG jeweils getrennt voneinander anzuwenden, weil für die Refinanzierungsaufwendungen für die Anschaffung der KapGes-Anteile jeweils ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit beiden Einnahmen bestanden habe. Insbesondere sind nach Ansicht des BFH keiner der beiden Einnahmen ein Vorrang einzuräumen; dabei könne nicht unterstellt werden, dass der Zusammenhang mit den vororganschaftlichen Ausschüttungen verdrängt werde, weil im Ausschüttungsjahr bereits die Voraussetzungen einer Organschaft bestanden hätten und deshalb die Aktien eine Quelle für steuerfreie Einkünfte gebildet hätte. Nach Ansicht des BFH stellten die vororganschaftlichen Gewinne weiterhin Einkünfte dar, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen. Somit sei es für die Anwendung des Abzugsverbots des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG relevant, eine Aufteilung der Finanzierungsaufwendungen vorzunehmen. Als Maßstab hierzu ist nach Ansicht des BFH das Verhältnis der Einnahmen im Streitjahr aufzuteilen. Eine Aufteilung für die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG nach zeitlichem Maßstab kommt nach Ansicht des BFH nicht infrage, weil die Einkünfte im selben Veranlagungszeitraum bezogen wurden.

6.2. Alternative: inländisches Personenunternehmen (Einzelunternehmer oder Personengesellschaft) als Muttergesellschaft

Hier wäre – entsprechend der vorgegebenen Systematik – zunächst zu untersuchen, ob ein DBA zur Anwendung kommt. Die rechtliche Folge für den Inländer ist jedoch davon unabhängig, da die Vermeidung der Doppelbesteuerung mit oder ohne DBA bei Dividenden über die Anrechnungsmethode erfolgt (vgl. Art. 10 OECD-MA i.V.m. Art. 23 A Abs. 2 OECD-MA), also letztlich über die nationale Regelung des § 34c EStG. Nach § 3 Nr. 40d EStG werden die ausländischen Dividenden beim inländischen Steuerpflichtigen nur zur Hälfte erfasst und zwar unabhängig davon, ob die Einnahmen den Einkünften aus Kapitalvermögen oder denjenigen aus Gewerbebetrieb zuzurechnen sind. Der steuerfreie hälftige Anteil unterliegt nicht dem Progressionsvorbehalt, wobei § 2 Abs. 5a EStG ggf. zu beachten ist. Gem. § 3c Abs. 2 EStG dürfen die mit den Dividenden zusammenhängenden WK/BA nur noch zu 60 % abgezogen werden. Dabei spielt es keine Rolle, in welchem VZ die Einnahmen oder ob überhaupt Einnahmen angefallen sind. Die ausländische Quellensteuer (KapESt und nicht KSt) ist nach den Grundsätzen des § 34c EStG in vollem Umfang anrechenbar bzw. auf Antrag bei der Ermittlung der Einkünfte abziehbar.

7. Literaturhinweise

Ortmann-Babel/Gauß, Zollkodexanpassungsgesetz verabschiedet, DB 2015, 13; Quilitzsch/Ditz, Internationale Aspekte des Zollkodex-Anpassungsgesetzes, DStR 2015, 545; Korn, Wesentliche Änderungen durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, SteuK 2015, 23; Ott, Verbilligte Nutzungsüberlassungen an Kapitalgesellschaften und Wertverluste von Gesellschafterdarlehen nach § 3c Abs. 2 EStG, DStZ 2016, 14; Uhländer, Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen in laufenden Verfahren – Vertrauensschutz durch BT-Beschluss vom 27.4.2017 und BMF-Schreiben vom 27.4.2017, DB 2017, 996, DB 2017, 1224; Förster/Hechtner, Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen gem. §§ 3a, 3c Abs. 4 EStG, DB 2017, 1536; (Blümich/Erhard, EStG § 3c Rn. 1–101, beck-online).

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart. Josef Schneider u.a., Finanz und Steuern Band 16, Lexikon des Steuerrechts, © Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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Das Abzugsverfahren unter Betrachtung verschiedener Verfahren.

1. Das Abzugsverfahren nach bilateralem und nach nationalem Recht

1.1. Einordnung des Abzugsverfahrens im internationalen Recht

Alle DBA enthalten zwei wesentliche Regelungsbereiche, zum einen die Behandlung der Einkünfte im Quellenstaat, zum anderen deren Auswirkungen auf die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat. Die Hauptintention liegt, wie sich schon aus der Vielzahl der DBA-Artikel ergibt, bei der Limitierung der Besteuerung im Quellenstaat. Im Grundsatz sind bei der Quellenstaatbesteuerung vier Möglichkeiten denkbar:

  1. Die Besteuerung an der Quelle bleibt in vollem Umfang bestehen.
  2. Die Besteuerungsgrundlagen werden beschränkt.
  3. Es ergeben sich Auswirkungen auf die Steuerhöhe durch Anrechnungen.
  4. Eine Besteuerung an der Quelle findet nicht statt.

Findet eine unbeschränkte bzw. eine der Höhe nach begrenzte Quellenstaatbesteuerung statt, führt das jeweilige DBA aus, wie der Ansässigkeitsstaat eine mögliche → Doppelbesteuerung vermeidet.

Dabei enthalten die Regelungen der DBA (Art. 6–22 OECD-MA) vollständige wie unvollständige Verteilungsnormen. Durch die Zielsetzung der DBA soll aber gerade eine durch unvollständige Verteilungsnormen zustande kommende Doppelbesteuerung vermieden werden. Dies wird durch die Anwendung des sog. Methodenartikels erreicht.

Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind meist in einem einzigen Artikel in dem jeweiligen DBA enthalten. Im OECD-MA ist dies der Art. 23 OECD-MA, untergliedert in 23 A und 23 B OECD-MA, der somit zwei Alternativmöglichkeiten (Freistellung bzw. Anrechnung) vorsieht. Sieht ein DBA die Anrechnung ausländischer Steuer vor, so gelten für die Anrechnungsmethode ergänzend die Regelungen des § 34c Abs. 1 Satz 2 bis 5 und Abs. 2 EStG, siehe § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG. § 34c Abs. 1 bis 3 EStG ist auch in den Fällen anwendbar, in denen kein DBA vorliegt, siehe § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG.

Während die Anrechnung ausländischer Steuer gem. § 34c Abs. 1 EStG von Amts wegen vorgenommen wird, kann es im Einzelfall für den Steuerpflichtigen günstiger sein, stattdessen den Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte gem. § 34c Abs. 2 EStG zu beantragen.

1.2. Das Abzugsverfahren im nationalen Recht

1.2.1. Tatbestandsvoraussetzungen des § 34c Abs. 2 EStG

Ein Abzug gem. § 34c Abs. 2 EStG setzt, neben einem Antrag, voraus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 34c Abs. 1 EStG erfüllt sind (→ Ausländische Steuer):

  • Fehlen eines DBA oder DBA, das die Anrechnung im Ansässigkeitsstaat vorsieht (Art. 23A Abs. 2 und Art. 23B OECD-MA);
  • unbeschränkte Einkommensteuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG (oder gem. § 50 Abs. 3 EStG beschränkte Stpfl.);
  • Steuersubjektidentität: Nach den Steuersystemen beider Staaten soll dieselbe Person besteuert werden;
  • ausländische Einkünfte i.S.v. § 34d EStG (→ Ausländische Einkünfte). Die Ermittlung und Qualifizierung der ausländischen Einkünfte erfolgt nach deutschem Recht (R 34c Abs. 3 Satz 3 EStR). Dies gilt für die Bestimmung der Einkunftsart, die Auslegung der Tatbestandsmerkmale und die Höhe der Einkünfte;
  • die ausländischen Einkünfte sind im Quellenstaat einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer (vgl. Anlage 6 zu R 34c EStR) unterworfen worden;
  • es liegen keine Einkünfte aus Kapitalvermögen vor, auf die § 32d Abs. 1 und 3 bis 6 EStG anzuwenden ist.
  • Die ausländische Steuer muss festgesetzt und gezahlt sein;
  • sie darf weiter keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegen.

Der Antrag kann bis zur Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides (d.h. noch im Rechtsbehelfsverfahren, vgl. R 34c Abs. 4 Satz 7 EStR) gestellt werden. Er muss gem. R 34c Abs. 4 Satz 1 EStR für jeden Staat gesondert und für die gesamten Einkünfte und Steuern aus demselben Staat einheitlich gestellt werden. Der Steuerpflichtige kann den Antrag insbes. nicht lediglich auf die Steuer beschränken, die wegen der Höchstbetragsberechnung (§ 34c Abs. 1 Satz 2 EStG) nicht mehr angerechnet werden kann. Bei Einkünften, die gesondert festgestellt werden, ist der Antrag im Feststellungsverfahren zu stellen. In Fällen der gesonderten und einheitlichen Feststellung kann jeder Beteiligte einen Antrag stellen, R 34c Abs. 4 Satz 5 EStR. Zusammenveranlagte Ehegatten können das Antragsrecht nach § 34c Abs. 2 EStG für Einkünfte aus demselben Staat unterschiedlich ausüben (R 34c Abs. 4 Satz 2 EStR).

Beispiel 1:

M und F werden als kinderloses Ehepaar zusammenveranlagt. An Sonderausgaben sind 10 000 € für das Ehepaar zu berücksichtigen.

Einkünfte des M:

  • aus einem inländischen Gewerbebetrieb: 10 000 €,
  • aus einem MFH in der Schweiz (CH-Steuer i.H.v. 1 000 €): 5 000 €,
  • aus L+F in Deutschland: 55 000 €.

Einkünfte der F:

  • aus selbstständiger Arbeit in der Schweiz (CH-Steuer i.H.v. 50 000 €): 110 000 €,
  • aus einem MFH in Frankreich (F-Steuer i.H.v. 0 €): ./. 2 000 €.

Lösung 1:

Wegen der Limitierung der CH-Steuer (§ 34c Abs. 1 Satz 2 EStG) wählt F die Abzugsmethode nach § 34c Abs. 2 EStG, während M bei der Anrechnungsmethode bleibt. Dies führt zu folgenden Ergebnissen:

M-Einkünfte70 000 €
F-Einkünfte:

Selbstständige Arbeit (CH)

60 000 €
(./. CH-Steuer § 34c Abs. 2 EStG)
./. V+V-Einkünfte (F)./. 2 000 €58 000 €
Sonderausgaben i.H.v. 10 000 €./. 10 000 €
zu versteuerndes Einkommen118 000 €

Bei einem zu versteuernden Einkommen i.H.v. 118 000 € beträgt die tarifliche Einkommensteuer bei Zusammenveranlagung 31 998 € (VZ 2019). Auf die tarifliche Einkommensteuer wird gem. § 34c Abs. 1 EStG die CH-Steuer des M (1 000 €) angerechnet. Die festzusetzende Einkommensteuer der Eheleute beträgt somit 30 998 €, § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG.

Ausländische Kapitalerträge unbeschränkt Steuerpflichtiger, die der → Abgeltungsteuer unterliegen, sind aus dem Anwendungsbereich der allgemeinen Quellensteueranrechnung des § 34c EStG ausgenommen, § 34c Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG. Die Quellensteueranrechnung für ausländische Kapitalerträge ist in einer eigenständigen Vorschrift geregelt, bei der die »Per-country-limitation« (§ 68a EStDV) nicht zur Anwendung kommt (§ 32d Abs. 5 EStG). Folglich kommt bei diesen Kapitalerträgen ein Antrag auf Abzug der ausländischen Steuer gem. § 34c Abs. 2 EStG nicht in Betracht.

1.2.2. Rechtsfolge und Abgrenzung zur Anrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG

Die ausländische Steuer wird gem. § 34c Abs. 2 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte, d. h. im Ergebnis wie eine Betriebsausgabe/wie Werbungskosten bei der jeweiligen Einkunftsart abgezogen, zu der die entsprechenden ausländischen Einkünfte gehören. Es handelt sich bei § 34c Abs. 2 EStG, entgegen der amtlichen Überschrift des § 34c EStG, nicht um eine Steuermäßigungsvorschrift. Die Einordnung in § 34c EStG erfolgte wegen des Zusammenhangs mit § 34c Abs. 1 EStG. Die Regelung des § 34c Abs. 2 EStG steht im Gegensatz zur Vorschrift des § 12 Nr. 3 EStG, wonach (auch ausländische) Steuern vom Einkommen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. § 34c Abs. 2 EStG hat jedoch Vorrang gegenüber § 12 Nr. 3 EStG (wenngleich § 34c EStG im Einleitungssatz des § 12 EStG nicht genannt ist), H 12.4 [Personensteuern] EStH.

Der Abzug nach § 34c Abs. 2 EStG erfolgt ohne die bei Abs. 1 vorzunehmende Höchstbetragsberechnung. Während also bei der Anrechnung die deutsche Steuer gemindert wird, mindert sich im Rahmen des Abzugsverfahrens lediglich die Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer. In der Regel ist die Anrechnung der ausländischen Steuer günstiger als der Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte. In folgenden Fällen kann jedoch ein Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte günstiger sein:

  • Die deutsche Einkommensteuer, die anteilig auf die ausländischen Einkünfte entfällt, ist im Verhältnis zur ausländischen Einkommensteuer, die für diese Einkünfte entrichtet wurde, gering.
  • Die ausländischen Einkünfte sind nach den deutschen Gewinnermittlungsvorschriften negativ oder betragen 0 € und es war dennoch eine ausländische Einkommensteuer zu entrichten.
  • Der Steuerpflichtige hat insgesamt negative Einkünfte. Durch den Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte wird sichergestellt, dass sich die ausländische Steuer beim Verlustabzug nach § 10d EStG auswirkt.

Ein Abzug erfolgt nur, soweit die ausländische Steuer auf Einkünfte entfällt, die nicht steuerfrei sind. Die ausländische Steuer auf Kapitaleinkünfte, die dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG unterliegen, kann somit nur i.H.v. 60 % abgezogen werden. Zu beachten ist außerdem, dass es durch den Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte zu einem niedrigeren Gewinn i.S.d. § 7 GewStG kommt (s. Beispiel 3). Abgezogene ausländische Steuern sind gem. § 8 Nr. 12 GewStG wieder hinzuzurechnen, soweit sie auf Gewinne entfallen, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrags außer Acht gelassen oder nach § 9 GewStG gekürzt werden (s. Abwandlung zu Beispiel 3).

1.2.3. Vergleich Anrechnungs- und Abzugsverfahren

Beispiel 2 (Geringe deutsche Steuer):

Die Einkünfte des Stpfl. betragen 11 000 €, darin enthalten sind ausländische Einkünfte i.H.v. 8 000 € (ausländische Steuer: 2 800 €).

Die abzugsfähigen Sonderausgaben betragen 1 000 €. Die tarifliche Einkommensteuer bei einem zu versteuernden Einkommen i.H.v. 11 000 € beträgt 289 € (VZ 2019).

Lösung 2:

Anrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG:

Ermittlung Anrechnungshöchstbetrag (§ 34c Abs. 1 Satz 2 EStG):

8 000 € × 289 € : 11 000 € = 211 € (von 2 800 € ausländischer Steuer)

Festzusetzende ESt (§ 2 Abs. 6 Satz 1 EStG) = 289 € ./. 211 € = 78 €

Antrag auf Abzug gem. § 34c Abs. 2 EStG:

Einkünfte = 12 000 €

./. ausl. Steuer 2 800 € (keine Höchstbetragsberechnung)

= Einkünfte 9 200 €

Einkommen/zu versteuerndes Einkommen = 8 200 €

Tarifliche/festzusetzende ESt = 0 €

Da die ausländische Steuer hier den Höchstbetrag der anrechenbaren Steuer erheblich übersteigt, ist ein Abzug der ausländischen Steuer von der Bemessungsgrundlage günstiger.

Beispiel 3 (Teileinkünfteverfahren):

Ein im Inland wohnhafter lediger Einzelunternehmer hält Aktien einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im Staat A (kein DBA bzw. DBA mit Anrechnungsmethode, Streubesitz, d.h.

Lösung 3:

Die Dividendenbezüge gehören gem. § 20 Abs. 8 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Sie sind gem. §§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d, Nr. 40 Satz 2 EStG i.H.v. 40 % steuerfrei. Hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Betriebsausgaben dürfen gem. § 3c Abs. 2 EStG nur zu 60 % abgezogen werden.

Steuerpflichtige Einkünfte aus dem Staat A = 600 € ./. 60 € = 540 €.

Eine Anrechnung bzw. ein Abzug der ausländischen Steuer gem. § 34c Abs. 1 und 2 EStG ist möglich, da es sich bei den Dividendenbezügen um ausländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 34d Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 34d Nr. 6 EStG handelt. Der Schuldner, d.h. die Kapitalgesellschaft, hat ihren Sitz in einem ausländischen Staat.

Anrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG:

Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG/Summe der Einkünfte = 20 000 + 540 = 20 540 €

Zu versteuerndes Einkommen, § 2 Abs. 5 EStG = 20 540 € ./. 5 000 € = 15 540 €

Tarifliche ESt (VZ 2019) = 1 277 €

Anrechenbare ausländische Steuer (§ 34c Abs. 1 Satz 2 EStG):

1 277 € × 540 € : 15 540 = 45 €

Festzusetzende ESt, § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG = 1 277 € ./. 45 € = 1 232 €

Abzug gem. § 34c Abs. 2 EStG:

Auf Antrag ist die ausländische Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte abzuziehen, soweit sie auf ausländische Einkünfte entfällt, die nicht steuerfrei sind. Da die Dividendenbezüge i.H.v. 40 % steuerfrei sind (s.o.), ist die ausländische Steuer nur zu 60 %, d.h. i.H.v. 150 €, abziehbar.

Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG = 540 € + 20 000 € ./. 150 € = 20 390 €

Zu versteuerndes Einkommen = 20 390 € ./. 5 000 € = 15 390 €

Tarifliche/festzusetzende ESt = 1 240 €

Durch den Abzug wie eine Betriebsausgabe wird auch die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage um 150 € gemindert, während es eine Anrechnung ausländischer Steuern bei der Gewerbesteuer nicht gibt (→ Ausländische Steuer).

→ Gewerbeertrag (§ 7 GewStG) = 20 390 € + 360 € (§ 8 Nr. 5 GewStG) = 20 750 €

Bei § 34c Abs. 1 EStG: Gewerbeertrag = 20 540 € + 360 € = 20 900 €

(Aufgrund des Freibetrages, § 11 GewStG, beträgt die Gewerbesteuer hier in beiden Fällen 0 €, eine Ermäßigung gem. § 35 EStG scheidet somit aus.)

Für den Steuerpflichtigen ist ein Abzug der ausländischen Steuer von der Bemessungsgrundlage gem. § 34c Abs. 2 EStG im vorliegenden Fall ungünstiger als eine Anrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG.

Abwandlung zu Beispiel 3:

Die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft beträgt mindestens 15 % und alle weiteren Voraussetzungen für eine Kürzung gem. § 9 Nr. 7 GewStG sind ebenfalls erfüllt.

Lösung Abwandlung zu Beispiel 3:

Hat der Steuerpflichtige den Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte beantragt, ist der Gewerbeertrag (§ 7 Satz 1 GewStG) wie folgt zu ermitteln:

20 390 € (Gewinn nach EStG) + 150 € (§ 8 Nr. 12 GewStG) ./. 540 € (§ 9 Nr. 7 GewStG) = 20.000 €.

Da die Dividendeneinkünfte aufgrund der Vorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG nicht der Gewerbesteuer unterliegen, soll die hierauf entfallende ausländische Steuer die Gewerbesteuer nicht mindern.

Stellt der Steuerpflichtige keinen Antrag auf Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte, ist der Gewerbeertrag wie folgt zu ermitteln:

20 540 € (Gewinn nach EStG) ./. 540 € (§ 9 Nr. 7 GewStG) = 20 000 €.

2. Abzug von Amts wegen gem. § 34c Abs. 3 EStG

2.1. Tatbestandsvoraussetzungen

Falls die Voraussetzungen des § 34c Abs. 1 EStG nicht vorliegen, kommt ein Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte gem. § 34c Abs. 3 EStG in Betracht. Insofern hat § 34c Abs. 3 EStG Auffangfunktion. Bei § 34c Abs. 3 EStG handelt es sich, ebenso wie bei § 34c Abs. 2 EStG, um eine Einkünfteermittlungsvorschrift. Zum Verhältnis des § 34c Abs. 3 EStG zu § 12 Nr. 3 EStG vgl. die Ausführungen zu § 34c Abs. 2 EStG (s. 1.2.1). Die Vorschrift ist grundsätzlich nur anwendbar, wenn die Einkünfte aus einem Staat stammen, mit dem kein DBA besteht. Besteht mit dem Quellenstaat ein DBA, so ist § 34c Abs. 3 EStG über § 34c Abs. 6 Satz 6 EStG anwendbar. Einen von Amts wegen vorzunehmenden Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte sieht § 34c Abs. 3 EStG in den nachfolgenden Fällen vor:

2.1.1. Die ausländische Steuer entspricht nicht der deutschen Einkommensteuer

Bei einer ausländischen Steuer, die nicht der deutschen Einkommensteuer entspricht, ist eine Anrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG nicht möglich. Anlage 6 zu R 34c EStR enthält eine nicht abschließende Aufzählung von ausländischen Steuern, die der deutschen Einkommensteuer entsprechen. Für nicht aufgeführte ausländische Steuern wird die Entsprechung mit der deutschen Einkommensteuer erforderlichenfalls vom BMF festgestellt, H 34c Abs. 1, 2 EStH. Das Verzeichnis und die Feststellungen des BMF sind als Typisierungsrichtlinie der Verwaltung bindend und auch von den Gerichten zu beachten, sofern sie einer Plausibiltätsprüfung standhalten. Für ausländische Steuern, für die eine Entsprechung mit der deutschen Einkommensteuer demnach nicht festgestellt wurde, kommt ein Abzug bei der Ermittlung der Einkünfte gem. § 34c Abs. 3 EStG in Betracht.

2.1.2. Die ausländische Steuer wird nicht in dem Staat erhoben, aus dem die Einkünfte stammen

Beispiele: Steuern eines Drittstaates auf Einkünfte einer Betriebsstätte, Steuern eines Drittstaates bei mehrfachem Wohnsitz.

2.1.3. Es liegen keine ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34d EStG vor

Hierzu zählen Fälle, in denen der ausländische Staat Steuern auf Einkünfte erhebt, die nach deutschem Steuerrecht inländische Einkünfte darstellen. Hauptfall hierfür ist die sog. Liefergewinnbesteuerung (vgl. Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze vom 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076, Tz. 4.3.), z.B. bei kurzlebigen Montagen oder Baustellen oder bei der Veräußerung von Umlaufvermögen. Hier erhebt der ausländische Staat Steuern, obwohl inländische Einkünfte vorliegen.

2.2. Rechtsfolge

Die festgesetzte, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende ausländische Steuer ist bei den Einkünften abzuziehen, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Anders als bei § 34c Abs. 1 EStG gibt es bei § 34c Abs. 3 EStG (ebenso wie bei § 34c Abs. 2 EStG) keine Höchstbetragsberechnung. Besteuert ein Drittstaat Einkünfte, die aus einem anderen Staat (sog. Quellenstaat) stammen und berücksichtigt er die Steuer des Quellenstaates im Rahmen seiner eigenen Besteuerung, so ist in Deutschland die volle Steuer des Quellenstaates nach § 34c Abs. 1 (oder auf Antrag Abs. 2) EStG zu berücksichtigen. Die verbleibende Steuer des Drittstaates ist nach § 34c Abs. 3 EStG zu berücksichtigen (s. 2.1.2).

3. Die Steuerpauschalierung gem. § 34c Abs. 5 EStG

Für den Fall, dass die konkreten und einschlägigen DBA-Regeln nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen, insb. volkswirtschaftlich unsinnig sind, kann mittels Pauschalierungserlass bzw. mittels Auslandstätigkeitserlass nach § 34c Abs. 5 EStG Abhilfe geschaffen werden.

Mit dem Pauschalierungserlass (BMF vom 10.4.1984, BStBl I 1984, 252; vgl. aber BMF vom 24.11.2003, BStBl I 2003, 747) können einzelne ausländische Einkünfte (Hauptfall: »aktive« gewerbliche Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte) mit einem einheitlichen Steuersatz von 25 % der Einkünfte (höchstens 25 % des zu versteuernden Einkommens) erfasst werden. Dabei kann die Pauschsteuer weder angerechnet (§ 34c Abs. 1 EStG) noch abgezogen (§ 34c Abs. 2/Abs. 3 EStG) werden.

Der Auslandstätigkeitserlass (BMF vom 31.10.1983, BStBl I 1983, 470; vgl. auch BMF vom 21.7.2005, BStBl I 2005, 821) hingegen regelt ausländische Arbeitnehmer-Einkünfte. Unter bestimmten Voraussetzungen (inländische AG, Montage-Auslandstätigkeit für einen inländischen Lieferanten, Hersteller etc., die mindestens drei Monate dauert) kann der ausländische Arbeitslohn freigestellt werden. Auch hier scheidet sowohl eine Anrechnung der ausländischen Steuer gem. § 34c Abs. 1 EStG als auch ein Abzug gem. § 34c Abs. 2/Abs. 3 EStG aus.

4. Abzug bei Körperschaften (§ 26 Abs. 1 KStG)

Die Konfliktlösungen des § 34c EStG (Anrechnung bzw. Abzug der ausländischen Steuer) werden in § 26 KStG auf inländische Körperschaften übertragen. § 26 Abs. 1 Nr. 1 KStG verweist für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer auf § 34c Abs. 1 EStG (→ Ausländische Steuer) und für den Abzug ausländischer Körperschaftsteuer bei der Ermittlung der Einkünfte auf § 34c Abs. 2 und 3 EStG.

Beispiel 4 (Vergleich Anrechnungs- und Abzugsverfahren):

Eine GmbH mit Sitz im Inland unterhält in Kolumbien eine Verkaufsstelle. Im Jahr 01 erzielt die GmbH einen Gewinn i.H.v. 1 Mio. €. Davon entfällt ein Betrag in Höhe 100 000 € auf die in Bogotá belegene Verkaufsstelle. Der auf die Verkaufsstelle entfallende Gewinn wird nicht in die Bundesrepublik transferiert.

Als Betriebsausgaben sind in 01 u. a. Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen i.H.v. 150 000 € und kolumbianische Steuer (»impuesto sobre la renta«) i.H.v. insgesamt 25 000 € gebucht worden.

Lösung 4:

Die GmbH ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG i.V.m. § 11 AO unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Mit Kolumbien besteht kein DBA. Gem. § 26 Abs. 1 Nr. 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 1 EStG ist bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit ihren aus einem ausländischen Staat stammenden Einkünften dort zu einer der deutschen Körperschaftsteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden, die ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen.

Die GmbH bezieht ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG i.V.m. § 12 Satz 2 Nr. 6 AO. Die entrichtete kolumbianische Steuer entspricht der deutschen Körperschaftsteuer (Anlage 6 EStR).

Gesamtgewinn1 000 000 €
+ KSt-Vorauszahlung (§ 10 Nr. 2 KStG)150 000 €
+ kolumbianische Steuer (§ 10 Nr. 2 KStG)25 000 €
Einkünfte1 175 000 €
Tarifliche KSt (15 %)176 250 €

Anrechnung der ausländischen Steuer gem. § 34c Abs. 1 EStG:

Höchstbetragsberechnung gem. § 26 Abs. 2 Satz 1 KStG:

125 000 € : 1 175 000 × 176 250 = 18 750 € (oder: 15 % von 125 000 €)

Von der in Kolumbien entrichteten Steuer können nur 18 750 € angerechnet werden, d.h. i.H.v. 6 250 € bleibt die kolumbianische Steuer unberücksichtigt (sog. Anrechnungsüberhang).

Die festzusetzende KSt beträgt 176 250 € abzüglich 18 750 € =157 500 €.

Abzug bei der Ermittlung der Einkünfte gem. § 34c Abs. 2 EStG:

Gem. § 26 Abs. 1 Nr. 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 2 EStG kann der Steuerpflichtige den Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte beantragen.

Einkünfte (s. o.)1 175 000 €
Abzüglich kolumbianische Steuer./. 25 000 €
Einkünfte1 150 000 €
Tarifliche/ festzusetzende KSt (15 %)172 500 €

Diese Steuerbelastung liegt um 15 000 € höher als bei der Anrechnung. Die Steuerminderung beim Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte beträgt lediglich 15 % der ausländischen Steuer (= 25 000 € × 15 % = 3 750 €), während durch die Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG die Steuer um 18 750 € gemindert wird.

5. Literaturhinweise

Schnitger, Internationale Aspekte des Entwurfs des StVergAbG, IStR 2003, 73; Rödder/Schumacher, Das StVergAbG, DStR 2003, 805; Menhorn, Ausländische Quellensteuer auf im Inland steuerfreie Dividenden als Betriebsausgabe nach § 26 Abs. 6 KStG abziehbar, DStR 2005, 1885.

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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Änderung des Steuerberatungsgesetzes – Achtes Gesetz

1. Allgemeines
Nachdem bereits in der 15. Legislaturperiode versucht wurde, das Steuerberatungsgesetz zu reformieren, hat der Bundestag nunmehr am 24.1.2008 den Regierungsentwurf zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (BT-Drs. 16/7077) in zweiter und dritter Lesung angenommen. Die bereits angestrebte Gesetzesänderung scheiterte insbesondere an dem vorzeitigen Ende der Legislaturperiode infolge der vorgezogenen Neuwahlen. Die im Entwurf des EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetzes 2005 enthaltenen Regelungen wurden im damaligen Gesetzgebungsverfahren »ausgekoppelt«.

Kerninhalt des nunmehr verabschiedeten Gesetzes ist die Liberalisierung des Berufsrechtes der Steuerberater, vor allem auch unter europarechtlichen Vorgaben. Ferner nehmen die Erweiterung der Kooperationsmöglichkeiten von Steuerberatern sowie die Einführung des sog. Syndikus-Steuerberaters, welcher neben seiner selbständigen Tätigkeit auch nichtselbständige Tätigkeiten erbringen darf, zentrale Rollen ein. Zu guter Letzt sollen auch europäische Vorschriften zur Niederlassung von Dienstleistenden in nationales Recht umgesetzt werden. Die darüber hinaus geplante Befugniserweiterung der Bilanzbuchhalter wurde indes nicht umgesetzt, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass diese weiterhin »auf der Tagesordnung« bleibe. Der Referentenentwurf sah ursprünglich noch eine Befugniserweiterung um die Einrichtung einer Buchführung und die Erstellung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen vor. Die Abstandnahme von dieser Änderung erfolgt trotz z.T. deutlicher Kritik vor allem des Berufsverbandes der selbständigen Buchhalter und Bilanzbuchhalter.

Die Änderungen treten am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft.

Im Folgenden sind die wichtigsten Änderungen im Einzelnen dargestellt.

2. Anpassung an die EU-Richtlinie

Der bisherige § 3 Nr. 4 StBerG, welcher die Befugnisse zur vorübergehenden und gelegentlichen geschäftsmäßigen Hilfeleistung von Personen oder Vereinigungen, die aus einem anderen Mitgliedstaat der EU als Deutschland oder der Schweiz stammen, regelt, wird aufgehoben. Diese Aufhebung geht einher mit einer diesbezüglichen Neuregelung in § 3a StBerG n.F., einer Umsetzung der europäischen Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (RL 2005/36/EG vom 7.9.2005).

Aufgrund der genannten EU-Richtlinie (Art. 5) besitzen Staatsangehörige der EU, welche in dem anderen Mitgliedstaat in einem reglementierten Beruf niedergelassen sind, grundsätzlich auch in Deutschland die sog. Dienstleistungsfreiheit. Über Art. 7 der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten jedoch befugt, vorübergehende Tätigkeit in ihrem Staat von bestimmten Meldepflichten abhängig zu machen. Die noch im Regierungsentwurf enthaltene Einschränkung, wonach die Personen, welche vorübergehend oder gelegentlich Hilfeleistung in Steuersachen im Inland ausüben wollen, eine mit den hierzulande bestehenden Standards vergleichbare Ausbildung besitzen müssen, wurde nicht umgesetzt. Jedoch fordert § 3a Abs. 2 Satz 3 Nr. 6 StBerG n.F. einen Nachweis über die Berufsqualifikation. Der neue § 3a Abs. 2 StBerG n.F. regelt insgesamt, wann und in welchen Umfang die Bundesrepublik Deutschland eine Meldung fordert, bevor Berater aus einem anderen EU-Land in Deutschland vorübergehend geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen erbringen dürfen. Ferner ist auf § 3a Abs. 5 StBerG n.F. hinzuweisen. Dieser regelt, dass ausländische Dienstleistende eine Berufsbezeichnung in der Sprache des Niederlassungsstaates führen müssen.

Hinweis:

Die Notwendigkeit einer Berufsbezeichnung aus dem Herkunftsland soll sicherstellen, dass eine Verwechslung mit inländischen Berufsqualifikationen vermieden wird. Als problematisch ist im Rahmen der Meldung der nicht unerhebliche Verwaltungsaufwand zu erwähnen. § 3a Abs. 2 Satz 2 StBerG n.F. regelt, welche Steuerberaterkammer für das jeweilige Herkunftsland zuständig ist. Diese klar zu begrüßende Zuordnung enthielt der bisher vorliegende Referentenentwurf ausdrücklich nicht. Nach vorliegender Meldung wird seitens der zuständigen Stelle die vorübergehende Eintragung ins Berufsregister vorgenommen.

Auch als Folge der durch die europäische Niederlassungsrichtlinie eingeführten Vereinfachungen der inländischen Dienstleistung von Beratern aus einem anderen EU-Land oder der Schweiz, regelt § 37a Abs. 2, 3 StBerG n.F., unter welchen Anforderungen an die im Ausland erworbene Berufsqualifikation die Staatsangehörigen der genannten Länder eine Eignungsprüfung ablegen können, welche die gleichen Rechte mit sich bringt wie eine inländische Steuerberaterprüfung. Änderungen zum Regierungsentwurf sind lediglich im Bereich der Gesetzesverweise enthalten.

3. Möglichkeit zur Bildung von Bürogemeinschaften und weiteren Kooperationsmöglichkeiten

Die in § 56 StBerG enthaltenen Regelungen für berufliche Zusammenschlüsse von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten wurden einigen wichtigen Änderungen unterzogen. Künftig wird die bisherige Beschränkung der Zusammenarbeit mit Angehörigen der rechtsberatenden Berufe (Rechtsanwälte, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer und Notare) auf eine Sozietätsbildung aufgehoben. Hintergrund dieser Änderung ist es, dass es den Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten weitestgehend ermöglicht werden soll, die geeignete Gesellschaftsform frei zu wählen. Nach dem Änderungsgesetz ist auch keine Beschränkung auf deutsche Gesellschaftsformen enthalten, was in der Praxis wohl als problematisch angesehen werden kann. Ferner soll es künftig zulässig sein, in mehreren Sozietäten den Beruf auszuüben. In § 56 Abs. 2 StBerG n.F. wird die Bildung von Bürogemeinschaften zwischen Steuerberatern und Lohnsteuerhilfevereinen (und Vereinen im Sinne des § 4 Nr. 8 StBerG) gestattet, da auch diese vergleichbaren Berufspflichten unterliegen sollen (u.a. der Verschwiegenheitspflicht).

Darüber hinaus wird es Steuernberatern und Steuerbevollmächtigten über die Änderungen in § 56 Abs. 5 StBerG n.F. künftig erlaubt sein, ihren Beruf mit allen anderen Angehörigen der freien Berufe zu erbringen. Die Beschränkung auf die sog. sozietätsfähigen Berufe ist somit aufgehoben. Lediglich eine Kooperation mit Gewerbetreibenden wird nicht zugelassen.

Des Weiteren wird § 46 Nr. 2 DVStB dahingehend ergänzt, dass künftig auch Steuerberatungsgesellschaften berufliche Zusammenschlüsse ins Berufsregister eintragen lassen müssen. Dies stellt lediglich eine Angleichung an die bereits bestehenden Regelungen für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte dar.

Ähnlich wie Steuerberatungsgesellschaften dürfen künftig auch Partnerschaftsgesellschaften den Zusatz »Landwirtschaftliche Buchstelle« im Namen führen, wenn mindestens ein Partner berechtigt ist, den Zusatz zur Berufsbezeichnung zu führen. Die entsprechende Gesetzesänderung ist in § 44 Abs. 2a StBerG n.F. enthalten.

Aus Vereinfachungsgründen ist ferner geregelt, dass Steuerberatungsgesellschaften künftig nicht mehr jede Änderung des Gesellschaftsvertrages, der Satzung, bezüglich der Gesellschafter oder der Vertretungsberechtigten in einer der Änderungsanzeige beigefügten öffentlich beglaubigten Abschrift der jeweiligen Urkunden vorlegen müssen. Stattdessen ist es in bestimmten Fällen künftig ausreichend, wenn eine einfache Abschrift eingereicht wird.

4. Rechtsform einer Steuerberatungskanzlei – Zulassung der GmbH & Co. KG

Sofern Steuerberatungsgesellschaften die Kapitalbindungsvorschriften des § 50a StBerG einhalten, können sie nach § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG n.F. künftig auch die Rechtsform der GmbH & Co. KG wählen. Beschränkungen in der Rechtsformwahl bzw. in der Beteiligung an einer neu gegründeten Gesellschaft gibt es jedoch für Altgesellschaften, die zulässigerweise die Kapitalbindungsvorschriften nicht erfüllen.

Hinweis:

Aufgrund der sog. Abfärbetheorie ist zu beachten, dass die Mitunternehmer einer GmbH & Co. KG regelmäßig gewerbliche Einkünfte erzielen dürften.

5. Änderungen in der Berufsausübung – Pflichten des Steuerberaters

5.1. Fortbildungspflicht

§ 57 StBerG regelt die allgemeinen Berufspflichten von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten. Auch in diesem Bereich sind wesentliche Änderungen vorgenommen worden, von denen nachfolgend die wichtigsten dargestellt werden. Die bisher in der Berufsordnung geregelte Fortbildungspflicht wird nunmehr in § 57 Abs. 2a StBerG n.F. erstmals gesetzlich verankert. Vor allem zur Sicherung der Qualität der Beratungen und zur Aktualisierung der Kenntnisse ist die regelmäßige Fortbildung unerlässlich, was durch die Regelung verdeutlicht wird. Eine Sanktionierung ist hingegen nicht vorgesehen.

Hinweis:

Hinsichtlich der zu begrüßenden Fortbildungspflicht ist anzumerken, dass sich die Steuerberatungsreferenten des Bundes und der Länder im Januar 2006 noch gegen eine solche Verpflichtung ausgesprochen hatten. Für die Fortbildungspflicht ist geplant, dass die Kammer unverbindliche Empfehlungen zur Fortbildung herausgibt (vgl. § 86 Abs. 2 Nr. 7 StBerG n.F.). Aus welchem Grund die genannten Empfehlungen unverbindlich sein müssen, ist aus Sicht des Verfassers nicht nachvollziehbar, da es ohnehin dem Einzelnen obliegt, die empfohlenen Fortbildungen wahrzunehmen.

5.2. Einführung sog. Syndikus-Steuerberater

Auch die in § 57 Abs. 3, 4 StBerG dargestellte Abgrenzung, welche Tätigkeiten mit der Berufsausübung der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten vereinbar bzw. nicht vereinbar sind, bleibt im Wesentlichen erhalten. Neu ist allerdings, dass die zuständigen Steuerberaterkammern künftig die bislang strikt verbotenen gewerblichen Tätigkeiten gestatten dürfen, wenn hierdurch eine Verletzung der Berufspflichten nicht zu erwarten ist.

Auch eine weitere Tätigkeit als Angestellter wird grundsätzlich als zulässig erachtet, wodurch der sog. Syndikus-Steuerberater legalisiert wird. Die Angestelltentätigkeit in diesem Sinne wird jedoch beschränkt auf die steuerliche Beratungsleistung i.S.d. § 33 StBerG. Die Einführung des Syndikus-Steuerberaters bedeutet, dass z.B. ein Mitarbeiter einer Steuerabteilung eines (Wirtschafts-)unternehmens neben seiner Angestelltentätigkeit in dem Unternehmen auch selbständig als Steuerberater tätig sein darf. Bei Mandatsübernahme hat der Steuerberater den Mandanten jedoch über die andere Tätigkeit zu informieren.

Stets unvereinbar mit der Tätigkeit als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter ist hingegen die Tätigkeit als Angestellter der Finanzverwaltung (vgl. § 58 Satz 2 Nr. 5, 5a StBerG n.F.).

Neben der grundsätzlichen Erlaubnis einer Angestelltentätigkeit wird die bereits bisher zulässige Tätigkeit bei den Steuerberaterkammern in § 58 StBerG dahingehend ausgeweitet, dass eine Tätigkeit als Angestellter bei jeder Berufskammer erlaubt wird (bei Berufskammern sozietätsfähiger Berufe). Bedenken, dass ggf. Interessenkollisionen auftreten könnten, bestehen bei dieser Ausweitung nicht.

Durch die im Änderungsgesetz enthaltene Regelung werden die bisher zulässigen Angestelltentätigkeit nicht weiter einschränkt. Problematisch könnte in diesem Zusammenhang sein, dass auch die Angestelltentätigkeit in Berufs- oder Wirtschaftsverbänden darin inbegriffen sind. Eine Begrenzung auf die eigenen steuerlichen Angelegenheiten wäre in einem solchen Fall kaum einhaltbar. Daher wäre zu überlegen, die Angestelltentätigkeit auf solche Fälle zu beschränken, in denen der Syndikus bei einem Unternehmen angestellt ist. Weiterhin ist zu beachten, dass die Beschränkung der Tätigkeit auf die Vorbehaltsaufgaben i.S.d. § 33 StBerG in der Praxis realistisch betrachtet weder praktikabel noch nachprüfbar ist.

5.3. Abtretung von Gebührenforderungen

Da nach der bisherigen gesetzlichen Regelung in § 64 Abs. 2 StBerG unter anderem umstritten war, ob eine Abtretung einer Gebührenforderung an einen dritten Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten die Zustimmung des Mandanten benötigt, beinhaltet § 64 Abs. 2 StBerG n.F. hierzu eine klare Aussage. Danach ist eine Abtretung einer Gebührenrechnung ohne die Zustimmung des Mandanten zulässig, da der neue Gläubiger in gleichem Maße zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Die Abtretung von Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung ohne Zustimmung des Mandanten ist an Personen und Vereinigungen i.S.d. § 3 Nr. 1 bis 3 StBerG und von diesen gebildeten Berufsausübungsgemeinschaften (§ 56 StBerG) zulässig. Eine Abtretung an andere Personenkreise ist indes nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Schuldners möglich.

abtretung von gebuehrenforderungen

Abb.: Abtretung von Gebührenforderungen

Hinweis:

Sachlich kaum nachvollziehbar ist, aus welchem Grund die von der Zustimmung befreite Abtretung lediglich auf Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte beschränkt wurde. Die für den Verzicht auf die Zustimmung herangezogenen Argumente greifen per se auch für andere Berufsgruppen, z.B. Rechtsanwälte.

5.4. Aufbewahrung Handakten

Vor allem aufgrund der Streichung der speziellen Verjährungsvorschriften für Schadensersatzansprüche im StBerG und der damit verbundenen allgemeine Verjährungsfristen des BGB ist in § 66 Abs. 1 StBerG n.F. geregelt, dass die Handakten des Steuerberaters statt bisher sieben Jahre nun zehn Jahre aufzubewahren sind. Nach Ansicht des Gesetzgebers stellt diese Verlängerung eine zumutbare Belastung dar.

5.5. Sonstige Änderungen in der Berufsausübung

In § 67 StBerG n.F. ist erstmals geregelt, dass die Steuerberaterkammern Dritten gegenüber zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen Auskunft erteilen darf, um das Rechtschutzbedürfnis auch der Geschädigten zu wahren, insbesondere wenn von dem Schädiger die notwendigen Informationen nicht gegeben werden. Voraussetzung ist jedoch, dass der Steuerberater kein überwiegend schutzwürdiges Interesse an der Nichterteilung der Auskunft hat.

Durch die Anfügung des Satzes 2 in § 73 Abs. 3 StBerG und die Neufassung von § 73 Abs. 1 StBerG wird den Landesregierungen künftig das Recht eingeräumt, Kammerbezirke für Steuerberater zu bestimmen. Dies gilt auch für den Fall der Auflösung einer Oberfinanzdirektion.

Hinweis:

Vor dem Hintergrund des Selbstverwaltungsrechtes der Steuerberaterkammern ist diese Änderung nicht nachvollziehbar und dürfte in der Praxis kaum praktikabel sein.

6. Änderungen bei Lohnsteuerhilfevereinen – u a. Erweiterung der Beratungsbefugnisse

Die Befugnisse der Lohnsteuerhilfevereine zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen regelt § 4 Nr. 11 StBerG. Als Folge der unterstellten veränderten Einkommensstruktur wird es nach der Neufassung des § 4 Nr. 11 Buchst. c StBerG n.F. erlaubt, künftig bis zu Einnahmengrenzen von 13 000 € (bzw. 26 000 € bei Verheirateten) statt bisher 9 000 € aus den anderen Einkunftsarten beratend tätig zu sein. Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach der Einführung der Abgeltungssteuer durch die Unternehmensteuerreform 2008 grundsätzlich keiner Erklärungspflicht unterliegen, werden nur dann in die Grenze einberechnet, wenn sie erklärt werden müssen (z.B. bei sog. Back-to-back-Finanzierungen) oder sie freiwillig erklärt werden. Ferner wird die Beratungsermächtigung auf den Familienleistungsausgleich und auf sonstige Zulagen ausgeweitet sowie auf Fragen der Geltendmachung von Kinderbetreuungskosten.

Gem. § 20 Abs. 2 StBerG n.F. kann eine Anerkennung eines Lohnsteuerhilfevereins in bestimmten Fällen widerrufen werden, wenn die ordnungsgemäße Geschäftsführung nicht gewährleistet ist. Da diese Formulierung in der Vergangenheit häufiger zu Abgrenzungsschwierigkeiten geführt haben soll, sind durch den Gesetzgeber klare Regelungen vorgenommen worden. Danach soll eine ordnungsgemäße Geschäftsführung insbesondere dann nicht vorliegen, wenn

  • gegen die Pflichten des StBerG in nachhaltiger Weise verstoßen wurde oder
  • der Lohnsteuerhilfeverein in Vermögensverfall geraten ist (zahlungsunfähig oder überschuldet).

Oben wurde bereits dargestellt, welche neuen Formen der beruflichen Zusammenarbeit für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte bestehen. Durch den Verweis in § 26 Abs. 2 Satz 2 StBerG n. F. auf § 56 Abs. 2 StBerG n. F. können künftig auch Lohnsteuerhilfevereine mit Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten eine Bürogemeinschaft bilden.

7. Anpassung der Zulassungsvoraussetzungen an Bachelor- und Masterstudiengänge

In § 36 Abs. 1 StBerG ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen sich die zeitliche Voraussetzung einer praktischen Tätigkeit vor der Ablegung der Steuerberaterprüfung auf drei bzw. zwei Jahre verkürzt. Vereinfachend dargestellt sind bei einem Fachhochschulstudium in der Regel drei Jahre praktische Tätigkeit nachzuweisen. Lediglich bei einem Hochschulstudium mit mindestens acht Semestern verkürzt sich die Zeit auf zwei Jahre. In der Neufassung des § 36 Abs. 1 StBerG n.F. erfolgt eine Anpassung der Vorschrift dergestalt, dass auch die mittlerweile populären Master- und Bachelorstudiengänge aufgenommen wurden. Hierbei sind mehrere Konstellationen denkbar, welche im Gesetz dezidiert genannt sind.

8. Änderungen in der Durchführung der Steuerberaterprüfung

Auch aufgrund der Anträge des Steuerberaterverbandes und der Bundessteuerberaterkammer wird durch § 35 Abs. 1 Satz 2 StBerG n.F. gesetzlich festgelegt, dass der Prüfungsausschuss an die für die Finanzverwaltung zuständige oberste Landesbehörde angebunden ist. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Steuerberaterprüfung weiterhin ihren staatlichen Charakter behält. Allein die organisatorische Durchführung der Prüfung und die Befreiung von der Prüfung sind Aufgaben der zuständigen Steuerberaterkammer, obgleich die eigentliche Abnahme Bestandteil der sog. Staatsverwaltung ist. Diese strikte Trennung basiert vor allem auf der Normierung in § 35 Abs. 5 StBerG n.F., welcher die sachliche Zuständigkeit im Ergebnis völlig neu regelt. Es ist künftig zwischen der organisatorischen Durchführung der Steuerberaterprüfung und der Abnahme der Prüfung im rechtlichen Sinne zu differenzieren.

Die Änderungen wurde auch aufgrund der Neufassung des § 37b StBerG n.F. notwendig. Hierin werden Einzelheiten zur Zuständigkeit der einzelnen Steuerberaterkammern für die Organisation geregelt, wobei eine Art gegenseitige »Amts«-Hilfe mit anderen Kammern toleriert wird. Viele Änderungen der nachfolgenden Paragraphen sind reine Folgen der Übertragung der Zuständigkeit von der obersten Landesbehörde auf die jeweilige Kammer.

Ausdrücklich geregelt wurde ferner, dass die oberste zuständige Landesbehörde die Prüfungsergebnisse bekannt gibt. Zur Gewährleistung der Bundeseinheitlichkeit regelt § 37 StBerG n.F. künftig, dass u.a. die Bearbeitungszeit und die zu verwendenden Hilfsmittel von der zuständigen obersten Landesbehörde festgelegt und bekannt gegeben werden. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Steuerberatertätigkeit heutzutage vermehrt auch die Beratung in steuerstrafrechtlichen Angelegenheiten beinhaltet, soll § 37 StBerG dahingehend klarstellend ergänzt werden, dass zum steuerlichen Verfahrensrecht auch die Grundzüge des Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrechts zählen.

Nach der Gesetzesbegründung decken die aktuellen Gebühren im Rahmen der Ablegung der Steuerberaterprüfung nicht die tatsächlich damit verbundenen Kosten. Daher wurde die Antragsgebühr des § 39 Abs. 1 StBerG von 75 € auf 200 € und die Prüfungsgebühr von 500 € auf 1 000 € erhöht. Des Weiteren wurden die Steuerberaterkammern, welche bestimmte Prüfungsaufgaben übernommen haben, ermächtigt, entsprechend den eigenen Aufwendungen kostendeckende Gebühren festzulegen.

Neben einigen Folgeänderungen (Ersetzen der Oberfinanzdirektion durch die allgemeine Fassung Aufsichtsbehörde) ist hinsichtlich der zeitlichen Anwendung geregelt, dass die erhöhten Gebühren erst für Prüfungen gelten, die nach dem 31.12.2007 begonnen haben.

Prüfungsbeginn
vor dem 1.1.2008 (mithin bis zur Prüfung 07/08)nach dem 31.12.2007 (mithin ab Prüfung 08/09)
Antragsgebühr gem. § 39 Abs. 1 StBerG a.F. = 75 €Antragsgebühr gem. § 39 Abs. 1 StBerG n.F. = 200 €
Prüfungsgebühr gem. § 39 Abs. 2 StBerG a.F. = 500 €Prüfungsgebühr gem. § 39 Abs. 2 StBerG n.F. = 1 000 €

Abb.: Antrags- und Prüfungsgebühren

Die übrigen Änderungen in Zusammenhang mit der Steuerberaterprüfung (Zulassung, Befreiung und organisatorische Durchführung) gelten, abweichend vom allgemeinen Inkrafttreten, erstmals für Prüfungen, die nach dem 31.12.2008 beginnen (vgl. § 157a StBerG n.F.).

Hinweis:

Durch entsprechende Änderungen in der Durchführungsbestimmung wird klargestellt, dass trotz Delegation der Steuerberaterprüfung auf die Steuerberaterkammern weiterhin die jeweiligen Oberfinanzdirektionen die Prüfungstermine (vgl. § 14 DVStB) bzw. die zugelassenen Hilfsmittel und die Bearbeitungszeit (vgl. § 18 DVStB) bestimmen.

9. Weitere Änderungen im Berufsrecht

9.1. Bestellung

In Anpassung an die Regelungen bei Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern wird § 10 StBerG dahingehend verschärft, dass künftig Gerichte und Behörden (auch andere Berufskammern) zwingend verpflichtet sind, für die Bestellung bzw. die Rücknahme oder den Widerruf der Bestellung, der Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines berufsrechtlichen Verfahrens notwendige Informationen der Steuerberaterkammer mitzuteilen.

In § 34 Abs. 1 StBerG n.F. ist nunmehr geregelt, dass Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte unmittelbar nach der Bestellung eine berufliche Niederlassung begründen müssen.

Der Katalog des § 40 StBerG, welcher die möglichen Gründe für die Versagung der Zulassung als Steuerberater beinhaltet, soll um einen weiteren Tatbestand erweitert werden. Diese Änderung ist auf die Neufassung der allgemeinen Berufspflichten für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, welche in § 57 StBerG geregelt sind, zurückzuführen. Künftig ist eine Bestellung auch zu versagen, wenn der Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte eine Tätigkeit ausübt, welche das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann.

9.2. Abberufung

Nach dem aktuellen Gesetzeswortlaut des § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG ist eine Bestellung eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten u.a. zu widerrufen, wenn dieser eine gewerbliche Tätigkeit oder eine Tätigkeit als Arbeitnehmer ausübt, die mit seinem Beruf nicht vereinbar ist (vgl. § 57 Abs. 4 StBerG). Infolge der umfangreichen Änderungen in den erlaubten Tätigkeiten ist die Neufassung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG notwendig. Im Wesentlichen ist die Bezugnahme auf eine gewerbliche Tätigkeit oder eine Arbeitnehmertätigkeit entfallen.

Die Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft kann selbst dann nicht widerrufen werden, wenn diese überschuldet ist, aber weiterhin Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung entrichtet werden. In Anlehnung an ähnliche Regelungen bei Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern soll ein Widerruf künftig möglich sein, wenn die Gesellschaft in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Auftraggeber sind nicht gefährdet. Die Aufnahme des neuen Widerruftatbestandes erfolgt in § 55 Abs. 2a StBerG n.F.

Die Ergänzung des § 148 Abs. 1 StBerG stellt klar, dass die Kosten eines berufsgerichtlichen Verfahrens auch beim Widerruf der Bestellung vom verurteilten Berater zu tragen sind. Die Änderungen in § 152 StBerG, wonach Eintragungen über Steuerberater und Steuerbevollmächtigte in von den Aufsichtsbehörden angelegten Akten nach bestimmten Fristen zu löschen sind, erfolgen ebenfalls klarstellend. Sie entsprechen im Wesentlichen der Rechtsprechungs- und Literaturmeinung.

9.3. Sonstige Änderungen

Bisher hatten die Finanzbehörden und Steuerberaterkammern ihnen bekannt werdende Tatsachen, welche den Verdacht begründeten, dass ein Verstoß gegen die §§ 3 und 4 StBerG vorliegt, den zuständigen Stellen mitzuteilen. Durch die Einführung von § 5 Abs. 3 StBerG n.F. wird künftig auch eine Meldung erfolgen, wenn der Verdacht besteht, dass eine unzulässige Verwendung einer Berufsbezeichnung vorliegt.

Hinweis:

Auch diese Gesetzesänderung dient dem Zweck, eine unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen – vor allem im Interesse der Steuerpflichtigen – zu unterbinden.

Durch die Neufassung des § 8 Abs. 4 StBerG dürfen die in § 6 Nr. 4 StBerG bezeichneten Berufsgruppen (Buchhalter/Buchhalterinnen, Geprüfte Bilanzbuchhalter/Geprüfte Bilanzbuchhalterinnen und Steuerfachwirte/Steuerfachwirtinnen) werblich auftreten. Anders als noch im Gesetzesentwurf ist gesetzlich ausdrücklich geregelt, dass sie bei dem Werbeauftritt jedoch nicht gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoßen dürfen, dass heißt vor allem keine irreführende Werbung vornehmen dürfen.

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart. Josef Schneider u.a., Finanz und Steuern Band 16, Lexikon des Steuerrechts, 6. Auflage https://www.schaeffer-poeschel.de/isbn/978-3-7910-2833-0.html

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Agenturgeschäfte liegen vor, wenn jemand als sog. Agent Geschäfte im fremden Namen und auf fremde Rechnung vermittelt.

  • Vermittelt jemand als Selbstständiger Geschäfte im Auftrag eines anderen Unternehmers (Auftraggeber), ist er Handelsvertreter.
  • Typische Fälle der Agentur treten auf beim:
    • Handelsvertreter
    • Gebrauchtwagenvertreter
    • Tankstellenpächter

1. Umsatzsteuerrechtliche Behandlung

1.1. Grundsätzliches

Vermittlungsleistungen (sonstige Leistungen) liegen vor, wenn jemand (als sog. Agent) Geschäfte (Abschn. 3.7 Abs. 1 UStAE)

  • in fremdem Namen und
  • für fremde Rechnung vermittelt.

Vermittelt jemand ständig als Selbstständiger Geschäfte im Auftrag eines anderen Unternehmers (Auftraggeber), ist er Handelsvertreter i.S.v. § 84 HGB. Der Handelsvertreter und sein Auftraggeber sind danach beide stets Unternehmer (s.a. Abschn. 4.5.1 Abs. 1 UStAE).

Agenturgeschäfte im umsatzsteuerrechtlichen Sinne kommen jedoch auch bei Unternehmern vor, die keine Handelsvertreter sind. Auch kann ein Privatmann (Nichtunternehmer) der Auftraggeber sein.

Typische Fälle der Agentur treten auf beim

  • Handelsvertreter,
  • Gebrauchtwagenhändler,
  • Tankstellenpächter,
  • Auktionator.

Dem Leistungsempfänger muss beim Abschluss des Umsatzgeschäftes nach den Umständen des Falles bekannt sein, dass er zu einem Dritten in unmittelbare Rechtsbeziehung tritt (Abschn. 3.7 Abs. 1 UStAE).

Das Entgelt für die Vermittlungsleistung beschränkt sich nach § 10 Abs. 1 Satz 5 UStG auf die Vermittlungsprovision. Voraussetzung ist, dass der Vertreter nicht nur im Namen, sondern auch für Rechnung der Vertretenen handelt (Abschn. 3.7 Abs. 1 Satz 7 UStAE).

Zum Ort der Vermittlungsleistung s.u. sowie Abschn. 3a.7 UStAE. Weitere Erläuterungen zu den Ortsvorschriften bei der Vermittlung von sonstigen Leistungen s. → Sonstige Leistung.

Ist eine Vermittlungsleistung steuerbar, so kann sie nach § 4 Nr. 5, 8 oder 11 UStG steuerfrei sein. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 5 UStG schließt den Vorsteuerabzug nicht aus (§ 15 Abs. 3 UStG).

1.2. Handeln für fremde Rechnung

Wer für fremde Rechnung handelt, hat das Interesse des Auftraggebers und nicht sein eigenes wahrzunehmen und insbesondere (wenn es sich um einen agenturmäßigen Verkauf handelt) bezüglich des Verkaufspreises die Weisungen des Auftraggebers zu befolgen. Er hat dem Auftraggeber den Abnehmer zu benennen und auch sonst über das Geschäft Rechenschaft abzulegen. Weiterhin muss er den Verkaufserlös nach Abzug der Provision herausgeben (vgl. § 384 HGB), wenn er als Bevollmächtigter den Verkaufspreis entgegengenommen hat (Abschn. 3.7 Abs. 1 Sätze 6 und 7 UStAE).

Wer auf fremde Rechnung handelt, trägt kein eigenes Verkaufsrisiko, hat aber andererseits auch nur einen Anspruch auf Provision.

Handelt jemand nicht für fremde Rechnung, ist er entweder Eigenhändler, wenn er in eigenem Namen handelt oder unechter Agent, wenn er in fremdem Namen handelt. Der unechte Agent wird wie ein Eigenhändler behandelt, d.h. er vermittelt nicht die betreffende Leistung, sondern führt sie selbst aus (Abschn. 3.7 Abs. 1 Satz 4 UStAE).

1.3. Handeln in fremdem Namen

Während das Handeln für fremde Rechnung das Innenverhältnis zwischen Agent und Auftraggeber betrifft (BFH Urteil vom 11.10.1990, VR 75/85, BStBl II 1991, 191), bezieht sich das Merkmal »Handeln in fremdem Namen« auf das Außenverhältnis zwischen dem Agenten und dem Dritten.

Handeln in fremdem Namen liegt vor, wenn das der vermittelten Leistung zugrunde liegende Rechtsgeschäft unmittelbar zwischen dem Auftraggeber und dem Dritten zustande kommt.

Dies setzt bei einem agenturmäßigen Verkauf voraus, dass der Abnehmer der Ware beim Vertragsabschluss eindeutig erkennt, dass er nicht in Rechtsbeziehungen zum Agenten, sondern zum Auftraggeber des Agenten tritt. Allein die durch eine Vollmacht eines Unternehmers legitimierte Entgegennahme von Zahlungen durch eine andere Person reicht nicht dazu aus, diese Person als leistenden Unternehmer anzusehen (FG München Urteil vom 17.2.2016, 3 K 2395/13, EFG 2016, 934, LEXinform 5018959, rkr.). Der Abnehmer muss den Auftraggeber namentlich kennen. Ist dies nicht der Fall, handelt die Mittelsperson also im eigenen Namen für fremde Rechnung, ist sie Verkaufskommissionär i.S.v. § 3 Abs. 3 UStG (→ Kommissionsgeschäfte mit Gegenständen).

Beispiel 1:

Unternehmer C betreibt in München ein Einzelunternehmen unter der Firma »C-Club«. Im Rahmen seines Unternehmens bietet er in Italien belegene Urlaubsunterkünfte (Hotelzimmer, Appartements, Ferienwohnungen) zur Nutzung an. Dabei bucht er die in einem Prospekt angebotenen Unterkünfte überwiegend erst bei Bedarf. Die Kunden entrichten die Mieten an C. Dieser leitet sie an die Eigentümer und Vermieter der Unterkünfte (Unternehmer I) weiter und zieht hiervon seine »Provision« ab. Diese behandelt er als steuerfreien Umsatz, da er davon ausgeht, dass er lediglich als Vermittler für die Wohnungseigentümer in Italien tätig ist. C argumentiert, dass sich aus den jeweiligen Buchungsbestätigungen eindeutig Name, Anschrift und Telefonnummer des Vermieters ergäbe, teilweise sogar der Hinweis, dass die Unterkünfte nur vermittelt seien.

Hinweis:

Wenn C als Vermittler auftreten würde, ergäbe sich folgende Lösung:

C vermittelt eine kurzfristige Vermietungsleistung einer Ferienwohnung an einen Unternehmer I in Italien. Da der Leistungsempfänger I ein Unternehmer ist, bestimmt sich der Ort der Vermittlungsleistung grundsätzlich nach § 3a Abs. 2 UStG. Die Vermittlung kurzfristiger Vermietungen von Grundstücken fällt nicht unter den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG (Abschn. 3a.7 Abs. 1 Satz 4 UStAE i.V.m. Abschn. 3a.3 Abs. 9 Nr. 2 UStAE). Die Vermittlungsleistung des C an I ist im Inland nicht steuerbar.

Lösung 1:

Der Sachverhalt und die Lösung sind dem BFH-Urteil vom 22.8.2019 (V R 12/19, LEXinform 0952249) nachgebildet. S.a. die Beispiele 2 bis 4.

Für die Bestimmung der Leistungen und der Leistungsbeziehungen folgt das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich dem Zivilrecht (BFH V R 12/19, Rz. 25).

Im Hinblick darauf, dass eine Vermittlungsleistung ein Handeln in fremdem Namen erfordert, kommt es für die Abgrenzung maßgeblich darauf an, wie der Unternehmer nach außen (gegenüber den Reisenden) auftritt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Wille, in fremdem Namen zu handeln, dann unbeachtlich bleibt, wenn er sich nicht aus einer Erklärung des Handelnden oder aus den Umständen ergibt (vgl. § 164 Abs. 2 BGB: Offenkundigkeitsgrundsatz). Es muss somit für den Leistungsempfänger objektiv erkennbar sein, dass der Handelnde in fremdem Namen auftreten und das Geschäft abschließen will. Gibt der Unternehmer nicht eindeutig zu erkennen, dass er für einen anderen (den Leistungsträger) als dessen Vertreter handeln will, so leistet nur er und nicht der Vertretene. In der Regel hat dies durch die Prospektgestaltung und durch klare Hinweise außerhalb seiner AGB zu geschehen (BFH V R 12/19, Rz. 26).

Die Entscheidung, ob der Unternehmer eine Leistung in eigener Verantwortung übernimmt oder eine fremde Leistung lediglich vermittelt, ist im Rahmen des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses nach dem Gesamtbild des Einzelfalls zu treffen. Im Urteilsfall entsprach die Aufmachung des Katalogs der eines klassischen Reiseveranstalters. Dieser vermittelt dem Kunden den Eindruck, dass der Unternehmer C sein Vertragspartner werde.

In den AGB des Unternehmers C wird der Eindruck vermittelt, dass C der Reiseveranstalter sei. Denn nach Nr. 1 der AGB kommt der Reisevertrag mit C zustande. Er behält grundsätzlich den Anspruch auf den Reisepreis, wenn der Reisende die Reiseleistungen ganz oder teilweise nicht in Anspruch nimmt, während er den Anspruch auf den Reisepreis im Falle der Vertragskündigung verliert. Schließlich wird der Reisende auch hinsichtlich der Gewährleistungsrechte auf C verwiesen (BFH V R 12/19, Rz. 29).

Soweit die Buchungsbestätigungen die Namen der »Vermieter« enthalten, kann der BFH dies als nicht hinreichend für ein Auftreten des C als Vertreter erachten, da es sich lediglich um »Bestätigungen« eines vorausgegangenen Vertragsschlusses handelt. Hieraus folgert der BFH zu Recht, dass die Kunden zum maßgeblichen Zeitpunkt die Daten des »Vermieters« noch nicht kannten (s.a. Anmerkung vom 8.11.2019, LEXinform 0882004).

Hinweis:

Da der Unternehmer C als Leistender und nicht als Vermittler tätig wird, erbringt C Reiseleistungen nach § 25 UStG. Der Ort der sonstigen Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 1 UStG in München und ist steuerbar. Eine Reiseleistung i.S.d. § 25 Abs. 1 UStG liegt nicht nur bei einem Leistungsbündel vor, sondern auch dann, wenn der Unternehmer nur eine Leistung – wie im Urteilsfall die Weitervermietung von Ferienwohnungen – erbringt (BFH vom 27.3.2019, V R 10/19, BFH/NV 2019, 603, LEXinform 0952263; s. → Reiseleistungen nach § 25 UStG unter den Gliederungspunkten »Unter § 25 UStG fallende Leistungen« und dort unter »Erbringung von Einzelleistungen«, »Definition der Reiseleistungen i.S.d. § 25 UStG«, »Keine Reisevorleistungen« und dort »Eigenleistungen des Reiseveranstalters«).

1.4. Abgrenzung zur Leistungskommission

Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht (§ 3 Abs. 11 UStG; → Dienstleistungskommission). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob das Erbringen oder das Beschaffen einer sonstigen Leistung in Auftrag gegeben wird (s.a. BFH Urteil vom 31.1.2002, V R 40, 41/00, BStBl II 2004, 315; BFH Beschluss vom 16.5.2002, V B 89/01, BStBl II 2004, 319). Eine zusätzliche Vermittlungsleistung liegt nicht vor (Abschn. 3.15 Abs. 1 und 4 UStAE). Weitere Erläuterungen zur Leistungskommission s. unter → Dienstleistungskommission.

1.5. Secondhandshops

In Secondhandshops werden regelmäßig von Privatpersonen übergebene gebrauchte Kleidungsstücke und andere gebrauchte Gegenstände verkauft. Die Stpfl. streben oft an, in ihren Ladengeschäften Vermittlungsleistungen mit der Folge zu tätigen, dass das Entgelt für das vermittelte Geschäft bei ihnen ein durchlaufender Posten nach § 10 Abs. 1 letzter Satz UStG ist und sie nur ihre Vermittlungsprovision der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen haben.

Eine allgemeine Verkehrsauffassung, wonach der Inhaber eines »Secondhandladens« als Vermittler anzusehen ist, besteht nicht. Ob ein Handeln in fremdem Namen vorliegt, lässt sich deshalb nur unter Würdigung der gesamten Umstände des einzelnen Falles beurteilen.

Nach ständiger Rspr. ist derjenige, der im eigenen Laden Waren des täglichen Bedarfs verkauft, umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich als Eigenhändler oder Kommissionär anzusehen, da der Kunde regelmäßig davon ausgehen wird, dass er in unmittelbare Rechtsbeziehungen mit dem Ladeninhaber tritt. Vermittler kann der Ladeninhaber nur sein, wenn zwischen demjenigen, von dem er die Ware bezieht (Einlieferer) und dem Käufer unmittelbare Rechtsbeziehungen zustande kommen.

Unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Käufer und dem Einlieferer sind nicht nur in den Fällen zu bejahen, in denen dem Käufer Name und Anschrift des Einlieferers genannt werden. Sie liegen bereits vor, wenn dem Käufer aus den Gesamtumständen des Einzelfalls (beispielsweise durch Schilder oder ähnliche Hinweise im Ladenraum) bekannt wird, dass der Ladeninhaber im Namen und für Rechnung eines Dritten tätig wird und die Identität seines Vertragspartners (Einlieferer) anhand der Unterlagen des Ladeninhabers genannt werden kann (vgl. BFH Urteil vom 16.3.2000, V R 44/99, BStBl II 2000, 361). Wird dem Käufer dagegen nicht durch entsprechende Hinweise deutlich gemacht, dass durch den Verkauf der Ware nicht der Ladeninhaber, sondern der Einlieferer verpflichtet werden soll, so ist der Ladeninhaber als Eigenhändler oder Kommissionär anzusehen.

Verdeckt der Ladeninhaber durch seinen Auftritt als Vermittler lediglich, dass er auf Grund eines unmittelbaren Leistungsverhältnisses eine Lieferung an dem Käufer ausführt, so liegt auch unter den o.g. Voraussetzungen keine Vermittlungsleistung vor (Abschn. 3.7 Abs. 1 Satz 4 UStAE). Ein unmittelbares Leistungsverhältnis zwischen dem Ladeninhaber und dem Käufer setzt voraus, dass der Ladeninhaber die Verfügungsmacht über die zu veräußernde Ware vom Einlieferer erhalten hat, indem Substanz, Wert und Ertrag des Liefergegenstands auf diesen übergingen (Abschn. 3.7 Abs. 1 Satz 5 UStAE).

Der Übergang der Verfügungsmacht beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Erbringt der Ladeninhaber keine Vermittlungsleistungen, so unterliegt die Lieferung von Waren der Umsatzbesteuerung. In diesem Fall findet regelmäßig die Differenzbesteuerung i.S.d. § 25a UStG Anwendung (OFD Frankfurt vom 14.8.2007, S 7110 A – 1/84 – St 11, DStR 2007, 1964, LEXinform 5231044).

1.6. Leistungsbeziehungen im Internet

Nach ständiger Rspr. sind entgeltliche Leistungen steuerbar und unterliegen dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen einer Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem Rechtsverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet. Nach diesem Rechtsverhältnis bestimmt sich auch die Person des Leistenden und die des Leistungsempfängers (vgl. BFH Urteil vom 23.9.2009, XI R 14/08, BStBl II 2010, 243). Die Beteiligten eines Leistungsaustauschs ergeben sich mithin aus den schuldrechtlichen Vertragsbeziehungen.

I.R.d. Bestimmung der Leistungen und Leistungsbeziehungen ist zu beachten, dass derjenige, der im eigenen Laden Waren verkauft, umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich als Eigenhändler und nicht als Vermittler anzusehen ist (sog. Ladenrechtsprechung, Abschn. 3.7 Abs. 1 UStAE). Denn der Kunde, der in einem Laden Waren kauft, will grundsätzlich nur mit dem Ladeninhaber in Geschäftsbeziehungen treten. Ihm sind im Regelfall etwaige Vereinbarungen zwischen dem Ladeninhaber und einem Dritten, wonach es sich lediglich um eine Vermittlungstätigkeit handeln soll, nicht bekannt. Sie werden ihn im Allgemeinen auch nicht interessieren. Vermittler kann der Ladeninhaber nur sein, wenn zwischen demjenigen, von dem er die Ware bezieht, und dem Käufer unmittelbare Rechtsbeziehungen zustande kommen. Auf das Innenverhältnis des Ladeninhabers zu seinem Vertragspartner, der Waren oder Leistungen zur Verfügung stellt, kommt es für die Frage, ob Eigenhandels- oder Vermittlungsgeschäfte vorliegen, nicht entscheidend an. Wesentlich ist das Außenverhältnis, d.h. das Auftreten des Ladeninhabers dem Kunden gegenüber. Nur wenn der Ladeninhaber in eindeutiger Weise vor oder bei dem Geschäftsabschluss zu erkennen gibt, dass er für einen anderen tätig wird, also in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt, und der Kunde, der dies erkannt hat, sich ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erklärt, kann die Vermittlereigenschaft des Ladeninhabers umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden.

Diese Grundsätze gelten auch für die Erbringung von sonstigen Leistungen, soweit sie im Internet angeboten werden. Denn der Betreiber einer Internetseite, der dort kostenpflichtige Leistungen anbietet, ist vergleichbar mit einem Unternehmer, der im eigenen Laden Waren verkauft. So wie dieser umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich als Eigenhändler anzusehen ist, ist der Betreiber einer Internetseite als derjenige zu behandeln, der die dort angebotenen kostenpflichtigen Leistungen erbracht hat. Der Kunde, der in einem Laden Waren kauft, will – wie dargelegt – grundsätzlich nur mit dem Ladeninhaber in Geschäftsbeziehungen treten. Entsprechendes gilt für den Nutzer, der über das Internet eine kostenpflichtige Leistung abruft und über seine Telefonrechnung bezahlt; auch ihm sind etwaige Vereinbarungen zwischen dem Betreiber der von ihm aufgerufenen, die Leistungen anbietenden Internetseite und einem Dritten weder bekannt noch für ihn von Interesse.

Auch bei über das Internet bezogenen kostenpflichtigen Leistungen ist das Außenverhältnis wesentlich, d.h. das Auftreten des Betreibers einer Internetseite dem Nutzer gegenüber. Nur wenn der Betreiber einer Internetseite in eindeutiger Weise vor oder bei dem Geschäftsabschluss zu erkennen gibt, dass er für einen anderen tätig wird, also in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt, und der Kunde, der dies erkannt hat, sich ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erklärt, kann dessen Vermittlereigenschaft umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden.

Mit Urteil vom 15.5.2012 (XI R 16/10, BStBl II 2013, 49) hat der BFH entschieden, dass ein Unternehmer, der über seine Internetseite den Nutzern die Möglichkeit verschafft, kostenpflichtige erotische oder pornografische Bilder und Videos zu beziehen, auch dann umsatzsteuerrechtlich Leistender ist, wenn der Nutzer hierzu auf Internetseiten anderer Unternehmer weitergeleitet wird, ohne dass dies in eindeutiger Weise kenntlich gemacht wird (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 74/12 vom 7.11.2012, LEXinform 0438701).

1.7. Ort der Vermittlungsleistung

1.7.1. Vermittlungsleistung an Nichtunternehmer

§ 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG regelt den Ort einer Vermittlungsleistung an Nichtunternehmer. Dieser liegt an dem Ort der vermittelten Leistung. Dabei ist auf den Ort abzustellen, an dem die vermittelte Leistung unter Zugrundelegung der entsprechenden Ortsregelung umsatzsteuerrechtlich erbracht wird. Hierunter fällt auch die Vermittlung der kurzfristigen Vermietung von Zimmern in Hotels, Gaststätten oder Pensionen, von Fremdenzimmern, Ferienwohnungen, Ferienhäusern und vergleichbaren Einrichtungen an Nichtunternehmer (Abschn. 3a.7 Abs. 1 Satz 2 und 3 UStAE).

1.7.2. Vermittlungsleistungen an Unternehmer

Bei Leistungen an einen Unternehmer oder an eine gleichgestellte juristische Person (s. Abschn. 3a.2 Abs. 1 UStAE) richtet sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG (vgl. Abschn. 3a.2 UStAE).

1.7.3. Vermittlung von Grundstücksvermietungen

Bei der Vermittlung von Vermietungen von Grundstücken richtet sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG (Abschn. 3a.7 Abs. 1 Satz 4 UStAE).

Wegen Beispielen zu der Ortsbestimmung bei Vermittlungsleistungen s.u. sowie unter → Sonstige Leistung.

vermittler taetigt vermittlungsleistungen

Abb.: Prüfungsschema zum Ort der Vermittlungsleistung

1.8. Steuerbefreiungen bei Vermittlungsleistungen

1.8.1. Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 5 UStG

Ist eine Vermittlungsleistung steuerbar, so kann sie nach § 4 Nr. 5 UStG steuerfrei sein. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 5 UStG schließt den Vorsteuerabzug nicht aus (§ 15 Abs. 3 UStG).

Bei der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 5 UStG handelt es sich um folgende Befreiungstatbestände:

  1. die Vermittlung von Umsätzen, die nach § 4 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2–4b, 6 und 7 UStG steuerfrei sind,
  2. die Vermittlung der grenzüberschreitenden Beförderungen von Personen mit Luftfahrzeugen oder Seeschiffen,
  3. die Vermittlung der Umsätze, die ausschließlich im Drittlandsgebiet bewirkt werden,
  4. die Vermittlung der Lieferungen, die nach § 3 Abs. 8 UStG als im Inland ausgeführt zu behandeln sind.

Von den oben genannten Befreiungstatbeständen ist gem. § 4 Nr. 5 Satz 2 UStG die Vermittlung von Umsätzen durch Reisebüros für Reisende ausgenommen.

Nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 5 UStG fällt die Vermittlung der Lieferungen, die im Anschluss an die Einfuhr an einem Ort im Inland bewirkt werden. Hierbei handelt es sich insbesondere um Fälle, in denen der Gegenstand nach der Einfuhr gelagert und erst anschließend vom Lager aus an den Abnehmer geliefert wird. Für die Vermittlung dieser Lieferungen kann jedoch die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG in Betracht kommen (Abschn. 4.5.1 Abs. 5 UStAE, Abschn. 4.3.3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UStAE).

1.8.2. Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 8 und 11 UStG

1.8.2.1. Grundsätzliches zu den Vermittlungsleistungen

§ 4 Nr. 8 UStG stellt bestimmte Finanzumsätze steuerfrei (Art. 135 Abs. 1 Buchst. b–h MwStSystRL). S.a. Abschn. 4.8.1–4.8.14 UStAE.

Mit Schreiben vom 23.6.2009 (BStBl I 2009, 773) und vom 8.12.2015 (BStBl I 2015, 1066) nimmt das BMF zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Vermittlungsleistungen der in § 4 Nr. 8 und Nr. 11 UStG bezeichneten Art Stellung. Der Begriff der Vermittlung ist bei entsprechenden Umsätzen der in § 4 Nr. 8 und 11 UStG bezeichneten Art einheitlich auszulegen. Die in § 4 Nr. 8 und 11 UStG bezeichneten Vermittlungsleistungen setzen die Tätigkeit einer Mittelsperson voraus, die nicht den Platz einer der Parteien des zu vermittelnden Vertragsverhältnisses einnimmt und deren Tätigkeit sich von den vertraglichen Leistungen, die von den Parteien dieses Vertrages erbracht werden, unterscheidet. Zweck der Vermittlungstätigkeit ist, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, an dessen Inhalt der Vermittler kein Eigeninteresse hat. Die Mittlertätigkeit kann darin bestehen, einer Vertragspartei Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln, wobei sich die Tätigkeit auf ein einzelnes Geschäft, das vermittelt werden soll, beziehen muss. Wer lediglich einen Teil der mit einem zu vermittelnden Vertragsverhältnis verbundenen Sacharbeit übernimmt oder lediglich einem anderen Unternehmer Vermittler zuführt und diese betreut, erbringt insoweit keine steuerfreie Vermittlungsleistung (s. BFH Urteil vom 14.5.2014, XI R 13/11, BStBl II 2014, 734). Die Steuerbefreiung einer Vermittlungsleistung setzt nicht voraus, dass es tatsächlich zum Abschluss des zu vermittelnden Vertragsverhältnisses gekommen ist. Unbeschadet dessen erfüllen bloße Beratungsleistungen den Begriff der Vermittlung nicht.

Auch die Betreuung, Überwachung oder Schulung von nachgeordneten selbstständigen Vermittlern kann zur berufstypischen Tätigkeit eines Bausparkassenvertreters, Versicherungsvertreters oder Versicherungsmaklers gem. § 4 Nr. 11 UStG oder zu Vermittlungsleistungen der in § 4 Nr. 8 UStG bezeichneten Art gehören. Dies setzt aber voraus, dass der Unternehmer, der die Leistungen der Betreuung, Überwachung oder Schulung übernimmt, durch Prüfung eines jeden Vertragsangebots mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann. Dabei ist auf die Möglichkeit abzustellen, eine solche Prüfung im Einzelfall durchzuführen (s.a. Abschn. 4.8.1 UStAE).

1.8.2.2. Gewährung und Vermittlung von Krediten

Steuerfrei ist nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG die Gewährung und Vermittlung von Krediten (Art. 135 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL).

Nach dem Urteil des EuGH vom 21.6.2007 (C-453/05, Ludwig, DStR 2007, 1160, LEXinform 5210514) definiert sich der Begriff der steuerfreien Vermittlung weder durch die Person des Erbringers noch durch die Person des Empfängers der Leistung. Es muss sich vielmehr um eine Leistung handeln, die ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes ist, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt. Diese bestehen bei einer Vermittlungsleistung darin, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, an dessen Inhalt der Vermittler kein Eigeninteresse hat. Die Mittlertätigkeit kann darin bestehen, einer Vertragspartei Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln. Auf das Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Vermittler und einer der Parteien des Kreditvertrages kommt es nicht unbedingt an (EuGH Urteil vom 21.6.2007, LEXinform 5210514, Rz. 25 ff. sowie Abschn. 4.8.1 Satz 8 UStAE). Steuerfreie Vermittlungsleistungen können auch arbeitsteilig dadurch erbracht werden, dass ein Hauptvertreter mit dem Kreditgeber und ein Untervertreter mit dem Kreditnehmer verhandelt. Es muss kein unmittelbarer Kontakt zu beiden Parteien des zu vermittelnden Kreditvertrages bestehen. Da auch reine Nachweistätigkeiten steuerlich zu einer Vermittlung führen, steht es der Steuerfreiheit nicht entgegen, wenn die Klauseln des Kreditvertrages nicht verhandelbar sind (EuGH Urteil vom 21.6.2007, LEXinform 5210514, Rz. 34 ff.; s.a. Abschn. 4.8.1 UStAE sowie BFH Urteil vom 6.9.2007, V R 14/06, BFH/NV 2008, 624, LEXinform 0587304).

Der BFH hat mit Urteil vom 6.9.2007 (V R 14/06, BFH/NV 2008, 624, LEXinform 0587304) entschieden, dass eine Computeranalyse einen Teil der erbrachten Gesamtleistung darstellt und somit Nebenleistung zu einer nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfreien Kreditvermittlung sein kann. Zur Anwendung des BFH-Urteils s. OFD Münster vom 5.6.2009 (S 7160 – 68 – St 44 – 32, UR 2010, 158).

1.8.2.3. Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln

Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG (Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL) die Umsätze sowie die Vermittlung der Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln (s.a. Abschn. 4.8.3 UStAE). Mit Urteil vom 19.5.2010 (XI R 6/09, BStBl II 2011, 831) hat der BFH entschieden, dass ein Unternehmer, der in- und ausländische Banknoten und Münzen im Rahmen von Sortengeschäften an- und verkauft, keine Lieferungen, sondern sonstige Leistungen ausführt.

1.8.2.4. Umsätze im Geschäft mit Forderungen

Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 8 Buchst c UStG (Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL) die Umsätze im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren sowie die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Einziehung von Forderungen (Abschn. 4.8.4 UStAE; → Factoring).

1.8.2.5. Umsätze im Einlagengeschäft, Handelspapiere, Zahlungsverkehr

Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG (Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL) die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze im Einlagengeschäft, im Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr und das Inkasso von Handelspapieren (Abschn. 4.8.5–4.8.7 UStAE).

1.8.2.6. Wertpapierumsätze

Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG (Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL) die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren – Depotgeschäft – (Abschn. 4.8.8 und 4.8.9 UStAE).

Mit Urteil vom 19.4.2007 (V R 31/05, BFH/NV 2007, 1546, LEXinform 0586620) hat der BFH zur Anwendung des § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG bezüglich der Vermittlung von Fondsanteilen entschieden, dass unter »Vermittlung« i.S.d. Vorschrift eine Tätigkeit zu verstehen ist, deren Zweck es ist, alles Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrages hat (EuGH Urteil vom 13.12.2001, C-235/00, CSC Financial Services Ltd., UR 2002, 84, LEXinform 0164640). Die Mittlertätigkeit kann darin bestehen, einer Vertragspartei Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln, wobei sich die Tätigkeit auf ein einzelnes Geschäft, das vermittelt werden soll, beziehen muss (BFH Urteil vom 20.12.2007, V R 62/06, BStBl II 2008, 641; s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 17/08 vom 20.2.2008, LEXinform 0173951 sowie Abschn. 4.8.1 Satz 4 UStAE). Die Vermittlung muss sich auf Geschäfte mit Wertpapieren beziehen. Hierunter sind Umsätze zu verstehen, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen (BFH Urteil vom 18.7.2002, V R 44/01, BStBl II 2003, 730). Dies ist bei der Vermittlung des Verkaufs von Fondsanteilen der Fall; denn Anteile an Investmentfonds sind Wertpapiere i.S.d. § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG.

Auch eine Bestands- und Kontinuitätsprovision ist Entgelt für eine Vermittlungsleistung und nicht für eine davon zu trennende zusätzliche Leistung (BFH Urteil vom 19.4.2007, V R 31/05, BFH/NV 2007, 1546, LEXinform 0586620 sowie Abschn. 4.8.8 Abs. 6 UStAE). Zur Anwendung des BFH-Urteils vom 19.4.2007 (V R 31/05, BFH/NV 2007, 1546) s. die Vfg. des BayLfSt vom 19.12.2007 (S 7160e – 5 St 35 N, UR 2008, 126, LEXinform 5231181 sowie OFD Koblenz vom 29.1.2008, S 7160e St 44 2, LEXinform 5231361).

Fondsgesellschaften vertreiben Fondsanteile häufig über Banken (sog. Primärbanken). Die Primärbanken vermitteln die Anteile auf Provisionsbasis. Der von den Banken erbrachte Vermittlungsumsatz ist in der Regel gem. § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG steuerfrei.

Die Fondsgesellschaften gehen vermehrt dazu über, den Banken neben der für die einmalige Vermittlung entstehenden sog. Absatzprovision auch eine sog. Kontinuitätsprovision/Bestandsprovision zu vergüten (zweistufiges Provisionsmodell). Die Höhe der Kontinuitätsprovision orientiert sich an dem Bestandswert der Fondsanteile. Dieser ergibt sich aus dem Durchschnitt der monatlichen Bestandswerte, die sich aus den jeweils aktuellen Rückkaufwerten der Fondsanteile ermitteln.

Mit Urteil vom 19.4.2007 (V R 31/05, BFH/NV 2007, 1546) hat der BFH entschieden, dass auch die Kontinuitätsprovisionen Entgelt für die steuerfreien Vermittlungsleistungen der Primärbanken sind und nicht für eine davon zu trennende, zusätzliche Leistung sind. Daher sind gezahlte Kontinuitätsprovisionen ebenfalls gem. § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG steuerfrei.

Eine steuerfreie Vermittlungsleistung kommt auch in den Fällen in Betracht, in denen Fondsanteile des einzelnen Kunden nicht ausschließlich durch das Kreditinstitut vermittelt wurden, nicht hingegen, wenn das Kreditinstitut überhaupt keine Vermittlungsleistung gegenüber der Fondsgesellschaft erbracht hat.

Fälle, in denen das Kreditinstitut überhaupt keine Vermittlungsleistung gegenüber der Fondsgesellschaft erbracht hat, liegen bei reinen Depotumschichtungen vor. Die Bank hat hierbei die ursprünglich über einen anderen Vermittler erworbenen Fondsanteile in ihre Verwaltung genommen. Die in diesem Fall erhaltene Kontinuitätsprovision ist als steuerpflichtige Bestandspflegeleistung zu behandeln (s.a. Abschn. 4.8.8 Abs. 6 UStAE).

1.8.2.7. Gesellschaftsanteile

Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG (Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL) die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen (Abschn. 4.8.10 Abs. 1 UStAE). Zu den Anteilen an Gesellschaften gehören neben den Anteilen an Kapitalgesellschaften, z.B. GmbH-Anteile, auch die Anteile an Personengesellschaften, z.B. OHG-Anteile, die stille Beteiligung (§ 230 HGB) sowie die Mitgliedschaft in einem Idealverein.

Nach Abschn. 4.8.10 Abs. 4 UStAE ist die Vermittlung von erstmalig ausgegebenen Gesellschaftsanteilen steuerbar und nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfrei. Die Steuerbarkeit ist anzunehmen, obwohl die Gesellschaft mit der Aufnahme eines Gesellschafters keinen steuerbaren Umsatz erbringt (BFH Urteil vom 1.7.2004, V R 32/00, BStBl II 2004, 1022 und Abschn. 1.6 Abs. 2 UStAE). Die Verwaltung verweist dabei in Abschn. 4.8.10 Abs. 4 UStAE auf das EuGH-Urteil vom 27.5.2004, C-68/03, UR 2004, 355, LEXinform 0175028).

Zur Auslegung des EuGH-Urteils vom 27.5.2004 nimmt der BFH in seinem Urteil vom 12.12.2012 (XI R 30/10, BStBl II 2013, 348) Stellung. Der BFH macht dabei deutlich, dass der EuGH darüber entschieden habe, dass Art. 46 MwStSystRL seinem Wortlaut nach allgemein für Dienstleistungen von Vermittlern anzuwenden sei, ohne dass danach unterschieden werden müsse, ob die Empfänger der Dienstleistungen mehrwertsteuerpflichtig seien oder nicht. Die Verwaltung hat dieses Urteil konsequenterweise in Abschn. 3a.7 Abs. 2 UStAE umgesetzt.

In Rz. 52 seines Urteils vom 12.12.2012 (XI R 30/10, BStBl II 2013, 348) gelangt der BFH zu dem Ergebnis, dass sich das EuGH-Urteil vom 27.5.2004 ausdrücklich nur auf die Anwendung der Leistungsortbestimmung in Art. 46 MwStSystRL bezieht. Der EuGH trifft aber ersichtlich keine Aussage zu etwaigen Steuerbefreiungen.

Der BFH gelangt daher in Rz. 50 ff. seiner Entscheidung vom 12.12.2012 zu dem Ergebnis, dass die Vermittlung nur dann nach § 4 Nr. 5 Buchst. c und Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfrei ist, wenn es sich dabei um die Vermittlung von »Umsätzen« handelt. Ausdrücklich stellt der BFH fest, dass es sich bei der Vermittlung von Vereinsmitgliedschaften nicht um die Vermittlung von »Umsätzen« handelt, so wie es auch zutreffend die Verwaltung in Abschn. 4.8.10 Abs. 5 UStAE regelt.

Nach Verwaltungsauffassung in Abschn. 4.8.10 Abs. 5 UStAE ist die Vermittlung der Mitgliedschaften in einem Idealverein nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfrei. Die Verwaltung verweist dabei auf das BFH-Urteil vom 27.7.1995 (V R 40/93, BStBl II 1995, 753). In seinem Urteil vom 27.7.1995 gelangte der BFH zu der Rechtsauffassung, Voraussetzung für die Steuerbefreiung sei, dass die Anteile Gegenstand steuerbarer Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG seien oder dass derartige Umsätze vermittelt würden. Diese Rechtsauffassung wurde durch das BFH-Urteil vom 12.12.2012 (XI R 30/10, BStBl II 2013, 348) bestätigt.

An der in Abschn. 4.8.10 Abs. 4 UStAE niedergelegten Verwaltungsregelung kann m.E. nicht mehr festgehalten werden, da die Verwaltung selbst in Abs. 5 des Abschn. 4.8.10 UStAE die Vermittlung »nicht steuerbarer Gesellschaftsanteile« als steuerbare und steuerpflichtige Umsätze ansieht. Das in Abschn. 4.8.10 Abs. 4 UStAE zitierte EuGH-Urteil ist auf die dort geregelte Vermittlung von erstmalig ausgegebenen Gesellschaftsanteilen nicht zielführend, da dieses Urteil – wie der BFH feststellt (s.o.) – für die Steuerfreiheit einer solchen Vermittlung »nichts hergibt«. Daher ist das »für einen besonderen Ausnahmefall ergangene EuGH-Urteil in dieser Rechtsfrage nicht einschlägig« (BFH Urteil vom 12.12.2012, XI R 30/10, BStBl II 2013, 348, Rz. 48).

Mit Urteil vom 20.12.2007 (V R 62/06, BStBl II 2008, 641) hat der BFH seine bisherige Rspr. zur Umsatzsteuerpflicht bei der Untervermittlung von Krediten, die auch für die Untervermittlung von Fondsanteilen galt, aufgegeben. Er entschied, dass Untervermittler umsatzsteuerfreie Leistungen beim Vertrieb derartiger Bank- und Finanzdienstleistungen erbringen können. Die Untervermittlung weist die Besonderheit auf, dass der Vermittler nicht von einer der Parteien des zu vermittelnden Vertrages, sondern von einem anderen Vermittler beauftragt wird. Mit seinem Urteil folgt der BFH der Rspr. des EuGH, der mit Urteil vom 21.6.2007 (C-453/05 – Ludwig –, LEXinform 5210514) entschieden hatte, dass auch Leistungen eines Untervermittlers bei der Vermittlung von Krediten steuerfrei sein können.

In der Sache hatte die Klage des Unternehmers, der für die von ihm ausgeübten Tätigkeiten beim Aufbau, der Führung und der Leitung eines Fondsvertriebs die Umsatzsteuerfreiheit für Vermittlungsleistungen geltend machte, aber keinen Erfolg. Auch Untervermittler erbringen nur dann eine steuerfreie Leistung, wenn sie inhaltlich eine Vermittlungstätigkeit ausüben. Hierzu muss der Untervermittler ebenso wie jeder andere Vermittler das Erforderliche tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen. Dies traf auf die Leitungstätigkeiten des Klägers nicht zu, so dass der BFH die bereits durch das FG erfolgte Klageabweisung bestätigte (Pressemitteilung des BFH Nr. 17/08 vom 20.2.2008, LEXinform 0173951).

Gemeinsames Merkmal der nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfreien Vermittlung ist das Handeln gegenüber individuellen Vertragsinteressenten (BFH Urteil vom 6.12.2007, V R 66/05, BStBl II 2008, 638). Marketing- und Werbeaktivitäten, die darin bestehen, dass sich ein Vertriebsunternehmen nur in allgemeiner Form an die Öffentlichkeit wendet, sind mangels Handelns gegenüber individuellen Vertragsinteressenten keine Vermittlung nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG. Marketing, Werbung und Vermittlung sind nicht aufgrund des bloßen Ziels, den Verkauf von Fondsanteilen zu fördern, Teil einer einheitlichen Leistung, wenn der Marketing- und Werbetätigkeit durch die Gestaltung von Emissionsprospekten und durch Schulungs- und Auskunftstätigkeiten, die der allgemeinen Produktinformation dienen, eigenständiger Charakter zukommt.

Mit Urteil vom 30.10.2008 (V R 44/07, BStBl II 2009, 554) bestätigt der BFH seine bisherige Rspr. zur steuerbefreiten Vermittlung von Gesellschaftsanteilen. Danach enthält § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG keine allgemeine Steuerbefreiung für Leistungen beim Vertrieb von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen, sondern erfasst nur die Vermittlung von Umsätzen mit derartigen Anteilen. Die steuerfreie Vermittlung muss sich auf einzelne Geschäftsabschlüsse beziehen.

Hinsichtlich der durchgeführten Tätigkeiten des Klägers hat der BFH die Steuerbefreiung allerdings verneint. Die Anwerbung, Schulung und Fortbildung sowie die Betreuung, Unterstützung, Überwachung, Koordination und Organisation der Regionaldirektoren und Abschlussvertreter, nicht aber die Teilnahme des Klägers bei Kundenveranstaltungen und an Verkaufsgesprächen mit Kunden war das wesentliche und prägende Element der vom Kläger übernommenen Tätigkeit. Waren zu Beginn des Kj. 04 ca. 70 Untervertreter für den Kläger tätig gewesen, so hat sich diese Zahl innerhalb von zwei Jahren auf 700 Untervertreter verzehnfacht. Der Kläger räumte selbst ein, dass er den Absatz der Fondsprodukte im Wesentlichen über die von ihm angeworbenen und geschulten Vertreter betrieben und seine Tätigkeit darin bestanden habe, Vermittler zu gewinnen und sie über die Fondsprodukte, deren Entwicklung und eine effektive Vermarktungsstrategie zu unterrichten. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers hat daher weder darin bestanden, dem Verkäufer der Kapitalanlagen Gelegenheiten zum Abschluss von Verträgen nachzuweisen noch mit Interessenten Kontakt aufzunehmen oder Verhandlungen zu führen.

Nach dem BFH-Urteil vom 14.5.2014 (XI R 13/11, BStBl II 2014, 734) erbringt derjenige, der als sog. »Distributor« im Rahmen eines mehrstufigen Vertriebs von Fondsanteilen selbstständige Abschlussvermittler anwirbt, schult und im Rahmen ihres Einsatzes unterstützt sowie die von den Abschlussvermittlern eingereichten Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität prüft, keine Vermittlungstätigkeit (s.a. Abschn. 4.8.1 Satz 7 UStAE).

1.8.2.8. Übernahme von Verbindlichkeiten und Sicherheiten

Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG (Art. 135 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze (Abschn. 4.8.11 und 4.8.12 UStAE).

1.8.2.9. Umsätze von Bausparkassen-, Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern

Nach § 4 Nr. 11 UStG (Art. 135 Abs. 1 Buchst. a und b MwStSystRL) sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler steuerfrei (Abschn. 4.11.1 UStAE).

Die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 11 UStG enthält eine ausschließliche Aufzählung der begünstigten Berufsgruppen. Sie kann auf andere Berufe, z.B. Bankenvertreter, auch wenn sie ähnliche Tätigkeitsmerkmale aufweisen, nicht angewendet werden. Welche Unternehmer als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler anzusehen sind, richtet sich nach den Begriffsbestimmungen der §§ 92 und 93 HGB (Abschn. 4.11.1 Abs. 1 UStAE).

Der BFH hat mit Urteil vom 6.9.2007 (V R 50/05, BStBl II 2008, 829) entschieden, dass die in § 4 Nr. 11 UStG genannten Begriffe des Versicherungsvertreters und des Versicherungsmaklers richtlinienkonform entsprechend Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL und nicht handelsrechtlich nach den Begriffen des Versicherungsvertreters und des Handelsmaklers i.S.d. §§ 92 und 93 HGB auszulegen sind.

Des Weiteren hat der BFH entschieden, dass es zu den wesentlichen Aspekten einer steuerfreien Versicherungsvermittlungstätigkeit gehört, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzuführen. Das bloße Erheben von Kundendaten erfüllt nicht die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlungstätigkeit. Allgemein sind Unterstützungsleistungen für die Ausübung der dem Versicherer selbst obliegenden Aufgaben stpfl. Auch Dienstleistungen wie z.B. die Festsetzung und Auszahlung von Provisionen der Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit diesen und die Weitergabe von Informationen an die Versicherungsvertreter gehören nicht zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters (Abschn. 4.11.1 Abs. 2 Satz 9 UStAE zu den sog. Backoffice-Tätigkeiten).

Auch die Betreuung, Überwachung oder Schulung von nachgeordneten selbstständigen Vermittlern kann zur berufstypischen Tätigkeit eines Bausparkassenvertreters, Versicherungsvertreters oder Versicherungsmaklers gehören. Dies setzt aber voraus, dass der Unternehmer, der die Leistungen der Betreuung, Überwachung oder Schulung übernimmt, durch Prüfung eines jeden Vertragsangebots mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann. Dabei ist auf die Möglichkeit abzustellen, eine solche Prüfung im Einzelfall durchzuführen. Bei Verwendung von Standardverträgen und standardisierten Vorgängen genügt es, dass der Unternehmer durch die einmalige Prüfung und Genehmigung der Standardverträge und standardisierten Vorgänge mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann (Abschn. 4.11.1 Abs. 2 Satz 6–8 UStAE).

Mit Urteil vom 24.7.2014 (V R 9/13, BFH/NV 2014, 1783, LEXinform 0929664) hat der BFH entschieden, dass Versicherungsmakler i.S.d. § 4 Nr. 11 UStG auch sein kann, wer sog. Blanko-Deckungskarten für Kurzzeitversicherungen an- und verkauft. Die Funktion der Versicherungsvermittlungsleistung ist erfüllt, wenn der Vermittler Versicherer und Versicherungsnehmer zusammenbringt, indem er dem Versicherungsnehmer einen Nachweis über einen Versicherer, der Versicherungsschutz anbietet, erbringt und den Kontakt zu diesem herstellt. Der Umstand, dass der Unternehmer die Deckungskarten nicht unmittelbar von den Versicherungsunternehmen, sondern von anderen Unternehmen erworben hat, steht dabei der Annahme einer Tätigkeit als Versicherungsmakler ebenso wenig entgegen wie der nur mittelbare Kontakt des Unternehmers zu den Versicherungsunternehmen im Falle des Verkaufs von Deckungskarten an fremde Prägestellen, die die Deckungskarten ihrerseits weiterverkaufen.

Die Umsatzsteuerbefreiung für derartige Versicherungsvermittlungsleistungen gilt auch, wenn der Vertrieb von kurzzeitigen Kfz-Versicherungen im Rahmen eines technischen Verfahrens durch Mitteilung einer siebenstelligen Versicherungsbestätigungsnummer (eVB-Nummer) erfolgt, bei dem durch den An- und Verkauf der Freischaltcodes die Ursache für das Zustandekommen von Versicherungsverträgen zwischen den Versicherern und den Versicherungsnehmern gesetzt wird (s.a. BMF vom 8.12.2015, BStBl I 2015, 1066).

Zur Steuerbefreiung für die Vermittlung von privaten Zusatzversicherungen durch gesetzliche Krankenkassen nimmt die Vfg. der OFD Frankfurt vom 19.12.2007 (S 2706 A – 117 – St 54, UR 2008, 439, LEXinform 5231185) Stellung. Nach § 194 Abs. 1a SGB V ist es den gesetzlichen Krankenkassen seit dem 1.1.2004 gestattet, private Zusatzversicherungen zwischen ihren Versicherten und privaten Krankenversicherungsunternehmen zu vermitteln. Die gesetzliche Krankenversicherung wird von öffentlich-rechtlichen Trägern durchgeführt. Dabei handelt es sich nach geltender Verwaltungsauffassung um hoheitliche Tätigkeiten, die nach § 4 Abs. 5 des KStG nicht zu einer Steuerpflicht führen. Auch eine Gewerbesteuerpflicht ergibt sich bei hoheitlichen Tätigkeiten nicht (§ 2 Abs. 2 GewStDV). Die gesetzlichen Krankenkassen erhalten für die Vermittlung privater Zusatzversicherungen jedoch ein Entgelt (z.B. pauschale Aufwandsentschädigung) von den privaten Versicherungsunternehmen. Diese entgeltliche Vermittlungstätigkeit ist nicht als Ausübung öffentlicher Gewalt dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen. Vielmehr liegt eine Vermittlungsleistung vor, die auch von privaten Dritten (Versicherungsmaklern) erbracht wird. Insoweit treten die gesetzlichen Krankenkassen in Wettbewerb mit diesem Personenkreis, sodass steuerlich ein Betrieb gewerblicher Art i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 Abs. 1 KStG vorliegt. Diese Vermittlungstätigkeiten können als Leistungen eines Handelsmaklers angesehen werden und sind daher nach § 4 Nr. 11 UStG umsatzsteuerfrei.

1.8.3. Vermittlung von Umsätzen i.S.d. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG

Mit Beschluss vom 28.5.2015 (V B 15/15, BFH/NV 2015, 1117) und Urteil vom 10.9.2015 (V R 41/14, BStBl II 2016, 308) hat der BFH entschieden, dass Vermittlungsleistungen eines atypischen Maklers, der aufgrund einer Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt, nicht gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei sind.

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Im Urteilsfall verpflichtete sich die Klägerin gegenüber Grundstückseigentümern, in deren Namen deren Grundbesitz (Eigentumswohnungen) zu einem Mindestverkaufspreis zu veräußern. Über den Mindestverkaufspreis hinausgehende Verkaufserlöse sollten der Klägerin als Vertriebsentgelt zustehen. Die Grundstückseigentümer erteilten der Klägerin alleinige Verkaufsrechte und »unwiderrufliche Verkaufsvollmachten«. Zusätzlich erteilten die Grundstückseigentümer der Klägerin notarielle Verkaufsvollmachten. Teilweise wurden die von der Klägerin abgeschlossenen notariellen Verkäufe von den Grundstückseigentümern nachträglich notariell genehmigt.

Nach den von der Klägerin und den Grundstückseigentümern getroffenen Vereinbarungen sollten die Kaufverträge zwischen den Grundstückseigentümern und den Erwerbern unmittelbar zustande kommen. Der Kaufpreis sollte von den Erwerbern an die Grundstückseigentümer unmittelbar gezahlt werden. Die Grundstückseigentümer sollten den Mindestverkaufspreis einbehalten und den erzielten Mehrerlös als Vertriebsentgelt an die Klägerin abführen. Die Grundstücksgeschäfte wurden dementsprechend unmittelbar zwischen den Grundstückseigentümern und den Erwerbern abgeschlossen.

Nach der Entscheidung des BFH erbrachte die Klägerin gegenüber den Grundstückseigentümern Vermittlungsleistungen. Entgelt für die Vermittlung war die Beteiligung der Klägerin am Verkaufspreis. Die Vermittlung ist für sich genommen kein Umsatz, der unter das GrEStG fällt.

Der Grunderwerbsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 2 GrEStG auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dabei wendet der BFH diese Vorschrift auch auf Rechtsvorgänge an, bei denen ein sog. atypischer Makler aufgrund besonderer Abreden in einem Vermittlungsauftrag über Grundstückseigentum eine Rechtsstellung erhält, die ihm eine »Chance zur Beteiligung an der Substanz des Grundstücks« einräumt und es ihm ermöglicht, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, da der Grundstückseigentümer zum Abschluss von Kaufverträgen mit vom Makler benannten Käufern verpflichtet ist und dem Makler der über den festgelegten Mindestkaufpreis hinausgehende Betrag als Vermittlungsprovision zusteht.

Der nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgang des atypischen Maklervertrages ist nicht identisch mit der von der Klägerin erbrachten Vermittlungsleistung. Die Vermittlungsleistung ergibt sich aus dem der Klägerin erteilten Vermittlungsauftrag, während der sich aus § 1 Abs. 2 GrEStG ergebende Steuertatbestand darauf beruht, dass der Vermittler zusätzlich zum Vermittlungsauftrag besondere Befugnisse erhält, die ihm eine Verwertung auf eigene Rechnung ermöglichen.

Gegen die Umsatzsteuerpflicht der von der Klägerin erbrachten Leistungen bestehen keine unionsrechtlichen Bedenken. Denn das Unionsrecht gestattet die Anwendung der Steuerfreiheit nur für Lieferungen, nicht aber auch für Vermittlungsleistungen als sonstige Leistungen (Dienstleistungen).

Es liegt auch keine unionsrechtlich unzulässige Doppelbesteuerung vor. Wie der EuGH bereits ausdrücklich entschieden hat, weist die Grunderwerbsteuer nicht die Merkmale einer Umsatzsteuer auf (EuGH-Beschluss vom 27.11.2008, C-156/08, UR 2009, 136). Die Doppelbesteuerung eines Sachverhaltskomplexes mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer verstößt daher nicht gegen Art. 401 MwStSystRL. Hiervon geht auch die ständige Rechtsprechung des BFH aus (BFH Urteile vom 2.4.2008, II R 53/06, BStBl II 2009, 544, unter II.2.d aa und vom 3.9.2008, XI R 54/07, BStBl II 2009, 499, unter II.3.d).

1.8.4. Vermittlung von Umsätzen i.S.d. § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG

Nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG sind die Umsätze steuerfrei, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Die Vermittlung von Sportwetten fällt nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG und ist daher steuerpflichtig (s.a. FG Baden-Württemberg Urteil vom 9.7.2012, 9 K 2091/11, EFG 2013, 334, LEXinform 5014399, rkr. und Mitteilung des FG Baden-Württemberg vom 26.2.2013, LEXinform 0439286 und Abschn. 4.9.2 Abs. 2 UStAE).

1.8.5. Private Arbeitsvermittlung als sonstige Einrichtung mit sozialem Charakter

Eine private Arbeitsvermittlerin, die Vermittlungsleistungen an Arbeitsuchende mit einem Vermittlungsgutschein nach § 421g SGB III erbracht und ihr Honorar deshalb unmittelbar von der Bundesagentur für Arbeit erhalten hat, ist eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Sie kann sich für die von ihr erbrachten Arbeitsvermittlungsleistungen an Arbeitsuchende unmittelbar auf die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung berufen (BFH Urteil vom 29.7.2015, XI R 35/13, BFH/NV 2015, 1648, LEXinform 0934302 sowie Pressemitteilung des BFH Nr. 69/2015 vom 7.10.2015, LEXinform 0443663).

Hinweis:

Eine Steuerbefreiung auf nationaler Ebene wurde für Leistungen nach dem SGB III erst mit Wirkung vom 1.1.2015 in § 4 Nr. 15b UStG eingeführt.

1.9. Vermittlungsleistungen von Reisebüros

1.9.1. Anwendung des § 25 UStG

Die Margenbesteuerung des § 25 UStG (→ Reiseleistungen nach § 25 UStG) ist nicht anzuwenden, soweit der Unternehmer (Reisebüro) Reiseleistungen ausschließlich vermittelt oder soweit einzelne Reiseleistungen im Rahmen einer Pauschalreise vermittelt werden (Abschn. 25.1 Abs. 4 UStAE). Die Besteuerung der Vermittlungsleistungen richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des UStG.

1.9.2. Ortsbestimmung der Vermittlungsleistungen

1.9.2.1. Pauschalreisen

Für die Vermittlung von Pauschalreisen ist zu beachten, dass diese für den Reiseveranstalter als einheitliche sonstige Leistung gelten (§ 25 Abs. 1 Satz 3 UStG), deren Leistungsort sich für den Reiseveranstalter nach § 3a Abs. 1 UStG bestimmt (§ 25 Abs. 1 Satz 4 UStG). Auch die entsprechenden Vermittlungsleistung gilt als einheitliche Vermittlungsleistung, deren Ort sich nach § 3a Abs. 2 UStG bestimmt. Ist der Reiseveranstalter demnach im Inland ansässig, ist die Vermittlungsleistung steuerbar und stpfl. Selbst wenn sich die Pauschalreise aus einzelnen Komponenten zusammensetzt, die für sich gesehen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 5 Buchst. b oder c UStG erfüllen würden, z.B. eine grenzüberschreitende Personenbeförderung beinhalten, geht dies in der Zusammenfassung zur einheitlichen Leistung mit dem Leistungsort im Inland unter (Abschn. 4.5.2 Abs. 4 Satz 1 UStAE; s.a. Weimann/Lang, Umsatzsteuer – national und international –, § 4 Nr. 5 Rz. 27 ff. 4.A.). Bei der Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 2 UStG wird unterstellt, dass das Reisebüro für den Reiseveranstalter und nicht für den Reisenden tätig wird.

Hinweis:

Da die Reisebüros die Reiseleistungen in der Regel im Auftrag der Leistungsträger und nicht im Auftrag der Reisenden vermitteln, bestimmt sich der Ort der Vermittlungsleistung nach § 3a Abs. 2 UStG.

Ist ausnahmsweise der Reisende Auftraggeber, bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG.

1.9.2.2. Einzelleistungen

Ein Reisebüro erbringt einzelne Vermittlungsleistungen (kein Leistungsbündel), wenn es als Vermittler für die Leistungsträger, wie z.B. die Beförderungsunternehmer oder die Hotels, auftritt (Abschn. 4.5.2 Abs. 1 UStAE). Eine Vermittlung von Einzelleistungen durch das Reisebüro liegt auch vor, soweit der Reiseveranstalter die Reiseleistungen mit eigenen Mitteln erbringt (Abschn. 4.5.2 Abs. 4 Satz 2 und 3 UStAE). Der Ort der jeweiligen Vermittlungsleistung an einen Unternehmer bestimmt sich grundsätzlich nach § 3a Abs. 2 UStG, bei der Vermittlung von Grundstücksvermietungen nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG. Ist der Auftraggeber ein Nichtunternehmer, bestimmt sich der Leistungsort der jeweiligen Vermittlungsleistung nach § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG. Zu beachten gilt, dass die Vermittlung der kurzfristigen Vermietung nicht unter die Ortsvorschrift des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG fällt (Abschn. 3a.7 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStAE, s.u.).

1.9.3. Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 5 UStG

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 5 UStG (s.o.) erstreckt sich grundsätzlich auch auf steuerbare Vermittlungsleistungen für Reisebüros. Von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 5 UStG sind nach Satz 2 der Vorschrift alle Unternehmer ausgeschlossen, die Reiseleistungen für Reisende vermitteln (Abschn. 4.5.2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 UStAE). Die Befreiung kommt insbesondere für Vermittlungsleistungen in Betracht, bei denen die Reisebüros als Vermittler für die so genannten Leistungsträger, z.B. Beförderungsunternehmer, auftreten (s.a. Abschn. 4.5.2 Abs. 2 UStAE).

Zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Vermittlungsprovisionen an Reisebüros, insbesondere auch zur Vermittlung von Reisen, bei denen der Reiseveranstalter eigene Beförderungsmittel einsetzt, s. OFD Frankfurt vom 17.12.2004 (S 7156d A – 5 – St I 2.10, UR 2005, 402, LEXinform 0579068 sowie BMF vom 22.3.2000, BStBl I 2000, 458). Es liegen mindestens zwei nebeneinanderstehende Vermittlungsgeschäfte vor, nämlich die Vermittlung der Pauschalreise und die Vermittlung der Eigenleistung durch den Reiseveranstalter. Das gilt auch, wenn die vermittelten Leistungen in einer Summe angeboten werden und die Reisebüros für die Vermittlung dieser Leistungen eine einheitliche Provision erhalten. Für die Vermittlung der grenzüberschreitenden Beförderungen von Personen mit Flugzeugen und Seeschiffen kann die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b UStG in Betracht kommen.

Vermitteln Reisebüros für Reiseveranstalter gegen eine vom Reisepreis einheitlich berechnete Provision Reiseleistungen i.S.d. § 25 UStG, bei denen der Reiseveranstalter Eigenleistungen in Form von grenzüberschreitenden Personenbeförderungsleistungen mit Flugzeugen ausführt, wird zur Vermeidung von Härten nicht beanstandet, wenn die Beteiligten in diesen Fällen die Vermittlungsleistungen einvernehmlich zu 70 % als stpfl. behandeln.

Zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Umsätze aus Ferienhäusern bzw. -wohnungen s. OFD Magdeburg vom 26.4.2012 (S 7419 – 16 – St 245, UR 2012, 619; LEXinform 5234134). S.a. Abschn. 3a.7 Abs. 1 Satz 3 UStAE zum Ort der sonstigen Leistung bei der Vermittlung von Beherbergungsleistungen.

Beispiel 2:

Der in der Schweiz ansässige Eigentümer S eines in der Schweiz belegenen Ferienhauses beauftragt V mit Sitz im Inland, im Namen und für Rechnung des S Mieter für kurzfristige Ferienaufenthalte in seinem Ferienhaus in der Schweiz zu vermitteln. S.a. oben Beispiel 1.

Lösung 2:

V vermittelt eine kurzfristige Vermietungsleistung einer Ferienwohnung an einen Unternehmer. Da der Leistungsempfänger S ein Unternehmer ist, bestimmt sich der Ort der Vermittlungsleistung grundsätzlich nach § 3a Abs. 2 UStG. Die Vermittlung kurzfristiger Vermietungen von Grundstücken fällt nicht unter den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG (Abschn. 3a.7 Abs. 1 Satz 4 UStAE i.V.m. Abschn. 3a.3 Abs. 9 Nr. 2 UStAE). Die Vermittlungsleistung des V an S ist im Inland nicht steuerbar. § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. c UStG kommt für diese Vermittlungsleistung nicht in Betracht (s.a. Abschn. 4.5.2 Abs. 3 UStAE).

Die kurzfristige Vermietung des Ferienhauses durch S fällt nicht unter § 25 UStG, da S selbst tatsächlich am Ort der Ferienhäuser gegenüber dem Reisenden tätig wird. § 25 UStG gilt nicht, soweit der Unternehmer Reiseleistungen durch Einsatz eigener Mittel (Eigenleistungen) – z.B. eigene Beförderungsmittel, eigenes Hotel usw. – erbringt (Abschn. 25.1 Abs. 8 Satz 1 UStAE). Die kurzfristige Vermietungsleistung bestimmt sich unabhängig vom Status des Leistungsempfängers nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG nach dem Belegenheitsort des Grundstücks (Abschn. 3a.3 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 UStAE). Die Vermietungsleistung des S ist somit im Inland nicht steuerbar.

Beispiel 3:

Der in Deutschland ansässige Eigentümer S eines in der Schweiz belegenen Ferienhauses beauftragt V mit Sitz im Inland, im Namen und für Rechnung des S Mieter für kurzfristige Ferienaufenthalte in seinem Ferienhaus in der Schweiz zu vermitteln.

Lösung 3:

V vermittelt eine kurzfristige Vermietungsleistung einer Ferienwohnung an einen Unternehmer. Da der Leistungsempfänger S ein Unternehmer ist, bestimmt sich der Ort der Vermittlungsleistung nach § 3a Abs. 2 UStG. Die Vermittlung kurzfristiger Vermietungen von Grundstücken fällt nicht unter den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG (s.o.). Die Vermittlungsleistung des V an S ist im Inland ausgeführt. Die Vermittlungsleistung ist steuerbar und nach § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. c UStG steuerfrei.

Die kurzfristige Vermietung des Ferienhauses durch S fällt nicht unter § 25 UStG, da S selbst tatsächlich am Ort der Ferienhäuser gegenüber dem Reisenden tätig wird. § 25 UStG gilt nicht, soweit der Unternehmer Reiseleistungen durch Einsatz eigener Mittel (Eigenleistungen) – z.B. eigene Beförderungsmittel, eigenes Hotel usw. – erbringt (Abschn. 25.1 Abs. 8 Satz 1 UStAE). Die Vermietungsleistung bestimmt sich unabhängig vom Status des Leistungsempfängers nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG nach dem Belegenheitsort des Grundstücks. Die Vermietungsleistung des S ist somit im Inland nicht steuerbar.

Beispiel 4:

Der private Endverbraucher P beauftragt das im Inland ansässige Reisebüro V mit der Beschaffung einer Ferienwohnung in der Schweiz zur kurzfristigen Miete. V vermittelt diese Leistung im Namen und für Rechnung des P mit dem Eigentümer der Ferienwohnung S in der Schweiz.

Lösung 4:

V vermittelt eine kurzfristige Vermietungsleistung einer Ferienwohnung an einen Privatmann. Da der Leistungsempfänger ein Privatmann ist, bestimmt sich der Ort der Vermittlungsleistung grundsätzlich nach § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG. Hierunter fällt auch die Vermittlung der kurzfristigen Vermietungen von Grundstücken an Nichtunternehmer (Abschn. 3a.7 Abs. 1 Satz 2 und 3 UStAE). Die Vermittlungsleistung des V an P ist im Inland nicht steuerbar. Die Vermittlungsleistung wird an dem Ort erbracht, an dem der vermittelte Umsatz – S an P – als ausgeführt gilt.

Die kurzfristige Vermietung des Ferienhauses durch S fällt nicht unter § 25 UStG, da S selbst tatsächlich am Ort der Ferienhäuser gegenüber dem Reisenden tätig wird. § 25 UStG gilt nicht, soweit der Unternehmer Reiseleistungen durch Einsatz eigener Mittel (Eigenleistungen) – z.B. eigene Beförderungsmittel, eigenes Hotel usw. – erbringt (Abschn. 25.1 Abs. 8 Satz 1 UStAE). Die Vermietungsleistung bestimmt sich unabhängig vom Status des Leistungsempfängers nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG nach dem Belegenheitsort des Grundstücks. Die Vermietungsleistung des S ist somit im Inland nicht steuerbar.

Beispiel 5:

Das Reisebüro V aus Neustadt vermittelt der im Inland (Frankfurt) ansässigen Fluggesellschaft F eine Beförderung eines Fluggastes G von Frankfurt nach New York.

Lösung 5:

Die Beförderungsleistung der Fluggesellschaft F ist nach § 3b Abs. 1 Satz 2 UStG mit ihrem inländischen Teil steuerbar. Sie ist grundsätzlich stpfl., jedoch kann man typisierend davon ausgehen, dass die USt hierfür aufgrund des § 26 Abs. 3 Nr. 1 UStG nicht erhoben wird.

Der Ort der Vermittlungsleistung von V an F bestimmt sich gem. § 3a Abs. 2 UStG nach dem Leistungsempfängerort Frankfurt. Die Vermittlungsleistung ist insgesamt steuerbar. Sie ist nach § 4 Nr. 5 Buchst. b UStG steuerfrei.

1.9.4. Verkauf von Flugscheinen durch Reisebüros

Nach den in Abschn. 4.5.3 Abs. 1 Satz 1 UStAE geschilderten Sachverhalten kann grundsätzlich von einer Vermittlungsleistung des Reisebüros bzw. Tickethändlers (Consolidator) an das Luftfahrtunternehmen ausgegangen werden. Aus Vereinfachungsgründen kann der Verkauf von Einzeltickets für grenzüberschreitende Flüge (Linien- oder Charterflugschein) vom Reisebüro im Auftrag des Luftverkehrsunternehmens an die Kunden als steuerfreie Vermittlungsleistung nach § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b UStG behandelt werden (s.a. Abschn. 4.5.2 Abs. 1 UStAE). Gleiches gilt für die Umsätze des Consolidators, der in den Verkauf der Einzeltickets eingeschaltet worden ist. Die Vereinfachungsregelung findet ausschließlich Anwendung beim Verkauf von Einzelflugtickets durch Reisebüros und Tickethändler. Sobald diese ein »Paket« von Flugtickets erwerben und mit anderen Leistungen (z.B. Unterkunft und Verpflegung) zu einer Pauschalreise verbinden, handelt es sich um eine Reiseleistung, deren Umsatzbesteuerung sich nach § 25 UStG richtet (Abschn. 4.5.3 Abs. 2 UStAE).

Das BMF hat mit Schreiben vom 6.2.2014 (BStBl I 2014, 269) zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Vermittlung grenzüberschreitender Personenbeförderungsleistungen im Luftverkehr durch Reisebüros Stellung genommen und den UStAE (Abschn. 4.5.2 Abs. 6 und Abschn. 10.1 Abs. 9 Nr. 3) entsprechend angepasst.

Nach der Einführung des sog. Nullprovisionsmodells, das die bisherigen Vergütungsregelungen in den Agenturverträgen in der Regel ab dem 1.9.2004 ersetzte, haben die Reisebüros beim Verkauf von Flugscheinen keinen garantierten Provisionsanspruch mehr gegenüber dem Luftverkehrsunternehmen; z.T. ist eine Vermittlungstätigkeit für das Luftverkehrsunternehmen ausdrücklich ausgeschlossen. Zudem wurden Zusatzvereinbarungen zum 1.1.2013 durch Mustervereinbarungen dahingehend angepasst, dass durch das Luftverkehrsunternehmen gegenüber dem Reisebüro sog. Incentives (z.B. Reisebüro-Boni, Marketingzuschüsse o.Ä.) als Entgelt für besondere Vertriebsleistungen gewährt werden, wenn es die Erbringung von Leistungen des Luftverkehrsunternehmens in besonderem Maß fördert und bei Kundenberatungsgesprächen bevorzugt anbietet.

Nach den Regelungen im BMF-Schreiben vom 6.2.2014 (BStBl I 2014, 269) ist in jedem Einzelfall auf Basis der vertraglichen Vereinbarungen zu prüfen, welche Leistungen mit der Zahlung vergütet werden (Abschn. 4.5.2 Abs. 6 Satz 1 UStAE):

  1. Erhält ein Reisebüro aufgrund vertraglicher Vereinbarungen von einem Luftverkehrsunternehmen Zahlungen, so liegt einer solchen Entgeltzahlung regelmäßig eine im Rahmen eines Leistungsaustauschverhältnisses erbrachte Leistung des Reisebüros an das Luftverkehrsunternehmen zugrunde. Im Fall der seit 1.1.2013 gezahlten Incentives ist dies eine (Vertriebs-)Leistung eigener Art, die in der Bevorzugung des Luftverkehrsunternehmens gegenüber Mitbewerbern besteht und nicht nach § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchstabe b UStG steuerfrei ist (Abschn. 4.5.2 Abs. 6 Satz 2 UStAE).
  2. Liegt der Zahlung in anderen Fällen eine Vermittlungsleistung zugrunde, steht es der Anwendung der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b UStG nicht entgegen, wenn das sog. Nullprovisionsmodell vereinbart oder eine Vermittlungstätigkeit für das Luftverkehrsunternehmen anderweitig ausgeschlossen worden ist. Denn der Inhalt von schuldrechtlichen Vertragsbeziehungen ist durch Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen, bei der auch der Empfängerhorizont zu berücksichtigen ist, zu bestimmen (BFH Urteil vom 3.11.2011, V R 16/09, BStBl II 2012, 378). Daher kann allein die Bezeichnung einer Vereinbarung (hier: sog. Nullprovisionsmodell) oder der anderweitige vertragliche Ausschluss einer Vermittlungstätigkeit das Vorliegen einer Vermittlungsleistung an den Luftverkehrsunternehmer nicht generell ausschließen. Dafür, dass eine nach § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b UStG steuerfreie Vermittlungsleistung vorliegt, trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast.
  3. Erhält ein Reisebüro, das grenzüberschreitende Personenbeförderungsleistungen im Luftverkehr im Auftrag des Luftverkehrsunternehmens vermittelt, von diesem für den Flugscheinverkauf ein Entgelt, und erhebt es daneben einen zusätzlichen Betrag vom Reisenden (z.B. sog. Service-Fee), erbringt es beim Flugscheinverkauf eine nach § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b UStG steuerfreie Vermittlungsleistung an das Luftverkehrsunternehmen und gleichzeitig eine Vermittlungsleistung an den Reisenden (Abschn. 4.5.2 Abs. 6 Satz 3 und Abschn. 10.1 Abs. 9 UStAE).

Für vor dem 1.4.2014 erbrachte Dienstleistungen eines Reisebüros im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Personenbeförderungen im Luftverkehr wird es – auch für die Zwecke des Vorsteuerabzugs – nicht beanstandet, wenn Zahlungen der Luftverkehrsunternehmen ohne Prüfung im Einzelfall als Leistungsentgelte, als Entgelt von dritter Seite für die gegenüber dem Reisenden erbrachte Vermittlungsleistung oder in besonders gelagerten Ausnahmefällen als nicht steuerbarer Zuschuss behandelt werden.

1.10. Vermittlungsleistungen oder Eigengeschäft beim Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen

Es gelten die Anweisungen in Abschn. 3.7 Abs. 2 bis 4 UStAE. Zur Abgrenzung zwischen Vermittlungsleistungen und Eigengeschäften beim Verkauf von Gebrauchtwagen s. OFD Niedersachsen vom 1.9.2017 (S 7110 – 3 – St 171, DB 2017, 2200, LEXinform 5236396).

1.11. Vermittlung von Leistungen i.S.d. § 12 Nr. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG

Dem ermäßigten Steuersatz unterliegen u.a. die Umsätze von Ticket-Eigenhändlern aus dem Verkauf von Eintrittsberechtigungen. Auf Vermittlungsleistungen ist die Steuerermäßigung hingegen nicht anzuwenden (Abschn. 12.5 Abs. 4 Satz 3 und 4 UStAE; s.a. BFH Urteil vom 3.11.2011, V R 16/09, BStBl II 2012, 378).

Die Vermittlung von Eintrittskarten an Nichtunternehmer (Leistungsempfänger – B2C-Vermittlung) fällt nicht unter die Ortsregelung des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG (Abschn. 3a.6 Abs. 2 Satz 4 UStAE), sondern unterliegt der Ortsbestimmung des § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG (s.a. Abschn. 3a.6 Abs. 13 Satz 7 UStAE).

1.12. Vermittlungsleistungen bei der Abgabe von Hotelschecks

1.12.1. Anzahlungen für Vermittlungsleistungen

Der Stpfl. vertreibt für einen Betrag von 49,90 € sog. »Hotelschecks«. Er verpflichtet sich gegenüber den Erwerbern der »Hotelschecks«, ihnen die Buchung von drei kostenlosen Übernachtungen in einem der im Hotelkatalog des Stpfl. genannten über 2 500 Hotels unter den dort genannten Bedingungen zu ermöglichen. Der Kunde muss pro Kopf und Tag einen je nach Qualität des Hotels unterschiedlichen Betrag für Frühstück und Abendessen (zuzüglich Getränke) entrichten.

Das Hotelzimmer hat der Kunde beim Vertragshotel selbstständig zu buchen. Nach erfolgreicher Buchung muss er das Original des um den Namen des Hotels ergänzten »Hotelschecks« als Buchungsbestätigung an den Stpfl. zurücksenden, der den Scheck dann als Vermittler im Namen des Kunden dem Hotel übersendet.

Der Stpfl. ist der Auffassung, eine entgeltliche Leistung liege nicht vor, weil im Zeitpunkt der Ausgabe der »Hotelschecks« noch nicht feststehe, ob der Erwerber von dem Angebot Gebrauch mache und welches Hotel er wähle.

Mit Urteil vom 8.9.2011 (V R 42/10, BStBl II 2012, 248; s.a. Anmerkung vom 20.1.2012, LEXinform 0879210) hat der BFH entschieden, dass nach ständiger Rspr. dann ein Leistungsaustausch vorliegt, wenn zwischen einer Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarerer Zusammenhang besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem Rechtsverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet. Aufgrund der rechtsgeschäftlichen Verknüpfung zwischen der vom Stpfl. versprochenen Leistung und der Zahlung des jeweiligen Vertragspartners bejaht der BFH einen unmittelbaren Zusammenhang. Der Stpfl. tätigt Vermittlungsleistungen. Das von den Erwerbern der »Hotelschecks« bei deren Erwerb bezahlte Entgelt unterliegt als Anzahlung im Inland der USt.

1.12.2. Ortsvorschrift

Vermittlungsleistungen an Nichtunternehmer werden an dem Ort ausgeführt, an dem die zugrunde liegenden Umsätze ausgeführt werden (§ 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG). Unter diese Ortsregelung fällt auch die Vermittlung der kurzfristigen Vermietung von Zimmern in Hotels (Abschn. 3a.7 Abs. 1 Satz 2 und 3 UStAE). Die Vermittlungsleistungen gelten nach § 3a Abs. 1 UStG als am Sitz des Vermittlers ausgeführt. Somit unterliegen die Anzahlungen im Inland der USt.

Kommt es zum Abschluss eines Beherbergungsvertrages mit einem Hotel, das sich auf einem nicht im Inland belegenen Grundstück befindet, liegt für Vermittlungsumsätze eine im Inland steuerbare Vermittlungsleistung vor, da die Ortsregelung für die Vermittlung der kurzfristigen Vermietung von Zimmern in Hotels nicht nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG nach dem Belegenheitsort des Grundstücks bestimmt wird. Die Vermittlungsleistungen gelten nach § 3a Abs. 1 UStG als am Sitz des Vermittlers ausgeführt.

1.13. Leistungen von Spielervermittlern

1.13.1. Steuerentstehung bei ratenweise vergüteten Vermittlungsleistungen

Bei der Vermittlung von Profifußballspielern erhält der Spielervermittler Provisionszahlungen von den aufnehmenden Fußballvereinen. Der Vergütungsanspruch für die Vermittlung setzt dem Grunde nach voraus, dass der Spieler beim neuen Verein einen Arbeitsvertrag unterschreibt und die DFL-GmbH als Lizenzgeber dem Spieler eine Spielerlaubnis erteilt. Die Provisionszahlungen sind häufig in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrages zu leisten, wobei die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen Ratenansprüche unter der Bedingung des Fortbestehens des Arbeitsvertrages zwischen Verein und Spieler stehen.

Versteuert der Spielevermittler seine Umsätze nach § 16 Abs. 1 Satz 1 UStG (Sollbesteuerung), ist die USt auf die Summe der gesamten Ratenzahlungen anzumelden und abzuführen, nachdem die Vermittlungsleistung erbracht ist. Die gesamte USt ist somit unabhängig von der Entgeltvereinnahmung zu versteuern.

Der BFH zweifelt an der bislang uneingeschränkt angenommenen Pflicht zur Vorfinanzierung der USt durch den zur Sollbesteuerung verpflichteten Unternehmer und richtet mit Beschluss vom 21.6.2017 (V R 51/16, BFH/NV 2017, 1576, LEXinform 5020469) ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Auf seine Vorlage soll der EuGH insbes. entscheiden, ob der Stpfl.verpflichtet ist, die für die Leistung geschuldete Steuer für einen Zeitraum von zwei Jahren vorzufinanzieren, wenn er die Vergütung für seine Leistung (teilweise) erst zwei Jahre nach Entstehung des Steuertatbestands erhalten kann (BFH Pressemitteilung Nr. 59/2017 vom 20.9.2017, LEXinform 0447110).

In den Rz. 26 und 27 seines Urteils vom 29.11.2018 (C-548/17, UR 2019, 70, LEXinform 0651550) betont der EuGH neben Art. 63 auch die Relevanz von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL. Nach Art. 63 MwStSystRL treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Dienstleistung erbracht wird. Zum anderen gelten Dienstleistungen, wenn sie zu aufeinanderfolgenden Zahlungen Anlass geben, nach Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL als mit Ablauf des Zeitraums i.S.d. genannten Art. 63 MwStSystRL erbracht, auf den sich diese Zahlungen beziehen.

Aus Sicht des EuGH ist davon auszugehen ist, dass der Steuertatbestand und der Steueranspruch bezüglich einer Leistung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht zum Zeitpunkt der Vermittlung, sondern mit Ablauf des Zeitraums eintreten, auf den sich die vom Verein geleisteten Zahlungen beziehen (Anmerkung vom 29.11.2018, LEXinform 0401986).

Mit Urteil vom 26.6.2019 (V R 8/19, BFH/NV 2019, 1211, LEXinform 0952275) hat sich der BFH der Rechtsauffassung des EuGH im Vorabentscheidungsersuchen angeschlossen. Nach Auffassung des BFH ist die Sollbesteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG nicht unionsrechtskonform, sodass sich der Spielervermittler im vorliegenden Fall unmittelbar auf Art. 64 der MwStSystRL berufen kann.

Entsprechend war die Besteuerung für die im Streitjahr erbrachte Vermittlungsleistung nicht in diesem Veranlagungszeitraum, sondern erst im Veranlagungszeitraum der Vereinnahmung zu versteuern. Nach der Auffassung des BFH (V R 8/19, Rz. 19) setzt Art. 64 MwStSystRL keine wirtschaftlich teilbare Leistung voraus, sondern die Teilbarkeit des Entgelts würde genügen. Auch Vermittlungsleistungen, die sich nach der Leistungshandlung auf die Vermittlung des Eintritts eines bestimmten Ereignisses beschränken, fallen – wie der EuGH darlegt – unter Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL. Für die Anwendung dieser Bestimmung genügt, dass eine Vermittlungsleistung nach der Dauerhaftigkeit des vermittelten Erfolges (hier: Verbleib des Spielers beim aufnehmenden Verein über die vereinbarte Vertragslaufzeit) vergütet wird (s.a. Anmerkung vom 18.10.2019, LEXinform 0880499).

1.13.2. Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Spielervermittlern

Wie der BFH mit Urteil vom 28.8.2013 (XI R 4/11, BStBl II 2014, 282) entschieden hat, kann ein Profifußballverein die Vorsteuer aus Rechnungen von Spielervermittlern nur abziehen, wenn der Verein – und nicht ausschließlich der betreffende Spieler – Empfänger der Leistungen ist (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 70/13 vom 16.10.2013, LEXinform 0440792).

Der klagende Bundesligaverein begehrt den Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Spielervermittlern. Diesen hat das FA unter Hinweis auf den fehlenden Leistungsaustausch zwischen Spielervermittler und Verein versagt. Das FG Düsseldorf hat der dagegen gerichteten Klage des Vereins mit Urteil vom 29.10.2011 (1 K 4206/08 U, EFG 2011, 927, LEXinform 5011502) stattgegeben und dabei die Auffassung vertreten, dass die Spielervermittler durch die Beratung und Vermittlung bei Transfers bzw. Vertragsverlängerungen Vermittlungsleistungen gegenüber dem Verein erbracht haben.

Hingegen sieht der BFH gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Spielervermittler – zumindest auch – Leistungen an die jeweiligen Spieler erbracht haben. Soweit der Verein die Leistungen der Spielervermittler an die Spieler vergütet haben sollte, stünde ihm kein Vorsteuerabzug zu. Der BFH hat daher den Rechtsstreit an das FG Düsseldorf zurückverwiesen. Dieses wird im zweiten Rechtsgang insbesondere die zwischen Spielern und Spielervermittlern abgeschlossenen Managementverträge überprüfen (s.a. Pressemitteilung des FG Düsseldorf vom 28.10.2013, LEXinform 0440852 sowie Anmerkung vom 25.10.2013, LEXinform 0879381; Englisch, UR 12/2014, 461).

1.14. Bemessungsgrundlage bei Vermittlungsleistungen

Ist die steuerbare Vermittlungsleistung nicht nach § 4 UStG befreit, ist sie stpfl. Sie unterliegt nach § 12 Abs. 1 UStG dem Regelsteuersatz. Bei der Bemessungsgrundlage ist besonders zu beachten, dass nach § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG (Abschn. 10.4 UStAE) durchlaufende Posten nicht zum Entgelt gehören. Durchlaufende Posten in diesem Sinne liegen nach § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG dann vor, wenn der Vermittler Beträge im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt. Um keine durchlaufenden Posten handelt es sich demnach, wenn der Vermittler seinem Auftraggeber z.B. Reisekosten und sonstige Spesen berechnet, die bei ihm in eigener Person entstanden sind.

Beispiel 6:

Beispiel s. Kurz/Meissner, Finanz und Steuern, Band 2 (USt), 17. A., 190.

Handelsvertreter H in Stuttgart ist für den Maschinenfabrikanten M in Karlsruhe ständig damit betraut, im Namen von M Kaufverträge über die von M hergestellten Maschinen mit Kunden abzuschließen. Nach dem Handelsvertretervertrag steht H pro vermitteltem Vertrag eine Provision i.H.v. 20 % des Kaufpreises zu. Außerdem ist er berechtigt, M seine hierbei entstandenen Fahrtkosten mit dem Pkw i.H.v. 0,30 €/km sowie Bewirtungskosten in Rechnung zu stellen. Dementsprechend stellt H dem M anlässlich des Abschlusses eines Vertrages über die Lieferung einer Maschine an den Kunden S in Siegen folgende Rechnung aus:

Fahrtkosten 150 km à 0,30 €45,00 €
Bewirtungskosten lt. beigefügter Rechnung (netto)79,95 €
Gesamtbetrag (netto)124,95 €

Nach Ausführung des Liefergeschäfts erteilt M dem H folgende Gutschrift:

Provision für die Lieferung der Maschine an S 20 % des Kaufpreises netto (9 000 €)1 800,00 €
zzgl. Spesen laut ihrer Abrechnung124,95 €
Summe1 924,95 €
zzgl. USt 19 %365,74 €
Gesamtbetrag2 290,69 €

Lösung 6:

Die Vermittlungsleistung des H gegenüber M ist steuerbar und stpfl. Zur Bemessungsgrundlage gehören auch die vergüteten Spesen, da es sich insoweit nicht um durchlaufende Posten bei H handelt. Das Bruttoentgelt für die Vermittlungsleistung des H beträgt somit entsprechend der Gutschrift 2 290,69 €. Die USt beträgt, wie in der Gutschrift ausgewiesen, 365,74 €.

1.15. Preisnachlässe durch Verkaufsagenten

Der BFH hat mit Urteil vom 12.1.2006 (V R 3/04, BStBl II 2006, 479) entschieden, dass ein Verkaufsagent die Bemessungsgrundlage für seine Vermittlungsleistungen mindern kann, wenn er Preisnachlässe für die von ihm vermittelten Leistungen gewährt. Erstattet der erste Unternehmer in einer Leistungskette dem Endverbraucher einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers (an seinen Abnehmer der nächsten Stufe). Der erste Unternehmer hat deshalb den für seinen Umsatz geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (Abschn. 17.2 Abs. 10 Sätze 1 bis 7 UStAE).

Die vorgenannten Grundsätze finden keine Anwendung, wenn nicht ein an der Leistungskette beteiligter Unternehmer, sondern lediglich ein Vermittler dem Empfänger des von ihm vermittelten Umsatzes einen Teil des Preises für den vermittelten Umsatz vergütet. Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 16.1.2014 (C-300/12, BStBl II 2015, 317) entschieden, dass die Grundsätze, die der EuGH im Urteil vom 24.10.1996 (C-317/94, BStBl II 2004, 324), zur Bestimmung der Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer aufgestellt hat, nicht anzuwenden sind, wenn ein Reisebüro als Vermittler dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten einen Nachlass auf den Preis der vermittelten Leistung gewährt, die von dem Reiseveranstalter erbracht wird. Der BFH hat sich mit dem Folgeurteil vom 27.2.2014 (V R 18/11, BStBl II 2015, 306) dieser Rechtsauffassung unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (BFH Urteile vom 12.1.2006, V R 3/04, BStBl II 2006, 479, vom 13.7.2006, V R 46/05, BStBl II 2007, 186 sowie vom 13.3.2008, V R 70/06, BStBl II 2008, 997) angeschlossen. Danach kommt es nicht zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage, wenn ein Vermittler dem Empfänger des von ihm vermittelten Umsatzes einen Teil des Preises für den vermittelten Umsatz vergütet. Dementsprechend führt der Preisnachlass auch nicht zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Kunden (BFH-Urteil vom 3.7.2014, V R 3/12, BStBl II 2015, 307).

Mit Schreiben vom 27.2.2015 (BStBl I 2015, 232) nimmt das BMF zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Preisnachlässen durch Verkaufsagenten/Vermittler Stellung und bringt dabei die Verwaltungsregelung u.a. in Abschn. 17.2 Abs. 10 UStAE auf den Stand der geänderten BFH-Rechtsprechung (s. → Bemessungsgrundlage unter dem Gliederungspunkt »Kaufpreisminderung durch Verkaufsagenten«). S.a. die Beispiele 1 und 2 in Abschn. 10.3 Abs. 4 UStAE.

Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 27.2.2015 (BStBl I 2015, 232) sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn die Vermittler bzw. Verkaufsagenten für Preisnachlässe, die bis zur Veröffentlichung der o.g. BFH-Urteile im BStBl Teil II gewährt wurden, von einer Entgeltminderung ausgegangen sind. Bei der Berechnung der Umsatzsteuerminderung ist von dem Steuersatz auszugehen, der für den vermittelten Umsatz maßgeblich ist. Für Preisnachlässe, die ab dem Tag nach der Veröffentlichung – ab 27.2.2015 – gewährt werden, ist daher keine Minderung der Bemessungsgrundlage beim Vermittler bzw. Verkaufsagent vorzunehmen.

Beispiel 7:

vermittlungsleistung reiseveranstalter reisebuero kunde

Der Vermittler erhält 10 % des Reisepreises. Der Vermittler gewährt den Kunden einen Preisnachlass von 3 %.

Lösung 7:

Preisnachlass vor dem 27.2.2015

Die Bemessungsgrundlage der von dem Reisebüro an die Reiseveranstalter erbrachten Vermittlungsumsätze vermindert sich um die Beträge, die den Endverbrauchern (Reisekunden) von dem Reisebüro vergütet wurden. Der Vorsteuerabzug der Reiseveranstalter für die vom Reisebüro diesen in Rechnung gestellten Vermittlungsleistungen ändert sich dadurch nicht, auch wird die Rechnung durch die Änderung der Bemessungsgrundlage beim Reisebüro nicht unrichtig, so dass sie die USt etwa nach § 14c UStG schulden würden. Im Gesamtergebnis erhält der Fiskus damit die USt, die in dem vom Endverbraucher aufgewendeten Betrag enthalten ist.

Der Reiseveranstalter erteilt dem Kunden eine ungeminderte Rechnung:

Rechnungspreis netto1 000 €
zzgl. 19 % USt190 €
insgesamt1 190 €
Dem Reisebüro wird vereinbarungsgemäß eine Provisionsgutschrift i.H.d. ungeminderten Provision erteilt:100 €
zzgl. USt 19 %19 €
insgesamt119 €
Zahllast des Reiseveranstalters:
USt190 €
Vorsteuer./. 19 €
Zahllast171 €171,00 €
Zahllast des Reisebüros:
Der BFH hat im Urteil vom 12.1.2006 (V R 3/04, BStBl II 2006, 479) entschieden, dass ein von einem Vermittler an den Endabnehmer gewährter Preisnachlass die Bemessungsgrundlage des Umsatzes der Vermittlungsleistung entsprechend mindert.
Umsatz119,00 €
abzgl. Preisminderung 3 % von 1 190 €./. 35,70 €
Bemessungsgrundlage83,30 €
USt 19 % daraus./. 13,30 €13,30 €
Entgelt70,00 €
Fiskus184,30 €
Dies entspricht der USt, die in dem vom Kunden letztlich aufgewendeten Betrag enthalten ist.
Aufgewendeter Betrag des Reisekunden1 190,00 €
abzgl. 3 %./. 35,70 €
Differenz1 154,30 €
USt daraus (19 %)184,30 €

Preisnachlass ab 27.2.2015

Eine Minderung der Bemessungsgrundlage kommt nicht in Betracht, wenn nicht ein an der Leistungskette beteiligter Unternehmer, sondern lediglich ein Vermittler dem Kunden der von ihm vermittelten Leistung einen sog. Preisnachlass gewährt (BFH Urteil vom 27.2.2014, V R 18/11, BStBl II 2015, 306). Danach mindern beispielsweise Preisnachlässe, die dem Abnehmer von Reiseleistungen vom Reisebüro für eine vom Reisebüro lediglich vermittelte Reise gewährt werden, nicht die Bemessungsgrundlage des Umsatzes der vom Reisebüro dem Reiseveranstalter gegenüber erbrachten Vermittlungsleistung (Abschn. 17.2 Abs. 10 Sätze 8 ff. UStAE; Becker, NWB 29/2014, 2193). Da der vom Vermittler gewährte Preisnachlass nicht das Entgelt für die Leistung des Vermittlers an seinen Auftraggeber mindert, führt dieser auch nicht zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus der vermittelten Leistung beim (End-)Kunden (BFH Urteil vom 3.7.2014, V R 3/12, BStBl II 2015, 307; s.a. Anmerkung vom 27.2.2014, LEXinform 0401875).

Der Reiseveranstalter erteilt dem Kunden eine ungeminderte Rechnung:

Rechnungspreis netto1 000 €
zzgl. 19 % USt190 €
insgesamt1 190 €
Dem Reisebüro wird vereinbarungsgemäß eine Provisionsgutschrift i.H.d. ungeminderten Provision erteilt::100 €
zzgl. USt 19 %19 €
insgesamt119 €
Zahllast des Reiseveranstalters:
USt190 €
Vorsteuer./. 19 €
Zahllast171 €171,00 €
Zahllast des Reisebüros:
Der Preisnachlass darf die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für die Provision nicht mehr mindern, so dass der Vermittler die volle USt aus der Vermittlungsleistung an das FA abführen muss.
Umsatz119,00 €
USt 19 % daraus./. 19,00 €19,00 €
Entgelt100,00 €
Insgesamt fließen dem Fiskus 190 € zu, obwohl der Kunde weniger belastet ist.190,00 €
Aufgewendeter Betrag des Reisekunden1 190,00 €
abzgl. 3 %./. 35,70 €
Differenz1 154,30 €
USt daraus (19 %)184,30 €

Vergleich der alten mit der neuen Rechtslage:

AltregelungNeuregelung
NettoertragUmsatzsteuerNettoertragUmsatzsteuer
Provision100,00 €19,00 €100,00 €19,00 €
abzgl. Preisnachlass./. 30,00 €./. 5,70 €./. 35,70 €0,00 €
Ertrag70,00 €13,30 €64,30 €19,00 €

1.16. Abgabe von Gratis-Handys durch Vermittler von Mobilfunkverträgen.

Zur Abgabe von Startpaketen im Mobilfunkbereich s. die Erläuterungen unter → Telekommunikationsleistungen. Zu den umsatzsteuerlichen Leistungsbeziehungen bei Abgabe von Startpaketen im Mobilfunkbereich und bei Abgabe von Zahlkarten s. die Vfg. der OFD Niedersachsen vom 19.2.2016 (S 7100 – 407 – St 171, LEXinform 5235878 sowie das BMF-Schreiben – koordinierter Ländererlass – vom 3.12.2001, BStBl I 2001, 1010).

Beispiel 8:

vermittlungsleistung

Wählt der Kunde einen Tarif mit Handy für 0 €, muss er an den Mobilfunkanbieter dafür eine um 5 bis 10 € erhöhte Monatsgebühr zahlen.

Nach Vermittlung der Mobilfunkverträge erhält der Vermittler von den Mobilfunkanbietern Zahlungen. Die Höhe der Zahlungen ist davon abhängig, ob der Kunde einen Tarif mit oder ohne Handy gewählt hat. Bei einem Tarifabschluss mit Handy zahlt der jeweilige Mobilfunkanbieter an den Vermittler zusätzlich zu der Provision einen weiteren Betrag als »Gerätebonus«.

Die Handys hat der Vermittler im eigenen Namen erworben und insoweit den Vorsteuerabzug geltend gemacht.

Lösung 8:

Der Sachverhalt und die Lösung ergeben sich aus dem BFH-Urteil vom 16.10.2013 (XI R 39/12, BStBl II 2014, 1024; s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 81/2013 vom 27.11.2013, LEXinform 0440964 sowie das BMF-Schreiben vom 4.12.2014, BStBl I 2014, 1617 zur Anwendung des BFH-Urteils vom 16.10.2013 und zur Ergänzung des Abschn. 10.2 Abs. 5 UStAE).

Das FA war der Auffassung, dass es sich bei der Abgabe der vom Vermittler an die Kunden für 0 € abgegebenen Handys um unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG handele.

Dem folgten das FG und der BFH nicht, weil die Abgabe der Handys wegen des von den Mobilfunkanbietern dafür gezahlten Bonus nicht unentgeltlich sei. Aufgrund der über die reine Vermittlungsprovision hinaus geleisteten Zahlungen (Geräteboni) der Mobilfunkanbieter an den Vermittler handelt es sich um steuerbare entgeltliche Lieferungen des Vermittlers an die Kunden.

Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG). Der vom Mobilfunkanbieter an den Vermittler gezahlte Gerätebonus für die vom Vermittler an den Kunden erfolgte Handylieferung stellt nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG ein Entgelt eines Dritten dar (s.a. Abschn. 10.2 Abs. 5 Sätze 7 und 8 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 4.12.2014, BStBl I 2014, 1617).

Für diese Lieferung der Handys schuldet der Vermittler die USt nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Diese USt hat der Vermittler dadurch gezahlt, dass er die von den Mobilfunkanbietern erhaltenen Zahlungen – insgesamt, also auch soweit ein Gerätebonus gezahlt wurde – der USt unterworfen hat. Die Mobilfunkanbieter haben darüber mit Gutschrift abgerechnet.

Nimmt der leistende Unternehmer eine Gutschrift widerspruchslos entgegen, in der ein höherer als der gesetzlich geschuldete Steuerbetrag gesondert ausgewiesen worden ist, schuldet er auch den Mehrbetrag.

§ 14c Abs. 1 Satz 1 UStG ist auch anwendbar, wenn der ausgewiesene Steuerbetrag selbst nicht fehlerhaft ermittelt wurde, sondern im Zusammenhang mit einer unzutreffenden Bemessungsgrundlage steht, z.B. weil in einer Gutschrift unzutreffend ein Entgelt von dritter Seite i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG einbezogen wurde (BFH Urteil vom 16.10.2013, XI R 39/12, BStBl II 2014, 1024, Rz. 60).

Soweit in den Gutschriften der Mobilfunkanbieter – neben den Provisionen – auch die Geräteboni erfasst und auch insoweit USt gesondert ausgewiesen wurde, handelt es sich um einen unzulässigen Steuerausweis i.S.d. § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG. Solche von den Mobilfunkanbietern erteilten Gutschriften begründen abstrakt die Gefahr, von den Mobilfunkanbietern zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht zu werden; denn den Mobilfunkanbietern steht insoweit kein Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu, weil sie nicht Leistungsempfänger sind. Es kommt insofern – bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG – ausschließlich ein Vorsteuerabzug der Kunden als Leistungsempfänger des Vermittlers in Betracht (s.a. Eilers u.a., UR 2013, 933).

1.17. Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Einzweckguthabenkarten in der Telekommunikation

Mit Urteil vom 3.5.2012 (C–520/10, BStBl II 2012, 755) hat der EuGH entschieden, dass ein Telefonanbieter, der Telekommunikationsdienstleistungen anbietet, die darin bestehen, dass an einen Vertriebshändler Telefonkarten verkauft werden, die alle notwendigen Informationen zur Tätigung internationaler Anrufe über die von diesem Anbieter zur Verfügung gestellte Infrastruktur enthalten und die vom Vertriebshändler im eigenen Namen und für eigene Rechnung entweder unmittelbar oder über andere Stpfl. wie Groß- und Einzelhändler an Endnutzer weiterverkauft werden, eine entgeltliche Telekommunikationsdienstleistung an den Vertriebshändler erbringt (→ Telekommunikationsleistungen). Dagegen erbringt der betreffende Anbieter keine zweite entgeltliche Dienstleistung an den Endnutzer, wenn dieser, nachdem er die Telefonkarte erworben hat, von dem Recht Gebrauch macht, mit Hilfe der Informationen auf der Karte Anrufe zu tätigen (s.a. Abschn. 3a.10 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 UStAE).

Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung nicht mit der Abgrenzung zwischen der Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen und ihrer bloßen Vermittlung auseinandergesetzt. Die Verwaltung nimmt das EuGH-Urteil vom 3.5.2012 (C–520/10, BStBl II 2012, 755) zum Anlass, zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Einzweckguthabenkarten in der Telekommunikation Stellung zu nehmen (BMF – koordinierter Ländererlass – vom 24.9.2012, BStBl I 2012, 947).

Bei der entgeltlichen Abgabe von Telefonkarten,

  • mit denen es dem Abnehmer ermöglicht wird, Anrufe über die zur Verfügung gestellte Infrastruktur zu tätigen,
  • bei denen die Verwendung des Guthabens für andere Leistungen technisch ausgeschlossen ist und
  • die alle zur Tätigung der Anrufe notwendigen Informationen enthalten,

handelt es sich um die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen. Diese Leistungen werden bereits mit der Abgabe der Telefonkarten ausgeführt; wann das Guthaben tatsächlich für Telefongespräche in Anspruch genommen wird, ist unerheblich. Es liegt keine Lieferung vor, da das wirtschaftliche Interesse des Kartenerwerbers nicht auf das Erlangen der Verfügungsmacht an der Karte gerichtet ist, sondern darauf, mithilfe der auf der Karte befindlichen Information Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

Werden ein oder mehrere Händler in den Vertrieb der Telefonkarten eingeschaltet, ist auf jeder Handelsstufe zu ermitteln, ob eine Telekommunikationsdienstleistung oder eine Vermittlungsleistung vorliegt. Sofern der Händler im eigenen Namen auftritt, erbringt er an seinen Abnehmer eine Telekommunikationsdienstleistung. Wenn er dabei für fremde Rechnung tätig wird, gilt die Telekommunikationsdienstleistung nach § 3 Abs. 11 UStG als an ihn und von ihm erbracht. Agiert der Händler im fremden Namen und für fremde Rechnung, erbringt er eine Vermittlungsleistung. Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Einzweck-Gutscheine i.S.d. § 3 Abs. 14 UStG s. → Warengutscheine unter dem Gliederungspunkt »Leistungsausführung bei der Übertragung von Einzweck-Gutscheinen«.

Das FG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 15.1.2015 (5 K 5381/13, EFG 2016, 684, LEXinform 5018952, Revision eingelegt, Az. BFH: V R 4/16, LEXinform 0950744) entschieden, dass mit dem Verkauf sog. Calling-Karten (Telefonkarten) jedenfalls dann keine Telekommunikationsleistungen, sondern lediglich Vermittlungsleistungen für Leistungen der Plattformbetreiber erbracht werden, wenn die Erwerber der Karten unter keinem Gesichtspunkt davon ausgehen können, dass der Verkäufer die Telekommunikationsleistungen selbst erbringen wird (s.a. das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 19.10.2009, 9 K 447/06, EFG 2010, 519, LEXinform 5009465, rkr.). Mit Urteil vom 10.8.2016 (V R 4/16, BStBl II 2017, 135) hob der BFH die Vorentscheidung des FG Berlin-Brandenburg auf und hat entschieden, dass derjenige Unternehmer, der auf eigene Rechnung Telefonkarten erwirbt und diese an seine Kunden veräußert, auch dann selbst eine Telekommunikationsleistung ausführen kann, wenn er nach seinen AGB lediglich als Vermittler auftreten will. Durch den Erwerb der Telefonkarten auf eigene Rechnung und dem Verkauf an die Kunden im fremden Namen wird der Händler im fremden Namen ohne Vertretungsmacht tätig, so dass zivilrechtlich ein Eigengeschäft nach §§ 177, 179 BGB vorliegt. Umsatzsteuerrechtlich führt dies zu einer Leistung durch den vollmachtlosen Vertreter.

Rechtsfehlerhaft – so der BFH – ist überdies die Annahme des FG, die Kunden des Verkäufers der Karten könnten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt davon ausgehen, dass der Verkäufer die Telekommunikationsdienstleistungen selbst erbringen würde. Dafür fehlt jegliche Grundlage. Auch wenn der Verkäufer aus Sicht der Kunden nicht in der Lage war, die technische Übertragungsleistung zu erbringen, können Telefonkarten im einzelnen Fall durchaus wie eine Ware gehandelt werden. Der Begriff der Telekommunikationsleistung als Dienstleistung ist weit auszulegen. Darunter sind gem. Art. 24 Abs. 2 MwStSystRL nicht nur die Übertragung von Signalen, sondern auch alle Leistungen zu verstehen, durch die eine solche Übertragung ermöglicht wird. Dies ist vorliegend der Fall, weil der Verkäufer durch den Weiterverkauf von Telefonkarten dem Kunden ein (verbilligtes) Telefonieren im Netz des jeweiligen Anbieters ermöglicht. Die technische Möglichkeit zur Erbringung der Telefonleistung ist nach dem weiten Begriff der Telekommunikationsdienstleistung keine Voraussetzung für ein Eigengeschäft.

1.18. Fälle zu den Vermittlungsleistungen

Beispiel 9:

Handelsvertreter H mit Sitz in Zürich vermittelt im Namen und für Rechnung der Fa. F mit Sitz in Stuttgart den Verkauf einer Maschine an den Abnehmer A mit Sitz in Zürich. Die Maschine wird von F von Stuttgart zu A nach Zürich befördert. F verwendet gegenüber H keine USt-IdNr.

Lösung 9:

Da Leistungsempfänger der Vermittlungsleistung ein Unternehmer ist (Fa. F aus Stuttgart) und die Firma F die Vermittlungsleistung auch für ihr Unternehmen bezogen hat, bestimmt sich der Ort der Vermittlungsleistung nicht nach § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG, sondern nach der Grundregel des § 3a Abs. 2 UStG. Danach wird die Vermittlungsleistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt (Empfängersitzprinzip). Der Ort befindet sich in Stuttgart.

Da H eine steuerfreie Ausfuhrlieferung vermittelt hat, ist seine Vermittlungsleistung steuerfrei nach § 4 Nr. 5 Buchst. a UStG.

Beispiel 10:

Handelsvertreter H mit Sitz in Zürich vermittelt im Namen und für Rechnung der Fa. X (Sitz Stuttgart) den Verkauf einer Maschine an den Abnehmer F (Sitz Zürich/Schweiz). Die Maschine wird von X von einem Auslieferungslager in Zürich aus zu F befördert.

  1. X verwendet gegenüber H seine deutsche USt-IdNr bzw.
  2. X verwendet gegenüber H keine USt-IdNr.

Lösung 10:

Da Leistungsempfänger der Vermittlungsleistung ein Unternehmer ist (Fa. X aus Stuttgart) und die Firma X die Vermittlungsleistung auch für ihr Unternehmen bezogen hat, bestimmt sich der Ort der Vermittlungsleistung nicht nach § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG, sondern nach der Grundregel des § 3a Abs. 2 UStG. Danach wird die Vermittlungsleistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt (Empfängersitzprinzip). Der Ort befindet sich in Stuttgart.

Da der vermittelte Umsatz ausschließlich im Drittlandsgebiet Schweiz bewirkt wird, ist der Umsatz in Deutschland nach § 4 Nr. 5 Buchst. c UStG steuerfrei.

Beispiel 11:

Handelsvertreter H mit Sitz in Stuttgart vermittelt am 6.4.03 im Auftrag der Fa. X den Verkauf einer Maschine zwischen der Fa. X in Stuttgart und der Fa. Y mit Sitz in Lyon.

Die Maschine wird am 10.4.03 mit Firmen-Lkw von Stuttgart nach Lyon transportiert. Die Fa. X hat die vermittelte Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei gem. § 6a UStG behandelt.

Lösung 11:

Da Leistungsempfänger der Vermittlungsleistung ein Unternehmer ist (Fa. X aus Stuttgart) und die Firma X die Vermittlungsleistung auch für ihr Unternehmen bezogen hat, bestimmt sich der Ort der Vermittlungsleistung nicht nach § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG, sondern nach der Grundregel des § 3a Abs. 2 UStG. Danach wird die Vermittlungsleistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt (Empfängersitzprinzip). Der Ort befindet sich in Stuttgart. Da die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 5 UStG nicht greift, ist die Vermittlungsleistung auch stpfl.

2. Ertragsteuerrechtliche Behandlung

Bei der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich wird die Gewinnneutralität sog. durchlaufender Posten durch Aktivierung und Passivierung gleich hoher Wertzu- und Wertabgänge erreicht. Dies gilt jedoch nur in den Fällen, in denen die vereinnahmten Geldbeträge zunächst in das Eigentum des Stpfl. fallen und nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Weiterleitung besteht. Steht das Eigentum hieran anderen Personen zu, sind die Geldbeträge in der Gewinnermittlung nicht auszuweisen, denn dem Betriebsvermögen können nur im (wirtschaftlichen) Eigentum des Unternehmers stehende WG zugerechnet werden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 242 Abs. 1 HGB). Der Erhalt von in fremdem Eigentum stehenden Geldbeträgen ist nicht als Betriebseinnahme, die Weiterleitung der Beträge an den Eigentümer nicht als Betriebsausgabe zu erfassen.

Verwendet der Stpfl. in fremdem Eigentum stehende Geldbeträge (abredewidrig) zunächst für sich und nimmt er sodann ein Darlehen auf, mit dem er den Geldbetrag ersetzt, entnimmt er weder Betriebseinnahmen noch finanziert er Betriebsausgaben. Ob der Stpfl. die Schuldzinsen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abziehen kann, richtet sich danach, für welche Zwecke er die Fremdmittel verwendet hat. Hat er hiermit Betriebsausgaben finanziert, also etwa Wareneingangsrechnungen für sein Unternehmen beglichen, sind die Schuldzinsen betrieblich veranlasst und daher als Betriebsausgaben zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 4 EStG). Hat er das Geld jedoch zu privaten Zwecken verbraucht, sind sie nicht abziehbar (BFH Urteil vom 4.11.2004, III R 5/03, BStBl II 2005, 277).

Zur Bilanzierung von Provisionsvorauszahlungen und damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen hat der BFH mit Urteil vom 26.4.2018 (III R 5/16, BFH/NV 2018, 999, LEXinform 0950750) Stellung genommen.

Provisionsansprüche des Handelsvertreters entstehen – wenn keine abweichende Vereinbarung (§ 87a Abs. 1 Satz 2 HGB) getroffen wurde – gem. § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB erst dann, wenn der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. Soweit der Handelsvertreter Provisionen schon vor der Ausführung der Leistung, z.B. einer Reise, erhalten hat, stehen diese Provisionen unter einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB), z.B. der Ausführung der Reise, und sind mithin stornobehaftet. Es liegen insoweit Provisionsvorschüsse im Rahmen eines schwebenden Geschäfts vor. Zwar hat der Vermittler (z.B. das Reisebüro) zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Provisionsvorschüsse erhielt, seine Leistungspflichten hinsichtlich der zugrundeliegenden Vermittlungsgeschäfte erfüllt. Die Entstehung des Provisionsanspruchs knüpft aber gem. § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB an die Vollendung des Leistungserfolgs durch Ausführung der Reise an. Diese war im Zeitpunkt der Zahlung der Provisionsvorschüsse noch nicht eingetreten. Daher ist es gerechtfertigt, auch hier von Vorleistungen in Gestalt von Provisionsvorschüssen zu sprechen.

Soweit die Zahlungen daher als Provisionsvorschüsse zu werten sind, fehlt es an einer Gewinnrealisierung. Denn erst durch die Ausführung der Reise (Bedingungseintritt) wird der Gewinn durch die Entstehung des Provisionsanspruchs realisiert. Solange der Provisionsanspruch noch der aufschiebenden Bedingung unterliegt, kann er nicht aktiviert werden.

Die Provisionsvorschüsse sind als »erhaltene Anzahlungen« nach § 266 Abs. 3 C.3. HGB zu passivieren; darin kommt die Verpflichtung zum Ausdruck, die Beträge bei Nichtausführung der Reise zurückzahlen zu müssen.

Aufwendungen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Provisionsvorschüssen stehen, sind nicht als »unfertige Leistung« zu aktivieren, wenn kein Wirtschaftsgut entstanden ist (s.a. Anmerkung vom 24.7.2018, LEXinform 0949800).

3. Literaturhinweise

Völkel u.a., ABC-Führer Umsatzsteuer (Loseblatt); Rebe, Das Recht der Handelsvertreter, NWB Fach 18, 837; Eilers u.a., Umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Zugabe von Mobiltelefonen beim Abschluss eines Mobilfunkvertrages, UR 2013, 933; Becker, Vermittlungsleistung und Preisnachlass, NWB 29/2014, 2193; Englisch, Vorsteuerabzug für Leistungen von Spielervermittlern, UR 12/2014, 461.

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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Aktien lösen als WG im deutschen Steuerrecht unterschiedliche Folgen aus. Dies hängt mit ihrer Eigenschaft als Betriebsvermögen oder als Privatvermögen zusammen.

1. Bedeutung der Aktien im Steuerrecht

1.1. Übersicht

Im ersten Fall können sie Beteiligungen darstellen, sind jedenfalls aktivierungspflichtige WG in der Bilanz des Unternehmens. Der Bereich der im Betriebsvermögen gehaltenen Aktien wird unter diesem Stichwort nicht näher behandelt; s.a. → Beteiligung an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen und → Kapitalgesellschaften (KapG). Nachfolgend wird lediglich auf im Privatvermögen gehaltene Aktien eingegangen. Durch die zum VZ 2009 in Kraft getretene Abgeltungsteuer, die auch die Einkünfte aus Gewinnausschüttungen im Zusammenhang mit Aktien und dem Verkauf der Wertpapiere selbst erfasst, wurde die Besteuerung von im Privatvermögen gehaltenen Aktien grundlegend geändert.

Relevant sind Aktien auch im Zusammenhang mit der Erfassung als Arbeitslohn bei der Ausgabe an Mitarbeiter.

1.2. Die verschiedenen Aktien, vor allem unter Anschaffungsaspekten

Herkömmlich werden Aktien unterschieden

  1. nach der Art, wie das Grundkapital der AG aufgeteilt wird, d.h. in Nennbetrags- und Stückaktien oder
  2. nach ihrer Form zwischen Inhaber- und Namensaktien und
  3. nach den damit verbrieften Rechten zwischen Stamm- und Vorzugsaktien.

Zu 1: Nennbetragsaktien lauten auf einen ziffernmäßig genau festgelegten Betrag (z.B. 50 €), während bei einer ausgegebenen Stückaktie jede einzelne Aktie den gleichen Anteil am Grundkapital repräsentiert.

Zu 2: Bei einer Inhaberaktie ist der rechtmäßig legitimierte Eigentümer der Urkunde auch der Anteilsberechtigte an der AG, während dies bei der Namensaktie nur die namentlich (mit einem bestimmten Betrag) bezeichnete Person ist. Bei einer vinkulierten Namensaktie ist die Übertragung der Aktie von der Zustimmung der Hauptversammlung abhängig.

Zu 3: Der reguläre Fall, die Stammaktie, gewährt dem Inhaber ein Stimm- und Dividendenbezugsrecht, während die Vorzugsaktie aufgrund einer privilegierten Berechtigung (z.B. Vorbesitz) erworben wird und meist ohne Stimmrecht ausgestattet ist.

Unter dem speziellen Gesichtspunkt der Anschaffung sind im BMF-Schreiben vom 25.10.2004, BStBl I 2004, 1034, die verschiedenen Erwerbsmodalitäten (Wandel-, Options-, Umtausch- und Aktienanleihen) erläutert und im Hinblick auf § 23 EStG a.F. (Veräußerung von Aktien binnen einen Jahres nach Kauf als privates Veräußerungsgeschäft bis zum VZ 2008) dargestellt worden.

Außerdem werden auch die verschiedenen Erwerbs-(Abfindungs-)modalitäten von Anteilsrechten anlässlich gesellschaftsrechtlicher Vorgänge (Umwandlung, Kapitalerhöhung und Liquidation) im Hinblick auf spätere (private) Veräußerungen dargestellt.

Als weitere innovative Form der Kapitalanlage werden im Gesellschaftsrecht die »Tracking Stocks« Spartenaktien) diskutiert. Danach erhält der einzelne Aktionär zwar eine Beteiligung an der Gesamtgesellschaft, ist wirtschaftlich – qua eingeschränktem Dividendenbezug – aber nur an einem Teilbereich der AG beteiligt. Ein Beispiel dafür ist die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Die an der Börse gehandelten A-Aktien repräsentieren lediglich den Hafenumschlagbetrieb, die S-Aktien die Immobilien. Alleiniger Inhaber der S-Aktien ist die Stadt Hamburg. Trotz bilanzrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Bedenken ist eine getrennte Gewinnbezugsberechtigung steuerrechtlich vorstellbar, wenn man dem Grunde nach eine inkongruente Gewinnausschüttung zulässt.

Während die inkongruente → Gewinnausschüttung (der Dividendenbezug mehrerer GmbH-Gesellschafter weicht von dem konkreten GmbH-Geschäftsanteil ab) von der Rspr. toleriert wird (BFH Urteil vom 19.8.1999, BStBl II 2001, 43), soll nach Auffassung der Finanzverwaltung eine zweistufige Prüfung stattfinden (BMF vom 17.12.2013, BStBl I 2014, 63; vgl. zuvor den Nichtanwendungserlass vom 7.12.2000, BStBl I 2001, 47, krit. zum alten Nichtanwendungserlass: FG Hessen Urteil vom 25.2.2008, NZG 2009, 320; FG Baden-Württemberg Urteil vom 7.5.2008, EFG 2008, 1206, rkr. nach Revisionsrücknahme durch FA; BFH Beschluss vom 27.5.2010, BFH/NV 2010, 1865). Nach dem BMF-Schreiben vom 17.12.2013 (BStBl I 2014, 63) soll es in einem ersten Schritt nunmehr auf die zivilrechtliche Zulässigkeit der abweichenden Gewinnverteilung ankommen. Bei der GmbH ist z.B. maßgebend, ob gem. § 29 Abs. 2 Satz 3 GmbHG (bei der AG: § 60 Abs. 3 AktG) ein abweichender Gewinnverteilungsschlüssel im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist. Anschließend darf nach den Grundsätzen des § 42 AO keine rechtsmissbräuchliche Gestaltung vorliegen (vgl. zu den Ausnahmen § 42 Abs. 2 Satz 2 AO!).

M.E. sind die Gründe, die möglicherweise gegen eine inkongruente → Gewinnausschüttung wegen des Missverhältnisses zwischen Gesellschaftsanteil und Dividendenanteil sprechen, nicht auf die vorliegende Thematik übertragbar. Von daher spricht aus ESt-Sicht nichts gegen diese Beteiligungsform.

Hinweis:

Die inkongruente Gewinnausschüttung ist nach dem BFH-Beschluss vom 4.5.2012 (BFH/NV 2012, 1330) auch dann steuerlich anzuerkennen, wenn sie der Nutzung von Verlustvorträgen dient.

2. Einkünfte aus Aktien nach § 20 EStG

2.1. Die Besteuerung von Dividenden (ab VZ 2009) – Die Abgeltungsteuer

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) gilt seit dem 1.1.2009 Folgendes: Die zuvor unterschiedlichen Steuersätze für private Kapitalerträge, die dem Gläubiger nach dem 31.12.2008 zufließen (§ 52a Abs. 1 EStG), werden durch einen einheitlichen Steuersatz von 25 % ersetzt (§ 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).

Gem. § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG beträgt der einheitliche Steuersatz für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht § 20 Abs. 8 EStG unterfallen, 25 %. Damit werden Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG im Grundsatz von der Abgeltungsteuer erfasst und mit einem einheitlichen Steuersatz von 25 % besteuert. Der Hinweis auf die Subsidiaritätsregel des § 20 Abs. 8 EStG macht deutlich, dass Gewinneinkünfte und Einkünfte aus V+V nicht der Abgeltungsteuer unterfallen.

Unterliegen die Kapitaleinkünfte auch der Kirchensteuer, ermäßigt sich die ESt um 25 % der Kirchensteuer (§ 32d Abs. 1 Satz 3 EStG). Anrechenbare ausländische Steuern werden auf die Abgeltungsteuer angerechnet (§ 32d Abs. 1 Satz 2 EStG). Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG unterliegen gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Kapitalertragsteuer, die 25 % beträgt (§ 43a Abs. 1 Satz 1 EStG) zzgl. 5,5 % SolZ, so dass eine effektive Belastung von 26,38 % entsteht. Die Kapitalertragsteuer hat gem. § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG abgeltende Wirkung. Mit dem Einbehalt der Kapitalertragsteuer ist daher im Regelfall die Besteuerung durchgeführt. Sofern keine Kirchensteuer einbehalten wurde, sind die Kapitalerträge i.R.d. Veranlagung anzugeben (Wahlrecht des Steuerpflichtigen zum Einbehalt i.R.d. Abgeltungsteuer oder im Veranlagungsverfahren, vgl. § 51a Abs. 2b, c und d EStG).

Beispiel 1:

Der unbeschränkt steuerpflichtige A ist römisch-katholisch und hat Brutto-Dividendeneinkünfte aus Streubesitz (

Lösung 1:

Die Steuer ermittelt sich wie folgt:

Ertragsteuern
Dividenden10 000 €
ESt/Kapitalertragsteuer vor Kirchensteuer25 %2 500 €
Einkommensteuerermäßigung wegen Kirchensteuer25 %./. 55 €
ESt/Kapitalertragsteuer nach Kirchensteuer2 445 €
Kirchensteuer9 %220 €
SolZ5,5 %135 €
Steuern insgesamt2 800 €
anrechenbare ausländische Steuern1 000 €
Gesamtsteuerbelastung1 800 €
Netto-Ertrag nach inländischer Besteuerung8 200 €

Zur Anwendung der gesetzlichen Regelungen der Abgeltungsteuer hat das BMF in seinen Schreiben vom 22.12.2009 (BStBl I 2010, 94) und vom 20.12.2012 (BStBl I 2013, 36; vgl. früher BMF vom 16.11.2010, BStBl I 2010, 1305) ausführlich Stellung genommen.

2.2. Aufwendungen des Aktionärs

Seit der Einführung der Abgeltungsteuer ist zwischen im Privat- und im Betriebsvermögen gehaltenen Aktien zu unterscheiden. Im PV greift das WK-Abzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG, im BV sind im Zusammenhang mit den Aktien anfallende Aufwendungen (vorbehaltlich des Vorliegens von [nachträglichen] Anschaffungskosten) gem. §§ 20 Abs. 8 EStG i.V.m. der vorliegenden Einkunftsart weiterhin (ggf. eingeschränkt im Rahmen des TEV) abzugsfähig.

2.2.1. Werbungskosten bei im Privatvermögen gehaltenen Aktien

So phantasiereich die einzelnen Kapitalanlagen selbst ausgestaltet sind, so zahlreich waren – ihrer Erscheinung nach – auch die WK gem. §§ 9, 20 EStG bis einschließlich VZ 2008. Durch die Einführung der Abgeltungsteuer und den neuen § 20 Abs. 9 EStG ist die Geltendmachung der tatsächlichen WK über den sog. Sparer-Pauschbetrag (801 €; 1 602 € bei zusammenveranlagten Ehegatten) hinaus ausgeschlossen. Der Sparer-Pauschbetrag ist auch i.R.d. Abgeltungsteuer abzugsfähig. Damit soll im Wege einer Typisierung in den unteren Einkommensgruppen ein (pauschalierter) WK-Abzug möglich sein. Im Ergebnis wird damit erreicht, dass die Abgeltungsteuer und der auf den Sparer-Pauschbetrag begrenzte WK-Abzug im Wesentlichen auf private Kapitaleinkünfte beschränkt bleiben. Ein weiterer WK-Abzug ist nicht mehr möglich, sondern vielmehr kraft Gesetzes ausgeschlossen.

Der Sparer-Pauschbetrag erfasst Zinsen und Dividenden in voller Höhe sowie Gewinne aus der Veräußerung und Einlösung von Kapitalanlagen und aus Termingeschäften (§ 20 Abs. 2 EStG n.F.). Ein nicht ausgenutzter Sparer-Pauschbetrag des einen Ehegatten geht auf den anderen Ehegatten über (§ 20 Abs. 9 Satz 3 EStG). Kann ein Sparer-Pauschbetrag im Kapitalertragsteuerabzugsverfahren nicht vollständig ausgeschöpft werden, so wird dem Steuerpflichtigen gem. § 32d Abs. 4 EStG n.F. ein Wahlrecht eingeräumt, die Kapitaleinkünfte bei seiner Veranlagung geltend zu machen. Der Sparer-Pauschbetrag wird sowohl beschränkt als auch unbeschränkt Steuerpflichtigen gewährt. Bei beschränkter Steuerpflicht kann jedoch jeder Ehegatte nur seinen eigenen Sparer-Pauschbetrag bei der Ermittlung der Einkünfte berücksichtigen, da nach wie vor eine Zusammenveranlagung bei beschränkter Steuerpflicht nicht möglich ist.

Eine Zusammenveranlagung und somit die gemeinsame »Nutzung« des Sparer-Pauschbetrages ist wortlautgemäß nur bei Ehegatten möglich. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 7.5.2013 (NJW 2013, 2257) entschieden, dass eingetragene Lebenspartnerschaften unter den gleichen Voraussetzungen wie Ehegatten eine Zusammenveranlagung (→ Veranlagung) beantragen und die damit verbundenen Steuervorteile nutzen können. Eine Gleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnerschaften ist demnach mit Wirkung ab dem 1.8.2011 bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung für alle offenen Fälle geboten.

2.2.1.1. Ausnahmen

Das vom Gesetzgeber in § 20 Abs. 9 EStG normierte Werbungskostenabzugsverbot greift nicht in folgenden Fällen

  • Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG können zunächst gem. § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG die Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, abgezogen werden. Der Hauptanwendungsfall hiervon sind Transaktionskosten.
  • In den Fällen des § 20 Abs. 8 EStG (Subsidiaritätsklausel), wenn die Kapitalerträge anderen Einkunftsarten zuzuordnen sind; sofern es sich um im Betriebsvermögen gehaltene Anteile handelt und das TEV anzuwenden ist, werden konform mit der Systematik des alten Rechts 60 % der WK zum Abzug zugelassen
  • In den Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 und 3 EStG (Ausnahmen von der Abgeltungsteuer).
  • Bei Aufwendungen, die auf der Ebene von Investmentfonds anfallen (§ 3 Abs. 3 InvStG).

Im Rahmen der Überprüfung des Steuereinbehaltes (§ 32d Abs. 4 EStG) oder der Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG) ist eine Geltendmachung der Werbungskosten hingegen ebenfalls nicht möglich.

Hinweis:

Die Beschränkung der WK auf den Sparer-Pauschbetrag ohne zumindest eine Wahlmöglichkeit der Geltendmachung der tatsächlichen WK hat die verfassungsrechtliche Diskussion um § 20 EStG neu entfacht – insbesondere die niedrige Höhe des Sparer-Pauschbetrages, die nach Ansicht der Literatur nicht die vom BVerfG gestellte Voraussetzung für eine Pauschalierung (hier von Werbungkosten) eines typischen, realitätsgerechten Falles als Maßstab erfüllt und so zu einem Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG führen kann. Gleichermaßen werden Bedenken gegen die Neuregelung im Hinblick auf das grundsätzlich anerkannte objektive Nettoprinzip und das Gebot der Folgerichtigkeit erhoben. In der Zwischenzeit hat das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 17.12.2012 (EFG 2013, 1041) entschieden, das Werbungskostenabzugsverbot sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ein Abzug der Werbungskosten jedenfalls dann nicht ausgeschlossen werden darf, wenn der individuelle ESt-Satz bereits unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrages unter 25 % liegt (Rev. beim BFH: VIII R 13/13). Ausdrücklich nicht geklärt ist, ob der Werbungskostenausschluss verfassungswidrig ist, wenn der individuelle ESt-Satz über 25 % liegt. Betroffenen Steuerpflichtigen ist daher ggf. unter Bezug auf das anhängige Verfahren die Geltendmachung der angefallenen WK zu empfehlen. Ein entsprechender Mustereinspruch findet sich auch in LEXinform 0922239.

2.2.1.2. Ausnahmen von der Abgeltungsteuer

Günstigerregelung nach § 32d Abs. 6 EStG

Die Günstigerregelung des § 32d Abs. 6 EStG (BMF vom 22.12.2009, BStBl I 2010, 94 Rn. 149 ff.) sieht vor, dass dann, wenn der Steuersatz i.R.d. individuellen Veranlagungsverfahrens unter fiktiver Einbeziehung der Kapitaleinkünfte niedriger als 25 % ist, die Kapitaleinkünfte im Veranlagungsverfahren besteuert werden. Ein über den Sparer-Pauschbetrag hinausgehender WK-Abzug ist nicht möglich (§ 32d Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 9 EStG).

Verfahrensrechtlich ist erforderlich, dass der Steuerpflichtige für den Wechsel von der Abgeltungsteuer zum Veranlagungsverfahren einen Antrag stellt. Die Finanzbehörde hat dann von Amts wegen die Günstigerprüfung vorzunehmen. Kommt sie zum Ergebnis, dass eine Veranlagung für den Steuerpflichtigen ungünstiger ist, so gilt der Antrag als nicht gestellt. I.R.d. JStG 2010 wird auf einen Vorschlag des Bundesrates hin klargestellt, dass bei der Günstigerprüfung nicht auf die festgesetzte Einkommensteuer, sondern auf die gesamte Steuerbelastung einschließlich Zuschlagsteuern (z.B. Solidaritätszuschlag) abzustellen ist.

Die Wahlmöglichkeit besteht nur für sämtliche Kapitalerträge in einem VZ. Es müssen somit sämtliche Kapitelerträge in der Steuererklärung angegeben werden. Hierzu sind sämtliche Steuerbescheinigungen einzureichen. Ehegatten können den Antrag zudem nur einheitlich stellen (BMF vom 22.12.2009, BStBl I 2010, 94, Rn. 149).

Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann der Antrag als fristgebundenes Wahlrecht nur bis zur Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides gestellt werden (FinMin NRW vom 24.1.2011, S 0351). Dies gilt auch für den Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG.

Der (Abgeltungs-)Steuersatz von 25 % wird nach augenblicklichem Einkommensteuertarif bei einem Einkommen von rund 15 000 € (30 000 € bei Zusammenveranlagung) erreicht. Entsprechend ist nur bei zu versteuernden Einkommen, die unter dieser Grenze liegen, eine Antragsveranlagung sinnvoll.

Verfahrenstechnisch wird im Falle einer Günstigerstellung durch das Veranlagungsverfahren die einbehaltene Kapitalertragsteuer auf die festzusetzende ESt angerechnet, so dass i.d.R. eine Einkommensteuererstattung eintritt. Die Verrechnung von Verlusten aus anderen Einkunftsarten mit positiven Kapitalerträgen ist hier möglich (vgl. auch BMF vom 22.12.2009, BStBl I 2010, 94 Rn. 146). Der Altersentlastungsbetrag wird ebenfalls gewährt. Ausländische Quellensteuer wird hierbei maximal bis zur Höhe der auf die Kapitalerträge entfallenden tariflichen Einkommensteuer angerechnet. Bei Ansatz der tariflichen Einkommensteuer ist die Kirchensteuer auf Kapitalerträge als Sonderausgabe abzugsfähig (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG).

Unternehmerische Beteiligungen nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG

Die Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ist im Unterschied zur Günstigerregelung des § 32d Abs. 6 EStG für die Besteuerung der Anteilseigner wesentlich interessanter. So besteht hier neben der Möglichkeit, auf Antrag vom System der Abgeltungsteuer in das Veranlagungsverfahren zu wechseln, auch die Möglichkeit, die tatsächlichen WK geltend zu machen (§ 20 Abs. 6 und 9 EStG finden keine Anwendung) und Verluste nach den allgemeinen Regelungen zu verrechnen (→ Verlustabzug in der Einkommensteuer) bzw. vor- und rückzutragen (→ Verlustvortrag und -rücktrag).

Voraussetzung für die Geltendmachung des Wahlrechts ist allerdings, dass der Steuerpflichtige zu mindestens 25 % an der KapG (unmittelbar) beteiligt ist oder zumindest zu 1 % (unmittelbar) beteiligt ist und für die KapG beruflich tätig ist. Notwendig ist eine unmittelbare Beteiligung, wohingegen eine mittelbare Beteiligung nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht ausreichend ist.

Rechtsfolge ist sodann, dass die Kapitaleinkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG (nur solche sind von der Ausnahmeregelung erfasst) im Veranlagungsverfahren besteuert werden. Zur Anwendung kommt daher das Teileinkünfteverfahren (TEV) mit der Folge, dass die Dividenden/sonstigen Bezüge zu 60 % der Besteuerung unterliegen, allerdings auch 60 % der tatsächlichen WK in Abzug gebracht werden können (§ 3c Abs. 2 EStG). Gerade die Möglichkeit, die tatsächlichen WK (teilweise) geltend zu machen, macht die Ausnahmeregelung besonders attraktiv.

Beispiel 2:

A (alleinstehend, konfessionslos) besitzt 5 % der Aktien der B-AG und ist dort als Abteilungsleiter beschäftigt. Aus einer Gewinnausschüttung der B-AG hat er Dividendeneinkünfte von 50 000 €. Den Erwerb der Aktien hat A fremdfinanziert. Im Jahr der Dividendenausschüttung fallen Darlehenszinsen von 15 000 € an. Der individuelle Einkommensteuersatz bei Veranlagung beträgt (angenommen) 35 %.

Lösung 2:

AbgeltungsteuerVeranlagungsverfahren
Dividendeneinnahmen50 000 €
(TEV: 50 000 € × 60 %)30 000 €
./. WK/Sparer-Pauschbetrag801 €
(15 000 € × 60 %)9 000 €
Dividendeneinkünfte49 199 €21 000 €
Abgeltungsteuer + SolZ (26,38 %)12 979 €
individueller Steuersatz + SolZ (36,925 %)8 308 €

Der Antrag auf Berücksichtigung der Kapitaleinkünfte muss während des Veranlagungsverfahrens gestellt werden. Sofern die Dividendeneinkünfte bereits mit Kapitalertragsteuer belastet wurden, ist die Kapitalertragsteuer bei der Veranlagung auf die festgesetzte ESt anzurechnen.

Der Antrag ist für die jeweilige Beteiligung zu stellen und kann für jede Beteiligung nur einheitlich ausgeübt werden.

Der Antrag ist spätestens mit dem Einreichen der Einkommensteuererklärung beim FA zu stellen (§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 EStG). Eine Verlängerung der Antragsfrist ist nicht möglich. Es besteht allerdings eventuell die Möglichkeit, gem. § 109 AO die Abgabefrist für die Einkommensteuererklärung zu verlängern. In Schätzungsfällen kann der Antrag noch bis zur Einreichung der Einkommensteuererklärung, was ggf. auch erst im Einspruchs- oder Klageverfahren geschehen kann, gestellt werden. Eine bestimmte Antragsform ist im Gesetz nicht vorgesehen, so dass ein formloser Antrag ausreichend sein sollte.

Ist der Antrag auf den Wechsel zum Veranlagungsverfahren gestellt, so gilt dieser für fünf Veranlagungszeiträume. In den Folgejahren muss daher kein neuer Antrag mehr gestellt werden. Er kann widerrufen werden, allerdings lediglich bis zur Abgabe der Einkommensteuererklärung für den betreffenden VZ. Hat ein Antragswiderruf stattgefunden, so ist eine erneute Ausübung des Wahlrechts zum Veranlagungsverfahren (für dieselbe Beteiligung) nicht mehr möglich.

2.2.2. Aufwendungen bei im Betriebsvermögen gehaltenen Aktien

Es kommen grundsätzlich zahlreiche Aufwendungen als WK/BA (im Folgenden nur als WK bezeichnet) in Betracht. Dabei ist die Abgrenzung zu den AK einer Aktie (Maklerprovisionen, Gründungskosten) ebenso zu beachten wie Verluste in der privaten Vermögenssphäre steuerlich unbeachtlich sind (so berechtigt die Insolvenz der AG nicht zum WK-Abzug). In diesem Sinne hat es der BFH (BFH Urteil vom 20.4.2004, BStBl II 2004, 597) abgelehnt, Beratungskosten für die fehlgeschlagene Gründung einer KapG als (vergebliche) WK zum Abzug zuzulassen. Diesem Urteil folgend hat der BFH mit Urteil vom 27.3.2007 (BFH/NV 2007, 1407) entschieden, dass Gutachtenkosten – hier im Zusammenhang mit der Anschaffung von GmbH-Geschäftsanteilen – keine Werbungskosten darstellen, sondern Anschaffungsnebenkosten sind, wenn bereits bei Vergabe des Gutachtens konkret der Entschluss vorliegt, bestimmte GmbH-Geschäftsanteile zu erwerben. Typische WK des Aktionärs sind demnach Depotgebühren, allgemein: Verwaltungskosten und Finanzierungskosten (Schuldzinsen), soweit sie nicht dem Vermögensbereich zuordenbar sind. Für den Fall, dass eine wesentliche Beteiligung (hier an einer GmbH) veräußert wird, sind die Schuldzinsen für ein Refinanzierungsdarlehen nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar. Mit dem Wegfall der Einkünfteerzielung entfällt auch der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart (vgl. BFH Urteil vom 12.9.2007, BFH/NV 2008, 37).

Nach der bisherigen Rspr. des BFH sind bei einer Kapitalanlage, bei der auf Dauer ein Überschuss der steuerpflichtigen Einnahmen über die Ausgaben erwartet werden kann, die Aufwendungen für die Verwaltung des Depots auch dann in vollem Umfang Werbungskosten, wenn neben den steuerpflichtigen Einnahmen auch steuerfreie Vermögensvorteile erzielt werden (vgl. BFH Urteil vom 4.5.1993, BStBl II 1993, 832; zuletzt bestätigt durch BFH Urteil vom 24.11.2009, BFH/NV 2010, 1417). Abweichend hiervon hat das FG Düsseldorf in seinem Urteil vom 1.3.2007 (11 K 2959/04 E) entschieden, dass das Fehlen eines eindeutigen Vorrangs, Wertsteigerungen zu erzielen, nicht im Umkehrschluss eine Vermutung für einen ausschließlichen Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften aus Kapitalvermögen rechtfertige. In der Folge soll ein Werbungskostenabzug nicht in Betracht kommen, wenn es an einem sachgerechten Aufteilungsmaßstab fehlt, da bei einem Mischsachverhalt, in dem ein Ertragsvorrang nicht erkennbar ist, davon auszugehen sei, dass sich die Rendite im Wesentlichen aus den Wertsteigerungen und nicht aus den Erträgen speisen soll.

Ob Reisekosten (Fahrtkosten zur depotverwahrenden Bank oder zur Hauptversammlung) zum WK-Abzug berechtigen oder zu nachträglichen AK führen, hat der BFH bereits zweimal (allerdings) für einen GmbH-Gesellschafter entschieden. Nach dem BFH-Urteil vom 22.10.2002, BFH/NV 2003, 164 sind die Aufwendungen in keinem Fall als AK zu werten, sondern können WK in der Einkunftsart des § 20 EStG oder in der des § 19 EStG sein, wenn daneben noch ein Arbeitsverhältnis zur GmbH besteht. Mit dem vergleichbaren Zuordnungsproblem (Zinsen für eine Bürgschaftsschuld, die der Gesellschafter-Geschäftsführer für seine notleidende GmbH aufgenommen hat) befasste sich der BFH (BFH Urteil vom 5.10.2004 (BFH/NV 2005, 54), blieb aber das Ergebnis der Zuordnung (§ 20 EStG oder § 19 EStG) letztlich schuldig. Den Entscheidungsgründen kann jedoch entnommen werden, dass ein Abzug als WK bei § 20 EStG nur dann in Betracht kommt, wenn die Verbindlichkeit wenigstens den Charakter eines eigenkapitalersetzenden Darlehens hat. Dies kann auch bei einer Familien-AG der Fall sein.

Für den Fall, dass keine tatsächlichen Werbungskosten geltend gemacht wurden, wurde bis einschließlich VZ 2008 nach Abzug eines Sparerfreibetrages (→ Pauschbeträge bei Kapitaleinkünften) von 750 € (§ 20 Abs. 4 EStG a.F.) ein Werbungskostenpauschbetrag nach § 9 EStG i.H.v. 51 € für sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen abgezogen. Bei zusammenveranlagten Ehegatten steht der Betrag einem jeden einzelnen Ehegatten zu.

2.2.3. Werbungskosten und das Teileinkünfteverfahren

Im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens wird systemgerecht auch der WK-Abzug auf 60 % gekürzt (§ 3c Abs. 2 EStG).

Beispiel 3:

Zum 31.12.201 setzt sich der Depotbestand von Dagobert aus Aktien im Wert von 20 000 € und aus Rentenpapieren im Wert von 30 000 € zusammen. Über weitere Kapitalanlagen verfügt D in 11 nicht.

Die Depotgebühren (11) belaufen sich auf 100 €.

Das BMF hat zu der Frage der Aufteilung von WK für den Fall Stellung genommen, in dem eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich ist (BMF vom 12.6.2002, BStBl I 2002, 647). Die Kapitalanlagen werden folglich gruppiert und bilden den Aufteilungsmaßstab.

Lösung 3:

In Gruppe 1 (TEV) befinden sich die Aktien, in Gruppe 2 (übrige) die Rentenpapiere. Von 100 € Depotgebühren entfallen 2/5 = 40 € auf die Aktien und sind nur mit dem 60 % (24 €) abzugsfähig, während die auf die festverzinslichen Papiere entfallenden Depotgebühren von 60 € voll abzugsfähig sind.

Die Höhe der WK (§§ 9, 20 Abs. 8 EStG) beträgt für D demnach 84 €, wenn er einzeln veranlagt wird.

Anders (keine Aufteilung) sieht es laut BFH-Urteil vom 8.7.2003, DStR 2003, 1830 für den Fall der Mischfinanzierung (kombiniert eigen-/fremdfinanzierter Erwerb) von festverzinslichen Wertpapieren aus, wenn es um die Beurteilung der Überschusserzielungsabsicht geht. Für diese Frage sind die Schuldzinsen in vollem Umfang als WK anzusetzen.

Besonderheiten gelten für den Fall des Veräußerungsgewinnes nach § 17 Abs. 4 EStG (der unter weiteren Voraussetzungen ebenfalls dem TEV unterliegt), dass keine Einkünfte als der Anlage bezogen wurden. Siehe hierzu BMF vom 8.11.2010 (IV C 6 – S 2128/07/10001) sowie die Änderung des § 3c EStG durch das JStG 2010 als Reaktion auf anderslautende BFH-Rspr.

2.3. Exkurs: Abschreibung bei im Betriebsvermögen gehaltenen Aktien

Grundsätzlich werden bei Wertpapieren handelsrechtlich keine Abschreibungen vorgenommen, wobei eine unterschiedliche Behandlung von im Anlage- bzw. Umlaufvermögen ausgewiesenen Wertpapieren möglich ist. Der Hauptfall der Abschreibung von Wertpapieren (Aktien) ist der Fall einer voraussichtlich dauernden Wertminderung. Handelsrechtlich (§ 253 Abs. 3 Satz 4 HGB) besteht eine Abschreibungspflicht bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung, bei nicht voraussichtlich nicht dauernden Wertminderung besteht ein Wahlrecht hierzu. Steuerrechtlich besteht hingegen nur im Fall einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ein Wahlrecht zur Abschreibung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Das BMF hat hierzu mit Schreiben vom 26.3.2009 (BStBl I 2009, 514) typisierende Grenzen angenommen, ab denen von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ausgegangen werden kann (s. hierzu auch BFH vom 26.9.2007, BStBl II 2009, 294). Diese typisierende Betrachtungsweise wurde durch Urteil des FG Münster vom 31.8.2010 (9 K 3466/09 K, G) eingeschränkt, indem zwar der Grundsatz einer typisierenden Betrachtungsweise für zulässig erklärt wurde, jedoch die Grenzen des BMF für nicht angemessen gehalten wurden. Der BFH hat mit Urteil vom 21.9.2011 (BFH/NV 2012, 310) diese Wertgrenzen zu Gunsten der Steuerpflichtigen präzisiert und eine Abschreibung bereits bei einer Unterschreitung der Anschaffungskosten um 5 % bei börsennotierten Aktienfondsanteilen am Bilanzstichtag zugelassen.

2.4. Die personelle Zurechnung der Einnahmen aus einem Aktienbestand

2.4.1. Das gesetzliche »Leitbild« (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ff. EStG sowie § 20 Abs. 5 EStG)

Abgesehen von der Sonderregelung in § 21 Abs. 1 Nr. 4 EStG (Besteuerung aufgrund der gesetzlichen Surrogation im V+V-Bereich) enthalten allein § 20 Abs. 2 Nr. 2 ff. EStG gesetzliche Antworten auf die Beteiligung mehrerer Personen an einer Einkunftsquelle. Diese im Jahre 1994 durch das StMBG als Klarstellung eingeführten Anwendungsfälle sind durch das (mögliche) Auseinanderfallen von Stammrecht (Aktie) und dem eigentlichen Ertragsanspruch (auch Gewinn-, Zins- oder Dividendenanspruch genannt) gekennzeichnet. Als weitere Begleiterscheinung ist bei der Gesamtschau des § 20 Abs. 2 Nr. 2 ff. EStG zusätzlich zu berücksichtigen, dass die vom Stammrecht isolierten Ertragsansprüche zusätzlich verbrieft sein können (als Dividendenscheine oder als Zinskupons), während umgekehrt die Einkunftsquelle selbst nicht verbrieft sein muss. Die Fälle der nicht verbrieften Inhaberschaft des Stammrechts werden gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG pauschal den verbrieften Wertpapieren gleichgestellt.

2.4.1.1. Die Übertragung der Beteiligung (an einer Kapitalgesellschaft) und § 20 Abs. 5 EStG

Bei der Übertragung von Anteilen an einer KapG geht das wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber über, wenn er

  • aufgrund eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat und
  • die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie
  • das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.

Bestimmen die Parteien eines Aktienkaufvertrags den im Jahr des Vertragsabschlusses zunächst nur vorläufig festgelegten Kaufpreis aufgrund eines erst im folgenden Jahr zu erstellenden Wertgutachtens und machen sie die Besitzübertragung von der vollständigen Zahlung des Kaufpreises abhängig, geht nach Ansicht des BFH (Urteil vom 22.7.2008, BFH/NV 2008, 1908) das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen noch nicht mit Abschluss des Kaufvertrages auf den Erwerber über.

Der Gesellschafterwechsel bei einer KapG ist weder an den Jahreswechsel noch an das Vorliegen eines Gewinnverteilungsbeschlusses gebunden. Wird inmitten eines Jahres die Beteiligung verkauft (abgetreten), erfolgt i.d.R. auch eine zivilrechtliche Absprache über den Gewinn des laufenden Jahres.

Beispiel 4:

Bei der X-AG (Wj. = Kj.) veräußert A am 30.6.2001 sein Aktienpaket von 10 T€ an B, während der zweite Aktionär C den Restanteil von 15 T€ behält. Bei den Verhandlungen über den Kaufpreis (insgesamt 100 T€) wird vereinbart, dass hiervon 5 T€ auf den zu erwartenden Gewinnanspruch des Jahres 01 entfallen. Der am 1.4.2002 beschlossene auszuschüttende Gewinn ist so hoch wie das Stammkapital der X-AG (25 T€) und wird entsprechend der Beteiligungsverhältnisse an B und C überwiesen.

In der Praxis wird unterstellt, dass die Parteien von dem gesellschaftsrechtlichen Grundsatz ausgehen, dass der Gewinnanspruch dem jeweiligen (d.h. derzeitigen) Inhaber des Mitgliedschaftsrechtes zusteht (vgl. z.B. für das GmbH-Recht: § 29 Abs. 1 GmbHG). Die Absprache über den laufenden Gewinn im Jahr des Gesellschafterwechsels wird – wie hier – häufig entgeltlich erfolgen. Die Gewinnabsprache kann auch unentgeltlich oder teilentgeltlich geregelt werden.

Lösung 4:

  • Das Stammrecht steht im Zeitpunkt des Verteilungsbeschlusses (1.4.2002) dem Neugesellschafter zu (gesellschaftsrechtliche Ausgangslage).
  • Weiter ist durch § 20 Abs. 5 EStG – in Übereinstimmung mit zwei BFH-Urteilen aus dem Jahre 1986 – klarstellend geregelt, dass – entgegen zivilrechtlicher Absprachen über die Früchteverteilung nach § 101 BGB – der Gewinn i.H.v. 10 T€ (die Dividende) immer vom Neugesellschafter versteuert wird.
  • Der Kaufpreis von 5 T€ bezieht sich auf den hiervon losgelösten Ertragsanspruch für das Jahr 01. Anders als bei § 21 Abs. 1 Nr. 4 EStG tritt hier der anteilige Kaufpreis von 5 T€ nicht an die Stelle des künftigen Gewinnes (als vorgezogener Gewinnanteil), sondern geht im Gesamtkaufpreis von 100 T€ auf und wird steuerlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 EStG bzw. des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG (oder § 6 AStG) als Veräußerungsgewinn berücksichtigt.

Zur Klarstellung wird darauf verwiesen, dass zwei andere Fälle in der Beurteilung unproblematisch sind:

  • Der Gesellschafterwechsel erfolgt in 02 nach dem Verteilungsbeschluss für 01: Der Gewinn steht dem Altgesellschafter zu (BFH Urteil vom 9.3.1982, BStBl II 1982, 540).
  • Der Gesellschafterwechsel erfolgt in 01 und zur Diskussion stehen die zukünftigen Gewinne der Jahre 02 ff.: nach BFH-Urteil vom 12.10.1982, BStBl II 1983, 128 stehen die zukünftigen Gewinne dem Neugesellschafter zu.

In einem Schenkungsfall (Vater schenkt den GmbH-Geschäftsanteil seinen Kindern) hat der BFH allerdings entschieden (BFH Urteil vom 14.10.2002, BFH/NV 2003, 307), dass der Vater die Dividenden dann weiterhin zu versteuern hat, wenn diese weiterhin auf das Konto des Vaters überwiesen werden. Diese Entscheidung berührt aber nicht die grundsätzliche Zuordnung, sondern klärt nur für die Fallgruppe der »Angehörigenschenkung«, da es in solchen Fällen am »tatsächlichen Vollzug« der Schenkung fehlt.

2.4.1.2. Sonderfall »Leerverkauf«

Eine Sonderregelung wurde durch das Jahressteuergesetz 2007 für die Fälle eingeführt, in denen Aktien vom Erwerber mit Dividendenberechtigung erworben, tatsächlich aber ohne Dividendenanspruch geliefert werden. Für diese Fälle bestimmt § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG, dass als sonstige Bezüge auch Bezüge gelten, die an Stelle der Bezüge i.S.d. Satzes 1 (also an Stelle von Dividenden) von einem anderen als dem Anteilseigner nach Absatz 5 bezogen werden. Bedeutung hat die Regelung insbesondere für sog. Leerverkäufe, bei denen der Verkäufer die Anteile selbst erst beschaffen muss, der Erwerb hingegen erst möglich ist, nachdem der Dividendenabschlag vorgenommen wurde.

Im Zuge der internationalen Finanzmarktkrise wurden Leerverkäufe auf Aktien und andere Wertpapiere in Deutschland durch § 30h WpHG weitgehend verboten. Nach der Übergangsregelung des § 42a WpHG sind hiervon Geschäfte ausgenommen, die bereits vor dem 27.7.2010 abgeschlossen wurden, sofern diese nicht auf Grund einer anderen Regelung verboten sind. Ergänzend hierfür wurde das »EU-Leerverkaufs-Ausführungsgesetz« vom 6.11.2012 (BGBl I 2012, 2286) im nationalen Gesetzgebungsverfahren verabschiedet, welches die »EU-Leerverkaufsverordnung« umsetzt. Die bereits bestehenden nationalen Regeln wurden entsprechend angepasst. Korrespondierend hierzu hat die EU-Kommission am 29.6.2012 weitere Verordnungen vorgestellt, die die »EU-Leerverkaufsverordnung« flankieren sollen.

Zum Einbehalt von KapESt auf Gewinne aus Leerverkäufen s. auch BMF vom 5.5.2009, BStBl I 2009, 631, vom 21.9.2010, BStBl I 2010, 752 und vom 3.3.2011, BB 2011, 662. Nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder werden die oben genannten BMF-Schreiben mit Wirkung ab dem 1.1.2012 gemäß BMF-Schreiben vom 29.11.2011 (BB 2011, 3092) aufgehoben. Der Bereich der Kapitalertragsteuererhebung bzw. -erstattung i.R.d. Leerverkaufes wurde i.R.d. OGAW-IV-Umsetzungsgesetzes (BGBl I 2011, 1126) mit Wirkung ab dem 1.1.2012 umfassend neu geregelt. (§ 43 Abs. 1 Nr. 1a, EStG mit Wirkung für alle Kapitalerträge, die nach dem 31.12.2011 zufließen). Für Vorgänge vor dem 1.1.2012 sind die o.g. BMF-Schreiben weiterhin anzuwenden. Für den Übergangszeitraum sind die weiteren Besonderheiten des BMF-Schreibens vom 29.11.2011 zu beachten.

Die mit dem AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809) eingeführte Vorschrift in § 44 Abs. 1a EStG eröffnet nunmehr die Möglichkeit eines Einbehaltes von KapESt für ausländische Stellen für die Fälle, in denen inländische Aktien mit Dividendenberechtigung durch deutsche Steuerpflichtige erworben, jedoch ohne Dividendenanspruch geliefert werden. Behält die ausländische Stelle hierauf (freiwillig) KapESt ein und leitet diese an eine inländische Wertpapiersammelbank weiter, ist diese zur Abführung der einbehaltenen Steuer und auf Verlangen zur Ausstellung einer Steuerbescheinigung i.S.d. § 45a Abs. 2 EStG verpflichtet (BT-Drs. 17/10604). Hierdurch soll die Notwendigkeit einer Veranlagung solcher Kapitalerträge verhindert werden. Die KapESt wird bereits auf Ebene der ausländischen Stelle (d.h. von dritter Seite) einbehalten, welche zugleich die entsprechende Steuerbescheinigung erstellt. Zeitlich findet diese Neuregelung für Kapitalerträge Anwendung, die nach dem 31.12.2012 zufließen (§ 52a Abs. 16c Satz 2 EStG). Das BMF wandte die Neuregelung in § 44 Abs. 1a EStG im Vorgriff auf die (einst durch das JStG 2013 geplant, s. BT-Drs. 17/11190) Gesetzesänderung für alle nach dem 31.12.2012 zufließenden Kapitalerträge an (BMF vom 28.12.2012, DStR 2013, 38).

2.4.1.3. Die Abtretung von Gewinnansprüchen nach § 20 Abs. 2 Nr. 2a EStG

Anders als bei § 20 Abs. 5 EStG wird hier nicht die Beteiligung übertragen, sondern – wegen der Abspaltungstheorie zulässigerweise – nur der Gewinn- oder Dividendenanspruch.

Beispiel 5:

Der Aktionär A verkauft in 04 seinen Gewinnanteilsschein auf die Jahresdividende 04 an B zu 2 000 €. In 05 entfällt auf A eine anteilige Dividende von 1 850 €.

Lösung 5:

Der Dividendenschein gilt – ebenso wie die Aktie – als Wertpapier. Gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a EStG i.V.m. § 3 Nr. 40g EStG hat A in 04 60 % von 2 T€ als vorgezogenen Kapitalertrag zu erfassen; KapESt fällt dabei nicht an. Der spätere Zufluss der Dividende bei B ist für beide Personen steuerlich unbeachtlich. Nach h.A. ist es auch unbeachtlich, ob die spätere Dividende dem Kaufpreis entspricht.

Zu den sonstigen Gewinnansprüchen i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 2a EStG gehören auch Bezugsrechte, die anlässlich einer Kapitalerhöhung zum Erwerb junger Aktien ausgegeben werden. Für den Fall, dass diese Bezugsrechte innerhalb der Veräußerungsfrist des § 23 EStG veräußert werden, hat der BFH auf einen Veräußerungstatbestand nach § 23 EStG entschieden (BFH Urteil vom 22.5.2003, BStBl II 2003, 712).

Diese mit § 21 Abs. 1 Nr. 4 EStG identische Lösung (gesetzliche Surrogation: der Kaufpreis ersetzt den späteren Dividendenzufluss) lässt sich unschwer für Übertragungsmöglichkeiten, vor allem im Familienkreis, nutzen. Um der Gefahr der Einkünfteverlagerung vorzubeugen, bleibt es daher bei einer unentgeltlichen Übertragung des isolierten Gewinnanspruches bei der Regelung des § 20 Abs. 5 EStG, wonach der Aktionär (Inhaber des Stammrechts) Einkunftssubjekt bleibt.

2.4.2. Der Nießbrauch bei Kapitalvermögen – offene Fragen/neue Wege

2.4.2.1. Einführung in die Problemstellung

Zivilrechtlich bereitet die Bestellung eines Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil, z.B. an einem Aktienpaket, keine Probleme. Die allgemeine Zulässigkeit ergibt sich aus § 1068 BGB (Nießbrauch an Rechten), wonach wegen des Grundsatzes von § 1069 Abs. 2 BGB (keine Bestellung an unübertragbaren Rechten) nur noch darauf zu achten ist, dass im Falle der Vinkulierungsklausel die übrigen Gesellschafter zustimmen (Beispiel: vinkulierte Namensaktie). Nach der wirksamen Bestellung ist der Nießbraucher zur Nutzung berechtigt. Nach h.M. kann bei der inhaltlichen Ausformulierung des Nießbrauchs nur ein »Ertragsnießbrauch« und kein »Vollrechtsnießbrauch« vereinbart werden, da ansonsten das Vollrecht ausgehöhlt werden könnte. Wegen des erforderlichen Ausschlusses von Mitverwaltungsrechten, die beim Inhaber des GmbH-Geschäftsanteils verbleiben, wird praxisgerecht der Ertragsnießbrauch mit einer Stimmrechtsbevollmächtigung versehen sein.

Hinweis:

Diese wird – im Auszug – folgenden Wortlaut haben:

»Rechte und Pflichten der Beteiligten:

  • Der Inhaber des Aktienpakets (Vater V) bevollmächtigt den Nießbraucher (Sohn S) unwiderruflich zur Ausübung des Stimmrechts.
  • V verpflichtet sich, von seinem Stimmrecht keinen Gebrauch zu machen, ersatzweise auf Wunsch des S abzustimmen.
  • Das Gewinnbezugsrecht steht uneingeschränkt dem S zu. Er kann i.R.d. Hauptversammlung für größtmögliche Gewinnausschüttung stimmen.«

Im Unterschied zu den überarbeiteten Regelungen beim Immobiliennießbrauch sind den ursprünglichen Aussagen (von 1983) im Bereich des Nießbrauchs bei Kapitalbeteiligungen keine Ergänzungen hinzugefügt worden. Im Gegenteil: In der jüngsten amtlichen Rezeption der Erkenntnisse von 1983 aus dem Jahre 1999 werden wiederum »holzschnittartig« die Ausführungen zu den Immobilien auf die Kapitaleinkünfte übertragen. Als vorläufige Ergebnisse schreiben daher Verwaltung und noch h.M. die Gewinnanteile nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur im Falle des Vorbehalts- und Vermächtnisnießbrauches dem Nießbraucher zu (s. auch BFH Urteil vom 29.5.2001, BFH/NV 2001, 1393 sowie FG Münster vom 14.1.2003, EFG 2003, 690).

Beim Zuwendungsnießbrauch scheint der Bestellmodus (entgeltlich/unentgeltlich) zu unterschiedlichen Ergebnissen zu führen. Beim unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch verbleiben die Einkünfte beim Besteller (Inhaber des Aktienpakets). Zum entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch wird ausgeführt, dass das Entgelt für die Bestellung des Nießbrauches zu Einkünften nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 EStG (heute: § 20 Abs. 2 Nr. 2a EStG) führe und die Einziehung des Gewinnanteils durch den Nießbraucher nur eine unbeachtliche Forderungsabtretung sei und demzufolge der Nießbrauchsbesteller nach wie vor Zurechnungssubjekt für die Kapitaleinkünfte sei.

Diese Ansicht führt nicht nur zu entsprechenden »Verwerfungen« in den Verträgen zur Nießbrauchsbestellung, sondern ignoriert in der unreflektierten Übernahme der »Immobilien-Überlegungen« den unterschiedlichen Ausgangspunkt. Während die Zuordnungsfrage bei § 21 EStG weitgehend von der Frage der persönlichen AfA-Befugnis überlagert ist, muss die Zuordnungsfrage bei den Kapitalübereinkünften von der Überlegung getragen sein, wer Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG erzielt, d.h. wer als marktberechtigter Teilhaber an diesen Kapitaleinkünften anzusehen ist. Die Antwort kann nur unter Zuhilfenahme der Erkenntnisse der Marktbeteiligungstheorie gefunden werden.

2.4.2.2. Persönlicher Lösungsansatz: Zurechnung der Kapitaleinkünfte beim entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch (Mindermeinung und Argumentations-/Gestaltungshilfen)

Die Doppelbesteuerung, mit der die h.M. das Problem löst (das Entgelt für die Begründung des Zuwendungsnießbrauches = Einnahme nach § 20 Abs. 2 Nr. 2a EStG für den Besteller und die zusätzliche Erfassung der späteren Gewinnanteile wiederum beim Besteller, soweit nicht § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG greift), kann nicht hingenommen werden.

Wiederum andere betrachten die späteren Gewinnzahlungen als unbeachtliche Forderungseinziehung (der Nießbraucher hat hiernach keine Einkünfte, vgl. BFH Urteil vom 12.12.1969, BStBl II 1970, 212) und ignorieren somit vollends die rechtsgeschäftliche Absprache beim entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch. Auch diese Lösung kann nicht richtig sein. Es besteht insgesamt ein unbefriedigendes »Rechtsfolgenpatt«.

In Hinblick auf das gesetzliche Differenzierungsangebot des § 20 EStG, wonach in den Nr. 1–4 »aktive« Kapitaleinkünfte geregelt sind und in den folgenden Nr. 5–7 eher »passive« Einkünfte, kann die Marktbeteiligungstheorie an dieser Nahtstelle wertvolle Erkenntnisse liefern. Im Anwendungsbereich des »aktiven Katalogs« von § 20 EStG, wozu über Nr. 1 auch die Gewinnbeteiligung an einer GmbH zählt, wird man eine entsprechende Dispositionsbefugnis, mit der ein Nießbraucher ad hoc ausgestattet ist, nicht ignorieren dürfen und ihm folglich die Einkünfte zurechnen müssen. Zu diesen Dispositionsbefugnissen über die Einkunftsquelle GmbH-Geschäftsanteil sollten, worauf in der Literatur immer wieder hingewiesen wird, zählen:

  • das Stimmrecht,
  • ein Anfechtungsrecht sowie
  • die Eigenberechtigung zur Teilhabe an der Kapitalerhöhung.

Von entscheidender Bedeutung ist schließlich noch, dass der Nießbraucher durch die Bezahlung (entgeltlicher Nießbrauch) bereits einen Erfolgsbeitrag für die Marktbeteiligung an dieser Einkunftsquelle geleistet hat.

Dieser konsistenten Lösung gebührt gegenüber der herkömmlichen »Steuerklausellösung«, die in Verträgen zu lesen ist, wonach bei einer Stimmrechtsbevollmächtigung der Nießbrauch auf die »Erträge nach Abzug der Einkommensteuerbelastung« beschränkt werden soll, eindeutig der Vorzug.

Um ein gesamtschlüssiges Konzept vorzulegen, fehlt bei der hier vorgeschlagenen Lösung (Zurechnung der Gewinnanteile beim entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch) nur noch die Behandlung des bezahlten Entgelts bei der Bestellung des Nießbrauchs. Nach den obigen Erkenntnissen zu einer identischen Fallgruppe stellt der Kaufpreis für das Nutzungsrecht im Jahr der Bezahlung eine negative Einnahme des Nießbrauchers dar. Somit liegt ein in sich konsistentes Besteuerungskonzept für den entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch vor, das ohne gekünstelte Vertragsgestaltungen und ohne Rechtsfolgenwiderspruch auskommt.

3. Die Veräußerung von Aktien

Durch die Neufassung des § 20 Abs. 2 EStG hat sich die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Wertpapieren grundlegend geändert. Der 1.1.2009 stellt in diesem Zusammenhang eine deutliche Zäsur da. Vor dem 1.1.2009 angeschaffte Wertpapiere sind wie zuvor grundsätzlich lediglich i.R.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F. steuerlich zu erfassen. Ist die einjährige Spekulationsfrist für diese »alten« Wertpapiere abgelaufen, so bleibt ihre Veräußerung steuerrechtlich unbeachtlich. Weder ein Gewinn noch ein etwaiger Verlust werden berücksichtigt.

Es stellt sich die Frage des sachlichen Anwendungsbereiches der beiden hier thematisierten Vorschriften. Auf Grund des Subsidiaritätsprinzips des § 20 Abs. 8 EStG werden nur unwesentliche Beteiligungen an Körperschaften durch § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG erfasst, die nicht bereits durch § 17 EStG erfasst sind. § 17 EStG ist demnach vorrangig anzuwenden. Somit ist die Norm nur für Streubesitzanteile von weniger als 1 % einschlägig, die im Privatvermögen gehalten werden. Im Betriebsvermögen gehaltene Beteiligungen sind im Fall der Veräußerung ebenfalls wegen § 20 Abs. 8 EStG nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4, 5 EStG als laufender Gewinn zu besteuern, während bei Alleinbeteiligungen (= 100 %) § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eingreift. Von § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG erfasste Veräußerungsobjekte sind zunächst die Anteile an in- und ausländischen Körperschaften (Letztere, die im Rahmen eines Rechtsformvergleiches den inländischen KapG strukturell gleichen). Des Weiteren fallen hierunter die Veräußerung von Genussrechten an diesen Körperschaften, ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften. Durch diese sehr weitreichende Norm wird letztendlich ein Gleichlauf mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG hergestellt. Von § 20 Abs. 2 Nr. 7 sind (vergleichbar der Generalnorm der sonstigen Kapitalerträge des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) insbesondere die Veräußerung von (festverzinslichen) Wertpapieren, Obligationen und sog. »Finanzinnovationen« u.Ä. erfasst.

Zu verbleibenden Zweifelsfragen, auch i.R.d. Veräußerungen i.S.d. neuen § 20 Abs. 2 EStG hat das BMF inzwischen durch mehrere Schreiben (umfassend vom 22.12.2009, BStBl I 2010, 94 [Nr. 1, § 43/1], vom 15.6.2009 [bis einschließlich VZ 2008], DB 2009, 1506, ergänzt durch Schreiben vom 20.12.2012, BStBl I 2013, 36; vgl. früher BMF vom 16.11.2010, BStBl I 2010, 1305 sowie vom 13.6.2008, DStR 2008, 1236) Stellung genommen. Nicht allein schon auf Grund der Komplexität dieser Schreiben wird die zentrale Stellung und die ebenfalls bestehende Komplexität des neuen § 20 Abs. 2 EStG verdeutlicht.

Der Veräußerungsgewinn ermittelt sich nach § 20 Abs. 4 EStG n.F. und bemisst sich anhand einer Gegenüberstellung von Veräußerungserlösen sowie den Anschaffungskosten der veräußerten Aktien und den mit der Veräußerung im Zusammenhang stehenden Kosten. Insoweit ist eine Anknüpfung an § 17 EStG und an die alte Fassung des § 23 EStG zu erkennen. Demzufolge kann es nach wie vor zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust kommen. An dieser Stelle wird auch der Grundsatz der Bruttobesteuerung der Abgeltungsteuer durchbrochen, da WK im tatsächlichen Umfang geltend gemacht werden können.

Als Veräußerungseinnahmen sind hierbei alle Positionen zu verstehen, die der Veräußerer als Gegenleistung für die Hingabe erhält. Stundungszinsen für eine Stundung der Kaufpreisforderung gehören nicht hierzu. Diese sind vielmehr § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zuzuordnen.

Die Anschaffungskosten entsprechen begrifflich den §§ 255 Abs. 1 HGB und § 6 EStG. Demnach sind die AK diejenigen Kosten, die erforderlich sind, um die einzelne Kapitalanlage aus fremder in die eigene wirtschaftliche Verfügungsbefugnis zu übertragen. Neben dem Kaufpreis können hierunter Maklergebühren, Notargebühren, Beratungskosten und Zeitungsanzeigen fallen, soweit sie für den Erwerb der Kapitalanlage nötig waren.

I.R.d. gesetzlich gewollten Bruttobesteuerung ist der Begriff der im Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft abziehbaren Aufwendungen eng auszulegen. Abziehbar sind nur solche Aufwendungen, ohne die das Geschäft nicht zustande gekommen wäre. Hierfür kommen z.B. Maklerprovisionen und Notargebühren in Betracht, sofern sie vom Veräußerer getragen werden.

Der Begriff der Veräußerung ist nach § 20 Abs. 2 und 3 EStG weit auszulegen. Als Veräußerung gilt demnach auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine KapG.

Der Tausch von Anteilen, der nach ständiger Rspr. als Veräußerung anzusehen ist (vgl. BFH vom 7.7.1992, BStBl II 1993, 331), fällt ebenfalls hierunter. Allerdings sind hierbei die Ausnahmen des § 20 Abs. 4a EStG zu beachten.

Ein wesentlicher Unterschied zum alten Recht ist, dass auch die Rückzahlung eines Wertpapieres zum Nennbetrag eine Ermittlung eines Veräußerungsgewinnes nach sich zieht. Das BMF hat hierzu im Schreiben vom 22.12.2009 (BStBl I 2010, 94) in den Rn. 59 ff. ausführlich Stellung genommen:

  • Laut BMF stellen der Forderungsverzicht (soweit keine verdeckte Einlage gegeben ist) und der Forderungsausfall keine Veräußerungen dar. Bei einem Forderungsverzicht gegen Besserungsschein sollen nach BMF-Auffassung die Grundsätze des Forderungsverzichts Anwendung finden.
  • Die Liquidation einer KapG ist ebenfalls keine Veräußerung der Anteile an dieser KapG. § 17 Abs. 4 EStG bleibt unberührt.
  • Beim Tausch von Wertpapieren (Rn. 64 ff.) werden die bisherigen Aktien veräußert und die erlangten erworben, soweit nicht § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG Anwendung findet.
  • Der Sonderfall des Umtausches von ADR, GDR und IDR in Aktien stellt keine Veräußerung dar.
  • Die Einlage in eine KapG ist grundsätzlich keine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG, es sei denn, es handelt sich um eine verdeckte Einlage. Bei verdeckten Einlagen gilt § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG (Veräußerungsfiktion). Er geht § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG vor.

Ohne Bedeutung ist, ob die Veräußerung freiwillig oder unter wirtschaftlichem Zwang erfolgt. Werden oder sind bei einer Gesellschaftsübernahme die verbliebenen Minderheitsgesellschafter rechtlich oder wirtschaftlich gezwungen, ihre Anteile an den Übernehmenden zu übertragen, liegt vorbehaltlich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG eine Veräußerung der Anteile an den Übernehmenden vor. Wird die Gegenleistung nicht in Geld geleistet (z.B. Lieferung eigener Aktien des Übernehmenden), ist als Veräußerungspreis der gemeine Wert der erhaltenen Wirtschaftsgüter anzusetzen.

4. Verlustverrechnung bzw. Verlustausgleich (§ 20 Abs. 6 EStG)

Bei der Berücksichtigung von Verlusten ist zwischen Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften von vor dem 1.1.2009 angeschafften Wertpapieren einschließlich des zum 31.12.2008 gesondert festgestellten Verlustvortrages für private Veräußerungsgeschäfte einerseits und dem Verlust aus der Veräußerung von nach dem 31.12.2008 angeschafften Kapitalanlagen zu unterscheiden. Gem. § 23 Abs. 3 Satz 9, 10 EStG können Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 anzuwendenden Fassung auch mit Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG i.d.R. des Art. 1 des Gesetzes vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) ausgeglichen werden. Sie mindern abweichend von Satz 8 nach Maßgabe des § 10d auch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus § 20 Abs. 2 EStG n.F. erzielt.

Dies bedeutet Folgendes für die Verlustverrechnung: Verluste aus Kapitalvermögen (und damit auch solche aus der Veräußerung von Kapitalanlagen) sind zunächst nicht mehr mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgleichsfähig und nicht nach § 10d EStG verrechenbar (§ 20 Abs. 6 EStG). Für den verbleibenden horizontalen Verlustausgleich und -vortrag (ein Rücktrag von Verlusten ist in § 20 Abs. 6 EStG nicht vorgesehen) ist zunächst ein Verlustausgleich innerhalb des »allgemeinen« Verlustverrechnungstopfes, d.h. mit positiven Kapitalerträgen des laufenden Jahres (bei der Bank oder dem Kreditinstitut) gem. § 43a Abs. 3 EStG i.R.d. Kapitalertragsteuerabzugs vorzunehmen. Hierdurch sollen viele zusätzliche Veranlagungsfälle vermieden werden.

Der »allgemeine« Verlustverrechnungstopf umfasst:

  • Zinserträge,
  • Dividenden,
  • Gewinne aus Beteiligungsverkäufen (positiver Saldo des besonderen Verlustverrechnungstopfes),
  • negative Stückzinsen,
  • negative Zwischengewinne,
  • Veräußerungsverluste (ohne Aktien) sowie
  • ausländische Quellensteuer.

Ein nach erfolgter Saldierung verbleibender Verlust kann entweder auf das Folgejahr fortgetragen werden, oder dem Steuerpflichtigen wird auf Antrag bis zum 15.12. des jeweiligen Verlustjahres durch die auszahlende Stellung unter Nullstellung des allgemeinen Verlustverrechnungstopfes eine Verlustbescheinigung ausgestellt. Dieser kann dann die Verluste im Wege der Veranlagung geltend machen.

Hiervon sind allerdings Veräußerungsverluste aus Aktien ausgeschlossen. Diese können nur mit Veräußerungsgewinnen aus Aktien (Anschaffung nach dem 31.12.2008) verrechnet werden. Sie werden in einem besonderen Verlustverrechnungstopf geführt. Ergibt sich hierin ein positiver Saldo, so kann dieser in den allgemeinen Verlustverrechnungstopf übertragen und dort mit etwaigen verbleibenden Verlusten verrechnet werden. Alternativ hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit, sich eine Verlustbescheinigung ausstellen zu lassen und diese Verluste im Veranlagungsverfahren geltend zu machen. Wird hiervon kein Gebrauch gemacht, so ist der verbleibende Verlust gesondert festzustellen und auf die Folgejahre vorzutragen. Ist eine Verrechnung im Veranlagungsverfahren ebenfalls nicht möglich, wird die zuständige Finanzbehörde die Verluste ebenfalls gesondert feststellen und vortragen.

Alle anderen Veräußerungsgewinne sind (nach dem Verlustausgleich des § 43a Abs. 3 EStG = im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugsverfahrens) vorrangig mit Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften, die bis zum 31.12.2008 (egal aus welchen Anlagen) entstanden sind, zu verrechnen. Dabei ist es unerheblich, woraus diese Altverluste entstanden sind. Diese vorrangige Verrechnung ist erforderlich, da diese nur bis zum 31.12.2013 möglich ist. Für die Verrechnung mit Altverlusten, die nur i.R.d. Veranlagung erfolgt, muss der Steuerpflichtige eine Steuerbescheinigung nach § 45a Abs. 2 EStG (BMF vom 18.12.2009, BStBl I 2010, 94 [= Nr. 1, § 45a/1]) einreichen, in der die insgesamt erzielten Gewinne i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG und die darin enthaltenen Gewinne aus Aktienveräußerungen angeführt werden. Die Altverluste können wahlweise auch mit Gewinnen aus § 23 EStG verrechnet werden. Diese Form der Verrechnungsmöglichkeit bleibt auch über den 31.12.2013 hinaus bestehen (§ 23 Abs. 3 Satz 7 bis 9 i.V.m. § 52a Abs. 11 Satz 11 EStG).

Eine analoge Regelung der Verlustverrechnung gilt für Altverluste aus sog. Stillhaltergeschäften (§ 22 Nr. 3 Satz 5 und 6 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG). Diese können bis zum 31.12.2013 mit Einkünften gem. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG verrechnet werden.

Danach erfolgt eine Verlustverrechnung mit Verlustvorträgen aus Vorjahren, die bereits der Abgeltungsteuer unterlegen haben. Etwaige dann noch verbleibende Verluste sind gesondert festzustellen und auf die Folgejahre fortzutragen.

Beispiel 6:

X (konfessionslos, sonstige Einkünfte: 200 000 €) erzielt im Jahr 2010 folgende Kapitaleinkünfte:

  • Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren i.H.v. 50 000 €,
  • Verluste aus Veräußerungen von Aktien i.H.v. 25 000 €,
  • Gewinne aus Veräußerungen anderer Wertpapiere i.H.v. 50 000 €.

Im 2009 wurde ein verbleibender Verlustvortrag von 50 000 € festgestellt, von denen 10 000 € auf Aktienveräußerungen entfallen. Der verbleibende gesondert festgestellte Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften beträgt per 31.12.2009 10 000 €.

Wie hoch sind die in 2010 zu versteuernden Kapitaleinkünfte? Zusätzlich sind etwaige Verluste gesondert festzustellen.

Lösung 6:

Die Verluste aus Aktienveräußerungen sind nur mit entsprechenden Gewinnen verrechenbar und sind daher in 2010 nicht zu berücksichtigen. Der neue vortragsfähige Verlust aus Aktienveräußerungen ist per 31.12.2010 i.H.v. 35 000 € gesondert festzustellen.

Die verbleibenden positiven Kapitaleinkünfte betragen demzufolge 100 000 €. Diese sind zunächst mit den verbleibenden Altverlusten gem. § 23 EStG zu verrechnen. Diese betrugen zuvor noch 10 000 € und können demzufolge in 2010 vollkommen verrechnet werden. Es verbleiben somit 90 000 €, der neue vortragsfähige Altverlust aus privaten Veräußerungsgeschäften ist per 31.12.2010 i.H.v. 0 € gesondert festzustellen. Ab 2011 entfällt demzufolge für X diese Möglichkeit der Verlustverrechnung.

Die verbleibenden 90 000 € können schließlich mit dem Verlust aus 2009 (60 000 €) verrechnet werden, so dass auch dieser Verlustvortrag vollkommen verbraucht wird und mit 0 € gesondert festzustellen ist.

Von den verbleibenden 30 000 € ist schließlich noch der Sparer-Pauschbetrag i.H.v. 801 € (§ 20 Abs. 9 EStG) abzuziehen, so dass X im Ergebnis 29 199 € der Abgeltungsteuer zu unterwerfen hat. Die Steuer beträgt demzufolge 7 299,75 €, der SolZ 401,49 €. Die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG führt an dieser Stelle zu keinem günstigeren Ergebnis, da X auf Grund seiner sonstigen Einkünfte (200 000 €) bereits ohne die Kapitaleinkünfte einem höheren Steuersatz als 25 % unterliegt.

5. Aktien als Arbeitslohn

Folgende Fälle, in denen die Ausgabe von Aktien als Arbeitslohn zu erfassen sein kann sind zu beachten:

Bezeichnung des VorgangesEigen-Betriebliches Interesse des AGArbeitslohnWeitere Hinweise, BegründungRechtsprechung, Verwaltungsanweisungen
Beteiligung des Arbeitnehmers am Unternehmen des Arbeitgebers:Für die Ermittlung des gemeinen Wertes der Aktien s. auch BFH vom 29.7.2010, VI R 30/07
die Arbeitnehmerstellung ist nicht mitprägend für den Erwerb der Aktien, sondern allein maßgeblich für die Auswahl der KäuferneinFG Hessen vom 10.12.2009, LEXinform 5010193
Ausgabe von GratisaktienmöglichjaEs muss nach Aussage des Gerichts ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des AG vorliegen.FG Düsseldorf vom 26.5.2010, LEXinform 5010156

Zu erfassen ist der geldwerte Vorteil beim ArbN im Zeitpunkt des Zuflusses der Aktien. Dies ist dann der Fall, wenn der ArbN die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Aktien erlangt. Ein solcher Zufluss liegt nicht vor, solange dem Arbeitnehmer die Verfügung über die Aktien rechtlich unmöglich ist (BFH vom 30.6.2011, BStBl II 2011, 923). Grundsätzlich ist laut BFH-Rspr. die tatsächliche Veranlassung der Zuteilung maßgebend. Ist das individuelle Dienstverhältnis des ArbN für die Zuteilung von Aktien maßgeblich, kommt die Annahme von Arbeitslohn in Betracht.

Dies ist der Fall, wenn ein Vorteil (hier die Zuteilung der Aktien) mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers darstellt, nicht aber wenn der Vorteil Entgelt für die Veräußerung eines Wirtschaftsgutes ist (BFH vom 30.6.2011, BStBl II 2011, 948). Bei Aktienoptionsrechten zugunsten des Arbeitnehmers fließt der Vorteil dem ArbN erst dann gem. § 11 EStG zu, wenn er das Optionsrecht ausübt oder anderweitig verwertet (BFH vom 18.9.2012, BStBl II 2013, 289).

Das Teileinkünfteverfahren findet auf Arbeitslohn aus Aktien keine Anwendung (BFH vom 20.12.2006, BFH/NV 2007, 698).

6. Die Bewertung von börsennotierten Aktien in der Erbschaftsteuer

Wie aus der Überschrift zu § 11 BewG zu erkennen ist, befasst sich die Vorschrift (auch) mit der Anteilsbewertung, insbes. der Anteile an KapGes (s. § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG). § 11 BewG unterscheidet in seinen Absätzen 1 und 2 Vorgänge innerhalb und außerhalb des Börsenverkehrs. Sofern Anteile verbrieft und börsennotiert sind (z.B. Aktien), ist vorrangig der Kurswert anzusetzen (s. § 11 Abs. 1 BewG). Ist dies nicht möglich (z.B. GmbH-Anteile), ist der gemeine Wert zu ermitteln (s. § 11 Abs. 2 BewG).

Aktien (Anteile mit Wertpapiercharakter), die am Bewertungsstichtag an der Börse gehandelt werden, sind mit dem niedrigsten am Stichtag notierten Kurs anzusetzen (s. § 11 Abs. 1 Satz 1 BewG). Der notierte Kurs der Wertpapiere ist als deren (vereinfacht zu ermittelnder) gemeiner Wert anzusehen. Es handelt sich um eine Typisierung bei der Wertfindung, die dem steuerlichen Massenverfahren Rechnung trägt und der gleichmäßigen Steuerfestsetzung dienen soll. Es erfolgt kein Abschlag vom Börsenkurs wegen eines tatsächlich unter dem Börsenkurs liegenden gemeinen Wertes (keine Öffnungsklausel). Abweichungen vom Kurswert sind nur dann zuzulassen, wenn der festgestellte Kurs nicht der wirklichen Geschäftslage des Verkehrs an der Börse entspricht, d.h. eine Streichung des festgestellten Kurses hätte erreicht werden können (s. BFH vom 1.10.2001, BFH/NV 2002, 319).

Es muss der niedrigste am Stichtag an einer der acht deutschen Börsen im amtlichen Börsenhandel (nach dem Börsenzulassungsgesetz vom 16.12.1986 [BGBl I 1986, 2478] vollzieht sich der Handel zum einen im amtlichen Handel und zum anderen im geregelten Markt oder Freiverkehr) notierte Kurs (bei variablen Kursen = Kassakurs, ansonsten Einheitskurs) festgestellt werden (nicht Eröffnungs-/Schlusskurs, es sei denn, er wäre der niedrigste). Durch das Finanzmarktrichtlinienumsetzungsgesetz vom 16.7.2007 (BGBl I 2007, 1330) wurde der Begriff »amtlicher Handel« durch »Handel im regulierten Markt« ab 1.11.2007 ersetzt. Diese neue Terminologie erfolgte als Reaktion auf die neuen Begrifflichkeiten des Börsengesetzes. Liegt eine Kursnotierung zum Stichtag nicht vor (z.B. weil kein Börsenhandel erfolgt ist oder Aktie nicht notiert ist), ist der letzte innerhalb der letzten 30 Tage vor dem Stichtag notierte Kurs – unabhängig von seiner Höhe – maßgebend (s. § 11 Abs. 1 Satz 2 BewG). Kurse nach dem Stichtag sind ohne Relevanz.

Entsprechend ist zu verfahren, wenn die Aktie in den Freiverkehr einbezogen ist (s. § 11 Abs. 1 Satz 3 BewG). Es ist also zwischen den im amtlichen Börsenhandel festgestellten Kursen und den Preisen von Wertpapieren, die im geregelten Markt/Freiverkehr gehandelt werden, zu unterscheiden. Erstere werden im amtlichen Kursblatt bekanntgegeben, letztere können »veröffentlicht« werden (z.B. im Kursblatt der Börse). Werden Kurse amtlich festgestellt, so haben sie im Rahmen des § 11 Abs. 1 BewG ein größeres Gewicht als die im Freiverkehr veröffentlichten Kurse. Liegt ein amtlicher Börsenkurs für die letzten dreißig Tage vor dem Besteuerungszeitpunkt nicht vor, kann auch bei Aktien, die im amtlichen Markt gehandelt werden, auf die nichtamtlichen Kurse im geregelten Markt/Freiverkehr zurückgegriffen werden. Kurs i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 3 BewG ist auch der im Kursblatt einer Börse angegebene Kurs mit dem Zusatz »G«. Dieser Kurs ist jedoch für die Bewertung nicht von Bedeutung, wenn er im geregelten Freiverkehr veröffentlicht wurde und erwiesen ist, dass ihm kein Kaufangebot innerhalb der Dreißigtagefrist des § 11 Abs. 1 Satz 2 BewG zugrunde liegt (s. BFH vom 21.2.1990, BStBl II 1990, 490).

Werden Aktien in einem Bankdepot verwaltet, so wird wohl i.d.R. der von der Bank anzuzeigende Kurswert vom FA übernommen werden (s. § 33 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 1 ErbStDV/Muster 1).

Bei ausländischen Aktien ist, wenn ein Telefonkurs im inländischen Bankverkehr vorliegt, dieser maßgebend. Lässt sich der gemeine Wert nicht auf dieser Grundlage ermitteln, ist er möglichst aus den Kursen des Emissionslandes abzuleiten. Bei jungen Aktien und Vorzugsaktien, die (noch) nicht an der Börse eingeführt sind, ist der gemeine Wert aus dem Börsenkurs der Stammaktien abzuleiten (s. R B 11.1 Abs. 3 und 4 ErbStR 2019).

7. Literaturhinweise

Preißer/Bressler, in: Preißer, Die Steuerberaterprüfung 2020, Bd. 1, 19. A., Teil A Kap. II 2., Stuttgart 2020; Mertens/Karrenbrock, Die Abgeltungsteuer im Kontext des objektiven und subjektiven Nettoprinzips – Zugleich Anmerkungen zum Urteil des FG Baden-Württemberg vom 17.12.2012, 9 K 1637/10, DStR 2013, 950; Bender/Bracksiek, Satzungsdurchbrechende Beschlüsse als Grundlage der steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen, DStR 2014, 121; Schäfer/Scholz, Offene Fragen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Abgeltungsteuer, DStR 2012, 1885; Korn, Ausgaben und Verluste bei Anteilen an Kapitalgesellschaften in Teileinkünfteverfahren und Abgeltungsteuer DStR 2009, 2509; Preißer/von Rönn/Schultz-Aßberg, Unternehmensteuerreform 2008, 1. A.

Zur Bewertung von Aktien (und der verschiedenen Aktiengattungen): Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, 11. A., § 11, Rn. 14 ff.

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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Überblick allgemeiner Durchschnittssätze.

1. Allgemeiner Überblick über die Durchschnittssatzbesteuerung
Folgende Unternehmer können ihre abziehbaren Vorsteuern ganz oder teilweise nach Durchschnittssätzen ermitteln (Abschn. 15.1 Abs. 3 UStAE):

  1. Unternehmer bestimmter Berufs- und Gewerbezweige mit einem Vorjahresumsatz bis zu 61 356 € (§ 23 UStG, §§ 69, 70 und Anlage der UStDV);
  2. Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG mit einem Vorjahresumsatz bis zu 35 000 € (§ 23a UStG; → Gemeinnützigkeit) und
  3. land- und forstwirtschaftliche Betriebe (§ 24 UStG; → Land- und Forstwirtschaft).

2. Grundsätzliches zur Vorsteuerpauschalierung i.S.d. § 23 UStG

Unternehmer, die in bestimmten Berufs- bzw. Gewerbezweigen tätig sind, können ihre Vorsteuer bzw. Teile ihrer Vorsteuer abweichend von § 15 UStG pauschal ohne einen besonderen Nachweis bzw. eine Rechnung mit einem bestimmten Prozentsatz ihres Netto-Ausgangsumsatzes im betreffenden Berufs- bzw. Gewerbezweig geltend machen. Hierzu ist erforderlich, dass der Unternehmer vom FA die Genehmigung erhalten hat, in dem betreffenden Berufs- bzw. Gewerbezweig den pauschalen Vorsteuerabzug vorzunehmen. Die abzugsfähigen Vorsteuerbeträge, die normalerweise mit Eingangsumsätzen zusammenhängen, werden pauschal mit einem bestimmten Prozentsatz des Ausgangsumsatzes bemessen.

Die Genehmigung wird regelmäßig konkludent (ohne ausdrücklichen Verwaltungsakt) durch Anerkennung des Vorsteuerabzugs erteilt. Lediglich die Ablehnung eines Antrags auf pauschale Vorsteuerermittlung muss durch ausdrücklichen Verwaltungsakt erfolgen.

Das FA hat nicht zu prüfen, ob und ggf. inwieweit die nach allgemeinen Durchschnittsätzen ermittelte Vorsteuer von der tatsächlich entstandenen Vorsteuer abweicht. Die Anwendung des Durchschnittssatzes ist deshalb auch dann nicht zu beanstanden, wenn im Einzelfall eine erhebliche Abweichung festgestellt wird (Abschn. 23.1 Abs. 1 UStAE).

Der Zweck der Vorschrift besteht in der »Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens« (§ 23 Abs. 1 UStG). Den nicht buchführungsverpflichteten Unternehmern soll die Durchführung der Mehrwertsteuer erleichtert werden. Diese Erleichterung besteht darin, dass in dem Umfang der Pauschalierung der Unternehmer von den Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG befreit ist (§ 66 UStDV).

Da die Ausgangsumsätze Grundlage für die Bemessung des Vorsteuerabzugs sind, ist das Durchschnittssatzverfahren des § 23 UStG beim Reverse-Charge-Verfahren i.S.d. § 13b UStG (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers) beim Leistungsempfänger nicht anwendbar.

Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sind in Art. 180 und 281 MwStSystRL zu finden.

3. Voraussetzungen für die Anwendung der allgemeinen Durchschnittsätze nach § 23 UStG

3.1. Die Voraussetzungen im Überblick

Die Voraussetzungen sind:

  • Regelbesteuerung,
  • Antrag nach § 23 UStG,
  • kein Widerruf einer genehmigten pauschalen Vorsteuerermittlung innerhalb der vorangegangenen fünf Kj.,
  • keine Buchführungspflicht im betreffenden Berufs- bzw. Gewerbezweig,
  • Vorjahresumsatz im betreffenden Berufs- bzw. Gewerbezweig von nicht mehr als 61 356 € netto (§ 69 Abs. 3 UStDV),
  • Umsätze in einem Berufs- oder Gewerbezweig lt. Anlage zu den §§ 69, 70 UStDV im betreffenden Kj.

3.2. Regelbesteuerung

Regelbesteuerung liegt dann vor, wenn der Unternehmer der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG unterliegt (s.a. Abschn. 19.5 UStAE). Negativ ausgedrückt unterliegt der Unternehmer dann nicht der Regelbesteuerung, wenn seine Umsätze unter

  • die Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG (→ Kleinunternehmer) oder
  • die Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG (→ Land- und Forstwirtschaft)

fallen.

3.3. Antrag nach § 23 UStG

Der Antrag nach § 23 Abs. 3 UStG bedarf keiner besonderen Form. Er kann ebenso wie die Option nach § 19 Abs. 2 UStG konkludent, z.B. durch Geltendmachung eines pauschalen Vorsteuerabzugs in einer USt-Voranmeldung bzw. USt-Jahreserklärung gestellt werden. Der Antrag ist bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung zu stellen (§ 23 Abs. 3 Satz 1 UStG). Eine Steuerfestsetzung ist unanfechtbar, wenn

  • auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs wirksam verzichtet oder
  • ein Rechtsbehelf wirksam zurückgenommen worden ist,
  • die Rechtsbehelfsfrist ohne Einlegung eines förmlichen Rechtsbehelfs abgelaufen oder
  • gegen den Verwaltungsakt oder die gerichtliche Entscheidung kein Rechtsbehelf mehr gegeben ist.

Dabei ist unter Unanfechtbarkeit die formelle Bestandskraft der erstmaligen Steuerfestsetzung zu verstehen, die auch in einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung oder in einer Steueranmeldung bestehen kann (s. Abschn. 23.4 Abs. 1 i.V.m. Abschn. 19.2 Abs. 6 UStAE; s.a. AEAO vor §§ 172 bis 177 Nr. 1).

Ein bereits gestellter Antrag kann bis zu diesem Zeitpunkt zurückgenommen werden (Abschn. 23.4 Abs. 3 UStAE). Zu den Wahlrechtsausübungen im Umsatzsteuerrecht s. → Geschäftsveräußerung unter dem Gliederungspunkt »Fortführung von Wahlrechten«.

3.4. Widerruf des Antrags

Der Antrag kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kj. an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kj., für das er gelten soll, zu erklären. Eine erneute Besteuerung nach Durchschnittssätzen ist frühestens nach Ablauf von fünf Kalenderjahren zulässig (§ 23 Abs. 3 Satz 2 ff. UStG). Ebenso wie der Antrag ist auch der Widerruf an keine bestimmte Form gebunden und kann auch durch schlüssiges Verhalten vorgenommen werden (Abschn. 23.4 Abs. 2 Satz 1 UStAE).

Ein Widerruf i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 2 UStG liegt nicht vor, wenn der Antrag auf Besteuerung nach Durchschnittssätzen zurückgenommen wird, bevor die Steuerfestsetzung zumindest eines Kj., für das ein Durchschnittssatz in Anspruch genommen wurde, unanfechtbar geworden ist.

Der Wegfall von Voraussetzungen für die Anwendung von Durchschnittssätzen (Überschreiten der 61 356 €-Grenze oder Eintritt der Buchführungspflicht) gilt nicht als Widerruf, wenn der Unternehmer die Durchschnittssätze für das Kj. wieder in Anspruch nimmt, bei dessen Beginn die Voraussetzungen zuerst wieder vorliegen. Macht der Unternehmer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, gilt dies als Widerruf mit Wirkung vom Beginn des Kj. ab, für das die Durchschnittssätze zuerst nicht mehr angewendet werden durften (Abschn. 23.4 Abs. 4 UStAE).

Beispiel 1:

Unternehmer U, ein Komponist und Kapellmeister, machte in seinen USt-Erklärungen bis einschließlich Kj. 01 die nach einem allgemeinen Durchschnittssatz ermittelte Vorsteuer nach § 23 UStG geltend. In seiner für das Kj. 02 eingereichten USt-Erklärung gab er dagegen die Summe der ihm tatsächlich in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge an. Das FA stellte die errechnete USt unverändert zum Soll und übersandte U die Abrechnung und die Zahlungsaufforderung.

In seinen USt-Erklärungen für die weiteren Jahre (Kj. 03 bis 05) machte U wiederum die Vorsteuerbeträge nach den allgemeinen Durchschnittsätzen geltend. Das FA ließ dagegen in den entsprechenden USt-Bescheiden nur die – niedrigeren – wirklich angefallenen Vorsteuerbeträge zum Abzug zu, und zwar mit der Begründung, dass die USt-Erklärung für das Kj. 02 einen Widerruf des Antrags i.S.v. § 23 Abs. 3 UStG enthalten habe. Einen Antrag des U, die Steueranmeldung für das Kj. 02 gem. § 164 Abs. 2 AO zu ändern, lehnte das FA ab.

Lösung 1:

Sachverhalt und Lösung ergeben sich aus dem BFH-Urteil vom 11.12.1997 (V R 50/94, BStBl II 1998, 420).

Das FA hat die Angabe der tatsächlich angefallenen Vorsteuerbeträge in der USt-Erklärung für das Kj. 02 als Widerruf des Antrags des U auf Berechnung der Vorsteuerbeträge nach Durchschnittsätzen gewertet. Das FA durfte die Angabe der tatsächlich angefallenen Vorsteuerbeträge in der USt-Erklärung für das Kj. 02 als (stillschweigenden) Widerruf i.S.d. § 23 Abs. 3 UStG werten. Die Rücknahme des stillschweigenden Widerrufs des Antrages auf Berechnung der Vorsteuerbeträge nach Durchschnittsätzen scheitert an der formellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung für das Kj. 02 (s.a. BFH Urteil vom 28.5.1998, V R 98/96, BFH/NV 1998, 1536, LEXinform 0161051).

Beispiel 2:

Der Unternehmer hat im Kj. 02 die § 23-Besteuerung in Anspruch genommen. Wegen Überschreitung der 61 356 €-Grenze im Kj. 02 unterlag er im Kj. 03 der Regelbesteuerung. Im Kj. 03 ergab sich keine Überschreitung der 61 356 €-Grenze. Gleichwohl verblieb der Unternehmer auch im Kj. 04 bei der Regelbesteuerung.

Lösung 2:

Der Unternehmer kann frühestens für das Kj. 08 die § 23-Besteuerung wieder in Anspruch nehmen. Die 5-Jahressperrfrist beginnt bereits mit Beginn des Kj. 03 zu laufen (Abschn. 23.4 Abs. 4 Satz 2 UStAE).

3.5. Keine Buchführungspflicht

Nach § 23 Abs. 1 UStG ist Voraussetzung für die Durchführung nach Durchschnittssätzen, dass der Unternehmer nicht zur Buchführung verpflichtet ist. Die Buchführungspflicht ergibt sich aus § 238 HGB oder aus § 141 AO.

Die handelsrechtliche Buchführungsverpflichtung entsteht kraft Gesetzes und ist nicht erst nach einer entsprechenden Aufforderung zu befolgen. Demgegenüber ist die abgabenrechtliche Buchführungspflicht erst vom Beginn des Kj. an zu erfüllen, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung folgt, durch die die Finanzbehörde auf den Beginn dieser Verpflichtung hingewiesen hat (§ 141 Abs. 2 Satz 1 AO). Soweit die Buchführungspflicht nur für einen besonderen Zweig des Unternehmens besteht, ist die Pauschalierungsmöglichkeit für andere Zweige des Unternehmens nicht ausgeschlossen. Für Freiberufler besteht keine Buchführungspflicht.

Die Durchschnittssätze können auch dann in Anspruch genommen werden, wenn freiwillig Bücher geführt werden, da § 23 UStG darauf abstellt, dass keine Verpflichtung besteht.

3.6. Umsatzgrenze i.S.d. § 69 Abs. 3 UStDV

3.6.1. Definition des Vorjahresumsatzes

Die Durchschnittssätze können nur von solchen Unternehmern in Anspruch genommen werden, deren Umsatz i.S.d. § 69 Abs. 2 UStDV in den einzelnen in der Anlage der UStDV bezeichneten Berufs- und Gewerbezweigen im vorangegangenen Kj. 61 356 € nicht überstiegen hat (s.a. Abschn. 23.1 Abs. 2 UStAE).

Der Vorjahresumsatzbegriff ist mit dem Umsatzbegriff i.S.d. § 69 Abs. 2 UStDV identisch. Maßgebend ist demnach der Umsatz nach § 69 Abs. 2 UStDV, der auch der Berechnung der Vorsteuer zugrunde zu legen ist. Zu beachten ist allerdings, dass sich die 61 356 €-Grenze des Vorjahresumsatzbegriffs immer nur auf den Umsatz eines einzelnen Zweigs der Anlage bezieht. Dies bedeutet, dass ein in mehreren Zweigen tätiger Unternehmer die Pauschalierung auch dann in Anspruch nehmen kann, wenn sein Gesamtumsatz höher als 61 356 € ist.

Mit dem Begriff des »Umsatzes« definiert das UStG immer einen Nettoumsatz, dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG, der von einem »Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer« spricht.

Die Ermittlung des Umsatzes i.S.d. § 69 Abs. 3 UStDV erfolgt entsprechend der angewendeten Besteuerungsart entweder nach vereinbarten oder nach vereinnahmten Entgelten (s.a. § 19 Abs. 3 Satz 2 UStG). Maßgeblich sind die Umsätze, für die nach der jeweiligen Besteuerungsart die USt nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG entstanden ist; auch Anzahlungen sind in die Ermittlung des Umsatzes mit einzubeziehen.

Wegen der Begrenzung der Anwendung der Vorsteuerpauschalierung auf einen Höchstumsatz von 61 356 € dürfte die praktische Anwendung sehr begrenzt sein. Nur nebenberuflich tätige Unternehmer – insbesondere Freiberufler – dürften in den Genuss der Vorsteuerpauschalierung kommen, da bis zu einem Umsatz von rund 61 000 € kein nennenswerter Gewinn zu erzielen ist.

3.6.2. Beginn der unternehmerischen Tätigkeit

Hat der Unternehmer, der einen Durchschnittssatz in Anspruch nehmen will, seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des vorangegangenen Kj. ausgeübt, so ist der tatsächliche Umsatz in einen Jahresumsatz umzurechnen. Angefangene Kalendermonate sind bei der Umrechnung als volle Kalendermonate zu behandeln, es sei denn, dass die Umrechnung nach Tagen zu einem niedrigeren Jahresumsatz führt (s. § 19 Abs. 3 Satz 3 und 4 UStG und Abschn. 23.1 Abs. 3 UStAE).

Bei Betriebseröffnungen innerhalb des laufenden Kj. ist der voraussichtliche Umsatz dieses Jahres maßgebend. Das gilt auch dann, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass der tatsächliche Umsatz vom voraussichtlichen Umsatz abweicht (Abschn. 23.1 Abs. 3 Satz 3 und 4 UStAE; s.a. FG Baden-Württemberg Urteil vom 21.1.2011, 14 K 4140/10, LEXinform 5011612, rkr.).

3.6.3. Erweiterung der unternehmerischen Tätigkeit durch Hinzuerwerbe

Grundsätzlich tritt der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers (s. § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG). Diese Regelung ist allerdings nur in Verbindung mit § 15a Abs. 10 UStG zu sehen. Nach Abschn. 23.1 Abs. 3 Satz 5 UStAE kann für die Berechnung des Umsatzes des vorangegangenen Kj. von einer Zusammenrechnung der Umsätze des Unternehmers und seines Rechtsvorgängers abgesehen werden. Der Hinzuerwerb unter Lebenden ist zwar nicht explizit in Abschn. 23.1 Abs. 3 UStAE geregelt, muss m.E. aber entsprechend behandelt werden (s.a. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 23 UStG Rz. 21.1).

Beispiel 3:

Der Unternehmer F betreibt eine Schuhmacherei mit einem Umsatz von 61 000 € sowie einen Einzelhandel für Schuhe und Schuhwaren mit einem Umsatz von 15 250 €.

Lösung 3:

F ist in zwei Zweigen der »Systeme der Wirtschaftszweige« tätig. Sowohl die Schuhmacherei (Abschn. A Teil I Nr. 19) als auch der Schuhhandel (Abschn. A Teil II Nr. 13) sind in der Anlage zu §§ 69, 70 UStDV aufgeführt. Die Vorsteuerpauschalierung ist beim Handwerksbetrieb Schuhmacherei mit 6,5 % und beim Schuhhandelsbetrieb mit 11,8 % des maßgeblichen Umsatzes i.S.d. § 69 Abs. 2 UStDV möglich.

Die Umsätze des Handwerksbetriebs betragen 80 % des Gesamtumsatzes. Es können die Durchschnittssätze des Handwerksbetriebs i.H.v. 6,5 % auf alle Umsätze angewendet werden (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 3 UStAE). In diesem Fall würde die Vorsteuerpauschalierung des Schuhhandels ebenfalls i.H.v. 6,5 % statt mit 11,8 % durchgeführt. Da aber die Vorsteuerpauschalierung lediglich nach einem Zweig der Anlage (Teil I Nr. 19) durchgeführt wird, übersteigt der Umsatz i.S.d. § 69 Abs. 2 UStG mit insgesamt 76 250 € die Umsatzgrenze des § 69 Abs. 3 UStDV i.H.v 61 356 €. Eine Vorsteuerpauschalierung kann in diesem Fall nicht in Anspruch genommen werden.

Da die Verwaltungsregelung in Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 3 UStAE eine »Kannregelung« ist, können auch beide Durchschnittssätze in Anspruch genommen werden. Die Umsatzgrenze des § 69 Abs. 3 UStDV bezieht sich auf jeden einzelnen Berufs- oder Gewerbezweig (Abschn. 23.1 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Betätigt sich der Unternehmer in verschiedenen derartigen Zweigen, so ist der Umsatz für jeden Zweig gesondert zu betrachten (s.a. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 23 UStG Rz. 21; anderer Auffassung Birkenfeld/Wäger, USt-Handbuch § 228 Rz. 58). Da in keinem Zweig der Anlage die Umsatzgrenze des § 69 Abs. 3 UStDV i.H.v. 61 356 € überschritten ist, kann in jedem Zweig die Vorsteuerpauschalierung angewendet werden.

3.7. Umsätze in einem zulässigen Berufs- bzw. Gewerbezweig lt. Anlage zu §§ 69, 70 UStDV

3.7.1. Umsatz i.S.d. § 69 Abs. 2 UStDV

Zur Ermittlung der Vorsteuerpauschalierung ist nach § 69 Abs. 2 UStDV der Umsatz, den der Unternehmer im Rahmen der in der Anlage zu §§ 69 und 70 UStDV bezeichneten Berufs- und Gewerbezweige ausführt, wie folgt zu ermitteln:

Summe der steuerbaren Umsätze im jeweiligen Zweig der Anlage
./.Einfuhrumsätze (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG)
./.innergemeinschaftliche Erwerbe (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG)
./.Umsätze i.S.v. § 4 Nr. 8 UStG (Finanzumsätze, → Steuerbefreiungen gem. § 4 UStG)
./.Umsätze i.S.v. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG (Umsätze, die unter das GrEStG fallen, → Steuerbefreiungen gem. § 4 UStG)
./.Umsätze i.S.v. § 4 Nr. 10 UStG (Versicherungsleistungen, → Steuerbefreiungen gem. § 4 UStG)
./.Umsätze i.S.v. § 4 Nr. 21 UStG (Schulische Leistungen, → Lehrtätigkeit und Unterrichtsvergütung)
=Umsatz gem. § 69 Abs. 2 UStDV

Zur Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Vorsteuerabzuges nach Durchschnittssätzen zählen auch steuerfreie Umsätze, soweit sie nicht besonders ausgenommen sind. Auf den Gesamtumsatz des Unternehmers wird nicht abgestellt (Abschn. 23.1 Abs. 2 Satz 2 UStAE). Die in § 69 Abs. 2 UStDV bezeichneten Umsätze i.S.v. § 4 UStG sind auch dann nicht einzubeziehen, wenn diese Umsätze steuerpflichtig sind. In den Fällen des § 4 Nr. 8 und Nr. 9 Buchst. a UStG kann der Unternehmer nach § 9 UStG auf die Steuerfreiheit verzichten. § 69 Abs. 2 UStDV spricht nicht von steuerfreien, sondern von den dort »bezeichneten« Umsätzen. Alle anderen steuerfreien Umsätze sind einzubeziehen, auch wenn es sich um Ausschlussumsätze i.S.d. § 15 Abs. 2 UStG handeln sollte. Zur Berücksichtigung der steuerfreien Umsätze s.a. das BFH-Urteil vom 11.8.1994 (XI R 99/92, BStBl II 1995, 346). Der BFH begründet seine Entscheidung u.a. wie folgt: »Die Ausgliederung bestimmter steuerfreier Umsätze bedeutet, dass die übrigen steuerfreien Umsätze in die Bemessung des zugrunde zu legenden Umsatzes eingehen. Zwar ist in § 23 Abs. 2 UStG bestimmt, dass die Durchschnittsätze zu einer Steuer führen müssen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach dem UStG ohne Anwendung der Durchschnittsätze ergeben würde. Diese Vorschrift wendet sich aber ausschließlich an den Verordnungsgeber. Sie legt keine zusätzliche und im Einzelfall zu beachtende tatbestandsmäßige Auslegung für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs nach Durchschnittssätzen fest. Auch der Verordnungsgeber braucht nicht den Willen gehabt zu haben, wesentliche Abweichungen im Einzelfall zu vermeiden; lediglich für Gruppen von Unternehmern soll es nicht zu wesentlichen Abweichungen kommen. Andernfalls könnte der Zweck der Vorschrift, das Besteuerungsverfahren zu vereinfachen, nicht verwirklicht werden (BFH Urteil vom 11.1.1990, V R 189/84, BStBl II 1990, 405). Diesem Vereinfachungszweck entspricht es, dass nicht nur steuerpflichtige, sondern auch steuerfreie Umsätze in die Bemessungsgrundlage der Durchschnittssätze für den Vorsteuerabzug eingehen. Der BFH braucht nicht zu entscheiden, ob im Hinblick darauf, dass nach § 23 UStG abziehbare Vorsteuerbeträge pauschaliert werden sollen, etwas anderes gilt, wenn die Umsätze aus der freiberuflichen Nebentätigkeit ausschließlich steuerfrei sind«.

Berücksichtigt werden auch außerordentliche Umsätze wie Neben- und Hilfsgeschäfte, wenn sie in einem genannten Zweig ausgeführt werden (s.u.). Ausgenommen von den Hilfsgeschäften sind Grundstückslieferungen (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG i.V.m. § 69 Abs. 2 UStDV; s. Birkenfeld/Wäger, USt-Handbuch § 23 Rz. 46 ff.).

Vom Vorsteuerabzug des § 15 UStG ausgeschlossen sind die Steuerbeträge für Umsätze, auf die sich die Durchschnittssätze des § 70 UStDV erstrecken (Abschn. 15.1 Abs. 6 Satz 2 UStAE). Der Vorsteuerausschluss i.S.d. § 15 UStG betrifft

  1. sämtliche Vorsteuerbeträge, die mit der Tätigkeit der Unternehmer in den in Abschn. A der Anlage zu den §§ 69 und 70 UStDV bezeichneten Berufs- und Gewerbezeigen zusammenhängen (§ 70 Abs. 1 UStDV), und
  2. die Vorsteuerbeträge, die nach den in Abschn. B der Anlage zu den §§ 69 und 70 UStDV bezeichneten Durchschnittssätzen berechnet werden. Darüber hinaus können die in § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStDV bezeichneten Vorsteuerbeträge nach § 15 UStG abgezogen werden.

Da bei der Vorsteuerpauschalierung der Vorsteuerabzug nach § 15 UStG ausgeschlossen ist und somit das konkret bezeichnete Wirtschaftsgut bzw. die konkrete Leistung nicht mit dem Vorsteuerabzug entlastet wird, liegt keine steuerbare unentgeltliche Wertabgabe vor. Die Entnahme eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands wird nach § 3 Abs. 1b UStG nur dann einer entgeltlichen Lieferung gleichgestellt, wenn der entnommene oder zugewendete Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (Abschn. 3.3 Abs. 2 Satz 1 UStAE, § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG). Dies gilt auch für unentgeltliche Wertabgaben i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG (s. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG; s.a. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 23 UStG Rz. 42). Unentgeltliche Wertabgaben i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG sind dagegen unabhängig vom Vorsteuerabzug anzusetzen (s.a. § 10 Abs. 4 Nr. 3 UStG). Unentgeltliche Wertabgaben i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG gehören daher zum Umsatz i.S.d. § 69 Abs. 2 UStDV (s.a. Birkenfeld/Wäger, USt-Handbuch § 228 Rz. 69).

3.7.2. Umsätze in einem zulässigen Berufs- bzw. Gewerbezweig

Die Anlage zu §§ 69, 70 UStDV führt bestimmte Berufs- bzw. Gewerbezweige auf, denen die »Systematik der Wirtschaftszweige« Ausgabe 1961 – herausgegeben vom Statistischen Bundesamt – zugrunde liegt (Abschn. 23.2 Abs. 1 UStAE). In Zweifelsfällen ist für die Einordnung diese Systematik heranzuziehen (s. die Homepage des Statistischen Bundesamtes Deutschland – www.destatis.de). Einzubeziehen in die Umsätze des jeweiligen Berufs- oder Gewerbezweigs sind die Grund-, Hilfs- und Nebengeschäfte. Grundgeschäfte sind die Geschäfte, die die eigentliche Unternehmereigenschaft i.S.d. § 2 UStG begründen. Hilfsgeschäfte sind die Umsätze, die zwar zur unternehmerischen Tätigkeit gehören, jedoch nicht den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens bilden (z.B. Verkauf von Anlagegütern; s.a. Abschn. 2.7 Abs. 2 und Abschn. 19.3 Abs. 2 UStAE). Nebengeschäfte sind Umsätze, die sich im Gefolge der Haupttätigkeit ergeben (z.B. der gelegentliche Vortrag, das gelegentliche Gutachten).

Die Nebengeschäfte sind abzugrenzen von Nebenleistungen und Nebentätigkeiten. Nebenleistungen teilen umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung (Abschn. 3.10 Abs. 5 UStAE). Die Nebentätigkeit muss von der Haupttätigkeit eindeutig abgrenzbar sein. In vielen Fällen werden die Haupttätigkeit unselbstständig und die Nebentätigkeit selbstständig ausgeübt. Nicht als Nebentätigkeit angesehen werden kann eine Tätigkeit, die vom ArbG der Haupttätigkeit vergütet wird und mit dieser unmittelbar zusammenhängt. Zur Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebentätigkeit eines Hochschullehrers s. das BFH-Urteil vom 11.8.1994 (XI R 99/92, BStBl II 1995, 346). Im Zusammenhang mit der Anwendung der Vorsteuerpauschalierung werden als Nebentätigkeiten die Tätigkeiten bezeichnet, die zusätzlich zu dem jeweiligen Berufs- oder Gewerbezweig (Haupttätigkeit) ausgeführt werden (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 3 ff. UStAE).

Für die Einordnung in die jeweiligen Berufs- oder Gewerbezweige sind hauptsächlich folgende Fälle zu unterscheiden:

  1. Der Unternehmer ist nur in einem Zweig tätig. Es muss geprüft werden, ob dieser Zweig in der Anlage zur UStDV aufgeführt ist. Ist dies der Fall, kann der Unternehmer den pauschalen Vorsteuerabzug aus seinem Gesamtnettoumsatz i.S.v. § 69 Abs. 2 UStDV errechnen, auch wenn hierin Hilfs- und Nebenumsätze enthalten sind, die an sich nicht unter den Zweig der Anlage zur UStDV fallen. Zur Berechnung des für die pauschale Vorsteuer maßgeblichen Umsatzes s.o. Es erfolgt entweder eine Vollpauschalierung nach § 70 Abs. 1 UStDV oder eine Teilpauschalierung nach § 70 Abs. 2 UStDV.
  2. Der Unternehmer hat mehrere Betriebe, wovon jeder unter einen anderen Berufs- oder Gewerbezweig der »Systematik der Wirtschaftszweige« fällt. Es müsste für jeden Betrieb gesondert geprüft werden, ob er unter die Anlage zur UStDV fällt. Die Verwaltung lässt es jedoch bis zu bestimmten Grenzen zu, dass auch Umsätze mit eingerechnet werden, die üblicherweise in das Gebiet anderer Berufs- oder Gewerbezweige fallen (Abschn. 23.2 Abs. 2 UStAE; s.a. Beispiele 4 ff.).
  3. Der Unternehmer betreibt ein Handelsgeschäft, in dem er verschiedene Waren veräußert. Ein Teil der Umsätze fällt unter einen Zweig der Anlage. Es muss geprüft werden, ob die unter dem Zweig der Anlage fallenden Warenumsätze überwiegen (mehr als 50 % des Gesamtumsatzes). Ist dies der Fall, kann der Unternehmer die Vorsteuerpauschale von den gesamten Warenumsätzen berechnen. Andernfalls kann die Vorsteuerpauschale nur von den Warenumsätzen, die unter den betreffenden Zweig der Anlage fallen, in Anspruch genommen werden (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 2 UStAE).
  4. Der Unternehmer betreibt eine gemischte Tätigkeit außerhalb eines Handelsgeschäfts. Ein Teil der Tätigkeit fällt unter einen Zweig der Anlage.

    Es muss geprüft werden, ob die nicht unter den Zweig der Anlage fallenden Umsätze mehr als 25 % des Gesamtumsatzes (Umsatz jeweiliger Berufszweig und Nebentätigkeit) ausmachen. Ist dies nicht der Fall, kann die Vorsteuerpauschale des betreffenden Zweiges auf die gesamten Umsätze angewandt werden. Ist dies dagegen der Fall, kann die Vorsteuerpauschale nur von dem Umsatz errechnet werden, der unter den Zweig der Anlage fällt (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 3 ff. UStAE).

  5. Der Unternehmer betreibt eine gemischte Tätigkeit, die unter verschiedene Zweige der Anlage fällt, wobei die Tätigkeit in keinem Zweig mehr als 75 % des Gesamtumsatzes beträgt.

    Die Vorsteuerpauschale ist für jeden Zweig gesondert zu errechnen.

    Fallen die Umsätze unter verschiedene Zweige der Anlage und beträgt der Umsatz in einem Zweig mehr als 75 % des Gesamtumsatzes (Hauptumsatz), können die in den anderen Zweigen getätigten Umsätze (Nebentätigkeiten) dem Hauptumsatz zugerechnet werden (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 3 ff. UStAE).

Beispiel 4:

Der Unternehmer A betreibt die Herstellung von Christbaumschmuck.

Lösung 4:

A ist lediglich in einem Zweig der »Systeme der Wirtschaftszweige« tätig (Nr. 25 837 – Ausgabe 1961). Es muss geprüft werden, ob dieser Zweig in der Anlage zur UStDV aufgeführt ist. Die Herstellung von Christbaumschmuck ist in der Anlage zu §§ 69 und 70 UStDV nicht aufgeführt. Eine Vorsteuerpauschalierung ist nicht möglich.

Beispiel 5:

Der Unternehmer B betreibt eine Bäckerei (Handwerksbetrieb). B setzt seine Erzeugnisse überwiegend an Endverbraucher ab, ein Café betreibt B nicht.

Lösung 5:

B ist lediglich in einem Zweig der »Systeme der Wirtschaftszweige« tätig. Es muss geprüft werden, ob dieser Zweig in der Anlage zur UStDV aufgeführt ist. Der Handwerksbetrieb Bäckerei ist in Abschn. A Teil I. Nr. 1 der Anlage zu §§ 69, 70 UStDV aufgeführt. Eine Vorsteuerpauschalierung ist mit 5,4 % des maßgeblichen Umsatzes i.S.d. § 69 Abs. 2 UStDV möglich.

Bei den in Abschn. A der Anlage zur UStDV bezeichneten Berufs- und Gewerbezweigen sind mit den Durchschnittssätzen sämtliche Vorsteuerbeträge abgegolten, die mit diesen Tätigkeiten zusammenhängen, so dass ein weiterer Vorsteuerabzug insoweit ausgeschlossen ist (§ 70 Abs. 1 UStDV – Vollpauschalierung –).

Beispiel 6:

Der Unternehmer C ist selbstständiger Schornsteinfeger.

Lösung 6:

C ist lediglich in einem Zweig der »Systeme der Wirtschaftszweige« tätig. Es muss geprüft werden, ob dieser Zweig in der Anlage zur UStDV aufgeführt ist. Der Schornsteinfeger ist in Abschn. B Nr. 5 der Anlage zu §§ 69, 70 UStDV aufgeführt. Eine Vorsteuerpauschalierung ist mit 1,6 % des maßgeblichen Umsatzes i.S.d. § 69 Abs. 2 UStDV möglich.

Bei den in Abschn. B der Anlage zur UStDV aufgeführten Berufs- und Gewerbezweigen sind mit den Durchschnittssätzen nicht sämtliche Vorsteuerbeträge abgegolten. Neben dem pauschalierten Betrag können unter den Voraussetzungen des § 15 UStG noch bestimmte Vorsteuern in der tatsächlich angefallenen Höhe abgezogen werden (§ 70 Abs. 2 UStDV – Teilpauschalierung –).

Beispiel 7:

Der Unternehmer D betreibt eine Schuhmacherei sowie die Herstellung von Korb- und Flechtware.

Lösung 7:

D ist in zwei Zweigen der »Systeme der Wirtschaftszweige« tätig. Allerdings ist lediglich die Schuhmacherei in Abschn. A Teil I Nr. 19 der Anlage zu §§ 69, 70 UStDV aufgeführt. Die Vorsteuerpauschalierung ist mit 6,5 % des maßgeblichen Umsatzes i.S.d. § 69 Abs. 2 UStDV möglich. Betragen die Umsätze der Schuhmacherei mindestens 75 % des Gesamtumsatzes, so sind die Umsätze aus der Nebentätigkeit – Herstellung von Korb- und Flechtwaren – in die Vorsteuerpauschalierung mit einzubeziehen (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 3 UStAE).

Betragen die Umsätze aus der Nebentätigkeit – Herstellung von Korb- und Flechtwaren – mehr als 25 % des Gesamtumsatzes, so ist die Vorsteuerpauschalierung nur auf die Umsätze der Haupttätigkeit Schuhmacherei anzuwenden.

Bei den in Abschn. A der Anlage zur UStDV bezeichneten Berufs- und Gewerbezweigen sind mit den Durchschnittssätzen sämtliche Vorsteuerbeträge abgegolten, die mit diesen Tätigkeiten zusammenhängen, so dass ein weiterer Vorsteuerabzug insoweit ausgeschlossen ist (§ 70 Abs. 1 UStDV – Vollpauschalierung –).

Beispiel 8:

Der Unternehmer E betreibt einen Einzelhandel mit Blumen und Pflanzen mit einem Umsatz von 50 000 € sowie einen Handel mit Christbaumschmuck mit einem Umsatz von 20 000 €.

Lösung 8:

E ist in zwei Zweigen der »Systeme der Wirtschaftszweige« tätig. Allerdings ist lediglich der Einzelhandel mit Blumen und Pflanzen in Abschn. A Teil II Nr. 1 der Anlage zu §§ 69, 70 UStDV aufgeführt. Die Vorsteuerpauschalierung ist mit 5,7 % des maßgeblichen Umsatzes i.S.d. § 69 Abs. 2 UStDV möglich. Da die Umsätze des Blumen- und Pflanzenhandels überwiegen (mehr als 50 % des Gesamtumsatzes), sind die Umsätze aus der Nebentätigkeit – Handel mit Christbaumschmuck – in die Vorsteuerpauschalierung mit einzubeziehen (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 2 UStAE). Da der Umsatz i.H.v. 70 000 € die Umsatzgrenze des § 69 Abs. 3 UStDV i.H.v. 61 356 € übersteigt, kann in diesem Fall die Vorsteuerpauschalierung nicht in Anspruch genommen werden. Diese Vereinfachungsregelung muss aber nicht in Anspruch genommen werden. In diesem Fall sind die Umsätze, die der Unternehmer nicht im Rahmen der in der Anlage zu §§ 69, 70 UStDV bezeichneten Berufs- oder Gewerbezweige erzielt, für den Umsatz nach § 69 Abs. 3 UStDV unerheblich. Der Unternehmer darf dann von der Pauschalierung des Vorsteuerabzugs nach § 23 UStG Gebrauch machen, weil für die Umsatzgrenze von 61 356 € nur die Umsätze aus dem Blumenhandel erheblich sind.

Abwandlung:

Überwiegen die Umsätze aus dem Handel mit Christbaumschmuck mit 50 000 €, so ist die Vorsteuerpauschalierung nur auf die Umsätze des Blumen- und Pflanzenhandels mit einem Umsatz von 20 000 € anzuwenden (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 4 UStAE).

Bei den in Abschn. A der Anlage zur UStDV bezeichneten Berufs- und Gewerbezweigen sind mit den Durchschnittssätzen sämtliche Vorsteuerbeträge abgegolten, die mit diesen Tätigkeiten zusammenhängen, so dass ein weiterer Vorsteuerabzug insoweit ausgeschlossen ist (§ 70 Abs. 1 UStDV – Vollpauschalierung –).

Beispiel 9:

S.a. Beispiel 3.

Der Unternehmer F betreibt eine Schuhmacherei sowie einen Einzelhandel für Schuhe und Schuhwaren.

Lösung 9:

F ist in zwei Zweigen der »Systeme der Wirtschaftszweige« tätig. Sowohl die Schuhmacherei (Abschn. A Teil I Nr. 19) als auch der Schuhhandel (Abschn. A Teil II Nr. 13) sind in der Anlage zu §§ 69, 70 UStDV aufgeführt. Die Vorsteuerpauschalierung ist beim Handwerksbetrieb Schuhmacherei mit 6,5 % und beim Schuhhandelsbetrieb mit 11,8 % des maßgeblichen Umsatzes i.S.d. § 69 Abs. 2 UStDV möglich.

Überwiegen die Umsätze des Schuhhandelsbetriebs (mehr als 50 % des Gesamtumsatzes), so sind die Umsätze aus der Nebentätigkeit – Schuhmacherei – in die Vorsteuerpauschalierung mit einzubeziehen (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 2 UStAE).

Überwiegen die Umsätze des Handwerksbetriebs und betragen diese Umsätze mindestens 75 % des Gesamtumsatzes, so können die Durchschnittssätze des Handwerksbetriebs i.H.v. 6,5 % auf alle Umsätze anwendet werden. In diesem Fall würde die Vorsteuerpauschalierung des Schuhhandels ebenfalls i.H.v. 6,5 % statt mit 11,8 % durchgeführt. Da die Verwaltungsregelung in Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 3 UStAE eine »Kann-Regelung« ist, können auch beide Durchschnittssätze in Anspruch genommen werden.

4. Umfang der Durchschnittssätze

4.1. Vollpauschalierung

Handelt es sich bei dem Berufs- bzw. Gewerbezweig um einen in Abschn. A der Anlage zu §§ 69, 70 UStDV aufgeführten Zweig, ist durch die so ermittelte Pauschale der gesamte Vorsteuerabzug abgegolten. Ein weiterer Vorsteuerabzug ist darüber hinaus ausgeschlossen (§ 70 Abs. 1 UStDV; Abschn. 23.3 Abs. 1 UStAE).

4.2. Teilpauschalierung

Handelt es sich um einen in Abschn. B der Anlage zu §§ 69, 70 UStDV aufgeführten Zweig, so können neben der dort genannten Vorsteuerpauschale noch zusätzlich folgende Vorsteuerbeträge geltend gemacht werden:

  1. Vorsteuerbeträge für Gegenstände, die der Unternehmer zur Weiterveräußerung erworben oder eingeführt hat, einschließlich der Vorsteuerbeträge für Rohstoffe, Halberzeugnisse, Hilfsstoffe und Zutaten (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 UStDV). Die Umsätze aus der Weiterlieferung dürfen nicht in die Bemessungsgrundlage für die pauschale Vorsteuerermittlung einbezogen werden;
  2. Vorsteuerbeträge
    1. für Lieferungen von Gebäuden, Grundstücken und Grundstücksteilen,
    2. für Ausbauten, Einbauten, Umbauten und Instandsetzungen bei den in 2a) bezeichneten Gegenständen;
  3. für Leistungen i.S.d. § 4 Nr. 12 UStG. Es handelt sich dabei um Vorsteuern für die steuerpflichtige Anmietung von Räumlichkeiten. Nicht ausgeschlossen sind auch Vorsteuerbeträge für die kurzfristige Anmietung von Wohn- und Schlafräumen i.S.d. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG. Bei der Anmietung eines Grundstücks sind die Vorsteuerbeträge zusätzlich zu berücksichtigen, die zu den nach § 4 Nr. 12 UStG bezeichneten Leistungen gehören. Damit sind auch die Vorsteuerbeträge abzugsfähig, die auf die mit der Vermietung in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden üblichen Nebenleistungen entfallen (Abschn. 4.12.1 Abs. 5 UStAE; anderer Auffassung s. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 23 UStG Rz. 60).

Die Ausnahmeregelung gilt jedoch nicht für diejenigen Vorsteuerbeträge, die mit Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art in Zusammenhang stehen, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind (§ 70 Abs. 2 Nr. 2 UStDV).

4.3. Wechsel der Besteuerungsform

Zu beachten ist, dass zusätzlich die gesondert in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge für Leistungen, die vor dem Wechsel von der Regelbesteuerung zur Vorsteuerpauschalierung ausgeführt wurden, abziehbar sind. Auf den Rechnungseingang kommt es nicht an (Abschn. 23.3 Abs. 2 i.V.m. Abschn. 15.1 Abs. 5 und 6 UStAE). Umgekehrt sind durch die Vorsteuerpauschalierung Vorsteuerbeträge für Leistungsbezüge abgegolten, die vor dem Wechsel zur Regelbesteuerung ausgeführt worden sind.

Beispiel 10:

Unternehmer U (Bäckerei) erwirbt im Dezember des Kj. 11 einen Pkw i.H.v. 40 000 € zzgl. 7 600 € USt. Die Rechnung dafür erhält er im Januar des Kj. 12. Im Kj. 12 wendet U erstmals die Vorsteuerpauschalierung des § 23 UStG an.

Lösung 10:

Unter den weiteren Voraussetzungen des § 23 UStG i.V.m. §§ 69 und 70 UStDV ist die Vorsteuerpauschalierung nach Abschn. A Teil 1 Nr. 1 der Anlage zu §§ 69, 70 UStDV zulässig. Für Leistungsbezüge, die ab dem 1.1.12 an U ausgeführt werden, werden sämtliche Vorsteuerbeträge mit einem Pauschalsteuersatz von 5,4 % des Umsatzes abgegolten (§ 70 Abs. 1 UStDV).

Der Abzug der gesondert ausgewiesenen USt i.H.v. 7 600 € ist neben dem pauschalen Vorsteuerabzug im Kj. 12 zulässig, weil vorher mangels Rechnung kein Vorsteuerabzug möglich war.

4.4. Vorsteuerberichtigung

Beim Übergang von der Vorsteuerpauschalierung nach § 23 UStG zum Vorsteuerabzug nach den allgemeinen Regeln und umgekehrt kommt eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG in Betracht, wenn ein Wirtschaftsgut während beider Zeiträume verwendet wird (§ 15a Abs. 7 UStG und Abschn. 15a.9 UStAE; → Vorsteuerberichtigung). Eine Vorsteuerberichtigung kann aus unterschiedlichen Gründen in Betracht kommen:

  1. Ein einheitlicher Gegenstand dient zwei Unternehmensteilen, nämlich einem pauschalierenden und einem nicht pauschalierenden Berufs- oder Gewerbezweig. Die Vorsteuern aus der Anschaffung sind nicht nach § 15 UStG abziehbar, soweit sie den nach § 23 UStG bzw. § 69 Abs. 2 UStDV pauschalierenden Umsätzen zuzurechnen sind. Werden diese Gegenstände abweichend von der bei Leistungsbezug gegebenen Verwendungsabsicht in einem anderen Umfang im jeweils anderen Unternehmensteil verwendet, kommt eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG in Betracht (Abschn. 15a.9 Abs. 5 UStAE).
  2. Eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG ist auch vorzunehmen, wenn im Zeitpunkt des Leistungsbezugs nur ein Unternehmensteil besteht, im Zeitpunkt der späteren Verwendung dann jedoch zwei Unternehmensteile bestehen und das Wirtschaftsgut in beiden Unternehmensteilen verwendet wird (Abschn. 15a.9 Abs. 6 Satz 1 UStAE).
  3. Ebenfalls ist die Vorsteuer zu berichtigen, wenn bei zwei Unternehmensteilen das Wirtschaftsgut erst ausschließlich in einem Teil verwendet wird und sich die Nutzung in einem Folgejahr ändert (Abschn. 15a.9 Abs. 6 Satz 2 UStAE).

5. Die einzelnen Berufs- oder Gewerbezweige der Anlage

5.1. Grundsätzliches

Die Durchschnittssätze sind für die in der Anlage zu §§ 69, 70 UStDV angegebenen Berufs- und Gewerbezweige festgesetzt. Die jeweils festgesetzten Durchschnittssätze können nur solche Unternehmer in Anspruch nehmen, die die wesentlichen Leistungen des Berufs- und Gewerbezweiges erbringen (Abschn. 23.2 Abs. 1 Satz 2 UStAE).

Die Anlage ist in zwei Abschnitte geteilt. Abschn. A führt diejenigen Berufs- und Gewerbezweige auf, bei denen mit den Durchschnittssätzen sämtliche Vorsteuerbeträge abgegolten sind (§ 70 Abs. 1 UStDV); dieser Abschnitt ist in vier Teile (I–IV) untergliedert: Handwerk, Einzelhandel, sonstige Gewerbebetriebe und freie Berufe. In Abschn. B sind diejenigen Berufs- und Gewerbezweige aufgezählt, bei denen nach § 70 Abs. 2 UStDV nur ein Teil der Vorsteuern durch den Durchschnittssatz abgegolten ist.

5.2. Handwerk

Erfasst von der Vollpauschalierung werden die Umsätze, die auf den jeweiligen Berufs- oder Gewerbezweig des Abschn. A Teil I Nr. 1 bis 23 der Anlage zu §§ 69 und 70 UStDV entfallen. Zusätzliche Umsätze aus anderen Berufs- oder Gewerbezweigen schließt die Anwendung der Durchschnittssätze nicht aus (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Für Nebentätigkeiten bis zu 25 % des Gesamtumsatzes können die Durchschnittssätze des jeweiligen Handwerks angewendet werden. Nebentätigkeiten über 25 % des Gesamtumsatzes sind aus den Umsätzen der Haupttätigkeit auszuscheiden und separat zu behandeln. Entweder ist die Vorsteuer aus der Nebentätigkeit nach § 15 UStG abziehbar oder die Nebentätigkeit unterliegt selbst einem Berufs- oder Gewerbezweig der Anlage und somit einem eigenen Durchschnittssatz (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 3–5 UStAE).

Eine Besonderheit ergibt sich beim Bäckereihandwerk mit Cafébetrieb (Abschn. A Teil I Nr. 1 der Anlage). Hier dürfen ausnahmsweise die Caféumsätze 10 % des Umsatzes nicht übersteigen. Wird diese Grenze überschritten, sind die Caféumsätze nicht in die Durchschnittssatzermittlung sowie in die Berechnung der Umsatzgrenze i.H.v. 61 356 € des § 69 Abs. 3 UStDV einzubeziehen.

5.3. Einzelhandel

Erfasst von der Vollpauschalierung werden die Umsätze, die auf den jeweiligen Berufs- oder Gewerbezweig des Abschn. A Teil II Nr. 1 bis 18 der Anlage zu §§ 69 und 70 UStDV entfallen. Zusätzliche Umsätze aus anderen Berufs- oder Gewerbezweigen schließt die Anwendung der Durchschnittssätze nicht aus (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Für Nebentätigkeiten unter 50 % des Gesamtumsatzes können die Durchschnittssätze des jeweiligen Handelsbetriebs angewendet werden (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 2 UStAE).

Eine Besonderheit ergibt sich bei Secondhandshops. Zur Anwendung der Vorsteuerpauschalierung von Secondhandshops (→ Differenzbesteuerung) nimmt die Vfg. der OFD Koblenz vom 1.9.1989 (S 7527 A – St 51 1/St 51 2/St 51 3, UR 1990, 228) Stellung. Ein Unternehmer, der im Rahmen eines Secondhandshops von Nichtunternehmern (Privatpersonen) erworbene gebrauchte Textilien verschiedener Art als Eigenhändler vertreibt, beantragt mit Abgabe seiner Umsatzsteuererklärung die Berechnung der abzugsfähigen Vorsteuerbeträge nach allgemeinen Durchschnittssätzen (12,3 % der Umsätze) gem. § 23 UStG i.V.m. § 70 UStDV und Abschn. A Teil II Nr. 15 der Anlage zu §§ 69 und 70 der UStDV.

Nach § 69 Abs. 1 Satz 2 UStDV gelten die für die Berechnung der abziehbaren Vorsteuerbeträge festgelegten Durchschnittssätze jeweils (nur) für die angegebenen Berufs- und Gewerbezweige. Nach § 70 UStDV i.V.m. Abschn. A Teil II Nr. 15 der Anlage zu §§ 69 und 70 der UStDV fallen darunter »Einzelhandelsbetriebe, die überwiegend Textilien vertreiben, ohne dass bestimmte Warenarten klar überwiegen«. Bei der Ermittlung der Prozentsätze wurden für die Ermittlung der Höhe dieser Sätze Gruppen von Unternehmern zusammengefasst, bei denen annähernd gleiche Verhältnisse vorliegen; denn die festgesetzten Durchschnittssätze müssen bei diesen Unternehmern im Ergebnis zu einer Steuer führen, die im Wesentlichen der Steuer entspricht, die sich ohne Anwendung der Durchschnittssätze ergeben würde (§ 23 Abs. 2 UStG). Unter Beachtung dieser Grundsätze können Secondhandshop-Unternehmer nicht unter die oben angeführte Nummer 15 (Einzelhandelsbetriebe, die überwiegend Textilien vertreiben, ohne dass bestimmte Waren klar überwiegen) untergeordnet werden; denn die Verhältnisse für den Vorsteuerabzug bei Einzelhandelsunternehmen mit steuerbelastetem Einkauf von Textilien und Einzelhandelsunternehmen ohne steuerbelasteten Einkauf von Textilien – wie beim Erwerb von Privatpersonen – sind derart unterschiedlich, dass davon ausgegangen werden muss, dass Secondhandshops bei der Ermittlung von Durchschnittssätzen für die Berechnung sämtlicher Vorsteuerbeträge nicht mitberücksichtigt wurden. Die Anwendung dieser Durchschnittssätze würde bei den Secondhandshops – wegen zu hoher Vorsteuerbeträge – zu einer unzutreffenden Steuer führen.

Eine weitere Besonderheit ergibt sich bei Hofläden (→ Land- und Forstwirtschaft). Mit Urteil vom 14.6.2007 (V R 56/05, BStBl II 2008, 158) hat der BFH entschieden, dass für zugekaufte Produkte die Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG nicht anzuwenden ist. Der (pauschalen) Umsatzbesteuerung nach Durchschnittssätzen gem. § 24 UStG unterliegt nur die Veräußerung selbsterzeugter landwirtschaftlicher Produkte. Dagegen ist die Veräußerung zugekaufter landwirtschaftlicher Produkte sowie die Veräußerung sog. Handelswaren nach den allgemeinen Vorschriften des UStG zu besteuern (s.a. Abschn. 24.1 Abs. 1 UStAE).

Nach dem BFH-Urteil vom 6.12.2001 (V R 43/00, BStBl II 2002, 701) ist zu prüfen, ob der Unternehmer im Hinblick auf die Veräußerung der Handelswaren Vorsteuerbeträge nach allgemeinen Durchschnittssätzen gem. § 23 UStG i.V.m. Abschn. A Teil II Nr. 7 der Anlage zu den §§ 69 und 70 UStDV beanspruchen kann.

5.4. Sonstige Gewerbebetriebe

Erfasst von der Vollpauschalierung werden die Umsätze, die auf den jeweiligen Berufs- oder Gewerbezweig des Abschn. A Teil III Nr. 1 bis 6 der Anlage zu §§ 69 und 70 UStDV entfallen. Zusätzliche Umsätze aus anderen Berufs- oder Gewerbezweigen schließen die Anwendung der Durchschnittssätze nicht aus (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Für Nebentätigkeiten bis zu 25 % des Gesamtumsatzes können die Durchschnittssätze des jeweiligen sonstigen Gewerbebetriebs angewendet werden. Nebentätigkeiten über 25 % des Gesamtumsatzes sind aus den Umsätzen der Haupttätigkeit auszuscheiden und separat zu behandeln. Entweder ist die Vorsteuer aus der Nebentätigkeit nach § 15 UStG abziehbar oder die Nebentätigkeit unterliegt selbst einem Berufs- oder Gewerbezweig der Anlage und somit einem eigenen Durchschnittssatz (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 3–5 UStAE).

Eine Besonderheit ergibt sich bei Fremdenheimen und Pensionen (Abschn. A Teil III Nr. 2 der Anlage). Der BFH hat mit Urteil vom 18.5.1995 (V R 7/94, BStBl II 1995, 751) zur Anwendung der Durchschnittssätze für Fremdenheime und Pensionen wie folgt entschieden: Die für Fremdenheime und Pensionen festgesetzten Durchschnittssätze zur Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge können nur solche Unternehmen in Anspruch nehmen, die ihre Gäste nicht nur beherbergen, sondern zusätzlich auch verpflegen. Eine unternehmerische Tätigkeit, bei der hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen keine annähernd gleichen Verhältnisse zu den in der Anlage zu §§ 69 und 70 UStDV bezeichneten Berufs- und Gewerbezweigen vorliegen, kann nicht schätzungsweise aufgeteilt werden, um den Vorsteuerabzug sowohl nach § 15 UStG als auch nach § 23 UStG i.V.m. §§ 69 und 70 UStDV zu ermitteln.

Bei der Auslegung der Begriffe Fremdenheime und Pensionen ist darauf abzustellen, dass es sich gem. § 23 Abs. 1 UStG bei den Berufs- und Gewerbezweigen, für die Durchschnittssätze festgelegt werden, um Gruppen von Unternehmern handeln soll, bei denen hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen annähernd gleiche Verhältnisse vorliegen. Die für Fremdenheime und Pensionen festgesetzten Durchschnittssätze können daher nur solche Unternehmer in Anspruch nehmen, die die wesentlichen Leistungen eines Fremdenheims oder einer Pension erbringen. Zu diesen wesentlichen Leistungen gehört nicht nur die Beherbergung, sondern auch die Verpflegung der Gäste. Hierin unterscheiden sie sich von Ferienhäusern und Ferienwohnungen, in denen Speisen und Getränke nicht abgegeben werden. Diese sich bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergebende Abgrenzung der verschiedenen Beherbergungsstätten findet sich auch in der Systematik der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen (WZ), die vom Statistischen Bundesamt herausgegeben wird und zur Definition und Abgrenzung der in der Anlage zu §§ 69, 70 UStDV genannten Berufs- und Gewerbezweige herangezogen werden kann. Gem. Nr. 711 15 WZ gehören zu Pensionen und Fremdenheimen Beherbergungsstätten, die jedermann zugänglich sind und in denen Speisen und Getränke nur an Hausgäste abgegeben werden. Beherbergungsstätten, die jedermann zugänglich sind und in denen Speisen und Getränke nicht abgegeben werden, gehören hingegen gem. Nr. 711 95 WZ zu den Ferienhäusern, Ferienwohnungen (s.a. FG München Urteil vom 10.7.2002, 3 K 521/02, EFG 2002, 1487, LEXinform 0813200, rkr.).

5.5. Freie Berufe

5.5.1. Grundsätzliches

Erfasst von der Vollpauschalierung werden die Umsätze, die auf den jeweiligen Berufs- oder Gewerbezweig des Abschn. A Teil IV Nr. 1 bis 5 der Anlage zu §§ 69 und 70 UStDV entfallen. Zusätzliche Umsätze aus anderen Berufs- oder Gewerbezweigen schließt die Anwendung der Durchschnittssätze nicht aus (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Für Nebentätigkeiten bis zu 25 % des Gesamtumsatzes können die Durchschnittssätze des jeweiligen freien Berufs angewendet werden. Nebentätigkeiten über 25 % des Gesamtumsatzes sind aus den Umsätzen der Haupttätigkeit auszuscheiden und separat zu behandeln. Entweder ist die Vorsteuer aus der Nebentätigkeit nach § 15 UStG abziehbar oder die Nebentätigkeit unterliegt selbst einem Berufs- oder Gewerbezweig der Anlage und somit einem eigenen Durchschnittssatz (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 3–5 UStAE).

5.5.2. Selbstständige Mitarbeiter bei Bühne, Film usw.

Besonderheiten ergeben sich bei den selbstständigen Mitarbeitern bei BühneFilm usw. Bei den unter Abschn. A Teil IV Nr. 2 der Anlage der UStDV genannten Berufen (Selbstständige Mitarbeiter bei Bühne, Film, Funk, Fernsehen und Schallplatten-Produzenten) bedeutet die Aufnahme in die Verordnung nicht, dass die Angehörigen dieses Berufskreises stets als selbstständige Unternehmer i.S.d. Umsatzsteuerrechts anzusehen sind. Diese Frage ist vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden (vgl. Abschn. 2.2 UStAE). Zu den selbstständigen Mitarbeitern bei Bühne, Film, Funk usw. können gehören: Aufnahmeleiter, Bühnenarchitekten, Bühnenbildner, Choreographen, Chorleiter, Conférenciers, Cutter, Dirigenten, Dramaturgen, Graphiker, Kabarettisten, Kameraleute, Kapellmeister, Kostümbildner, Lektoren, Maskenbildner, Musikarrangeure, Musikberater, Musiker, Produktionsassistenten, Produktionsleiter, Regisseure, Sänger, Schauspieler, Souffleusen, Sprecher, Standfotografen, Tänzer und Tonmeister (Abschn. 23.2 Abs. 3 UStAE).

5.5.3. Hochschullehrer

Eine weitere Besonderheit ist bei Hochschullehrern (Abschn. A Teil IV Nr. 3 der Anlage) zu beachten. Die Umsätze eines Hochschullehrers aus freiberuflicher Nebentätigkeit können, soweit der Umsatz nicht in § 4 Nr. 21 UStG bezeichnet ist, nach Abschn. A Teil IV Nr. 3 der Anlage der UStDV der Pauschalierung unterliegen. Eine Nebentätigkeit zur unselbstständigen Tätigkeit ist anzunehmen, wenn sie sich als Ausfluss der Hochschullehrertätigkeit darstellt. Nicht als Nebentätigkeit angesehen werden kann eine Tätigkeit, die vom ArbG der Haupttätigkeit vergütet wird und mit dieser unmittelbar zusammenhängt (vgl. BFH Urteil vom 29.1.1987, IV R 189/85, BStBl II 1987, 783). Die Nebentätigkeit muss von der Haupttätigkeit eindeutig abgrenzbar sein. Die Beurteilung, ob es sich um eine freiberufliche Tätigkeit handelt, richtet sich nach § 18 EStG (Abschn. 23.2 Abs. 4 UStAE).

Beispiel 11:

Herr U ist im Kj. 18 ordentlicher Professor an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät einer Universität. Daneben ist U als Lehrbuchautor tätig, außerdem als Dozent an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie – Studienakademie (VWA). Die VWA ist ein eingetragener Verein; sie unterhält im Auftrag des Bundeslandes im Rahmen der staatlichen Berufsakademie eine Studienakademie für die Fachgruppe Industrie des Ausbildungsbereichs Wirtschaft. Nach dem Schreiben des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst bereiten die an den Berufsakademien – Staatlichen Studienakademien – im Rahmen der Studienpläne tätigen nebenberuflichen Lehrbeauftragten mit ihren Leistungen die Studierenden auf einen Beruf und auf eine staatliche Prüfung ordnungsgemäß vor; die Berufsakademien – Staatliche Studienakademien – sind ermächtigt, entsprechende Bescheinigungen nach § 4 Nr. 21 UStG auszustellen. Die VWA hat eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt.

Herr U erklärt in seiner Umsatzsteuererklärung für das Kj. 18 aus seiner Dozententätigkeit an der VWA nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG steuerfreie Umsätze von 17 166 €, außerdem steuerpflichtige Umsätze von 2 027 € aus seiner Tätigkeit als Lehrbuchautor. Die Umsatzsteuer hierauf betrug 141,89 €. Herr U setzt nach § 23 UStG i.V.m. §§ 69, 70 UStDV und Abschn. A Abs. IV Nr. 3 der Anlage hierzu für die Umsätze aus freiberuflicher Nebentätigkeit zur unselbstständig ausgeübten wissenschaftlichen Tätigkeit als Hochschullehrer Vorsteuerbeträge von 556,60 € (2,9 % von 19 193 €) an und ermittelt eine negative Umsatzsteuerschuld von 414,71 €. Das FA lehnt es ab, die Umsätze aus der Dozententätigkeit in die Bemessungsgrundlage für die Durchschnittssatzbesteuerung einzubeziehen.

Lösung 11:

Der Sachverhalt und die Lösung ergeben sich aus dem BFH-Urteil vom 11.8.1994 (XI R 99/92, BStBl II 1995, 346).

Herr U ist im Kj. 18 als Hochschullehrer nichtselbstständig tätig. Mit seiner übrigen beruflichen Tätigkeit erfüllte er den Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 1 UStG; denn er ist als Dozent und Lehrbuchautor selbstständig und nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig. Der Unternehmer kann unter den Voraussetzungen des § 15 UStG Vorsteuerbeträge abziehen. Für die nach § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge oder die Grundlagen ihrer Berechnung können gem. § 23 UStG zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für Gruppen von Unternehmern durch Rechtsverordnung Durchschnittssätze festgesetzt werden. Die Festsetzung allgemeiner Durchschnittssätze und deren Umfang ist in den §§ 69 und 70 UStDV und der Anlage dazu geregelt. In Abschn. A Abs. IV Nr. 3 der Anlage ist ein Durchschnittssatz von 2,9 % des Umsatzes für Hochschullehrer, die Umsätze aus freiberuflicher Nebentätigkeit zur unselbstständig ausgeübten wissenschaftlichen Tätigkeit haben, festgesetzt.

Eine Nebentätigkeit zur unselbstständigen wissenschaftlichen Tätigkeit ist anzunehmen, wenn sie sich als Ausfluss der Hochschullehrertätigkeit darstellt. Nicht als Nebentätigkeit angesehen werden kann eine Tätigkeit, die vom ArbG der Haupttätigkeit vergütet wird und mit dieser unmittelbar zusammenhängt (vgl. BFH Urteil vom 29.1.1987, IV R 189/85, BStBl II 1987, 783). Die Nebentätigkeit muss von der Haupttätigkeit eindeutig abgrenzbar sein. Die Beurteilung, ob es sich um eine freiberufliche Tätigkeit handelt, richtet sich nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist eine freiberuflich ausgeübte Tätigkeit u.a. die selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit. Maßgebend für die Entscheidung der Frage, ob eine Tätigkeit selbstständig oder nichtselbstständig ausgeübt wird, ist das Gesamtbild der Verhältnisse (vgl. BFH-Urteil vom 4.10.1984, IV R 131/82, BStBl II 1985, 51).

Die Tätigkeiten des Herrn U als Lehrbuchautor wie auch als Dozent an der VWA sind als freiberufliche Nebentätigkeiten zur unselbstständigen Haupttätigkeit als Hochschullehrer anzusehen. Für die Selbstständigkeit der nebenberuflichen Dozententätigkeit spricht insbesondere, dass die Vergütung nach der Zahl der übernommenen Wochenstunden bemessen wird, mithin kein Anspruch auf bezahlten Urlaub und auf Weihnachtsgeld besteht. Außerdem besteht kein Anrecht auf Kündigungsschutz und auf die Erteilung eines Lehrauftrags nach Abschluss eines Semesters. Die Umsätze des U aus der nebenberuflichen Dozententätigkeit an der VWA sind steuerfrei (→Lehrtätigkeit und Unterrichtsvergütung) nach § 4 Nr. 21 UStG.

Grundsätzlich zählen zur Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Vorsteuerabzugs nach Durchschnittssätzen auch steuerfreie Umsätze, soweit sie nicht besonders ausgenommen sind. Dies ergibt sich aus § 69 Abs. 1 und 2 UStDV, wonach der Umsatz zugrunde zu legen ist, den der Unternehmer im Rahmen der in der Anlage bezeichneten Berufs- und Gewerbezweige im Inland ausführt, mit Ausnahme der Einfuhr, des innergemeinschaftlichen Erwerbs und der in § 4 Nr. 8, Nr. 9 Buchst. a, Nr. 10 und Nr. 21 UStG bezeichneten Umsätze. Diese Ausgliederung bestimmter steuerfreier Umsätze bedeutet, dass die übrigen steuerfreien Umsätze in die Bemessung des zugrunde zu legenden Umsatzes eingehen. Zwar ist in § 23 Abs. 2 UStG bestimmt, dass die Durchschnittsätze zu einer Steuer führen müssen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach dem UStG ohne Anwendung der Durchschnittsätze ergeben würde. Diese Vorschrift wendet sich aber ausschließlich an den Verordnungsgeber. Sie legt keine zusätzliche und im Einzelfall zu beachtende tatbestandsmäßige Auslegung für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs nach Durchschnittssätzen fest. Auch der Verordnungsgeber braucht nicht den Willen gehabt zu haben, wesentliche Abweichungen im Einzelfall zu vermeiden; lediglich für Gruppen von Unternehmern soll es nicht zu wesentlichen Abweichungen kommen. Andernfalls könnte der Zweck der Vorschrift, das Besteuerungsverfahren zu vereinfachen, nicht verwirklicht werden (BFH Urteil vom 11.1.1990, V R 189/84, BStBl II 1990, 405). Diesem Vereinfachungszweck entspricht es, dass nicht nur steuerpflichtige, sondern auch steuerfreie Umsätze in die Bemessungsgrundlage der Durchschnittsätze für den Vorsteuerabzug eingehen.

Zu Recht hat das FA die Umsätze aus der Dozententätigkeit des U an der VWA nicht in die Bemessungsgrundlage für die Anwendung des Durchschnittssatzes einbezogen, da der Umsatz in § 4 Nr. 21 UStG bezeichnet ist.

Herrn U steht für das Kj. 18 ein pauschaler Vorsteuerabzug i.H.v. 58,78 € (2,9 % von 2 027 €) zu.

Der Vorsteuerpauschalierung unterliegen freiberufliche Tätigkeiten zur unselbstständig ausgeübten wissenschaftlichen Tätigkeit. Die Tätigkeit muss Ausfluss der Hochschullehrertätigkeit sein. In Betracht kommen vor allem wissenschaftliche Tätigkeiten als Schriftsteller (beachte aber auch Abschn. A Teil IV Nr. 5 der Anlage), Gutachter, Prüfer, Lehrer, Vortragender usw. auf dem gesamten Fachgebiet, zu dem das vom Hochschullehrer hauptberuflich an der Hochschule vertretene Fach gehört. Eine schriftstellerische Tätigkeit auf dem Fachgebiet des Hochschullehrers wird bei der Vorsteuerpauschalierung nicht der schriftstellerischen Tätigkeit zugeordnet, sondern der Hochschullehrertätigkeit (s.a. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 23 UStG Rz. 93). Die Vorsteuer ist mit 2,9 % statt mit 2,6 % des Umsatzes (Schriftsteller) zu pauschalieren.

Der Begriff des Hochschullehrers ist nach der Definition der Hochschule nach dem Hochschulrahmengesetz (HRG vom 26.1.1976, BGBl I 1976, 18) zu klären.

Hochschulen i.S.d. § 1 HRG sind

  • die Universitäten,
  • die Pädagogischen Hochschulen,
  • die Kunsthochschulen,
  • die Fachhochschulen und
  • die sonstigen Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind.

Das HRG betrifft auch die staatlich anerkannten Hochschulen.

Der Begriff des Hochschullehrers ist in § 42 HRG definiert. Das hauptberuflich tätige wissenschaftliche und künstlerische Personal der Hochschule besteht insbesondere aus den Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern, den wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Lehrkräften für besondere Aufgaben. Lediglich die Hochschullehrer, und nicht die wissenschaftlichen Mitarbeiter und die Lehrkräfte für besondere Aufgaben, sind in Abschn. A Teil IV Nr. 3 der Anlage zu §§ 69 und 70 UStDV genannt.

Die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer nehmen die ihrer Hochschule jeweils obliegenden Aufgaben in Wissenschaft und Kunst, Forschung, Lehre und Weiterbildung in ihren Fächern nach näherer Ausgestaltung ihres Dienstverhältnisses selbstständig wahr (§ 43 HRG).

Fraglich ist, ob die Vorsteuerpauschalierung auch pensionierten bzw. emeritierten Hochschullehrern zusteht. Nach der Definition der Nr. 3 in Abschn. A Teil IV der Anlage kommt die Pauschalierung nur für die aktiven Hochschullehrer in Betracht (Tätigkeit »zur unselbstständig ausgeübten wissenschaftlichen Tätigkeit«). Allerdings stehen nach § 36 Abs. 2 HRG den Professoren nach dem Eintritt in den Ruhestand die mit der Lehrbefugnis verbundenen Rechte zur Abhaltung von Lehrveranstaltungen und zur Beteiligung an Prüfungsverfahren zu. Eine Nebentätigkeit bleibt auch mit Eintritt in den Ruhestand weiterhin eine solche und ist somit weiterhin unter den Voraussetzungen des § 23 UStG i.V.m. §§ 69 und 70 UStDV für eine Vorsteuerpauschalierung zu berücksichtigen.

Beispiel 12:

Herr X, Dozent an der Hochschule für Finanzen in E veröffentlicht jährlich einige Aufsätze in einer Fachzeitschrift und erhält dafür vom Verlag 2 000 €. Er nimmt ferner an juristischen Staatsprüfungen teil und erhält dafür 4 000 € Aufwandsentschädigungen.

Lösung 12:

Als Dozent an der Hochschule für Finanzen in E übt Herr X als Hochschullehrer eine unselbstständige wissenschaftliche Tätigkeit aus.

Beide Tätigkeiten sind Umsätze aus freiberuflicher Tätigkeit zur unselbstständig ausgeübten wissenschaftlichen Tätigkeit als Hochschullehrer i.S.d. Abschn. A Teil IV Nr. 3 der Anlage zur UStDV. Wenn X auf die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 2 UStG verzichtet, schuldet er 140 € USt (2 000 € × 7 %). Die Mitwirkung an juristischen Staatsprüfungen begründet die Unternehmereigenschaft und ist als sog. ehrenamtliche Tätigkeit steuerfrei nach § 4 Nr. 26 Buchst. a UStG, da sie für eine juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeübt wird. Bei der Vorsteuerpauschalierung werden auch diese steuerfreien Einnahmen einbezogen; die Vorsteuerpauschale beträgt 2,9 % von 6 000 € = 174 €, so dass X einen Vergütungsanspruch i.H.v. 34 € hat.

5.5.4. Journalisten

Die Grenzen zwischen den Berufen der Journalisten und Schriftsteller (Abschn. A Teil IV Nr. 4 und 5 der Anlage der UStDV) sind nicht immer eindeutig, da auch die Grundlage des Journalistenberufs eine schriftstellerische oder dieser ähnliche Betätigung ist. Der Journalist ist im Hauptberuf regelmäßig für Zeitungen oder Zeitschriften tätig. Er kann jedoch auch in Nachrichten- und Korrespondenzbüros, bei Pressestellen, in der Werbung oder bei Film und Funk arbeiten. Der Journalist sammelt überwiegend aktuelle Informationen und Nachrichten entweder mit Hilfe von Nachrichtenbüros oder durch Reisen, Reportagen, Umfragen usw. und verarbeitet dieses Nachrichten- und Informationsmaterial in die für den Auftraggeber erforderliche überwiegend schriftstellerische Form (Abschn. 23.2 Abs. 4 UStAE).

5.5.5. Schriftsteller

Die für Schriftsteller festgesetzten Durchschnittssätze können auch von Komponisten, Liederdichtern und Librettisten angewendet werden, nicht jedoch für Übersetzer (vgl. BFH Urteil vom 23.7.2009, V R 66/07, BStBl II 2009, 86; Abschn. 23.2 Abs. 6 UStAE). Die Vorsteuerpauschalierung zum Zwecke der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens nach § 23 UStG i.V.m. § 70 UStDV für bestimmte Berufsgruppen erfordert, dass das FA den Unternehmer leicht und eindeutig einer der in § 70 UStDV genannten Berufsgruppe zuordnen kann. Übersetzer sind keine »Schriftsteller« i.S.d. Anlage zu den §§ 69 und 70 UStDV Abschn. A Teil IV. Nr. 5. Eine einzelfallorientierte Zuordnung von Übersetzern zu dieser Berufsgruppe oder von Untergruppen der Übersetzer (Literaturübersetzer, Fachübersetzer), je nach der Übersetzungstiefe oder dem wissenschaftlichen Gehalt der Übersetzung, widerspricht dem Vereinfachungszweck.

Die schriftstellerische Tätigkeit eines Hochschullehrers auf seinem Fachgebiet fällt unter Abschn. A Teil IV Nr. 3 der Anlage (s.o.).

5.6. Berufs- und Gewerbezweige des Abschnitts B der Anlage

5.6.1. Grundsätzliches

Es handelt sich um Fälle der Teilpauschalierung i.S.d. § 70 Abs. 2 UStDV (s.o.). Erfasst von der Teilpauschalierung werden die Umsätze, die auf den jeweiligen Berufs- oder Gewerbezweig des Abschn. B Nr. 1 bis 6 der Anlage zu §§ 69 und 70 UStDV entfallen. Zusätzliche Umsätze aus anderen Berufs- oder Gewerbezweigen schließt die Anwendung der Durchschnittssätze nicht aus (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Für Nebentätigkeiten bis zu 25 % des Gesamtumsatzes können die Durchschnittssätze des jeweiligen Berufs- oder Gewerbezweigs angewendet werden. Nebentätigkeiten über 25 % des Gesamtumsatzes sind aus den Umsätzen der Haupttätigkeit auszuscheiden und separat zu behandeln. Entweder ist die Vorsteuer aus der Nebentätigkeit nach § 15 UStG abziehbar oder die Nebentätigkeit unterliegt selbst einem Berufs- oder Gewerbezweig der Anlage und somit einem eigenen Durchschnittssatz (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 3–5 UStAE).

Beispiel 13:

Ein Rechtsanwalt hat seit Jahren Umsätze aus der freiberuflichen Tätigkeit i.H.v. 140 000 € und aus einer nebenberuflichen schriftstellerischen Tätigkeit i.H.v. 60 000 €.

Lösung 13:

Die Umsätze aus der schriftstellerischen Nebentätigkeit betragen 30 % des Gesamtumsatzes und übersteigen die 25 %-Grenze. Nach Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 4 UStAE ist die schriftstellerische Tätigkeit nicht in die Haupttätigkeit einzubeziehen.

Da die Umsätze aus der Rechtsanwaltstätigkeit die maßgebliche Umsatzgrenze des § 70 Abs. 3 UStDV i.H.v. 61 356 € übersteigen, kann für diese Tätigkeit die Vorsteuerpauschalierung des Abschn. B Nr. 4 der Anlage nicht in Anspruch genommen werden. Für die schriftstellerische Tätigkeit besteht jedoch die Möglichkeit, die Vorsteuer nach Abschn. A Teil IV Nr. 5 der Anlage mit 2,6 % des maßgeblichen Umsatzes zu pauschalieren (Abschn. 23.2 Abs. 2 Satz 5 UStAE).

5.6.2. Architekten

Architekten können die Vorsteuer mit 1,9 % des Umsatzes pauschalieren. Zusätzlich können die in § 70 Abs. 2 UStDV genannten Vorsteuerbeträge berücksichtigt werden. Allerdings sind Film- und Bühnenarchitekten ausdrücklich ausgenommen. Diese Tätigkeiten sind dem Berufs- oder Gewerbezweig des Abschn. A Teil IV Nr. 2 der Anlage zuzuordnen (s. Abschn. 23.2 Abs. 3 Satz 3 UStAE).

5.6.3. Patentanwälte

Der für Patentanwälte (Abschn. B Nr. 3 der Anlage der UStDV) festgesetzte Durchschnittssatz kann auch von Erlaubnisscheininhabern (Patentingenieure) in Anspruch genommen werden. Es handelt sich dabei um Personen, die eine freiberufliche Tätigkeit als Rechtsberater und -vertreter auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes auf Grund eines Erlaubnisscheins ausüben, den ihnen der Präsident des Deutschen Patentamtes erteilt hat (Abschn. 23.2 Abs. 7 UStAE).

6. Durchschnittssatz für bestimmte Personenvereinigungen nach § 23a UStG

Gem. § 23a UStG besteht bei gemeinnützigen Vereinen die Möglichkeit der Vorsteuerpauschalierung (→ Gemeinnützigkeit). Dieser Pauschbetrag beträgt 7 % des steuerpflichtigen Umsatzes. Die tatsächliche Vorsteuer gilt damit als vollständig abgegolten. Die Pauschalierung kann angewendet werden von gemeinnützigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG),

  • die nicht buchführungspflichtig sind (→ Buchführungspflicht) und
  • deren Vorjahresumsatz 35 000 € nicht überschritten hat.

Die Inanspruchnahme der Pauschalierung bindet den Verein für mindestens fünf Kj.

Für die Anwendbarkeit der Regelung zur Berechnung der abziehbaren Vorsteuerbeträge nach Durchschnittssätzen gem. § 23a UStG ist im ersten Kj. der unternehmerischen Betätigung der voraussichtliche Umsatz dieses Jahres maßgebend (BFH Urteil vom 27.6.2006, V B 143/05, BStBl II 2006, 732).

Beispiel 14:

Ein gemeinnütziger Verein hat im Kj. 12 folgende steuerpflichtige Einnahmen:

  • aus sportlichen Veranstaltungen
10 000 €
  • aus Getränkeverkauf
10 000 €
gesamte steuerpflichtige Umsätze20 000 €

Lösung 14:

Der Verein hat folgende USt zu zahlen:

  • für sportliche Veranstaltungen 7 % gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG

    10 000 € : 107 × 7

    Nettoumsatz: 9 345,80 €

654,20 €
  • für Getränkeverkauf 19 % gem. § 12 Abs. 1 UStG

    10 000 € : 119 × 19

    Nettoumsatz: 8 403,36 €

1 596,64 €
Umsatzsteuer2 250,84 €
abzüglich pauschalierter Vorsteuer vom Nettoumsatz

17 749,16 € × 7 %

./. 1 242,44 €
Umsatzsteuerzahllast1 008,40 €

7. Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG

Die Durchschnittssätze des § 24 UStG sind nur auf Umsätze anzuwenden, die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführt werden. Unter Beachtung der Rechtsprechung des EuGH ist § 24 UStG dahin auszulegen, dass solche Umsätze nur die Lieferungen selbst erzeugter landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die landwirtschaftlichen Dienstleistungen sind, auf die die Pauschalregelung nach Art. 295 bis 305 MwStSystRL Anwendung findet. Andere Umsätze, die der Unternehmer im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs sowie außerhalb dieses Betriebs tätigt, unterliegen der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes (EuGH Urteile vom 15.7.2004, C-321/02, LEXinform 0175055 und vom 26.5.2005, C-43/04, LEXinform 0175744, sowie BFH Urteile vom 25.11.2004, V R 8/01, BStBl II 2005, 896, vom 22.9.2005, V R 28/03, BStBl II 2006, 280, vom 12.10.2006, V R 36/04, BStBl II 2007, 485 und vom 14.6.2007, V R 56/05, BStBl II 2008, 158; Abschn. 24.1 Abs. 1 UStAE).

Zur umsatzsteuerrechtlichen Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG siehe die ausführlichen Erläuterungen unter → Land- und Forstwirtschaft.

8. Literaturhinweise

Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer (Loseblatt).

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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Durch das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 wurde mit Wirkung ab dem 19.12.2006 die Erledigung von Massenanträgen und Masseneinsprüchen durch Allgemeinverfügung eingeführt.

1. Allgemeines
Zur Teil-Einspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a AO) und zur Allgemeinverfügung (§ 172 Abs. 3, § 367 Abs. 2b AO) s.a. OFD Karlsruhe vom 15.3.2007 (S 0625/25 – St 332, LEXinform 5230695).

Eine Teil-Einspruchsentscheidung nach § 367 Abs. 2a AO ist im → Einspruchsverfahren insbesondere dann sachdienlich, wenn

  • der Einspruchsführer strittige Rechtsfragen aufwirft, die Gegenstand eines beim EuGH, beim BVerfG oder bei einem obersten Bundesgericht anhängigen Verfahrens sind,
  • der Einspruchsführer sich auf dieses Verfahren beruft,
  • der Erlass einer Fortsetzungsmitteilung gem. § 363 Abs. 2 Satz 4 AO (vgl. AEAO zu § 363, Nr. 4) nicht in Betracht kommt und
  • der Einspruch im Übrigen entscheidungsreif ist.

§ 367 Abs. 2b AO ermöglicht den Finanzbehörden, anhängige Einsprüche, die eine vom EuGH, BVerfG oder BFH entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, durch Allgemeinverfügung zurückzuweisen. Damit erübrigt sich, in Masseneinspruchsfällen für jeden Einspruch eine individuelle Einspruchsentscheidung zu fertigen. Gegen die Allgemeinverfügung können die von ihr betroffenen Einspruchsführer Klage erheben. Abweichend von § 47 Abs. 1 FGO endet gem. § 367 Abs. 2b Satz 5 AO die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe der Allgemeinverfügung (= Tag nach der Herausgabe des BStBl, in dem die Allgemeinverfügung veröffentlich wird).

2. Erledigung von Massenanträgen nach § 172 Abs. 3 AO

2.1. Verfahren

Analog § 367 Abs. 2b AO sollen unbegründete, außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens gestellte Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung nach einer höchstrichterlichen Klärung der im Antrag aufgeworfenen Rechtsfrage nach § 172 Abs. 3 AO rationell abgewickelt werden können. Die Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung beziehen sich auf anhängige Verfahren vor dem EuGH, dem BVerfG und dem BFH. Kann nach Ausgang des Verfahrens den Anträgen nicht entsprochen werden, sind die Anträge durch Allgemeinverfügung zurückzuweisen.

2.2. Ausschluss des Einspruchsverfahrens

Der Ausschluss des Einspruchs in Fällen, in denen außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung durch Allgemeinverfügung nach § 172 Abs. 3 AO erledigt wurden (§ 348 Nr. 6 AO), dient der rationelleren Abwicklung von Massenrechtsbehelfsverfahren. Es würde dem Sinn und Zweck der vorgenannten Regelung entgegenstehen, wenn über die höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage erneut im Rahmen eines Einspruchsverfahrens entschieden werden müsste. Der Rechtsweggarantie wird durch die Klagemöglichkeit mit einer auf ein Jahr verlängerten Klagefrist (abweichend von der Grundregel des § 47 Abs. 1 FGO) hinreichend Rechnung getragen.

3. Erledigung von Masseneinsprüchen nach § 367 Abs. 2b AO

§ 367 Abs. 2b AO soll es den obersten Finanzbehörden ermöglichen, durch eine Allgemeinverfügung (§ 118 Satz 2 AO) Einsprüche, die eine vom EuGH, vom BVerfG oder vom BFH entschiedene Rechtsfrage betreffen, insoweit zurückzuweisen. Der Einspruchsführer wird in diesen Fällen wegen der höchstrichterlichen Klärung in der Regel kein Interesse mehr daran haben, dass über seinen Rechtsbehelf förmlich entschieden wird.

Für die Finanzbehörde bedeutet der Erlass einer förmlichen Einspruchsentscheidung (§§ 366, 367 AO) bei dieser Sachlage eine unnötige und überflüssige Belastung. Im Gegensatz zu § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ist es für eine Zurückweisung der Einsprüche durch Allgemeinverfügung nicht erforderlich, dass die Stpfl. sich in ihren Einsprüchen auf das Verfahren vor dem EuGH, dem BVerfG oder dem BFH gestützt haben.

Ob die oberste Finanzbehörde eine Allgemeinverfügung erlässt, steht in ihrem Ermessen. Sie wird von der Möglichkeit einer Allgemeinverfügung nur in den vorgenannten »Massenfällen« Gebrauch machen. Neben der Veröffentlichung im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen kann es angezeigt sein, die Allgemeinverfügung auch durch Pressemitteilungen und durch Aushänge in den Finanzbehörden der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Der Rechtsweggarantie wird durch die Klagemöglichkeit mit einer auf ein Jahr verlängerten Klagefrist hinreichend Rechnung getragen. § 367 Abs. 2b Satz 6 AO stellt klar, dass eine Klage auch dann gegen die Finanzbehörde, die den mit dem Einspruch angegriffenen Verwaltungsakt erlassen hat, und nicht gegen die oberste Finanzbehörde zu richten ist, wenn der Stpfl. die durch Allgemeinverfügung angeordnete Zurückweisung seines Einspruchs angreift.

Wurde der Einspruch auch wegen anderer Fragen eingelegt, wird er insoweit von der Zurückweisung durch Allgemeinverfügung nicht erfasst. Das Einspruchsverfahren bleibt somit weiterhin anhängig. Über die Rechtsfrage, die Gegenstand der Allgemeinverfügung war, kann in einer eventuell notwendig werdenden Einspruchsentscheidung nicht erneut entschieden werden. Zu berücksichtigen ist dann, dass für eine Klage nach einer Zurückweisung durch Allgemeinverfügung und für eine Klage nach Erlass einer Einspruchsentscheidung durch die örtlich zuständige Finanzbehörde unterschiedliche Fristen gelten.

Die Änderungen treten am Tag nach der Verkündung des vorliegenden Änderungsgesetzes in Kraft.

4. Allgemeinverfügung zum häuslichen Arbeitszimmer

Die Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder vom 30.4.2018 (BStBl I 2018, 606) regelt, dass am 30.4.2018 anhängige und zulässige Einsprüche gegen Festsetzungen der Einkommensteuer, gegen gesonderte und einheitliche Feststellungen von Einkünften oder gegen gesonderte Gewinnfeststellungen hiermit zurückgewiesen werden, soweit mit den Einsprüchen geltend gemacht wird, die Nichtabziehbarkeit der Aufwendungen für ein nicht ausschließlich oder nicht nahezu ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutztes häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b oder § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG) sei einfachgesetzlich fraglich oder verstoße gegen das Grundgesetz.

Gegen diese Allgemeinverfügung können die von ihr betroffenen Steuerpflichtigen Klage erheben. Ein Einspruch ist insoweit ausgeschlossen. Die Klage ist bei dem Finanzgericht zu erheben, in dessen Bezirk sich das Finanzamt befindet, das den von dieser Allgemeinverfügung betroffenen Verwaltungsakt erlassen hat. Sie ist schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Finanzgerichts zu erklären und gegen das zuständige Finanzamt zu richten. Die Frist für die Erhebung der Klage beträgt ein Jahr. Sie beginnt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem diese Allgemeinverfügung veröffentlicht wird. Die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage innerhalb der Frist bei dem zuständigen Finanzamt angebracht oder zur Niederschrift gegeben wird.

5. Übersicht über die bisher erlassenen Allgemeinverfügungen

Allgemeinverfügung vom …FundstelleGrundLEXinform
30.3.2007BStBl I 2007, 274 vom 23.4.2007Verfassungswidrigkeit des GrStG5230690 und 5230799
22.7.2008BStBl I 2007, 746 vom 18.8.2008Verfassungswidrigkeit der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen5231583
22.7.2008BStBl I 2007, 747 vom 18.8.2008Verfassungswidrigkeit des SolZG (s.a. BMF vom 14.5.2008, BStBl I 2008, 587)5231582
2.3.2011BStBl I 2011, 243 vom 2.3.2011Verfassungsmäßigkeit der Nichtabziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten als Betriebsausgaben oder Werbungskosten und der begrenzten Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten als außergewöhnliche Belastung5233214
9.1.2012BStBl I 2012, 12Verfassungsmäßigkeit der Verzinsung nach §§ 233a, 238 AO5233711
25.3.2013BStBl I 2013, 348Steuerberatungskosten als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG5234438
22.7.2013BStBl I 2013, 862Zuteilung einer Steueridentifikationsnummer nach § 139b AO oder die Speicherung der Daten nach § 139b Abs. 3 AO5234603
13.12.2013BStBl I 2013, 16061 %-Regelung für private Pkw-Nutzung5234810
27.2.2014BStBl I 2014, 238Verfassungsmäßigkeit des pauschalen Kilometergeldansatzes bei Dienst- oder Geschäftsreisen5234918
3.11.2014BStBl I 2014, 1403Verfassungsmäßigkeit der beschränkten Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten in den Veranlagungszeiträumen 2006 bis 20115235275
9.4.2015BStBl I 2015, 243Anrechnung der gesamten steuerfreien Zuschüsse zu einer Kranken- oder Pflegeversicherung auf Beiträge zu einer privaten Basiskrankenversicherung oder Pflege-Pflichtversicherung
16.12.2015BStBl I 2015, 1078Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes nach § 238 AO
16.11.2017BStBl I 2017, 1446Steuerpflicht bei Zuwendungen an umlagefinanzierte Zusatzversorgungseinrichtungen
6.3.2018BStBl I 2018, 307Verrechnung von Altverlusten aus Termingeschäften mit Neuerträgen gem. § 3 Abs. 4 InvStG5255144
30.4.2018BStBl I 2018, 606Nichtabziehbarkeit der Aufwendungen für ein nicht ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutztes häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b oder § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG)5236607
3.6.2019BStBl I 2019, 470Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens (§ 19 Abs. 1, §§ 68 und 70, § 129 Abs. 2 BewG
11.10.2019BStBl I 2019, 949Regelung zu den ermäßigten Biersteuersätzen für kleinere Brauereien in § 2 Abs. 2 des Biersteuergesetzes 1993 in der Fassung des Artikels 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 29.12.2003 (BGBl I 2003, 3076) verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

Abb.: Allgemeinverfügungen

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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